L 12 AL 267/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AL 126/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 267/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.11.2003 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 20.02.2004 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Arbeitslosenhilfe ab 20.02.2003.

Der am 00.00.1944 geborene Kläger war zuletzt bis 31.12.2000 als Zurichtigungsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Während seiner Beschäftigung bei der Firma L GmbH war ihm auch eine Weihnachtszuwendung gezahlt worden. Der Kläger bezog Arbeitslosengeld vom 01.01.2001 bis zu dessen Erschöpfung am 19.02.2003. Der Gewährung von Arbeitslosengeld lag zuletzt ein gerundetes wöchentliches Bemessungsentgelt von 550,00 Euro zu Grunde. Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes hatte die Beklagte das in der Zeit vom 01.01.2000 bis 30.11.2000 erzielte Arbeitsentgelt in Höhe von 49.837,13 DM inklusive des gezahlten Weihnachtsgeldes in Höhe von 4.467,00 DM berücksichtigt.

Am 06.02.2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Anschlussarbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 17.02.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 20.02.2003 Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung der jährlichen Anpassung gem. § 138 Sozialgesetzbuch (SGB III) nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 500 Euro, wobei sie das dem Arbeitslosengeld zu Grunde gelegte Arbeitsentgelt um die Einmalzahlung reduziert hatte. Unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Anrechnungsbetrages von 2,17 Euro für Zinseinnahmen gewährte sie dem Kläger Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 194,74 Euro (Leistungssatz wöchentlich: 196,91 Euro).

Gegen den Bewilligungsbescheid legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, die vorgenommene Berechnung sei deshalb fehlerhaft, weil das Bemessungsentgelt nicht um die Einmalzahlung Weihnachtsgeld zu reduzieren sei. Von der Einmalzahlung seien Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden und demnach sei dieses Weihnachtsgeld mit in die Bemessungsgrundlage auch für die Arbeitslosenhilfe einzubeziehen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2003 unter Hinweis auf die geltende Gesetzeslage zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2003 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben und zur Begründung auf seine bisherigen Ausführungen verwiesen. Er hat seine Klage auf die Nichtberücksichtigung der Einmalzahlung Weihnachtsgeld beschränkt und ausdrücklich vorgetragen, dass er sich gegen die Anrechnung von Zinsen und deren Berechnung nicht wende.

Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2003 zu verurteilen, ihm ab dem 20.02.2003 eine höhere Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung der bezogenen Einmalzahlungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.

Mit Urteil vom 10.11.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Die Berechnung der Arbeitslosenhilfe des Kläger entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Die Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen verstoße auch nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Das Sozialgericht hat sich auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 05.06.2003 - B 11 AL 67/02 R - gestützt.

Gegen dieses dem Kläger am 17.11.2003 zugestellten Urteil richtet sich die am 26.11.2003 eingegangene Berufung. Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, dass das Weihnachtsgeld als Einmalzahlung auch in das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe einfließen müsse, da er hierfür Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet habe. Der Gesetzgeber sei auch bei der Gestaltung von steuerfinanzierten Versorgungsleistungen nicht frei in seiner Regelungsbefugnis, sondern gemäß Art. 2 Grundgesetz (GG) an die verfassungsmäßige Ordnung und damit auch an den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG gebunden. Deshalb erfordere eine Ungleichbehandlung, die sich allein im System von steuerfinanzierten Leistungen auswirke, wegen Artikel 3 Abs. 1 GG in gleicher Weise eine Rechtfertigung wie eine Ungleichbehandlung, die das System der beitragsfinanzierten Leistungen betreffe. Dem stehe auch nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2000 - 1 BvL 1/98 - entgegen. Gegenstand des dortigen Verfahrens sei die Arbeitslosenhilfe nicht gewesen. Der Kläger sieht sich durch einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Dortmund an das Bundesverfassungsgericht vom 23.03.2001 - S 5 AL 304/00 - und einen Aufsatz von Gagel in NZS 2000, 591, 592 bestätigt. Die Ungleichbehandlung könne nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur bestehe, wenn das Tatbestandsmerkmal der Bedürftigkeit erfüllt sei. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes hänge die Höhe der Arbeitslosenhilfe entscheidend vom bisherigen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt ab. § 200 SGB III verweise auf das Bemessungsentgelt, nachdem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden sei. Diese enge Verknüpfung gebiete es, die Einmalzahlungen auch bei der Arbeitslosenhilfe zu berücksichtigen. Der Kläger hat angeregt, dass Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht mit folgender Frage vorzulegen: Ist § 200 Abs. 1 SGB III in der Fassung des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes vom 21.12.2000 mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit einmalig gezahlte Arbeitsentgelte bei der Bemessung der Arbeitslosenhilfe unberücksichtigt bleiben?

Während des Berufungsverfahrens ist dem Kläger mit Bescheid vom 20.02.2004 für die Zeit vom 20.02. bis 29.02.2004 Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von 485 Euro in Höhe von 195,86 Euro pro Woche zu erkannt worden. Zinseinnahmen wurden nicht mehr berücksichtigt. Seit dem 01.03.2004 bezieht der Kläger Altersruhegeld.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.11.2003 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17.02.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2003 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 20.02.2004 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosenhilfe vom 20.02.2003 bis 29.02.2004 unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hinsichtlich des Bescheides vom 20.02.2004 die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die bereits vom Sozialgericht zitierte BSG-Entscheidung vom 05.06.2003 und auf Entscheidungen des erkennenden Senats.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Arbeitslosenhilfe ohne Berücksichtigung der Einmalzahlungen Weihnachtsgeld (Jahressonderzuwendung) zu gewähren ist.

Das Arbeitslosengeld des Klägers ist gemäß § 134 Abs. 1 SGB III in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung bereits unter Berücksichtigung der im Bemessungszeitraum (hier: 01.01.2000 bis 30.11.2000) tatsächlich gezahlten Jahressonderzuwendung in Höhe von 4.467 DM berechnet worden (49.837,13 DM./. 47,8 Wochen = 1.042,61 DM = gerundet 1.040,00 DM). Nach diesem Bemessungsentgelt ist dem Kläger auch ab 01.01.2001 Arbeitslosengeld bewilligt worden.

Der Anspruch auf Anschlussarbeitslosenhilfe, insbesondere das hierfür zugrunde zulegende Bemessungsentgelt richtet sich nach § 200 Abs. 1 SGB III. Hiernach ist Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe das Bemessungsentgelt, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist, vermindert um den Betrag, der auf einmalig gezahltem Arbeitsentgelt beruht. Die Beklagte hat diese Vorschrift zutreffend angewendet.

Vermindert man das Bemessungsentgelt von 49.837,13 DM um die Einmalzahlung in Höhe von 4.467,00 DM, ergibt sich ein Bemessungsentgelt von 45.370,13 DM, woraus sich bezogen auf den 20.02.2003 ein Bemessungsentgelt von 501,45 Euro (gerundet 500 Euro) ergibt. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die nachvollziehbare Darstellung auf Seite 2 drittletzter Absatz des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2003 Bezug genommen. Nach genau diesem Bemessungsentgelt in Höhe von 500 Euro ist die Arbeitslosenhilfe des Klägers berechnet worden.

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 200 Abs. 1 SGB III bestehen zur Überzeugung des Senats entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Dies hat der Senat bereits in der Vergangenheit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG entschieden. Er hält an dieser Auffassung fest (vgl. Urteil des Senats vom 11.04.2001 - L 12 AL 116/00 -, vom 17.04.2002 - L 12 AL 86/01 -, vom 21.08.2002 - L 12 AL 40/02 - und vom 03.03.2004 - L 12 AL 87/03 -; Urteil des BSG vom 05.06.2003 - B 11 AL 67/02 R - m. w. N. auf die Rechtsprechung des BSG).

Die unter Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG gegen die Bemessung der Arbeitslosenhilfe unter Nichtberücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt gezahlten Bedenken (Gagel, NZS 2000, 591 und SozSich 2001, 241; SG Dortmund vom 23.03.2001 - S 5 AL 304/00 - in info-also 2001, 81) überzeugen nicht und können sich insbesondere nicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2000 stützen. Die Gegenmeinungen berücksichtigen nicht ausreichend, dass die Arbeitslosenhilfe, anders als das Arbeitslosengeld, durch Steuern finanziert wird und dem Gesetzgeber in diesem Bereich der Sozialleistungen ein größerer Spielraum zuzubilligen ist. Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24.05.2000 entschieden, dass der Gleichheitssatz gebiete, einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung von kurzfristigen beitragsfinanzierten Lohnersatzleistungen zu berücksichtigen, wenn es zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werde. Im Umkehrschluss kann dies daher für die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe nicht gelten. Zwar liegt insoweit eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Arbeitslosen vor, diese ist jedoch gerechtfertigt, weil die Arbeitslosenhilfe durch Steuermittel finanziert wird und Bedürftigkeit voraussetzt. Sie ist eine staatliche Fürsorgeleistung und rechtfertigt insoweit, dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eine Regelungsbefugnis zu überlassen (vgl. BT-Drucksache 14/4371 S. 13; weitere Nachweise und Begründungen finden sich in der bereits zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 05.06.2003 am Ende des Urteils).

Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Insbesondere weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG ab. Von der Aussetzung des Verfahrens oder einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht hat der Senat abgesehen, da er die diesbezügliche Auffassung des SG Dortmund und von Gagel in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht teilt.
Rechtskraft
Aus
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