L 10 KA 84/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 160/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KA 84/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.09.2002 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt 1/2 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen. Die Beklagte trägt 1/2 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erhöhung des für seine Praxis festgesetzten maximal zulässigen Punktzahlvolumens i.S.d. § 7 des ab 01.07.1999 geltenden Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM).

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HVM (Rheinisches Ärzteblatt 6/99, S. 57 ff.; 9/99, S. 59 ff.) erhält jede Praxis ab Juli 1999 ein individuelles Leistungsbudget (Punktzahlengrenzwert). Ausgenommen sind die in § 7 Abs. 1 Satz 3 HVM genannten Honoraranteile (im Wesentlichen: Leistungen im ärztlichen organisierten Notfalldienst, Präventions-, Impf- und Methadonleistungen, psychotherapeutische Leistungen und hausärztliche Grundvergütung). Von dem verbleibenden individuellen Umsatz werden 3 % für die Finanzierung neuer Praxen und des erlaubten Zuwachses etablierter Praxen zurückgestellt (§ 7 Abs. 1 Satz 4 HVM). Bemessungsgrundlage sind die individuellen Honorarumsätze des Bemessungszeitraums, der die Quartale III/1997 bis II/1998 umfasst (§ 7 Abs. 6 Abs. 1 HVM i.V.m. § 7a Abs. 2 HVM). Bei Ärzten, deren Niederlassungsdauer am 30.06.1999 weniger als 21 Quartale beträgt, können auf Antrag die durchschnittlichen anerkannten Werte aus bis zu vier aufeinander folgenden Quartalen vor Inkrafttreten des HVM, nicht jedoch vor dem Quartal III/1997, zu Grunde gelegt werden (§ 7a Abs. 6 HVM). Der hiernach verbleibende Honoraranteil, vervielfältigt mit dem Faktor 10, ergibt das zulässige Punktzahlvolumen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 HVM). Darüber hinausgehend abgerechnete Punktzahlen "werden nicht vergütet" (§ 7 Abs. 2 Satz 2 HVM). Ein Punktzahlzuwachs ist nur möglich bei Praxen, die unter dem durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert ihrer Arztgruppe liegen; der Zuwachs beträgt maximal 3% bezogen auf das Vorjahresquartal, ab 01.01.2000 bezogen auf den Bemessungszeitraum; höchstens wird ein Zuwachs bis zum Arztgruppendurchschnitt zugestanden (§ 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HVM). Eine Ausnahme gilt u.a. für neu niedergelassene Ärzte, die für die Dauer von 20 Quartalen bis zum Erreichen des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes unbegrenzt wachsen dürfen (§ 7 Abs. 8 HVM).

Auf Antrag kann der Vorstand der Beklagten in begründeten Fällen aus Sicherstellungsgründen Zuschläge auf den individuellen Punktzahlengrenzwert des Arztes bewilligen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Hierzu zählen insbesondere Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung in unmittelbarem Umfeld der Arztpraxis (z.B. durch Praxisaufgaben, Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten) oder in der Verteilung der Leistungserbringung innerhalb einer Arzt-/Untergruppe (Konzentration von Leistungen auf eine gegenüber dem Bemessungszeitraum geringere Erbringerzahl), die dazu führen, dass der Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum der nachweislich veränderten Leistungsmenge nicht angemessen ist (§ 7a Abs. 7 Buch. d) HVM). Darüber hinaus kann der Vorstand im Einzelfall Ausnahmeregelungen beschließen, wenn sich aus der Umsetzung des HVM die Notwendigkeit dazu ergibt (§ 7a Abs. 8 HVM).

Der als Arzt für Allgemeinmedizin in B niedergelassene Kläger nimmt seit 1987 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Wirkung ab dem Quartal III/1999 ermittelte die Beklagte auf der Grundlage der Honoraranteile i.S.d. § 7 Abs. 1 und 2 HVM aus den Quartalen III/1997 bis II/1998 (durchschnittlich 75.403,51 DM / Quartal - 3 % x 10) für den Kläger ein maximal zulässiges Punktzahlvolumen von 731.414,1 Punkten. Der fachgruppendurchschnittliche Punktzahlengrenzwert lag bei 612.066 Punkten (§ 7 Abs 4 HVM).

Im November 1999 beantragte der Kläger die Erhöhung seines Individualbudgets. Zur Begründung gab er an: In den letzten zwei Jahren seien in der Nähe seiner Praxis ein Altenpflegeheim sowie ein Wohnheim für betreutes Wohnen mit 64 Pflegebetten sowie 35 Wohnungen errichtet worden. Darüber hinaus sei infolge von Neubaumaßnahmen die Einwohnerzahl in der Gemeinde um ca. 10 % gestiegen. Dementsprechend habe sich auch die aktuelle Scheinzahl im Vergleich zum Bemessungszeitraum um ca. 10 % gesteigert. Um die durch steigende Patientenzahlen verursachten Praxiskosten aufzufangen, sei eine Erhöhung des abrechenbaren Punktzahlvolumens notwendig. Die derzeitigen Kürzungen ließen eine dauerhafte, ordnungsgemäße Versorgung der Patienten nicht zu.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.03.2000 mit der Begründung ab, die Prüfung des Antrages habe - unter Berücksichtigung und Würdigung der Angaben des Klägers - unter keinem Gesichtspunkt ergeben, dass Ausnahmetatbestände vorlägen, die eine Änderung des lndividualbudgets bzw. des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens rechtfertigten.

Den dagegen eingelegten und das Antragsbegehren vertiefenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2001 unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung zurück. Sie führte ferner aus, dass der Widerspruch vom 17.05.2000 im Übrigen auch verfristet sei.

Mit seiner Klage vom 31.05.2001 hat der Kläger unter Vorlage des Einlieferungsbelegs der Deutschen Post vom 07.04.2000 zunächst geltend gemacht, bereits an diesem Tag fristwahrend Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.03.2000 eingelegt und diesen mit Schreiben vom 17.05.2000 begründet zu haben. In der Sache hat der Kläger vorgetragen: Im unmittelbaren Umfeld seiner Praxis seien dauerhafte Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung eingetreten. Die Einwohnerzahl der Ortschaften im Einzugsbereich seiner Praxis seien in der Zeit vom 30.06.1997 bis zum 30.06.2002 um 21,25 % gestiegen. Dies und auch die Ende der neunziger Jahre erfolgte Errichtung eines Altenpflegeheimes sowie eines Wohnheims für betreutes Wohnen habe zu einer Steigerung der Fallzahlen geführt. Die sich nun ergebenden Punktzahlüberschreitungen führten zu einer wirtschaftlich nicht mehr hinnehmbaren Situation, da die durch die Fallzahlsteigerung verursachten Mehrkosten nicht durch eine entsprechende Honorarsteigerung abgedeckt würden. Zwischenzeitlich sei seine Fallzahl von 933 im Quartal III/1997 auf über 1.200 im Quartal II/2002 gestiegen. Im Ergebnis müsste er neue Patienten abweisen, um seinen bisherigen Patientenstamm weiterhin sachgerecht versorgen zu können. Da seine Praxis jedoch die einzige Allgemeinpraxis in P und H sei, wäre hierdurch die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet. Es gebe zwar noch eine weitere allgemeinmedizinische Praxis. Deren Inhaberin sei von den Veränderungen im Umfeld aber nicht betroffen, da sie ihre Tätigkeit nur halbtags ausübe und vorwiegend nur ausländische Patienten betreue.

Im Übrigen litten die angefochtenen Entscheidungen an groben formalen Mängeln, da sie keine bzw. zumindest keine hinreichende Begründung enthielten. Den formelhaften Ausführungen in den Bescheiden der Beklagten sei nicht zu entnehmen, dass diese sich mit den von ihm vorgetragenen erheblichen rechtlichen bzw. tatsächlichen Gegebenheiten und Darlegungen auseinandergesetzt habe. Gerade weil die Beklagte eine Ermessensentscheidung habe treffen müssen, sei die Darlegung erforderlich, von welchen Gesichtspunkten sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag auf Erhöhung des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich in der Sache nicht geäußert.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat dem Kläger "hinsichtlich einer eventuellen Versäumung der Widerspruchsfrist" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Beklagte mit Urteil vom 25.09.2002 antragsgemäß verurteilt. Es hat u.a. ausgeführt: Der Widerspruch des Klägers sei rechtzeitig eingelegt worden; vorsorglich habe es dem Kläger aber auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Der Kläger habe Anspruch auf Erhöhung des für seine Praxis maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens. Infolge eines Anstiegs der Einwohnerzahl sowie der Übernahme der Betreuung der Bewohner eines Pflegeheimes sowie eines Wohnheimes für betreutes Wohnen habe sich die Bedarfssituation so geändert, dass das Punktzahlvolumen aus dem Bemessungszeitraum der nachträglich veränderten Leistungsmenge nicht mehr angemessen sei. Die durchschnittliche Fallzahl des Klägers habe sich gegenüber dem Bemessungszeitraum in den Quartalen III/1999 bis II/2000 um 12,9 und in den Quartalen IV/2000 bis III/2001 um 14,4 % erhöht, dementsprechend hätten sich auch die Punktzahlanforderungen des Klägers erhöht.

Gegen das am 22.11.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 23.12.2002, Berufung eingelegt und vorgetragen: Zwar sei die durchschnittliche Behandlungsfallzahl ohne Notfälle gestiegen, der Leistungsbedarf in Punkten werde aber über den Vergleich aller Quartale gegenüber dem Punktzahlvolumen aus dem Bemessungszeitraum unterschritten und sei ebenso rückläufig wie der durchschnittliche Leistungsbedarf pro Fall. Deshalb scheide eine Erhöhung des Individualbudgets aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung aus (Schriftsatz vom 17.07.2003).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eine Übersicht zum Gesamtleistungsbedarf der Praxis des Klägers überreicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.09.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, es sei weder auf den durchschnittlichen Leistungsbedarf pro Fall noch auf seine Punktzahlanforderungen abzustellen. Veränderungen dieser Parameter seine keine tatbestandliche Voraussetzung des § 7a Abs. 4 d HVM. Entscheidend seien die als Regelbeispiel genannten besonderen Umstände des Einzelfalles, bei deren Vorliegen Zuschläge auf den Punktzahlengrenzwert zu gewähren seien. Diese Regelbeispiele bewirkten sämtlich einen Anstieg des Patientenaufkommens, der außerhalb des Einflussbereichs des Vertragsarztes liege. Wegen des vermehrten Patientenaufkommens solle dem Vertragsarzt ein Zuschlag auf den individuellen Punktzahlengrenzwert gewährt werden, damit er die zusätzlichen Patienten auch noch versorgen könne. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass Intention des HVM sei, die Vertragsärzte zum Ausschöpfen ihrer Wirtschaftlichkeitsreserven zu veranlassen. Um dieser Vorgabe gerecht zu werden, habe er u.a. EDV-gestützte Behandlungsschemata bei chronisch Kranken eingerichtet und hierdurch eine Reduzierung der Fallwerte erzielen können, so dass nicht in jedem Quartal die Punktzahlanforderung exakt proportional zur Fallzahl gestiegen sei. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Fallzahl signifikant zugenommen habe und in der Folge auch die Punktzahlanforderung insgesamt gestiegen sei. Die Realisierung wirtschaftlichen Einsparpotentials dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen; die Beklagte könne nicht darauf verweisen, dass er keinen Anspruch auf Erhöhung des Punktzahlengrenzwertes habe, weil bei deutlich steigender Fallzahl nicht in jedem Quartal eine in gleichem Verhältnis steigende Punktzahlanforderung zu verzeichnen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht beschwert. Er hat keinen Anspruch auf Erhöhung des für seine Praxis festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens.

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid der Beklagten vom 15.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2001. Später ergangene Honorarbescheide für einzelne Quartale ab Juli 1999 sind von den Beteiligten nicht in das Verfahren einbezogen worden und auch nicht über § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Verfahrensgegenstand geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG werden Verwaltungsakte, die nach Klageerhebung ergehen, nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn sie einen angefochtenen Verwaltungsakt abändern oder ersetzen. Honorarbescheide der Beklagten, deren HVM eine Vergütungsbeschränkung durch Einführung von individuellen Bemessungsgrenzen vorsieht, beruhen zwar u.a. auf der der eigentlichen Honorarverteilung vorausgehenden Festsetzung der für den einzelnen Arzt maßgeblichen Bemessungsgrenze bzw. den dazu getroffen Ausnahmeregelungen, ersetzen oder ändern diese jedoch nicht (vgl. BSG, Urteile vom 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R und B 6 KA 71/97 -).

Anderseits steht der Zulässigkeit der Klage zumindest vorliegend nicht entgegen, dass letztlich auch die Frage nach einer Ausnahmeregelung der Inzidenterkontrolle aufgrund Anfechtung des jeweiligen Honorarbescheides unterliegt. Jedenfalls dann, wenn die Beklagte einen Bescheid über die Fragen erlässt, ob ein eine Ausnahmeregelung rechtfertigender Tatbestand vorliegt, kommt dieser Regelung eine eigenständige Bedeutung zu. Der Streit darüber wird nicht gegenstandslos, wenn nachfolgend Honorarbescheide ergehen (vgl. BSG, Urteile vom 21.10.1998, a.a.O.). Für einen darüber hinausgehenden Anspruch des Vertragsarztes, die Anwendung einzelner Berechnungsregelungen des HVM für seine Praxis von vornherein auszuschließen bzw. die Rechtmäßigkeit einzelner HVM-Regelungen überprüfen zu lassen, besteht indes kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Rechtsschutz des von einem HVM betroffenen Vertragsarztes wird in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz) dadurch gewahrt, dass er in einem konkreten Abrechnungsfall inzidenter die als rechtswidrig angesehene Regelung des HVM gerichtlich unter Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen bzw. der im Einzelfall bestehenden Beschwer überprüfen lassen kann. Ansonsten liefe das Verfahren auf eine vom konkreten Sachverhalt losgelöste abstrakte Normenkontrolle hinaus, die das sozialgerichtliche Verfahrensrecht nicht vorsieht (BSG SozR Nr. 6 zu § 368g RVO; SozR 2200 § 245 Nr. 2; SozR Nr. 1 zu VertragsO f Kassenzahnärzte Allg.; SozR 3-2500 § 87 Nr. 4).

Das in dem HVM der Beklagten festgelegte System einer Bindung des Vertragsarztes an einen in der Vergangenheit erzielten eigenen Honorarumsatz ist grundsätzlich zulässig (LSG NW, Urteil vom 20.11.2002 - L 11 KA 85/02 -; BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 6 KA 76/03 R -) und wird auch von dem Kläger nicht in Frage gestellt.

Davon ausgehend hat die Beklagte festgestellt, dass dem Kläger ein - bereits erheblich über dem durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert seiner Fachgruppe liegendes - maximal zulässiges Punktzahlvolumen von 731.414,1 Punkten zusteht.

Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf weitere Erhöhung seines Individualbudgets, weil die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles nicht erfüllt sind.

Zu Recht hat die Beklagte dem Kläger keinen Zuschlag auf seinen individuellen Punktzahlengrenzwert bewilligt. § 7a Abs. 7 Buchst. d) HVM setzt voraus, dass 1. besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen, die auf Sicherstellungsgründen beruhen; 2. diese Umstände gegenüber dem Bemessungszeitraum zu einer nachweislich veränderten Leistungsmenge geführt haben, 3. dass das Verhältnis zwischen dieser Leistungsmenge und dem Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum nicht mehr angemessen ist.

Mit dem SG kann - ohne dass es vorliegend dazu einer abschließenden Entscheidung bedarf - davon ausgegangen werden, dass neben den in § 7a Abs. 7 Buchst. d) Satz 2 HVM ausdrücklich als Sicherstellungsgründe genannten Umständen einer Praxisaufgabe oder des Erlöschens von Ermächtigungen auch z.B. ein erheblicher Bevölkerungszuwachs oder die Errichtung eines Pflegeheims mit daraus folgendem erheblichen ärztlichen Betreuungsaufwand im Einzugsgebiet einer Praxis zu einer Erhöhung des Individualbudgets führen können. Weitere Voraussetzungen sind aber, dass diese Umstände gegenüber dem Bemessungszeitraum zu einer nachweislich veränderten Leistungsmenge geführt haben und dass deren Verhältnis zu dem Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum unangemessen ist.

Bereits eine veränderte, d.h. eine im Vergleich zum Bemessungszeitraum gesteigerte Leistungsmenge besteht nicht. Aus der mit den Beteiligten eingehend erörterten und unstreitigen Übersicht zum Gesamtleistungsbedarf der Praxis des Klägers ergibt sich für den Bemessungszeitraum ein durchschnittlicher Gesamtleistungsbedarf von 1.304.604,95 Punkten/Quartal. Dieser Leistungsbedarf ist in den 21 Folgequartalen bis III/2003 lediglich zweimal, nämlich im Quartal I/1999 mit 1.363.210,1 Punkten und im Quartal I/2000 mit 1.321.975,0 Punkten, überschritten worden. Insgesamt belief sich der Gesamtleistbedarf in den Quartalen III/1998 bis III/2003 auf 25.386.895,5 Punkte und lag damit mit durchschnittlich 1.208.899,8 Punkten/Quartal nicht unerheblich unter dem Bedarf im Bemessungszeitraum.

Soweit des dem Kläger trotz Fallzahlensteigerung gelungen ist, den Leistungsbedarf zu reduzieren, dürfte dies auf einer effektiven Nutzung wirtschaftlichen Einsparpotentials beruhen. Dies belegt, dass das Ziel der Leistungsbudgetierungen erreichbar ist, trägt aber gerade nicht das Begehren des Klägers, seine Leisutngen mittels Erhöung des Individualbudgets auszuweiten zu können.

Im Hinblick hierauf brauchte die Beklagte auch keine Ausnahmeregelung im Sinne von § 7a Abs. 8 HVM zu treffen. Diese allgemeine Auffang- bzw. Härteklausel soll nämlich nur die Fälle erfassen, die untypisch und nicht konkret vorhersehbar sind. Typischerweise vorhersehbare Fallgruppen müssen hingegen zumindest in Grundzügen im HVM selbst geregelt werden, um die Kompetenz für die Honorarverteilung nicht zu weitgehend von der Vertreterversammlung auf den Vorstand zu verlagern (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 11 und 28). Einen untypischen und konkret nicht vorhersehbaren Fall hat der Kläger nicht vorgetragen; ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

Letztlich sind die Bescheide der Beklagten auch nicht deshalb aufzuheben, weil sie an einem Begründungsmangel leiden.

Ob die Beklagte der ihr obliegenden Begründungspflicht nachgekommen ist, erscheint als fraglich. Nach § 35 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein schriftlicher oder schriftlich bestätigter Verwaltungsakt schriftlich zu begründen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Davon ausgehend sind die einzigen fallbezogenen Ausführungen der Beklagten "Im konkreten Fall hat die Prüfung Ihres Antrages - unter Berücksichtigung und Würdigung Ihrer Angaben - unter keinem Gesichtspunkt ergeben, dass bei Ihnen Ausnahmetatbestände vorliegen, die eine Änderung des für Ihre Praxis geltenden lndividualbudgets bzw. des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens rechtfertigen" bzw. "Der Vorstand hat die angefochtene Maßnahme nachvollzogen und nimmt zur Begründung der Ablehnung Ihres darüber hinaus gestellten Antrages auf die bisherigen Ausführungen, insbesondere in dem angefochten Bescheid, Bezug" kaum ausreichend, den o.a. gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Entscheidung tragen, sind diesen Ausführungen nicht zu entnehmen.

Dennoch kann der Kläger daraus keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen herleiten. Da keine Nichtigkeitsgründe i.S.d. § 40 SGB X vorliegen, konnte die Beklagte entsprechend dem durch Artikel 10 Nr. 5 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 mit Wirkung ab 01.01.2001 geänderten § 41 Abs. 2 SGB X die erforderliche Begründung (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens nachholen. Dies hat sie dann auch mit Schriftsatz vom 17.07.2003 sowie der in der mündlichen Verhandlung überreichten Aufstellung über den Gesamtleistungsbedarf vollzogen. Hierdurch hat sie dargelegt, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen, nämlich eine im Bemessungszeitraum gesteigerte Leistungsmenge, nicht erfüllt sind.

Im Rahmen der Kostenentscheidung ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Beklagte die an sich notwendige Begründung erst über zwei Jahre nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2001 nachgeholt hat. Nach § 193 Abs. 1 SGG a.F. hat das Gericht nach billigem Ermessen darüber zu befinden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Entscheidend sind dabei grundsätzlich die Erfolgsaussichten der Klage, aber auch die Frage, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat, d.h. es ist darauf abzustellen, welchem Beteiligten die Durch- bzw. Fortführung des Klageverfahrens zuzurechnen ist. Hiernach wird es in der Regel der Billigkeit entsprechen, wenn derjenige Kosten zu erstatten hat, der im Prozess unterlegen ist (BSG SozR Nr. 4 zu § 193 SGG). Diese allein am Prozessausgang orientierte Betrachtungsweise ist jedoch nicht in allen Fällen angemessen. Nach dem Veranlassungsprinzip ist nämlich immer auch mit zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls inwieweit der Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat (z.B. Senatsbeschlüsse vom 10.03.1999 - L 10 B 5/98 SB - und vom 22.02.2000 - 10 SB 66/97 -; Landessozialgericht Berlin, Beschluss vom 12.04.2000 - L 11 B 5/00 SB -). Dabei kann dahinstehen, ob zur weiteren Begründung dieses der Billigkeit entsprechenden Grundsatzes auf § 93 der Zivilprozessordnung zurück gegriffen werden kann (vgl. hierzu LSG NRW, NJW 1987, 1360 [Ls]). Davon ausgehend ist es angemessen, dass die Beklagte dem Kläger die Hälfte seiner erstattungsfähigen Kosten in beiden Rechtszügen erstattet. Sie hat dem Kläger nämlich unzureichendes Eingehen auf sein Vorbringen nicht nur hinreichenden Anlass zur Klageerhebung gegeben, sondern auch durch ihre über mehr als zwei Jahre dauernde prozessuale Untätigkeit wesentlich dazu beitragen, dass der Kläger an seinem Begehren auf gerichtliche Überprüfung festgehalten hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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