L 6 SB 102/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 30 (5) SB 321/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 SB 102/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 22. Juli 2003 (S 30 (5) SB 321/02) wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden Verschuldenskosten i.H.v. 300,00 Euro auferlegt. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die von ihm angenommene Untätigkeit des Beklagten (§ 88 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der 1932 geborene Kläger, bei dem der Beklagte mit Bescheid vom 02.05.2000 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Gehbehinderung) festgestellt hat, beantragte am 24.12.2001 die Anerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung). Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22.04.2002 ab. Auf den Widerspruch des Klägers vom 26.4.2002 forderte der Beklagte zunächst eine Begründung an. In der Folgezeit gab er die Akten zur Durchführung eines vom Kläger eingeleiteten Berufungsverfahrens (L 6 SB 55/02) an das Landessozialgericht ab. Auf zwischenzeitliche Erinnerungen des Klägers an die Bescheidung seines Widerspruchs teilte der Beklagte mit, dass weitere Nachricht nach Abschluss der Ermittlungen ergehe. Im Rahmen dieser Ermittlungen zog der Beklagte Unterlagen des Gesundheitsamts E bei und holte eine Auskunft der Bergbau-Berufsgenossenschaft ein, die ergab, dass der Kläger dort Rechtsstreite wegen der Anerkennung der Berufskrankheiten 2102, 2103, 2108, 2109, 2301, 4101 und 4111 führte. Im Übrigen holte der Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers, Dr. L, Dr. A und Dr. S aus November und Dezember 2002 ein.

Der Kläger hat am 11.11.2002 beim Sozialgericht (SG) Duisburg Untätigkeitsklage erhoben. Das SG hat das Verfahren im Hinblick auf die andauernden Ermittlungen des Beklagten mit Beschluss vom 07.01.2003 bis zum 24.02.2003 zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers ausgesetzt. Am 14.01.2003 hat der Beklagte nach Auswertung der medizinischen Unterlagen einen ablehnenden Widerspruchsbescheid erteilt. In der Begründung hat er auf die in der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung genannten Bestimmungen sowie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" nicht erfülle.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 21.01.2003 (neue) Klage zum SG Duisburg (Az. S 5 SB 22/03) erhoben. Die Anfrage des SG, ob er die Untätigkeitsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheides und im Hinblick auf die bereits erhobene weitere Klage für erledigt erkläre, hat der Kläger in der Sache unbeantwortet gelassen. Das SG hat den Kläger auf die Rechtslage und auf die Absicht, den Rechtsstreit gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, hingewiesen. Anschließend hat es die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die zunächst zulässig erhobene Untätigkeitsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheides mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden sei. Der Kläger habe gegen den ablehnenden Bescheid zudem eine neue Klage erhoben, statt den auf Erteilung des Widerspruchsbescheides gerichteten Antrag umzustellen.

Der Kläger hat gegen den am 25.07.2003 zugestellten Gerichtsbescheid am 29.07.2003 Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung hat er, nachdem ihm das Zusammenwirken beider Klagen erläutert worden ist, erklärt, ihm gehe es in beiden Verfahren um den Nachteilsausgleich "aG". Er wolle auch eine Entscheidung über die Untätigkeitsklage.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 22. Juli 2003 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen begründeten Widerspruchsbescheid zu erteilen, hilfsweise, den Gerichtsbescheid aufzuheben und die Streitsache an das Sozialgericht Duisburg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig.

Der Senat hat die Streitsachen L 6 SB 102/03 (Untätigkeitsklage) und L 6 SB 108/03 (Merkzeichen "aG") mit Einverständnis der Beteiligten gemeinsam verhandelt. Er hat den Kläger nach einer Zwischenberatung auf die Aussichtslosigkeit beider Rechtsstreite und insbesondere darauf hingewiesen, dass ein Grund für die Fortführung der Untätigkeitsklage nicht ersichtlich sei. Die Vorschrift des § 192 SGG ist dem Kläger erläutert und ihm dargelegt worden, dass das Gericht von der Möglichkeit der Auferlegung der sogenannten Verschuldenskosten Gebrauch machen werde. Der Kläger hat auf der Fortführung der Verfahren mit dem Hinweis bestanden, dass er eine Klage, die er einmal erhoben habe, nie zurück nehme.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten der gemeinsam verhandelten Rechtsstreite L 6 SB 102/03 (Untätigkeitsklage) und L 6 SB 108/03 (Merkzeichen "aG"), auf die beigezogenen Prozessakten L 7 SB 126/01 LSG NRW = S 23 SB 258/00 SG Duisburg; S 22 SB 13/93 SG Duisburg sowie die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids ist die Hauptsache (gemäß § 88 SGG das Begehren auf Erteilung eines Widerspruchsbescheids) erledigt, auch wenn der Kläger nach wie vor mit dem Antrag auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" materiell-rechtlich beschwert ist.

Die Klage ist auch dann unzulässig, wenn man den im Berufungsverfahren gestellten Antrag des Klägers so deutet, dass der Kläger die Untätigkeitsklage nunmehr als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (gerichtet auf die Anerkennung des Nachteilsausgleichs "aG") fortführen will. Soweit darin eine in der Regel sachdienliche Klageänderung zu sehen ist (hierzu Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 88 Anm. 10a), steht dieser der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen. Der Kläger hat eine Klage mit gleichem Streitgegenstand bereits am 21.01.2003 zum SG Duisburg (Aktenzeichen S 5 SB 22/03, jetzt Berufungsverfahren L 6 SB 108/03) erhoben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zwar hat der Beklagte die in § 88 Abs. 2 SGG genannte Frist von drei Monaten zur Erteilung eines Widerspruchsbescheids überschritten. Diese Überschreitung ist aber vom Kläger dadurch veranlasst worden, dass er den Beklagten ebenso wie das Sozialgericht Duisburg und das Landessozialgericht seit Jahren mit einer Fülle von Anträgen und Klageverfahren überzieht, so dass die Verwaltungsakten dem zuständigen Sachbearbeiter kaum je zur ordnungsgemäßen Bearbeitung zur Verfügung stehen. Die Bearbeitung erschwert der Kläger weiter durch regelmäßige Eingaben an eine Vielzahl anderer Behörden wie das Innenministerium, das Justizministerium sowie den Petitionsausschuss des Landtags, durch Strafanzeigen und Strafanträge bei der Staatsanwaltschaft und Befangenheitsanträge gegen Richter.

Soweit dem Kläger Gerichtskosten auferlegt werden, beruht dies auf der Vorschrift des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in der seit dem 02.01.2002 geltenden Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des SGG vom 17.08.2001 (BGBl. I, 2144, 2151). Der Kläger hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihm der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung nach einer Zwischenberatung des Senats die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und ihn auf die Möglichkeit der Auferlegung von Kosten bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen hat. Es ist dem Kläger eingehend erläutert worden, dass sich eine Klage, mit der die Erteilung eines Bescheides begehrt wird, dann erledigt, wenn dieser Bescheid erteilt ist. Ebenso ist der Kläger ausführlich darauf hingewiesen worden, dass er sein gegen den Bescheid vom 22.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2003 gerichtetes Begehren auf Anerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" nicht gleichzeitig in zwei Gerichtsverfahren verfolgen kann. Es mag sein, dass der Kläger durch die Vielzahl der von ihm geführten Verfahren den Überblick über diese verloren hat. Nach der ausführlichen Erläuterung in der mündlichen Verhandlung musste er aber - auch als juristischer Laie - die Sinnlosigkeit der Aufrechterhaltung der Untätigkeitsklage ohne weiteres erkennen. Wenn der Kläger das Verfahren dennoch mit der Maßgabe fortführt, dass er eine einmal erhobene Klage nicht zurücknehme, so mag diese Grundeinstellung für ihn zum Prinzip geworden sein. Dieses Prinzip stellt sich hier als Rechtsmissbrauch mit der Kostenfolge des § 192 Abs. 2 SGG dar. Die Höhe der auferlegten Kosten bestimmt sich nach §§ 192 Abs. 1 S. 2, 184 Abs. 2 SGG, wobei der Senat einen Betrag von 300 Euro in Anbetracht des vom Kläger verursachten weiteren Aufwandes für angemessen und auch für notwendig hält, damit der Kläger zukünftig die Hinweise des Gerichts auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung ernst nimmt und davon absieht, aussichtslose Rechtsstreite lediglich aus Prinzip fortzuführen.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
Aus
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