L 11 KA 160/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KA 23/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 160/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.03.2002 werden zurückgewiesen. Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten des Beklagten im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (nach Abtrennung weiterer Streitgegenstände) im Berufungsverfahren noch um die Rechtmäßigkeit der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Krankenpflegerichtlinien), soweit darin ein abschließendes Leistungsverzeichnis erstellt worden ist.

Die Kläger zu 1) - 9) sind Verbände von Pflegediensten und teilweise auch Träger von Pflegediensten. Darüber hinaus gehören sie zu den für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegedienste maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene im Sinne von § 132 a SGB V.

Die Kläger zu 10) - 13) betreiben Pflegedienste und sind zur häuslichen Krankenpflege als Leistungserbringer zugelassen. Hinsichtlich Art und Umfang der Leistungserbringung haben sie mit den Krankenkassen(verbänden) Verträge geschlossen.

Der Beklagte beschloss am 16.02.2000 die Krankenpflegerichtlinien, die am 13.05.2000 im Bundesanzeiger veröffentlich wurden. Sie regeln die Verordnung häuslicher Krankenpflege durch Vertragsärzte, die Art, Umfang und Dauer der Krankenpflege, die Genehmigung der Krankenpflege durch die Krankenkassen und die Zusammenarbeit der Vertragsärzte mit den Pflegediensten und den Krankenhäusern. Verordnungsfähige Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege sind in einem als Anlage der Richtlinien beigefügten Leistungsverzeichnis zusammengestellt.

Mit ihrer Klage haben sich die Kläger gegen die Rechtmäßigkeit der Krankenpflegerichtlinien insgesamt sowie - hilfsweise - gegen die Rechtmäßigkeit einzelner Bestimmungen gewandt.

Dazu haben sie hinsichtlich des im Berufungsverfahrens noch streitigen Begehrens vorgetragen, der Beklagte habe die ihnen durch § 132 a Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 SGB V eingeräumte Kompetenz nahezu umfassend besetzt; dies habe zur Folge, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen als Partner der Rahmenempfehlungen nun nicht mehr abweichend handeln dürften, wodurch die Gestaltungsmöglichkeiten der Kläger vollständig ausgehöhlt seien; die Inhalte der häuslichen Krankenpflege festzulegen und abzugrenzen sei gemäß § 132 a Abs. 1 S. 4 Nr. SGB V dagegen allein Gegenstand der Rahmenempfehlung; Hintergrund sei, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht scharf abgegrenzt seien; zahlreiche Streitigkeiten und die umfangreiche Rechtsprechung in diesem Bereich würden zeigen, dass der Beklagte zur Regelung dieser Materie nicht zuständig sei, erst recht könne der Beklagte nicht den Vorrang seiner Richtlinien gegenüber den Rahmenempfehlungen beanspruchen; sie würden nicht einmal konkurrieren; so sei die mit § 132 a Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 SGB V eingeräumte Kompetenz nahezu überflüssig, wenn sie nur soweit reiche, wie der Richtliniengeber nicht tätig geworden sei; sollten die Kompetenzen tatsächlich konkurrieren, hätten es die Spitzenverbände der Krankenkassen in der Hand, Standort und Rechtsinstrument der Regelung nach ihrem Gutdünken zu bestimmen; vielmehr sei der Beklagte (nur) für die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung zuständig, während (unter anderem) die Kläger von 1) bis 9) die Inhalte der häuslichen Krankenpflege und deren Abgrenzung gemeinsam mit den Krankenkassen zu regeln hätten; die Richtlinie setze zwar immer an der vertragsärztlichen Verordnung an, vom Inhalt der verordneten Maßnahme sei aber in § 92 SGB V anders als im § 132 a Abs. 1 S. 4 Nr. 1 SGB V nicht die Rede; insbesondere hätten die Partner der Rahmenempfehlung die Aufgabe, einen Leistungskatalog zu errichten; gleiches gelte für die Genehmigung von häuslicher Krankenpflege nach Abschnitt V der Richtlinien; aus dem Gesetz folge ein Bewilligungsvorbehalt gerade nicht, auch sei es keine Angelegenheit der Vertragsärzte zu entscheiden, inwieweit die Krankenkassen bis zur Genehmigungsentscheidung Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen zu tragen hätten; im Übrigen sei diese Frage bereits in Verträgen nach § 132 SGB V a. F. bzw. § 132 a Abs. 2 SGB V n. F. geregelt; durch seine Kompetenzüberschreitung habe der Beklagte subjektives Recht der Kläger jedenfalls verletzt, soweit sie selbst Träger von Einrichtungen seien; im Übrigen hätten die klagenden Verbände eine Sachwalterstellung für die Leistungserbringer; schließlich aber sei auch ihr Recht auf Verfahrensteilhabe verletzt; die Stellungnahmen der Spitzenorganisationen seien bezüglich der Einwände gegen ein abschließendes Leistungsverzeichnis komplett ausgefallen, der Beklagte habe nicht einmal auf die Einwände erwidert; auch sei ihnen eine Einsicht in die Verwaltungsvorgänge verwehrt worden.

Die Kläger haben beantragt,

festzustellen, dass die Richtlinien über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V vom 16. Februar 2000, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 13. Mai 2000, unwirksam sind;

hilfsweise festzustellen,

dass die Ziffer 23 der Richtlinie sowie das Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege als Anlage der Richtlinien nichtig sind;

äußerst hilfsweise festzustellen, dass

- die Regelung über die pflegerischen Prophylaxen gemäß der Vorbemerkung zum Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen "Pflegerische Prophylaxen, Lagern und Hilfen bei der Mobilität sind Bestandteil der verordneten Leistung in dem Umfang, wie sie zur Wirksamkeit notwendig sind, auch wenn die Häufigkeit, in der sie nach Maßgabe der individuelle Pflegesituation erbracht werden müssen, von der Frequenz der verordneten Pflegeleistungen abweichen,"

- sowie die Leistungsbeschreibungen der Ziffern 16 und 18 des Leistungsverzeichnisses unwirksam sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezweifelt zunächst die Zulässigkeit der Klage: Die Kläger zu 1) bis 9) stünden in keinerlei Rechtsverhältnis zum Beklagten; zwar seien sie durch § 132 a SGB V mit den Krankenkassen verknüpft; die Frage, ob durch die angegriffenen Richtlinien Kompetenzregelungen verletzt seien, könne jedoch nur im Verhältnis zwischen den Rahmenvertragspartnern geklärt werden; auch die Kläger zu 10) bis 13) würden allenfalls in einem Rechtsverhältnis mit den die Pflegeleistungen bei Vorliegen einer vertragsärztlichen Verordnung vergütenden Krankenkassen stehen; der Sache nach hätten die Kläger einen abstrakten Normenkontrollantrag gestellt, der im sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig sei. Jedenfalls aber seien die Klagen unbegründet: Um den gesetzlichen Auftrag zur Konkretisierung des Leistungsanspruchs zu erfüllen, hätten die Richtlinien die verordnungsfähigen Pflegeleistungen festlegen müssen; die dahingehende Ermächtigung des Beklagten bezüglich Inhalt und Umfang der ärztlichen Behandlung beruhe auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und verletze die Verfassung nicht (BSG, Urteil vom 20.03.1996 - 6 RKa 62/94 - in: USK 96 116; Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 32/95 - in: USK 97 108); nur auf diesem Wege könnten die Vertragsärzte ihrer Verpflichtung nachkommen, eine ausreichende, notwendige und wirtschaftliche Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit verordnungsfähigen Pflegeleistungen sicher zu stellen; das Konkretisieren einer gesetzlichen Aufgabe aber könne nicht zugleich Rechte Dritter verletzen; wenn die Rahmenvereinbarungen nach § 132 a SGB V (nur) Empfehlungen seien und sie darüber hinaus die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zu berücksichtigen hätten, folge daraus ein Richtlinienvorrang; insoweit könnten die Richtlinien die den Klägern zu 1) bis 9) eingeräumten Kompetenzen nicht beeinträchtigen; auch durch die Einzelregelungen seien die Kläger von 10) bis 13) nicht in ihren Rechten verletzt.

Mit Urteil vom 27.03.2002 hat das Sozialgericht (SG) Köln die Klagen abgewiesen und hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitigen Teile zur Begründung ausgeführt, dass die Klage insoweit zulässig seien, da die Kläger insgesamt geltend machten, in ihrem durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Grundrecht auf freie Berufsausübung durch die streitigen Vorschriften beeinträchtigt zu sein und nur im Wege der Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normsetzungen, die sich unmittelbar auf Rechtspositionen des Betroffenen auswirken, gewährt werden könne.

Die Klagen seien jedoch unbegründet, da die angegriffenen Richtlinien Rechte der Kläger nicht beeinträchtigten und deshalb rechtmäßig seien. Die Kläger zu 1) bis 9) werden nicht rechtswidrig in ihrem Recht aus Art. 12 GG eingeschränkt. Zwar wirken sich die streitigen Bestimmungen mittelbar auf die Möglichkeiten der Kläger zu 1) bis 9) aus, die Interessen der von ihnen vertretenen Leistungserbringer wahrzunehmen, jedoch erfolge diese gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Grundrechtseinschränkung durch § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. Diese Einschränkung sei auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da lediglich die Berufsausübungsfreiheit betroffen sei und insoweit als Gesetzeszweck der Schutz eines Gemeinschaftsgutes genüge. Der Beklagte habe auch nicht die ihm grundsätzlich rechtmäßig eingeräumten Befugnisse aus § 92 SGB V überschritten. Der Beklagte sei demokratisch legitimiert, auch über die Leistungsrechte der Versicherten zu entscheiden. Die Regelung des Abschnitts V sei geeignet und angemessen, um das Wirtschaftlichkeitsgebot im Leistungsgeschehen der häuslichen Krankenpflege zu fördern. Zwar würden die Vereinbarungsmöglichkeiten der Kläger zu 1) bis 9) im Rahmen des § 132 a Abs. 2 SGB V eingeschränkt, jedoch sei dies wegen des Regelungsvorranges unerheblich.

Die Kläger zu 1) bis 9) würden auch nicht durch das Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen rechtswidrig beeinträchtigt; es sei gerade ureigen Angelegenheit der Vertragsärzte, den Inhalt jener Leistungen zu bestimmen, die sie mit ihrer Verordnung erbracht sehen wollten.

Aus den gleichen Überlegungen folge, dass auch die Klagen der Kläger zu 10) bis 13) unbegründet seien.

Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Sie wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Darüber hinaus weisen sie darauf hin, dass sich die Zulässigkeit der Klage auch bereits aus § 132 a SGB V ergebe, da in die Kompetenzen der Kläger zu 1) bis 9) zur Mitwirkung an untergesetzlicher Rechtsetzung in Form von Rahmenempfehlungen eingegriffen werde. Ihnen sei der gesetzliche Auftrag gegeben worden, die Interessen der Leistungserbringer zu vertreten. Beeinträchtigungen dieses Auftrages könnten sie deshalb als eigene Rechtsbeeinträchtigungen gerichtlich überprüfen lassen. Die Zulässigkeit der Klage der Kläger zu 10 - 13) ergeben sich auch aus § 91 Abs. 9 SGB V. Denn danach seien die Beschlüsse des Beklagten für die an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer verbindlich. Es bestehe keine Normenhierarchie hinsichtlich der Möglichkeiten des Beklagten zum Erlass von Richtlinien und der Rechte der Kläger zu 1) bis 9) bezüglich der Mitwirkung am Erlass von Rahmenempfehlungen. Es bestünden auch keine konkurrierenden Richtlinien- und Empfehlungskompetenzen mit der Konsequenz, dass für die Partner der Rahmenempfehlung nur dann ein Handlungsspielraum bleibe, soweit und solange der Beklagte von seiner Kompetenz noch keinen Gebrauch gemacht habe.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.03.2002 abzuändern und festzustellen, dass die Richtlinien des Beklagten über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V vom 16.02.2000 unwirksam sind, soweit gemäß Ziffer 3 ein abschließendes Leistungsverzeichnis erstellt worden ist.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte und die Beigeladenen halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des SG Köln - S 19 KA 113/00 ER und S 19 KA 108/00 ER - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Kläger sind zulässig, aber unbegründet. Die Krankenpflegerichtlinien sind rechtmäßig, soweit gemäß Ziffer 3 ein abschließendes Leistungsverzeichnis erstellt worden ist.

Die Klagen der Kläger zu 1) bis 9) sind zulässig. Die Richtlinien des Beklagten stellen eine Form der Rechtssetzung durch die Exekutive dar (BSGE 78, 70, 75 m.w.N.). Damit ist das Klagebegehren auf Normgebung bzw. deren Modifizierung gerichtet. Da die Kläger kein vollständiges Untätigbleiben des Beklagten rügen, sondern die Art und die Form seines Tätigwerden beanstanden, scheidet eine Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) aus. Die höchstrichterliche sozialgerichtliche Rechtsprechung hat für Rechtsschutzbegehren, die auf die Nichtanwendung vorhandener untergesetzlicher Rechtsnorm abzielen, wegen Fehlens einer § 47 VwGO entsprechenden Regelung auf die Feststellungsklage (§ 55 SGG) zurückgegriffen, um den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG gerecht zu werden (BSGE 71, 42, 52). Die Klägern zu 1) bis 9) können auch geltend machen, durch das von ihnen gerügte Tätigwerden des Beklagten in eigenen Rechten unmittelbar verletzt zu sein. Neben der bereits vom SG dargelegten möglichen Beeinträchtigung der Kläger zu 1) bis 9) in ihrem Recht aus Art. 12 GG kommt vorrangig eine mögliche Verletzung der den Kläger zu 1) bis 9) eingeräumten Rechte aus § 132 a SGB V in Betracht. Denn durch den Erlass der streitigen Richtlinien einschließlich eines abschließenden Leistungsverzeichnisses können die Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte der Kläger zu 1) bis 9) bei einem Erlass der gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß § 132 a SGB V verletzt sein, weil durch die Ausgestaltung der streitigen Richtlinien und insbesondere des abschließenden Leistungsverzeichnisses der entsprechende Gestaltungsspielraum gegen Null reduziert ist.

Die Klagen der Kläger zu 10) bis 13) sind unzulässig. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 28.06.2000 - B 6 KA 26/99 R - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass in Bezug auf die Rechte von Leistungserbringern, die bestimmte, im Einzelnen näher darzulegende Voraussetzungen erfüllen, durch Richtlinien des Beklagten und andere abstrakt - generell normative Regelungen im Bereich des SGB V durchaus auch Leistungserbringer in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG tangiert sein können, selbst wenn sie nicht Adressaten der Vorschriften sind. Die Kläger zu 10) bis 13) sind nicht Adressaten der streitigen Regelung. Denn die Krankenpflegerichtlinien richten sich allein an die Versicherten, Vertragsärzte und gesetzlichen Krankenkassen. Entgegen der Ansicht der Kläger zu 10) bis 13) ergibt sich auch nicht aus § 91 Abs. 9 SGB V, dass die Beschlüsse des Beklagten - also hier die streitigen Krankenpflegerichtlinien - für die Kläger zu 10) bis 13), die Pflegedienste betreiben, verbindlich sind. Zwar wird in § 91 Abs. 9 SGB V eine Verbindlichkeit der Beschlüsse des Beklagten u.a. für die an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer bestimmt. Zu diesen Leistungserbringern im Sinne von § 91 Abs. 9 SGB V zählen jedoch die Kläger zu 10) bis 13) nicht, da sie nicht an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmen. Die Vorschrift des § 91 Abs. 9 SGB V entspricht vielmehr der bis zum 31.12.2003 geltenden und in verschiedenen Bestimmungen festgelegten Regelung.

Normative Bestimmungen wie die Richtlinien des Beklagten können jedoch auch dann in die Berufsfreiheit des Art. 12 GG eingreifen, wenn sie zwar die Berufstätigkeit von Dritten nicht unmittelbar berühren, jedoch sie selbst oder die auf ihrer Grundlage ergangenen Maßnahmen in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben. Dies ist bezüglich der Kläger zu 10) bis 13) nicht der Fall. Denn die streitige Richtlinie des Beklagten berüht die Kläger zu 10) bis 13) lediglich in Randbereichen ihrer beruflichen Betätigung, weil die zum Kernbereich der beruflichen Betätigung der Kläger zu 10) bis 13) gehörende inhaltliche Ausgestaltung der ihnen obliegende Pflegeleistungen von den streitigen Richtlinien nicht berührt wird. In Kernbereiche ihrer beruflichen Betätigung wird - anders als bei Diätassistenten (vgl. BSG a.a.O) - nicht eingegriffen. Darüberhinaus sind sie auch was die Gewährung des Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG anbelangt ausreichend abgesichert. Sie haben einerseits die Möglichkeit im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen gemäß § 132 a Abs. 2 SGB V ihre Ansichten - ggf. unter Zuhilfenahme der Gerichte - durchsetzen. Darüberhinaus wird ein Gesamtvertrag auf Landesebene zwischen den Pflegedienstverbänden und den Krankenkassen (Verbänden) geschlossen. Letztlich besteht noch die Möglichkeit durch die Rahmenempfehlung gemäß § 132 a Abs. 1 SGB V über die Spitzenverbände der Pflegedienste Einfluss zu nehmen.

Die Klagen der Kläger zu 1) bis 9) sind unbegründet, soweit sie sich (im Berufungsverfahren nur noch) gegen das gemäß Ziffer 3 abschließende Leistungsverzeichnis richten.

Die streitigen Richtlinien des Beklagten sind insoweit rechtmäßig und verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen die in § 132 a Abs. 1 SGB V normierten Rechte der Kläger zu 1) bis 9) lässt sich nicht feststellen. Dies ergibt sich einerseits bereits aus dem Wortlaut von § 132 a Abs. 1 SGB V, denn das Recht der für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegedienste maßgebliche Spitzenorganisationen auf Bundesebene besteht nur "unter Berücksichtigung der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V". Bereits damit wird deutlich, dass die vom Beklagten zu erlassenden Richtlinien Vorrang gegenüber den von den Klägern zu 1) bis 9) und anderen zu vereinbarenden gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß § 132 a Abs. 1 SGB V haben. Zwar wird für die vom Beklagten zu erlassenden Richtlinien in § 92 Abs. 7 SGB V anders als für die gemeinsamen Rahmenempfehlungen in § 132 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 SGB V nicht bestimmt, dass der Inhalt der häuslichen Krankenpflege festgelegt werden soll. Dies steht jedoch dem Vorrang der Richtlinien des Beklagten gegenüber den gemeinsamen Rahmenempfehlungen im Sinne von § 132 a Abs. 1 SGB V nicht entgegen, denn die den für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene übertragenen Rechten zur Bestimmung des Inhaltes der häuslichen Krankenpflege bestehen - wie Abs. 1 Satz 1 deutlich macht - auch nur "unter Berücksichtigung der Richtlinien des Beklagten" und damit lediglich soweit der Beklagte keine (entgegenstehenden) Bestimmungen getroffen hat.

Diese sich bereits aus den Wortlaut aufdrängende Auslegung erweist sich als zwingend, wenn man sie im Gesamtsystem der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten betrachtet. Der Versicherte hat gemäß § 37 SGB V gegen die Krankenkasse einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Sachleistung. Dieser Anspruch wird hinsichtlich Art und Umfang durch die Richtlinien des Beklagten konkretisiert. Denn für den Versicherten muss - gerichtlich nachprüfbar - feststehen, welchen Inhalt sein Anspruch aus § 37 SGB V konkret hat. Gleichzeitig muss der vom Versicherten aufgesuchte Vertragsarzt verbindlich wissen, welche Leistungen er erbringen und insbesondere verordnen darf. Diese notwendige und systemimmanente Rechtsklarheit kann aber nur durch Richtlinien des Beklagten erreicht werden. Denn die Richtlinien des Beklagten haben Normqualität, sind Bestandteil des BMV-Ä, entfalten unmittelbare Rechtswirkung, konkretisieren den Anspruch des Versicherten in der Gestalt, dass sie einen entsprechenden Leistungskatalog aufweisen, und grenzen die Leistungen der häuslichen Krankenpflege von den Pflegeleistungen des SGB XI ab. Demgegenüber haben die gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß § 132 a SGB V keinerlei rechtliche Bindung für den Versicherten, den Vertragsarzt, die Krankenkassen und die nichtärztlichen Leistungserbringer. Denn sie sollen lediglich ein Verhalten Dritter (Pflegedienst- und Krankenkassenverbände) beeinflussen.

Den Klägern zu 1) bis 9) kann auch nicht dahingehend gefolgt werden, dass durch die streitigen Richtlinien des Beklagten ihre Rechte aus § 132 a SGB V sinnentleert werden. Zwar hat der Beklagte in einem zur Konkretisierung des Versichertenanspruches gemäß § 37 SGB V notwendigem Maße mit der Erstellung eines abschließenden Leistungsverzeichnisses das Recht der Kläger zu 1) bis 9) aus § 132 a Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 SGB V zur Regelung der Inhalte der häuslichen Krankenpflege begrenzt, jedoch ist dieses Recht der Kläger zu 1) bis 9) nicht zur leeren Hülse geworden. Es bleibt vielmehr den für die gemeinsamen Rahmenempfehlungen zuständigen Organisationen auch weiterhin das Recht und die faktische Möglichkeit, Inhalte der häuslichen Krankenpflege, die der Beklagte in den streitigen Richtlinien festgelegt hat, zu konkretisieren. Denn es ist ihnen unbenommen, in den gemeinsamen Rahmenempfehlungen z.B. Art und Weise der Durchführung der vom Beklagten in den Richtlinien festgelegten Pflegeleistungen zu erarbeiten und vorzuschlagen.

Ein Verstoß der streitigen Richtlinien gegen Art. 12 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht erkennbar. Insoweit schließt sich der Senat der Rechtsauffassung des SG an, dass durch streitigen Richtlinien eine gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Grundrechtseinschränkung seitens des Beklagten vorgenommen worden ist, die auch gerechtfertigt ist, da lediglich die Berufsausübungsfreiheit in Randbereichen betroffen ist und insoweit als Gesetzeszweck der Schutz eines Gemeinschaftsgutes genügt. Der Beklagte ist demokratisch legitimiert, über die Leistungsrechte der Versicherten zu entscheiden. Die streitigen Richtlinien sind geeignet und angemessen, das Wirtschaftlichkeitsgebot im Leistungsgeschehen der häuslichen Krankenpflege zu realisieren.

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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