L 15 U 156/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 384/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 156/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21. Dezember 2000 geändert. Die Bezeichnungsverfügung des Beklagten vom 06.08.1993 wird aufgehoben. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Rechtmäßigkeit einer Bezeichnungsverfügung nach § 655 Abs. 1 in Verbindung mit § 653 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) geführt, mit der das beklagte Ministerium die Beigeladene zu 1) als ein Unternehmen bezeichnet hat, für dessen Versicherte der Freistaat Bayern Träger der Unfallversicherung ist.

Die Beigeladene zu 1) wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 28.03.1973 unter dem damaligen Firmennamen G-I N GmbH gegründet und am 10.04.1973 in das Handelregister eingetragen. Geschäftsgegenstand ist der Betrieb von Verkaufsgeschäften und Automaten sowie Beteiligung an solchen Unternehmen im Bereich des N Flughafens. Ihr Stammkapital von zuletzt 50.000,- DM wird zu 74 % von der Flughafen-N GmbH (FNG) und zu 26 % von Herrn I X aus N gehalten. Am Stammkapital der mit Gesellschaftsvertrag vom 12.10.1949 gegründeten FNG sind seit 1972 als Gesellschafter der Freistaat Bayern mit 51 %, die Bundesrepublik Deutschland mit 26 % und die Stadt N mit 23 % beteiligt. Die Beigeladene zu 1) war bis August 1993 Mitglied der Klägerin, die FNG zunächst Mitglied der Eigenunfallversicherung der Landeshauptstadt N. Mit Bescheid vom 30.03.1990 bezeichnete das beklagte Ministerium (d. Bekl.) zunächst die FNG als Unternehmen, für das der Freistaat Bayern ab 01.01.1992 Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Mit Schreiben vom 12.10.1992 bat die FNG um eine entsprechende Bezeichnungsverfügung hinsichtlich der Beigeladenen zu 1), diese sei der FNG in rechtlicher, organisatorischer wie auch wirtschaftlicher Hinsicht verbunden; um eine naheliegender Weise problematische unterschiedliche Handhabung beim vorbeugenden Unfallschutz und insbesondere die Anwendung nicht völlig übereinstimmender Unfallverhütungsvorschriften im sensiblen Umfeld eines Flughafens zu vermeiden, erscheine die einheitliche Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers dringend angezeigt.

Mit Schreiben vom 02.12.1992 teilte d. Bekl. der Klägerin mit, es sei beabsichtigt, auch die Beigeladene zu 1) auf ihren Antrag durch eine entsprechende Verfügung als Unternehmen zu bezeichnen, für das der Freistaat Bayern Träger der Unfallversicherung sei, damit es nicht zu einer wenig zweckmäßigen und auch nicht wünschenswerten Doppelzuständigkeit zweier Unfallversicherungsträger innerhalb eines Unternehmens und dessen mehrheitsbestimmter Töchter komme. Der Klägerin wurde gemäß § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Mit Schreiben vom 30.12.1992 äußerte die Klägerin rechtliche Bedenken gegen den Erlass einer Bezeichnungsverfügung, weil der Freistaat Bayern nur mittelbar am Kapital der Beigeladenen zu 1) beteiligt sei. Im Übrigen sprächen Gesichtspunkte der zweckmäßigsten Unfallverhütung für eine weitere Mitgliedschaft bei der Klägerin. Das bayrische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit stimmte der beabsichtigten Bezeichnungsverfügung zu. Daraufhin bezeichnete d. Bekl. mit Bescheid vom 06.08.1993 die Beigeladene zu 1) mit Wirkung vom 1. September 1993 als Unternehmen, für dessen Versicherte der Freistaat Bayern Träger der Unfallversicherung sei, die Aufgaben würden von der staatlichen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung, der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2), wahrgenommen. Die Voraussetzungen für einen solchen Verwaltungsakt seien gegeben, der Freistaat Bayern sei zusammen mit dem Bund und der Stadt N überwiegend, wenn auch nur mittelbar an der Beigeladenen zu 1) beteiligt. Eine solche mittelbare Beteiligung der öffentlichen Hand reiche nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.02.1988 - 2 RU 24/87 - (BSGE 63, 62 ff.) aus.

Mit der Klage zum Sozialgericht München, das den Rechtsstreit an das Sozialgericht Köln verwiesen hat, hat die Klägerin vorgetragen, maßgebend sei nicht die RVO, sondern die Regelungen im Siebten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VII), weil es sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handele. Nach § 125 Abs. 3 SGB VII und § 128 Abs. 4 SGB VII solle von einer Übernahme abgesehen werden, sofern das Unternehmen eigenwirtschaftlich betrieben werde. Die Bezeichnungsverfügung stehe im Ermessen des beklagten Ministeriums, die Begründung des Verwaltungsaktes lasse aber entgegen § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht die Gesichtspunkte erkennen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen sei. Die Gründe, die gegen eine Bezeichnung sprächen, insbesondere Gründe der Unfallverhütung, überwögen derart, dass nur eine Entscheidung vertretbar sei, nämlich die, die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin zu belassen. Eine mittelbare Beteiligung der öffentlichen Hand sei hier nicht ausreichend, weil es am Einsatz eigener Haushaltsmittel der öffentlichen Hand für die Beigeladene zu 1) fehle.

D. Bekl. hat die Auffassung vertreten, es sei ausreichend, dass der Freistaat Bayern zusammen mit dem Bund und der Stadt N überwiegend am Kapital der Beigeladenen zu 1) beteiligt sei. Für die Beteiligung an der FNG seien Haushaltsmittel in erheblicher Höhe eingesetzt worden und durch die Beteiligung der FNG seien auch staatliche Haushaltsmittel in der Beigeladenen zu 1) investiert worden. Alleinige Voraussetzung für die Möglichkeit einer Bezeichnung nach § 655 Abs. 1 in Verbindung mit § 653 Abs. 1 Satz 2 RVO sei nach dem Wortlaut des Gesetzes, dass das Land an dem in selbstständiger Rechtsform betriebenen Unternehmen allein oder zusammen mit dem Bund oder einer Gemeinde überwiegend beteiligt sei. Zu dieser alleinigen Voraussetzung enthalte der Bescheid vom 06.08.1993 detaillierte Angaben über Form und Inhalt der Beteiligung. Andere Gesichtspunkte, wie beispielsweise der zweckmäßigsten Unfallverhütung, spielten für die Frage der Bezeichnung keine Rolle, so dass eine weitergehende Begründung nicht erforderlich sei. Auch die Gesichtspunkte der zweckmäßigsten Unfallverhütung sprächen eindeutig für eine Einbeziehung der Beigeladenen zu 1) in die unfallversicherungsrechtliche Zuständigkeit des Freistaats Bayern, für den die Beigeladene zu 2) tätig werde. Diese gewährleiste eine regelmäßige und intensive Betreuung. Es fehle auch nicht an Unfallverhütungsvorschriften. Das Sozialgericht Köln hat mit Urteil vom 21.12.2000, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und führt ergänzend aus, aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung ergebe sich, dass dem beklagten Ministerium ein Entschließungsermessen eingeräumt sei, auch wenn eine für Ermessen typische Gesetzesformulierung fehle. D. Bekl. habe kein Ermessen ausgeübt, es habe noch nicht einmal erkannt, dass ihm überhaupt ein Ermessensspielraum zustehe. Das Sozialgericht habe auch nicht erschöpfend geprüft, ob in materieller Hinsicht die Voraussetzungen für den Erlass der Bezeichnungsverfügung vorlägen. Nach der Entscheidung des BSG vom 24.02.1988 - a.a.0 - könne zwar auch eine mittelbare Beteiligung ausreichen, es müsse aber festgestellt werden, dass die öffentlichen Hände eigene Haushaltsmittel zweckgebunden eingesetzt hätten, um eine Beteiligung an der Beigeladenen zu 1) zu erwerben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.12.2000 zu ändern und den Verwaltungsakt des Beklagten vom 08.08.1993 aufzuheben.

Das beklagte Ministerium beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) hat sich diesem Antrag angeschlossen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2) vertreten demgegenüber die Auffassung, nach dem Wortlaut des § 653 Abs. 1 Nr. 2 RVO handele es sich nicht um eine Ermessensentscheidung im klassischen Sinne, deren Inhalt der Adressat nach dem Wortlaut der jeweils zugrundeliegenden Norm nicht exakt voraussehen könne. Nur für diese Ermessensentscheidungen im klassischen Sinne gelte das Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X. Der Klägerin seien im Schreiben vom 02.12.1992 neben dem Hinweis auf die Beteiligungsverhältnisse die Erwägungen ausführlich mitgeteilt worden, die mit der rechtlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Einbindung der Beigeladenen in die Flughafen N GmbH durchaus nachvollziehbar und plausibel erschienen, zumal auch hinsichtlich einer einheitlichen Unfallverhütung die Besonderheiten eines Flughafenbetriebes offensichtlich seien. Von daher würde sich eine weitere eingehende Begründung der angefochtenen Bezeichnungsverfügung erübrigen. Im Übrigen könne der Addressat eines Verwaltungsakts dessen formelle Rechtswidrigkeit dann nicht rügen, wenn in der Sache feststehe, dass inhaltlich keine andere Entscheidung hätte ergehen können. Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Bezeichnungsverfügung seien beachtet worden. Der Freistaat Bayern sei zusammen mit dem Bund und der Stadt N überwiegend am Kapital der Beigeladenen zu 1) beteiligt gewesen. Die Stammeinlagen in die Mehrheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1), die FNG, seien tatsächlich aus eigenen Haushaltsmitteln des Freistaats Bayern, der Bundesrepbulik Deutschland und der Landeshauptstadt N erfolgt. D. Bekl. hat dazu eine Aufstellung über die Einlagen des Freistaats Bayern am Stammkapital der FNG und die jeweiligen Haushaltspläne vorgelegt. Das von der Klägerin genannte Erfordernis einer Zweckbestimmung der eingesetzten Haushaltsmittel dahingehend, dass das Stammkapital gerade deshalb erhöht worden sei, damit der überwiegende Teil des Stammkapitals der Beigeladenen zu 1) erbracht werde, lasse sich dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.02.1998 nicht entnehmen. Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben sich dem Vorbringen des beklagten Ministeriums angeschlossen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Klägerin und des beklagten Ministeriums sowie der Streitakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene zu 1) im Termin nicht vertreten war. Denn sie ist in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Bezeichnungsverfügung stellt einen Verwaltungsakt dar, der auf dem Sozialrechtsweg mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann (BSG, Urteil vom 24.02.1988 a.a.O. m.w.N.). Dessen Rechtmäßigkeit richtet sich nach den bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO. Es handelt sich hier um eine reine Anfechtungsklage, für die grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Aufl., Rdn. 32 zu § 54 m. w. N.). Dies gilt auch für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, jedenfalls dann, wenn es sich um Ermessensakte handelt (Meyer-Ladewig, a.a.O., Randnote 33 a zu § 54 SGG m. w. N.). Es steht im Ermessen des zuständigen Landesministeriums, ob es ein Unternehmen nach § 653 Abs. 1 Satz 2 RVO als ein solches bezeichnet, für das das Land der zuständige Träger der Unfallversicherung ist (so KassKomm.-Ricke, Rdn 5 zu § 653 RVO; Bieback in Schulin HS-UV S. 65; Ricke und Schulz, Berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit für Unternehmen der öffentlichen Hand, NZS 1993, 533 ff.; Titze und von Farkas, Zuständigkeit der Gemeinden und Gemeindeunfallversicherungsverbände für kommunale Betriebe und für Beteiligungsunternehmen, NZS 1994, 246, 250). Um Ermessensentscheidungen handelt es sich immer dann, wenn der Gesetzgeber zwar den Tatbestand festlegt, bei dessen Verwirklichung aber der Verwaltung einen Handlungsspielraum einräumt in Bezug auf die zu setzende Rechtsfolge (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl., 1994, S. 373; Recht in Hauck/Noftz, SGB X, 1, 2, Anmerkung 40 zu § 31 SGB X). Die Einräumung von Ermessen wird zwar in der Regel durch Verwendung von Begriffen wie "kann", "darf", "soll" oder "ist berechtigt" im Gesetz zum Ausdruck gebracht. Das ist hier nicht der Fall. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass d. Bekl. eine ermessensfreie Kompetenz eingeräumt worden ist. Es bestand für d. Bekl., was diese auch nicht in Abrede stellt, durchaus die Handlungsalternative, von einer Bezeichnungsverfügung abzusehen. Ermessen ist immer dann eingeräumt, wenn der Gesetzgeber der Verwaltung Handlungsalternativen gibt (Wolff a.a.O., S. 376). Die Bezeichnungsverfügung greift in Rechtspositionen der Klägerin ein, nämlich in deren Mitgliederbestand. Dies hat wiederum mittelbare Folgen für die Beitragsbelastung der anderen Mitgliedsunternehmen der Klägerin (siehe dazu im Einzelnen Ricke und Schulz a.a.O., S. 536). Ein hoheitlicher Eingriff in Rechte durch Verwaltungsakt darf nicht nach Willkür oder auch nur nach Belieben (d. h. aufgrund individuell-subjektiver Erwägungen) erfolgen. Das Verwaltungsorgan muss vielmehr eine Entscheidung nach sachlichen Gesichtspunkten unter gerechter und billiger Erwägung der öffentlichen und der Einzelinteressen treffen, d. h. pflichtgemäßes Ermessen ausüben (Wolff a.a.O., S. 377).

Nach § 655 Abs. 1 in Verbindung mit § 653 Abs. 1 Nr. 2 RVO ist das Land Träger der Versicherung für Versicherte in den von den zuständigen Landesministern im Einvernehmen mit dem Landesminister für Arbeit und Sozialordnung bezeichneten Unternehmen, die in selbstständiger Rechtsform betrieben werden und an denen das Land allein oder zusammen mit dem Bund oder einer Gemeinde überwiegend beteiligt ist. Die Beigeladene zu 1) betreibt das Unternehmen in selbstständiger Rechtsform. Der Freistaat Bayern ist zusammen mit dem Bund und der Stadt N mittelbar überwiegend am Kapital der Beigeladenen zu 1) beteiligt. Die Stammeinlagen der FNG werden ausschließlich vom Bund, dem Freitstaat Bayern und der Stadt N gehalten. Die FNG wiederum ist mit 74 % Mehrheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1).

Ob diese Konstellation ausreicht, um von einer überwiegenden Beteiligung im Sinne des Gesetzes auszugehen, kann dahinstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, reicht eine solche mittelbare Beteiligung der öffentlichen Hände dann aus, wenn sie aus eigenen Haushalsmitteln erfolgt (BSGE 63, 62, 65; ihm folgend Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, Anm. 11.1 zu § 125 SGB VII; Kater/Leube, Unfallversicherung, Rdn. 22 zu § 125 SGB VII; anderer Ansicht KassKomm-Ricke, Anm. 5 zu § 125 SGB VII; Graeff in Hauck, SGB VII, Rdn. 5 zu § 125). D. Bekl. hat durch Vorlage der jeweiligen Haushaltspläne nachgewiesen, dass die Einlagen des Freistaats Bayern am Kapital der FNG aus zu diesem Zweck ausgewiesenen Haushaltsmitteln stammen. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass auch die Einlagen der Minderheitsgesellschafter an der FNG, jeweils in deren Haushalt ausgewiesen sind. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Entscheidung des Bundessozialgerichts zu entnehmen ist, dass die Haushaltsmittel zweckgebunden bereitgestellt seien müssen, um die Beteiligung der FNG am Kapital der Beigeladenen zu 1) zu ermöglichen. Der angefochtene Verwaltungsakt ist nämlich schon aus anderen Gründen rechtswidrig.

Die im Ermessen d. Bekl. stehende Bezeichnungsverfügung war schon deshalb aufzuheben, weil sie nicht erkennen lässt, ob d. Bekl. überhaupt Ermessen ausgeübt hat bzw. von welchen Gesichtspunkten es bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich zu begründen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X muss die Begründung eines schriftlichen Verwaltungsakts, der eine Ermessensentscheidung zum Inhalt hat, auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von der die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Die Begründung einer Ermessensentscheidung muss zunächst deutlich machen, dass die Verwaltung überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat (BSG SozR 3-2200 § 712 Nr. 1; SozR 3-1300 § 45 Nr. 10). Bei einer sogenannten "Ermessensreduzierung auf Null" ist auch dies darzulegen. Erforderlich ist sodann eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist (BSG SozR 3-2200 § 712 Nr. 1; SozR 3-2700 § 76 Nr. 2). Daran fehlt es hier.

Die schriftliche Begründung des Bescheides vom 06.08.1993 erschöpft sich darin, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 653 Abs. 1 Nr. 2 RVO darzulegen; sie lässt aber nicht erkennen, dass die Beklagte überhaupt davon ausgegangen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen, noch gibt sie auch nur anhaltsweise die Erwägungen wieder, die die Beklagte zum Erlass der Bezeichnungsverfügung bewogen haben. Ein ohne die gebotene schriftliche Begründung ergangener Verwaltungsakt ist rechtswidrig.

Es liegt keiner der Fälle des § 35 Abs. 2 SGB X vor, in denen es einer Begründung nicht bedarf. Insbesondere findet § 35 Abs. 2 Nr. 1 keine Anwendung, weil der Verwaltungsakt in Rechte der Klägerin, nämlich deren Mitgliederbestand eingreift. Auch die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 SGB X sind nicht erfüllt. Zwar hat d. Bekl. der Klägerin im Anhörungsschreiben vom 02.12.1992 Gründe für die beabsichtigte Bezeichnungsverfügung genannt, nämlich die Vermeidung einer wenig zweckmäßigen und auch nicht wünschenswerten Doppelzuständigkeit zweier Unfallversicherungsträger innerhalb eines Unternehmens und dessen mehrheitsbestimmter Töchter. Die Anhörung nach § 24 SGB X rechtfertigt aber für sich allein nicht die Annahme, dass dem Betroffenen die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bekannt ist (BSGE 68, 228, 230; KassKomm-Krasney, Anm. 9 zu § 35 SGB X). Dem Anhörungsschreiben lässt sich im vorliegenden noch nicht einmal entnehmen, ob die Beklagte beabsichtigte, Ermessen auszuüben. Im Übrigen vermittelt das Anhörungsschreiben keine Kenntnis des Empfängers, wie die Behörde das Anhörungsergebnis, im vorliegenden Fall das Schreiben der Klägerin vom 30.12.1992, bewerten werde.

Die Ausnahmen von der Begründungspflicht in § 35 Abs. 2 SGB X sind abschließend geregelt (völlig herrschende Meinung, vgl. Kass-Komm-Krasney, § 35 SGB X Rdn. 7).

Die Verletzung der Begründungspflicht konnte auch nicht nach § 41 SGB X geheilt werden. Die fehlende Begründung durfte nach § 41 Abs. 2 SGB X in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, in Fällen, in denen - wie hier - ein Vorverfahren nicht stattfindet, nur bis zur Erhebung der Klage nachgeholt werden.

§ 41 Abs. 2 SGB X in der ab 01. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21.12.2000 (BGBl I 1983), der eine Nachholung bis zur letzten Tatsacheninstanz ermöglicht, findet keine rückwirkende Anwendung auf Sachverhalte, bei denen bereits vor dem 31.12.2000 nach dem damals geltenden Recht eine verfahrensrechtliche Rechtsposition entstanden war, die keine Heilung von Verfahrensmängeln mehr zuließ (vgl. BSG SozR 3-2600 § 243 Nr. 9).

Auch § 42 SGB X steht der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht entgegen. Diese Vorschrift setzt voraus, dass keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Im vorliegenden Fall hätte d. Bekl. aber von einer Bezeichnungsverfügung absehen können. Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor. Es gibt gewichtige Gründe im vorliegenden Fall, von einer Bezeichnungsverfügung Abstand zu nehmen. Die Beklagte hätte nämlich bei pflichtgemäßer Ermessensausübung auch die Erwägungen anstellen müssen, die den Gesetzgeber des SGB VII bewogen haben, die Übernahme erwerbswirtschaftlich betriebener Unternehmen in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder zu erschweren. Im Vordergrund standen dabei Befürchtungen des Gesetzgebers, die Übernahme in die Zuständigkeit des Bundes oder des Landes führe nach geltendem Recht dazu, dass das Unternehmen von der Beitragszahlung zur Berufsgenossenschaft befreit, aber auch von der Umlage für das Konkursausfallgeld und dem Gemeinlastverfahren ausgenommen werde; die dadurch entstehende Mehrbelastung für vergleichbare Unternehmen trage, soweit diese erwerbswirtschaftlich betrieben würden, zu Wettbewerbsverzerrung bei (vgl. amtliche Begründung, Bundesratsdrucksache 263/95).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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