L 8 RJ 139/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 14 RJ 204/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 139/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 22/03 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 15.10.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme der Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Hinzuverdienstes.

Der am 00.00.1943 geborene Kläger bezog von der Beklagten aufgrund eines Bewilligungsbescheides vom 30.03.1998 seit dem 01.03.1998 Erwerbsunfähigkeitsrente in anfänglicher Höhe von 1.534,88 DM.

Während des Rentenbezugs war er als Wachmann bei der Fa. S Wachinstitut GmbH & Co. KG (Fa. SWI) tätig. Im Anschluss an eine Prüfung dieses Unternehmens durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) übergab diese der Beklagten einen Auszug aus dem Prüfbericht mit Angaben zum Lohn des Klägers für die Monate Mai bis Dezember 1998. Ausweislich der in der Spalte "Lohn DATEV" aufgeführten Beträge lag der Lohn lediglich in den Monaten Juni und Dezember 1998 über 620,00 DM. In der Aufstellung des Prüfdienstes der BfA wird allerdings ein so bezeichneter "Eingangs- Steuersatz" von 37,60% hinzugerechnet. Der sich danach ergebende Lohn betrug nach der Rubrik "Lohn tatsächlich" in der Aufstellung in allen Monaten mehr als 620,00 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den Auszug des BfA-Prüfberichtes (Bl. 89 Rentenakte) Bezug genommen.

Die Beklagte ermittelte die individuellen Hinzverdienstgrenzen und teilte dem Kläger mit Anhörung vom 23.05.2001 mit, sie beabsichtige, den Bewilligungsbescheid vom 30.03.1998 für die Zeit von Mai bis Dezember 1998 teilweise aufzuheben, soweit er die Rentenhöhe betreffe. Dem Kläger stehe für diesen Zeitraum nach § 44 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lediglich Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe der vollen Berufsunfähigkeitsrente zu. Die nach § 96a SGB VI zulässige Hinzuverdienstgrenze von seinerzeit 620,00 DM monatlich sei angesichts der erzielten Bruttoentgelte jeweils überschritten worden; die Hinzuverdienstgrenze für die Berufsunfähigkeitsrente sei allerdings nicht erreicht worden.

Der Kläger teilte mit, der damalige Arbeitgeber müsse unrichtige Angaben gemacht haben. Er habe 1998 ausweislich der (beigefügten) Lohnabrechnungen folgende Bruttoverdienste erzielt:

Mai 636,64 DM
Juni 910,08 DM
Juli 649,44 DM
August 734,54 DM
September 664,31 DM
Oktober 607,64 DM
November 674,18 DM
Dezember 835,45 DM

Mit Bescheid vom 17.07.2001 hob die Beklagte die Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 01.05. bis 31.12.1998 teilweise hinsichtlich der Rentenhöhe auf. Der Kläger habe nach dem Prüfbericht der BfA in diesem Zeitraum die Hinzuverdienstgrenze des § 96a SGB VI mit folgenden Bruttoentgelten überschritten:

Mai 647,99 DM
Juni 1.024,24 DM
Juli 828,24 DM
August 779,39 DM
September 800,08 DM
Oktober 836,11 DM
November 813,66 DM
Dezember 1.149,58 DM

Ihm stehe nach § 44 Abs. 5 SGB VI deshalb nur Rente in Höhe der Berufsunfähigkeitsrente zu, weil höheres Einkommen als das sich aus den eingereichten Lohnunterlagen ergebende bezogen worden sei.

Der Kläger legte Widerspruch ein, mit dem er sich auf seine Äußerungen im Anhörungsverfahren bezog.

Die Beklagte zog von der Staatsanwaltschaft N die Ermittlungsakte 000 (i.S. F wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.) bei und nahm daraus Kopien zu ihrer Akte. Darin ist u.a. vermerkt, es werde gegen den verantwortlichen Geschäftsführer der Fa. SWI, Herrn L T, wegen des Verdachts der Beitragsvorenthaltung ermittelt. Bereits im Februar 1999 sei durch eine Außenprüfung des Arbeitsamts S festgestellt worden, dass in dem Unternehmen für einen großen Teil der Aushilfskräfte die Lohnabrechnungen manipuliert worden seien. Am 24.03.1999 sei eine Durchsuchung erfolgt. Die beschlagnahmten Unterlagen seien durch den Prüfdienst der BfA Münster ausgewertet worden. Dabei sei für den Bereich der Aushilfskräfte eine Beitragsnachzahlung von insgesamt 750.000,00 DM berechnet worden. Die Berechnungen seien für die Jahre 1995 bis 1998 für jeden einzelnen Mitarbeiter erfolgt. Bei der Auswertung sei festgestellt worden, dass zuviel geleistete Stunden entweder auf nachfolgende Monate verteilt worden seien, um die Höchstbeträge nicht zu überschreiten, oder sie seien über andere als Aushilfskräfte geführte Personen abgerechnet worden, die tatsächlich gar nicht gearbeitet hätten. Teilweise seien die Aushilfen auf Lohnsteuerkarten von Familienangehörigen geführt worden. Der Kläger sei seit 1990 bei der Fa. SWI als Wachmann beschäftigt gewesen. Seit dem 01.04.1998 beziehe er Erwerbsunfähigkeitsrente. Seit dem 01.05.1998 sei er bei der Fa. SWI als Aushilfe beschäftigt. Bei der Auswertung der bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen durch den Prüfdienst der BfA sei festgestellt worden, dass er mehr Stunden als zulässig gearbeitet habe. Diese Stunden seien auf die nachfolgenden Monate verteilt worden, um eine Überschreitung der zulässigen Lohnbeträge zu vermeiden. Es hätten sich für ihn 1998 2.345,84 DM an vorenthaltenen Beiträgen ergeben. Der Kläger wurde wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Beitragsvorenthaltung schriftlich angehört, hat sich aber zur Sache nicht geäußert. Das Verfahren wurde nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Im Jahreslohnkonto der FA. SWI für den Kläger sind u.a. von Mai bis Dezember Spalten für "Stunden DATEV" und "Stunden tatsächlich" vorhanden, aus denen sich folgende bei den "Stunden DATEV" nicht berücksichtigte Mehrstunden ergeben: Mai 4, Juni 4, Juli 20, August 20, September 7, Oktober 4, November 6 und Dezember bei null verzeichneten DATEV Stunden 72 tatsächliche Stunden; wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Jahreslohnkontos (Blatt 144 Rentenakte) Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die BfA habe bei einer Betriebsprüfung festgestellt, dass die tatsächlich vom Kläger erzielten Arbeitsverdienste nicht den aufgeführten Bezügen in den Gehaltsabrechnungen entsprochen hätten. Zweifel an den Feststellungen im Prüfbericht der BfA bestünden nicht. Die Fa. SWI sei durchsucht und die beschlagnahmten Unterlagen seien vom Prüfdienst der BfA ausgewertet worden. Dabei sei festgestellt worden, dass ein Großteil der Lohnunterlagen für Aushilfskräfte manipuliert worden sei. Der Kläger habe mehr Stunden als zulässig gearbeitet. Diese Stunden seien auf die nachfolgenden Monate verteilt worden, um ein Überschreiten der zulässigen Hinzuverdienstgrenze zu vermeiden.

Hiergegen hat der Kläger am 07.12.2001 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, soweit die Beklagte von anderen Arbeitsentgelten ausgehe als sich aus den eingereichten Lohnabrechnungen ergäben, stütze sie sich auf Zahlenmaterial des ehemaligen Arbeitgebers. Dieses Material sei unrichtig; zutreffend seien allein die Abrechnungen. Ihm sei das Ergebnis der Betriebsprüfung allein aufgrund der Angaben der Beklagten bekannt. Ob diese Angaben richtig seien, könne er nicht feststellen. Richtig sei, dass ihn die Fa. SWI als 620,00-DM-Kraft eingestellt habe. Er könne versichern, dass nur die Beträge an ihn ausgezahlt worden seien, die sich aus den vorgelegten Lohnbescheinigungen ergäben. Tatsächlich habe er teilweise einige Stunden mehr gearbeitet als in den Lohnunterlagen angegeben. Diese zusätzlichen Stunden seien ihm jedoch nicht vergütet worden. Seine Ehefrau könne dies bezeugen. Es bestünden noch Außenstände bei der Fa. SWI.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 17.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2001 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, es sei aufgrund der Stundenaufzeichnungen festgestellt worden, dass die geleisteten Arbeitsstunden zum Teil nicht dem Monat zugeordnet worden seien, in dem sie entstanden seien. Sie seien vielmehr so zugeordnet worden, dass die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten worden sei. Die vom Kläger vorgelegten Abrechnungen beruhten auf der fehlerhaften Zuordnung. Es sei durchaus möglich, dass die Zahlungen entsprechend den fehlerhaften Lohnabrechnungen geflossen seien. Anhand der Stundenaufzeichnungen seien jedoch die wirklichen, in den jeweiligen Monaten erzielten Bruttoentgelte vom Prüfdienst der BfA ermittelt worden. Unterlagen über die Zahlungsweise lägen nicht vor.

Mit Urteil vom 15.10.2002 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als er eine Teilentziehung der Rente für den Monat Mai 1998 ausspricht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Beklagte zur Tragung eines Achtels der außergerichtlichen Kosten des Klägers verurteilt. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger tatsächlich die im Jahreslohnkonto aufgezeichneten Mehrstunden geleistet hat; seine Behauptung, hierfür keinen weiteren Lohn bekommen zu haben, hat es als Schutzbehauptung gewertet. Allerdings sei die Berechnungsweise der Beklagten zur Ermittlung des zutreffenden Lohnes fehlerhaft. Die Beklagte habe den Lohn zunächst um Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit vermindert, was grundsätzlich richtig sei. Allerdings habe sie sodann einen pauschalen Zuschlag von 37,60% als "Eingangs-Steuersatz" aufgeschlagen, womit Lohnsteuer wie auch Sozialabgaben hätten erfasst werden sollen. Eine solche Vorgehensweise komme allenfalls bei Arbeitnehmern mit Vollzeitarbeit in Betracht, führe jedoch bei Rentenbeziehern zu falschen Ergebnissen. Denn die tatsächliche Steuerlast könne nur individuell für den einzelnen Arbeitnehmer festgestellt werden. Bei einem Rentner, der im Umfang des Klägers hinzuverdiene, sei von fehlender Steuerpflicht auszugehen. Es ergebe sich bei korrekter Berechnung für den Kläger in dem Zeitraum Juni bis Dezember 1989 folgender zu berücksichtigender Hinzuverdienst:

Juni 799.60 DM
Juli 878,12 DM
August 842,62 DM
September 678,12 DM
Oktober 662,88 DM
November 674,18 DM
Dezember 1.097,84 DM

Sämtliche Monatsverdienste lägen über 620,00 DM, erreichten zum anderen aber nicht die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente in Höhe der vollen Berufsunfähigkeitsrente. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das am 12.11.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger bereits am 08.11.2002 Berufung eingelegt. Er trägt vor, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb das Sozialgericht seinen Vortrag, er habe nicht mehr als die sich aus den Lohnabrechnungen ergebenden Zahlungen erhalten, als Schutzbehauptung ansehe. Er sei damals froh gewesen, neben seiner Rente noch etwas hinzuverdienen zu können, weil er noch mehrere minderjährige Kinder zu versorgen gehabt habe und mit der Rente kaum über die Runden gekommen sei. Gerade weil er hierüber so glücklich gewesen sei, sei es nachvollziehbar, dass er mehr Arbeitsstunden geleistet als bezahlt bekommen habe. Er sei davon ausgegangen, dass diese Stunden in kommenden Monaten mit weniger Stunden gutgeschrieben würden und dass eine solche Verrechnung korrekt gewesen wäre. Sein Arbeitsverhältnis mit der Fa. SWI sei Anfang 1999 zu Ende gegangen, weil das Unternehmen einen Wachauftrag der Bundeswehr verloren habe. Er sei im Anschluss bei dem Unternehmen wegen der Bezahlung der bisher nicht bezahlten Stunden vorstellig geworden. Es sei jedoch dort nichts mehr zu holen gewesen. Welches rechtliche Schicksal das Unternehmen genommen habe, wisse er nicht. Im Übrigen seien seine Mehrarbeitsleistungen überwiegend Sonntags- und Feiertagsarbeit gewesen. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Lohnabrechnungen. Nach seiner Ansicht sei der Lohn für Sonn- und Feiertage steuerfrei und damit nicht auf die Rente anzurechnen.

Im Verhandlungstermin hat der Kläger erklärt, er besitze keine Aufzeichnungen mehr über die tatsächlich geleisteten Stunden. Die im Jahreslohnkonto der Fa. SWI gemachten Angaben zu den tatsächlich geleisteten Stunden seien jedoch zutreffend. Außer den Lohnüberweisungen entsprechend den vorliegenden Lohnbescheinigungen habe er für diesen Zeitraum keine weiteren Zahlungen erhalten. Eine Restlohnforderung von über 1.000,00 DM habe er nicht mehr realisieren können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 15.10.2002 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen. Es sei für jeden Monat zu prüfen, wieviel Stunden der Kläger tatsächlich gearbeitet habe und welcher Stundenlohn vereinbart gewesen sei bzw. tariflich zugestanden habe. Für die entsprechenden Monate sei das zustehende Entgelt (tatsächlich geleistete Stundenzahl x Stundenlohn) zu errechnen und festzustellen, ob die Hinzuverdienstgrenze eingehalten oder überschritten worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Rentenakte der Beklagten, ferner auf den Inhalt der ebenfalls beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft N i.S. F - 000 sowie des Sozialgerichts Münster i.S. Winter vs. LVA Westfalen - S 14 RJ 61/02 Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht im Wesentlichen abgewiesen. Denn für den im Berufungsverfahren allein streitigen Zeitraum von Juni bis Dezemer 1998 verletzt der angefochtene Bescheid den Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Ihm stand in dieser Zeit wegen Überschreitens der gesetzlichen Hinzuverdienstgrenze Erwerbsunfähigkeitsrente lediglich in der geringeren Höhe einer Berufsunfähigkeitsrente zu, und die Beklagte war nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) berechtigt, die Rentenbewilligung insoweit rückwirkend aufzuheben und die zuviel gezahlten Rentenbeträge vom Kläger zurückzufordern.

Dabei folgt der Senat den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe zwar die im Jahreslohnkonto der Fa. SWI ausgewiesenen Mehrstunden tatsächlich geleistet, jedoch über die in den vorgelegten Abrechnungen ausgewiesenen Verdienste hinaus keine weiteren Lohnzahlungen von dem Unternehmen für den betreffenden Zeitraum erhalten. Eine Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin war im Anschluss an die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht mehr nötig, weil seine Angaben glaubhaft erschienen und vom Senat nicht als bloße Schutzbehauptung angesehen werden.

Gleichwohl hat der Kläger von Juni bis Dezember 1998 im Sinne des Gesetzes Hinzuverdienst erzielt, der auf seine Erwerbsunfähigkeitsrente in der mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommenen Weise anzurechnen war. Hinsichtlich der Berechnung des erzielten Einkommens nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug.

Dieses Einkommen war nach Maßgabe des § 96a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung auf die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers als Hinzuverdienst anzurechen. Danach wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (Abs. 1 Satz 1). Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit im Monat die in Abs. 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (Abs. 2 Nr. 1), bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit einen höheren Betrag nach näherer Maßgabe des § 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI.

Der Begriff des "Arbeitsentgelts" in § 96a Abs. 1 Satz 1 richtet sich nach § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (Satz 1). Tatsächlich ausgezahlt erhalten hat der Kläger, wovon der Senat ausgeht, allerdings nur einen Lohn, der wegen Unterschreitens der Hinzuverdienstgrenze unschädlich gewesen wäre. Allerdings hat er im betreffenden Zeitraum mehr Stunden gearbeitet und auch einen Lohnanspruch dafür erworben, den er erst verspätet hätte ausgezahlt erhalten sollen, wozu es mangels Realisierbarkeit aber nicht mehr gekommen ist. Für die Frage, ob bereits ein rentenschädlicher Hinzuverdienst erzielt worden ist, kommt es jedoch nicht auf den tatsächlich zugeflossenen Lohn an (Zuflussprinzip), sondern darauf, welcher Lohnanspruch des Rentenempfängers bereits entstanden war (Rechtsanspruchs- bzw. Fälligkeitsprinzip). Nur bei einer Beantwortung im letzteren Sinne hat der Kläger von Juni bis Dezember 1998 die Hinzuverdienstgrenze für eine Erwerbsunfähigkeitsrente überschritten.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, der von "erzielten" bzw. "geleisteten" Einnahmen spricht, darauf hinzudeuten scheint, dass das Zuflussprinzip gelten solle. KK-Seewald § 14 SGB IV Rz. 10 vertritt dementsprechend (unter Verweis auf BSG SozR 2200 § 14 Nr. 1, 6 und 7) nach wie vor die Ansicht, aus einem Beschäftigungsverhältnis sei erst dann Arbeitsentgelt erzielt, wenn es eingenommen, d.h. im weitesten Sinne zum Vermögensbestandteil des Beschäftigten geworden ist. Dies entspräche dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip.

Die Rechtsprechung des BSG hat sich allerdings von diesem Zuflussprinzip gelöst. Es soll nunmehr grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob dem Arbeitnehmer die Bezüge tatsächlich ausgezahlt wurden, sondern auf das Entgelt, auf dessen Zahlung der Versicherte bei Fälligkeit des Betrages einen Rechtsanspruch hatte (so Urteil vom 26.10.1982 - 12 RK 8/81 = SozR 2200 § 393 Nr. 9). Begründet wird das vor allem mit der Vermeidung von Nachteilen für die Versicherten, da der Beitragsanspruch so auch für geschuldetes, bei Fälligkeit aber nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten ist und damit spätere Rentenansprüche des Versicherten erhöhen kann. Das gilt auch für den Kläger; weitere nachträglich für ihn von der Fa. SWI zu entrichtende Rentenbeiträge wirken sich, wenn auch nur in geringem Umfang, ggf. erhöhend auf seine Altersrente aus.

Der Senat verkennt nicht, dass diese Rechtsprechung aus dem Blickwinkel des Beitragsrechts entwickelt wurde (siehe auch das Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 30.08.1994 - 12 RK 59/92 = SozR 3-2200 § 385 Nr. 5, das sich ausdrücklich von der noch das Zuflussprinzip stützenden Entscheidung SozR 2200 § 14 Nr. 7 abwendet. Die im Beitragsrecht als "Entstehungsprinzip" bezeichnete Abkehr vom Zuflussprinzip wird zuletzt bestätigt im Urteil des BSG vom 07.02.2002 - B 12 KR 13/01 R. Das Entstehungsprinzip gilt selbst dann, wenn wegen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages ein höherer - beitragspflichtiger - Lohn als der vereinbarte hätte ausgezahlt werden müssen und die Arbeitnehmer den Mehrlohn von vornherein nicht eingefordert haben; LSG NRW Urteile vom 28.01.2003 - L 5 KR 191/01, 197/01 = in der Revision beim BSG anhängig zu B 12 KR 10/03 R, 73/02 = Revision BSG B 12 Kr 7/03 R). Der Senat hält es jedoch für geboten, im Rahmen des § 14 SGB IV einen einheitlichen Begriff des Arbeitsentgelts zugrunde zu legen, gleichviel, ob es um die Frage der Entstehung von Beitragsansprüchen geht oder um die Prüfung des Übeschreitens von Hinzuverdienstgrenzen i.S.d. § 96a SGB VI. Hätte der Gesetzgeber einen jeweils eigenen Begriff für die beiden Sachverhalte im Auge gehabt, hätte er ihn nicht in den gemeinsamen Vorschriften des SGB IV für die Sozialversicherung, sondern jeweils an Ort und Stelle in den Beitrags- bzw. in den Hinzuverdienstregelungen des Rentenrechts eigens bestimmt.

Eine andere Handhabung des § 14 SGB IV würde überdies einem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Die Arbeitsvertragsparteien hätten es beispielsweise in der Hand, den Arbeitnehmer tatsächlich ein Jahr lang in voller Arbeitszeit tätig sein zu lassen und das Arbeitsentgelt gleichwohl auf mehrere Jahre verteilt lediglich als Lohn für eine geringfügige Beschäftigung zahlbar zu stellen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Umgehung von sozialversicherungsrechtlicher Beitragspflicht nicht hinnehmbar wäre und im Übrigen auch die Interessen des Arbeitnehmers am Erwerb von Leistungsansprüchen aus der Rentenversicherung vereitelte. Doch auch eine Umgehung in geringerem Umfang, wie sie der Kläger mit seiner Einlassung, er sei von einer späteren Auszahlung des mit Mehrstunden schon erarbeiteten Lohnes in Monaten mit weniger Arbeitsanfall ausgegangen, änderte nichts daran, dass es sich um eine Umgehung von Sozialversicherungspflicht handelte, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann.

Ist deshalb die Hinzuverdienstgrenze bereits überschritten, wenn der Rechtsanspruch auf den Lohn durch Ableistung entsprechender Arbeitsstunden bereits erworben wurde, so kann es keinen Unterschied machen, ob der Lohn später tatsächlich noch zur Auszahlung gelangte oder - wie im Falle des Klägers - wegen Zahlungsschwierigkeiten des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer nicht mehr zu realisieren ist. Sobald der Rechtsanspruch auf das Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV entstanden ist, fließt das Arbeitsentgelt vielmehr unabhängig von seiner tatsächlichen Auszahlung in die Berechnung des Hinzuverdienstes im Rahmen des § 96a SGB VI mit ein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob auch im Rahmen von § 96a i.V.m. § 14 SGB IV nicht das Zufluss-, sondern das Rechtsanspruchs- oder Fälligkeitsprinzip gilt.
Rechtskraft
Aus
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