L 5 B 61/03 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 RA 24/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 B 61/03 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 01.10.2003 geändert. Der Streitwert wird auf 18.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beigeladene zu 1) ist für die Klägerin, ein Unternehmen der M-Gruppe, als Fachberaterin für Artikel im Badbereich tätig. Auf ihren Antrag nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status hat die Beklagte mit Bescheiden vom 15.02.2002 auch gegenüber der Klägerin das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses festgestellt. Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 13.06.2003 den Bescheid aufgehoben; ihre Berufung hat die Beklagte im Termin am 04.11.2004 zurückgenommen.

Mit Beschluss vom 01.10.2003 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 4.000,- Euro festgesetzt. Da der Sachverhalt keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Wertes nach der Bedeutung der Sache für die Klägerin biete, sei auf den Auffangwert von 4.000,- Euro zurückzugreifen.

Mit ihrer Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, macht die Klägerin geltend, Anhaltspunkte für die Wertfestsetzung ergäbe sich aus den Sozialversicherungsbeiträgen, die voraussichtich angefallen wären. In Anlehnung an § 9 Zivilprozessordnung (ZPO) sei dabei das 3 1/2-fache des geschätzten Jahresbetrages zugrundezulegen, so dass ausgehend von den durchschnittlichen Provisionen, die die Beigeladene zu 1) verdient habe, ein Betrag von 27.518,40 Euro festzusetzen sei.

Die Beklagte teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass es keine genügenden Anhaltspunkte für eine Schätzung des wirtschaftlichen Wertes der Sache für die Klägerin gibt. Über das Bestehen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sei erst nach Unanfechtbarkeit des Statusbescheides von der Einzugsstelle zu entscheiden, so dass die potenzielle Beitragsbelastung nicht feststehe.

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und insoweit begründet, als der Streitwert auf 18.000,- Euro festzusetzen ist. Diese Festsetzung richtet sich hier noch nach § 13 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der bis zum 30.06.2004 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (§ 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 05.05.2004, BGBl. I, 717).

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Nur dann, wenn der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist gemäß Satz 2 a.a.O. der (Auffang-)Streitwert von 4.000,- Euro anzusetzen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts hält der Senat eine Bewertung der sich für die Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache für möglich. Bei der Anfechtung einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV durch den "Arbeitgeber" geht es unmittelbar zwar nur um das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 7 SGB IV als Vorfrage der Versicherungs- und Beitragspflicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass damit eine Bewertung des Interesses an der angestrebten Entscheidung ausschiede (so aber LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.11.2003 - L 11 KR 3659/03 E-B -). § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. lässt sogar zu Zwecken einer angemessenen Streitwertbemessung die Bewertung ideeller - nicht wirtschaftlicher - Interessen zu (vgl. BVerwGE 98, 100, 106); die Bedeutung der Auswirkungen der Entscheidung in Geld ist in diesem Fall zu schätzen (Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 13 Rdnr. 10). Grundsätzlich besteht im Rahmen des von § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. eingeräumten Spielraums für die Beurteilung der Bedeutung der Sache und ihre Bewertung die Möglichkeit, bei der Schätzung zu schematisieren und zu pauschalieren (a.a.O., Rdnr. 14).

Für die Bewertung kann die mit der Statusfeststellung verbundene mögliche spätere Beitragsbelastung des Arbeitgebers nicht unberücksichtigt bleiben. Auch wenn in dem Statusbescheid anders als in einem nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV oder § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassenen Bescheid keine Beiträge festgesetzt werden und somit keine konkrete Leistungspflicht begründet wird, ist doch die Beitragsbelastung mittelbare Folge der Statusentscheidung. Der Arbeitgeber muss bei Feststellung der Versicherungspflicht von sich aus Beiträge berechnen und abführen (§ 28i Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Von daher bietet die auf den Arbeitgeber bei Bejahung der Versicherungspflicht zukommende Beitragsbelastung einen Anhalt für die Schätzung. Ferner muss den längerfristigen Auswirkungen der Entscheidung Rechnung getragen werden (vgl. Hartmann, a.a.O., Rdnr. 11), so dass zu berücksichtigen ist, ob es sich um eine befristete oder auf Dauer angelegte Tätigkeit handelt.

Der Senat hält pauschalierend bei der Anfechtung einer Statusfeststellung für eine unbefristete Tätigkeit im Regelfall einen Streitwert von 18.000,- Euro für sachgerecht. Er lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten: Da ohnehin in den meisten Fällen die genaue Höhe der möglichen Beitragsbelastung nicht feststehen wird und zudem die Ermittlung im Einzelfall einen unangemessenen Aufwand zur Festsetzung des Streitwerts erfordern würde, ist eine von den konkreten Verhältnissen losgelöste Pauschalierung vorzunehmen. Die Schätzung kann sich zunächst an einer Beitragsbelastung orientieren, die sich bei Zugrundelegung eines Entgeltes in Höhe des durchschnittlichen Entgelts aller abhängig beschäftigten Versicherten ergibt, so dass insoweit von den Werten der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) ausgegangen werden kann. Bei einem Gesamtsozialversicherungsbeitrag von derzeit über 40 % des Entgelts, von dem der Arbeitgeber die Hälfte zu tragen hat (§ 28g Satz 1 SGB IV i.V.m. § 346 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, § 249 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 168 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 58 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch) beläuft sich die jährliche Beitragsbelastung bei der derzeitigen Höhe der Bezugsgröße (2004: 28.980,- Euro jährlich) auf rund 5.800,- Euro. Da bei unbefristeten Tätigkeiten die Belastung für einen unbestimmten Zeitraum besteht, kann den längerfristigen Auswirkungen der Entscheidung in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 17 Abs. 3 GKG a.F. Rechnung getragen werden (s. zur Streitwertfestsetzung bei der Befreiung von der Beitragspflicht in einem berufsständischen Versorgungswerk OVG Münster NVwZ-RR 1998, 527), in dem von dem Dreifachen der jährlichen Belastung ausgegangen wird.

Auf der Grundlage dieser Werte erscheint generell für die Anfechtung einer Statusfeststellung bei einer unbefristeten Tätigkeit ein Streitwert von 18.000,- Euro angemessen. Dieser Richtwert kann über- und unterschritten werden, wenn im Einzelfall offenkundig nach den konkreten Verhältnissen dieser Wert der Bedeutung des Antrags nicht gerecht wird. Das ist hier nicht der Fall, so dass ein Streitwert von 18.000,- Euro festzusetzen war.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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