L 4 (2) U 6/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 200/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 (2) U 6/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.12.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Überweisung des Unternehmens der Klägerin an die Beigeladene.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Sie verleiht die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter nach ihren Angaben als Schlosser, Schweißer, Vorrichter, Rohrleitungsbauer, Maschinenbauschlosser und Stahlbauschlosser ausschließlich an Firmen, die selbst bei der Beigeladenen versichert sind. Als Mitglied der Beklagten beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 05.11.1999 unter Bezugnahme auf ein Gutachten von Prof. Dr. T vom 24.11.1998 die Zuweisung ihres Unternehmens "an die zuständige Fachberufsgenossenschaft". Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 09.12.1999). Ihre Zuständigkeit für das Unternehmen der Klägerin sei von Anfang an richtig gewesen. Sie sei für Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung der zuständige Unfallversicherungsträger. Den mit Schreiben vom 14.12.1999 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 02.07.2001).

Mit der am 02.08.2001 erhobenen Klage hat die Klägerin die Überweisung ihres Unternehmens an die Beigeladene begehrt. Sie hat Auszüge aus dem Rechtsgutachten des Prof. T vom 24.11.1998 vorgelegt und die Auffassung vertreten, es fehle an einer Zuweisung der Zeitarbeitsunternehmen an die Beklagte durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber. In einem solchen Falle seien die Unternehmen derjenigen Berufsgenossenschaft zuzuordnen, der die jeweilige Unternehmensart nach Art und Gegenstand am nächsten stehe. Das sei die Berufsgenossenschaft, bei der die für die jeweilige Unternehmensart zweckmäßigste, fachspezifische und leistungsfähigste Unfall- und Krankheitsverhütung betrieben werden könne. Die Unfall- und Krankheitsverhütung für die entliehenen Arbeitnehmer müsse sich an den im Entleihbetrieb herrschenden Gefahren orientieren. Soweit ein Unternehmen dauerhaft und zielgerichtet überwiegend an Betriebe verleihe, die einer bestimmten Berufsgenossenschaft zugeordnet seien, sei auch das Zeitarbeitsunternehmen dieser Berufsgenossenschaft zuzuordnen. Bei solchen monostrukturellen Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung könnten auf der Grundlage der in den entleihenden Unternehmen genutzten Fertigungsabläufe und Betriebseinrichtungen die spezifischen Unfall- und Krankheitsgefahren ermittelt werden, denen die Leiharbeitnehmer ebenso wie die dauerhaft dort beschäftigten Arbeitnehmer ausgesetzt seien. Die von der Beklagten geleistete Unfallverhütung sei nicht sachgerecht, da sie keine speziellen technischen Aufsichtsbeamten für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung vorhalte. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) darin, dass solche Zeitarbeitsunternehmen von einer Fachberufsgenossenschaft anderer Gewerbearten erfasst würden, die früher Betriebsteil eines bei einer anderen Fachberufsgenossenschaft versicherten Unternehmens gewesen seien und sich dann durch sog. "outsourcing" rechtlich verselbständigt hätten.

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten und sich selbst als den zuständigen Unfallversicherungsträger für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung angesehen.

Die Beigeladene hat die Auffassung vertreten, der Antrag der Klägerin auf Überweisung an sie dürfte keine Aussicht auf Erfolg haben.

Das Sozialgericht (SG), hat die Klage abgewiesen (Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 09.12.2002; zugestellt am 18.12.2002).

Mit der am 14.01.2003 eingelegten Berufung trägt die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. T und Urteile des Bundessozialgerichts (BSGE 39, 112, 113; 71, 85, 86) weiterhin vor, es fehle an einer Zuweisung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber für die Zeitarbeitsunternehmen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich weder aus Gewohnheitsrecht noch aus Regelungen, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes galten. Die Zeitarbeitsbranche habe sich erst ab 1949 entwickelt. Ihre Neuzuweisung an die Beigeladene habe nach § 136 Abs. 2 Satz 1, 1. Alternative, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu geschehen. Die Zuständigkeitszuweisung sei "eindeutig" im Widerspruch zu den Zuständigkeitsregelungen erfolgt. Mit dem Begriff "eindeutig" in dieser Regelung sei nicht gemeint, dass die Beantwortung der Rechtsfragen einfach sein müsse, sondern nur, dass tatsächliche Zweifelsfragen, also Feststellungen des Sachverhalts und Beweiswürdigungen, eindeutig möglich seien. Zudem führe das Festhalten an der bisherigen Zuweisung zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten im Sinne von § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, da die Beitragsbelastung bei der Beigeladenen maximal 50 % des Beitrages bei der Beklagten betragen würde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 09.12.2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 09.12.1999 und 02.07.2001 zu verurteilen, sie ab 17.11.1999 an die Beigeladene zu überweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide und das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, das Fehlen einer Rechtsverordnung nach § 122 Abs. 1 SGB VII sei ohne Auswirkungen auf die bestehenden Zuständigkeiten der Berufsgenossenschaften für einzelne Unternehmensarten. Von der Kann-Vorschrift des § 122 Abs. 1 SGB VII habe das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bisher keinen Gebrauch gemacht. Dies habe zur Rechtsfolge, dass jede Berufsgenossenschaft für die Unternehmensart sachlich zuständig bleibe, für die sie bisher zuständig gewesen sei. Die derzeitigen Zuständigkeiten der Berufsgenossenschaften beruhten auf dem Bundesratsbeschluss vom 22.05.1895 und späteren Zuweisungen durch Bundesrat, Reichstag, Reichsarbeitsministerium und Reichsversicherungsamt. Danach erstrecke sich ihre Zuständigkeit seit 1942 auf solche Unternehmen, für die keine andere Berufsgenossenschaft sachlich zuständig sei. Auf der Grundlage dieser Klausel sei ihre Zuständigkeit u.a. für Unternehmen bei Zeitarbeit begründet worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe sie die notwendige Kompetenz in Fragen der Unfallverhütung in der Zeitarbeitsbranche. Sie habe technische Aufsichtsbeamte mit der erforderlichen Qualifikation eingestellt. Auf ihre Anregung sei über den HVBG im Fachausschuss Verwaltung ein Sachgebiet "Arbeitnehmerüberlassung" mit der Aufgabe eingerichtet worden, bei der Erstellung und Bearbeitung des Regelwerkes der Unfallversicherungsträger zu einem wirksamen Arbeitsschutz für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung beizutragen. Die Federführung für diesen Fachausschuss liege bei ihr. Sie habe einschlägige Schriften erarbeitet, systematisch Unfalluntersuchungen in den Entleihbetrieben durchgeführt und auf Grund deren Ergebnisse Maßnahmen und Strategien zur Verbesserung des Arbeitsschutzes für Leiharbeitnehmer eingerichtet, modellhafte Maßnahmen zum Arbeitsschutz eingeführt, branchenbezogene Seminare für die Zeitarbeit angeboten und in den Aufsichtsbezirken ihrer Bezirksverwaltungen Schwerpunkt- TAB n für die Zeitarbeit eingesetzt. Zudem würden die Entleihbetriebe bereits von den zuständigen Fachberufsgenossenschaften im Bereich der Unfallverhütung betreut. Eine unbillige Härte in Form von unzureichender Unfallverhütung und Prävention liege somit nicht vor. Die Überweisung an eine andere Berufsgenossenschaft allein aufgrund einer anderen Beitragsbelastung sei nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig (BSGE 15, 282, 291). Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG sei nicht zu erkennen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, die Ausführungen der Beklagten für zutreffend und die Auffassung der Klägerin, der Beitragssatz bei ihr würde sich nur auf 50 % des Beitrages bei der Beklagten belaufen, für nicht erklärlich gehalten. Bei einer Zuordnung zu ihr sei ein höherer Beitrag als der von der Beklagten festgesetzte zu erwarten. Sie beobachte vermehrt, das Unternehmen die Überweisung von ihr zu der Beklagten begehren.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten sowie die Streitakten des SG Gelsenkirchen zu den Aktenzeichen S 13 U 90/99, S 10 U 206/99 und S 13 U 45/01 sowie des LSG NRW zum Aktenzeichen L 17 U 159/01 einschließlich der Beiakten beigezogen. Die Klägerin hat eine Gewerbe-Ummeldung (07.12.1993) vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Streitakten und der beigezogenen Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Rechtmäßig hat es die Beklagte abgelehnt, das Unternehmen der Klägerin an die Beigeladene zu überweisen.

Die Beklagte hat durch Aufnahme der Klägerin in ihr Unternehmerverzeichnis über deren Mitgliedschaft nach § 664 Abs. 1 Reichsversicherungsordung (RVO) bindend entschieden und der Klägerin bestätigt, dass sie ihr Mitglied sei (28.09.1993). Unabhängig davon wird mit der Aufnahme unternehmerischer Tätigkeiten die Zwangszugehörigkeit des Unternehmens zu der für dieses zuständigen Berufsgenossenschaft begründet, sie beginnt automatisch kraft Gesetzes. In diesem Sinne ist die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (vergleiche LSG NRW, Urteil vom 11.05.2004 - L 15 U 40/01 - mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII kommt eine Überweisung dann in Betracht, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig war oder sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen ändert. Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Diese Regelung übernimmt die zu § 664 Abs. 3 RVO ergangene Rechtssprechung, wonach die Berichtigung der Eintragung eines Unternehmens in das Unternehmerverzeichnis einer Berufsgenossenschaft nur dann zulässig war, wenn sie seinerzeit aufgrund eines so gröblichen Irrtums erfolgt war, dass die weitere Belassung des Betriebes bei der formal zuständig gewordenen Berufsgenossenschaft der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig widerlaufen würde oder wenn schwerwiegende Unzuträglichkeiten nachweisbar wären, welche die Belassung des Betriebes bei der Berufsgenossenschaft als unbillige Härte erscheinen ließe (vergleiche BSG, Urteil vom 12.12.1985 - 2 RU 57/84 -). Diese Forderung hatte das BSG unter Berücksichtigung des seit jeher im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Grundsatzes der Katasterstetigkeit für notwendig gehalten (vergleiche BSG, Urteil vom 11.08.1998 - B 2 U 31/97 R -).

Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, ist dann gegeben, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Diese Voraussetzungen sind seitens der Klägerin nicht erfüllt. Die Beklagte war und ist für ihr Unternehmen der zuständige Unfallversicherungsträger. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist nicht eingetreten. Die Klägerin betreibt nach wie vor ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, für das die Beklagte zuständiger Träger der gesetzlichen Unfallversicherung war und ist.

Weder das SGB VII noch die RVO in ihrer bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung enthalten eine eigenständige Regelung hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Nach § 122 Abs. 2 SGB VII bleibt jede Berufsgenossenschaft für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war. Eine Rechtsverordnung zur Regelung der sachlichen Zuständigkeit ist weder auf der Grundlage des § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB VII noch der Vorgängervorschrift des § 646 Abs. 2 RVO erlassen worden. Nach Artikel 4 § 11 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (UVNG) vom 30.04.1963 blieb jeder Träger der Unfallversicherung für die Unternehmen zuständig, für die er bisher zuständig war.

Der die sachliche Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften regelnde Bundesratsbeschluss vom 22.05.1885 (AN 1885, 143) gilt als vorkonstitutionelles Recht weiter (ständige Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, vergleiche Urteil vom 13.10.1993 - 2 RU 23/92). Dieser Beschluss führt - entsprechend dem damaligen Stand des Berufs- und Erwerbslebens - den Gewerbezweig der Arbeitnehmerüberlassung noch nicht auf. Er ist als solcher auch nicht in dem vom früheren Reichsversicherungsamt (RVA) aufgestellten "alphabetischen Verzeichnis der Gerwerbezweige, welche zu den bis zum 1. Oktober 1885 gebildeten Berufsgenossenschaften gehörten" und seinen vom RVA vorgenommenen Fortschreibungen vermerkt. Auch das übrige, die Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften regelnde vorkonstitutionelle Recht enthält keine ausdrückliche Zuweisung der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Jedoch weist es der Beklagten die Zuständigkeit für alle überwiegend büromäßig betriebenen Unternehmen sowie eine Auffangzuständigkeit für alle die Unternehmen zu, für die die Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers nicht gegeben ist.

Die ursprünglich als "Versicherungsgenossenschaft der Privatfahrzeuge- und Reittierbesitzer" errichtete Beklagte erlebte in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zahlreiche Änderungen in ihrer Zuständigkeit und erhielt 1929 den Namen "Genossenschaft für reichsgesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft 68)". Einen grundlegenden Wandel in der gesetzlichen Unfallversicherung brachte das Sechste Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 09.03.1942 (RGBl. I, Seite 107). Hing der Versicherungsschutz des Einzelnen bis dahin davon ab, dass der jeweilige Betrieb versichert war, so war Anknüpfungspunkt nunmehr allein die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit. Zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes vom 09.03.1942 konnte der Reichsarbeitsminister (RAM) im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen. Der RAM traf mit Erlass vom 16.03.1942 - II a 2660/42 - (AN 1942, II 201) eine Regelung dahingehend, dass versicherte Personen in Banken, Krediteinrichtungen, Versicherungsunternehmen, Verbänden, Kanzleien und ähnlichen Unternehmen, in Verwaltungen, die nicht zu einem anderweitig versichertem Unternehmen gehören sowie Hausbesorger bei der Genossenschaft für reichsgesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft 68) versichert sind. Nummer 10 des Erlasses ermächtigte das RVA näheres insbesondere auch über die Abgrenzung der Zuständigkeit von Versicherungsträgern zu bestimmen. Nach den Ausführungsbestimmungen des RVA vom 22.04.1942 (AN 1942, II 287) war die Genossenschaft für reichsgesetzliche Unfallversicherung unter anderem auch zuständig für die Versicherten in allen überwiegend büromäßig betriebenen Unternehmungen sowie in Unternehmen, für welche die Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers nicht gegeben ist. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Berufsgenossenschaft unter ihrer alten Bezeichnung neu organisiert und erhielt 1954 den von ihr heute geführten Namen (vergleiche LSG Sachsen, Urteil vom 07.03.2001 - L 2 U 151/99 - und LSG NRW, Urteil vom 16.09.2003 - L 15 U 16/01 - mit weiteren Nachweisen).

Ist eine bestimmte Unternehmensart im Reichsunfallversicherungsrecht noch nicht ausdrücklich einer Berufsgenossenschaft zugeordnet worden, so ist in entsprechender Anwendung der genannten Rechtsquellen das umstrittene Unternehmen derjenigen Berufsgenossenschaft zuzuweisen, der es nach Art und Gegenstand am nächsten steht. Maßgeblich kommt es darauf an, bei welcher Berufsgenossenschaft die für das betreffende Unternehmen zweckmäßigste Unfall- und Krankheitsverhütung gewährleistet ist (BSG, Urteil vom 04.08.1992 - 2 RU 5/91 -). Die vom RAM getroffene Zuständigkeitsregelung ist auch nach dem zweiten Weltkrieg von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung weiter praktiziert worden und vom Bundesgesetzgeber mit dessen Willen übernommen worden. Dies ergibt sich daraus, dass sowohl Artikel 4 § 11 UVNG als auch § 122 Absatz 2 SGB VII die vorbestehenden Zuständigkeiten, die auf vorkonstitutionellem Recht beruhten, übernommen haben. Der RAM-Erlass vom 16.03.1942 und die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen des RVA sind damit bei der Prüfung der Frage, welcher Berufsgenossenschaft ein Unternehmen nach "Art und Gegenstand nahesteht", zu beachten (vergleiche LSG NRW, Urteil vom 11.05.2004 - L 15 U 40/01 - mit weiteren Nachweisen).

Die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung bilden einen Gewerbezweig im Sinne des unfallersicherungsrechtlichen Organisations- und Zuständigkeitsrechts. Dies ergibt sich - insoweit folgt der Senat dem Urteil des BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R - zum einen daraus, dass die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung eine besondere Art von Unternehmen mit einem besonderen Unternehmensgegenstand darstellen, weil sie im Unterschied zu anderen Unternehmen keine Waren herstellen oder vertreiben bzw. Dienstleistungen erbringen, sondern Arbeitskräfte gegen Entgelt "verleihen", mit denen andere Unternehmen solchen Zwecken dienen. Für einen eigenen Gewerbezweig spricht ferner die gesetzliche Regelung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), die die typischen Strukturen einer spezialgesetzlichen Regelung für einen besonderen Gewerbezweig aufweist.

Aus der besonderen Natur der Arbeitnehmerüberlassung ergibt sich, dass Arbeitnehmer in eine Vielzahl von Unternehmen "verliehen" werden, die unterschiedlichen Berufsgenossenschaften angehören. Kennzeichnend für die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung ist nicht die Tätigkeit der von ihnen "verliehenen" Arbeitnehmer im "entleihenden" Betrieb. Deren Tätigkeitsfelder sind nach Arbeitsverfahren, Werkstoffen, Arbeitsprodukten und Betriebseinrichtungen derart mannigfaltig, dass die Zuordnung des Gewerbezweigs zu einer anderen Berufsgenossenschaft als der Beklagten nicht in Betracht kommen kann. Gemeinsames den Gewerbzweig kennzeichnendes Merkmal aller Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr die überwiegend verwaltend bzw. kaufmännisch betriebene Einholung von Aufträgen, die Einstellung und Entlassung von Leiharbeitnehmern und die Planung, Lenkung, Koordination und Abrechnung von deren Einsatz. Insoweit handelt es sich um eine die Zuständigkeit der Beklagten begründende überwiegend büromäßige Tätigkeit (vergleiche LSG NRW, Urteile vom 11.05.2004 - L 15 U 40/01 - und vom 16.09.2003 - L 15 U 16/01 - mit weiteren Nachweisen).

Auch der Gesichtspunkt der Unfall- und Krankheitsprävention spricht für die Zuständigkeit der Beklagten. Die Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung sind von ihrem Betriebsgegenstand her durch eine ihnen gemeinsame gewerbetypische Unfallgefahr gekennzeichnet, die sich aus dem häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes mit der Folge, sich in eine neue Arbeitsumwelt eingewöhnen zu müssen und der damit auch verbundenen Wegeunfallgefahr ergibt. Soweit die Leiharbeitnehmer den zusätzlichen betriebsspezifischen Gefährdungen im "entleihenden" Unternehmen ausgesetzt sind, hat der Gesetzgeber das Problem der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren in den §§ 16, 17 SGB VII praktikabel und effizient gelöst. So gelten die Unfallverhütungsvorschriften eines Unfallversicherungsträgers auch, soweit in dem oder für das Unternehmen Versicherte tätig werden, für die ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig ist. Entsprechendes gilt für die Überwachung und Beratung. Die Klägerin hat im übrigen auch keine konkreten Beispiele für eine mangelhafte Prävention seitens der Beklagten aufgezeigt. Diese hat vielmehr dargelegt, dass sie umfangreiche Maßnahmen im Bereich der Unfallprävention getroffen hat und maßgeblich zu einem wirksamen Arbeitsschutz für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung beiträgt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in einer - unterstellt - höheren Beitragsbelastung eines Unternehmens keine schwerwiegende Unzuträglichkeit im Sinne von § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu sehen (vergleiche BSG, Urteil vom 28.11.1961 - 2 RU 36/58 - und Urteil vom 12.12.1985 - 2 RU 57/84 -, jeweils zu § 664 Abs. 3 RVO; Ricke in Kasseler Kommentar, § 136 Randnummer 19; Bereiter-Hahn/Mertens, § 136 Randnummer 5). Deshalb ist nicht entscheidungserheblich, ob entsprechend dem Sachvortrag der Beigeladenen bei dieser für die Klägerin ein höherer Beitrag als bei der Beklagten zu erwarten ist.

Der im Gutachten von Prof. T vertretenen Auffassung folgt der Senat nicht, weil dieser die historisch gewachsene Zuständigkeit der Beklagten nicht in Gänze berücksichtigt und sich insbesondere nicht mit dem RAM-Erlass vom 16.03.1942 und den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen des RVA auseinandergesetzt hat. Auch sieht der Senat keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 GG. Selbst wenn einzelne Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung Mitglied anderer Berufsgenossenschaften sein sollten, so ist dies entweder durch sachliche Unterschiede in der Fallgestaltung gerechtfertigt oder rechtsfehlerhaft. Für die Klägerin ist jedenfalls die Beklagte zuständig, auch wenn es sich um ein sogenanntes "monostrukturelles Unternehmen" handeln sollte, also ein solche, dass ausschließlich oder ganz überwiegend Arbeitnehmer an Mitgliedsunternehmen einer einzigen Berufsgenossenschaft "verleiht".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzung für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nummer 1 oder 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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