Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 3 R 28/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 98/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 267/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.04.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten auch im Berufungsverfahren. Der Streitwert wird auf 758,75 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag von 758,75 Euro zu erstatten hat, der ihr nach dem Tod der Leistungsberechtigten J I (im Folgenden: Leistungsberechtigte) zugeflossen ist.
Die am 00.00.2004 verstorbene Leistungsberechtigte bezog von der Klägerin große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes von zuletzt monatlich 810,60 Euro. In dieser Höhe wurde die Rente auch nach ihrem Tod noch für den Monat Juni 2004 auf ihr Konto bei der Beklagten überwiesen.
Im Zeitpunkt des Eingangs der Rente für Juni 2004 am 28.05.2004 befand sich das Konto valutarisch mit 1.170,62 Euro im Soll. Seitdem wurden von dem Girokonto folgende Buchungen vorgenommen:
28.05.2004: Barauszahlung in Höhe von 700 Euro;
04.06.2004: Barauszahlung in Höhe von 50 Euro;
09.06.2004: Barauszahlung in Höhe von 50 Euro;
15.06.2004: Lastschrifteinzug/ec-Karte in Höhe von 27,80 Euro.
Die Barauszahlungen erfolgten jeweils am Geldautomaten unter Benutzung der Geheimzahl. Am 01.07.2004 betrug der Sollsaldo des Kontos 1.242,36 Euro.
Mit einem bei der Beklagten am 01.07.2004 eingegangenen Schreiben forderte die Klägerin von der Beklagten den überzahlten Rentenbetrag für Juni 2004 in Höhe von 758,75 Euro (= 810,60 Euro abzüglich der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner und Pflegeversicherung) zurück. Die Beklagte lehnte die erbetene Rückzahlung unter Hinweis darauf ab, dass über den Rentenbetrag anderweitig verfügt worden sei.
Nach einem weiteren erfolglosen Rückforderungsersuchen hat die Klägerin am 04.10.2004 beim Sozialgericht Dortmund unter Bezugnahme auf § 118 Abs.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Leistungsklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass über die Rentenleistung im Sinne des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI anderweitig verfügt worden sei. Da sich das Konto der Leistungsberechtigten bei Eingang der Rente im Soll befunden habe, habe die Beklagte die Geldleistung zur Minderung ihrer eigenen Forderung aus dem der Leistungsberechtigten eingeräumten Dispositionskredit und damit zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet. Dies sei nach § 118 Abs.3 S.4 SGB VI unzulässig.
Nach Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Sozialgericht Köln hat die Klägerin erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 758,75 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG, Urteil vom 09.12.1998 (B 9 V 48/97 R), die Auffassung vertreten, nicht zur Rückerstattung der überzahlten Rentenleistung verpflichtet zu sein, weil über den Rentenbetrag bei Eingang des Rückforderungsverlangens der Klägerin bereits anderweitig verfügt worden sei. Sie habe den überwiesenen Betrag auch nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet. Allein die Tatsache, dass sie im Rahmen eines bestehenden Kontokorrentverhältnisses eine eingehende Rentenzahlung vertragsgemäß in ein debitorisch geführtes Konto einstelle, stelle jedenfalls insoweit keine endgültige Verrechnung mit eigenen Forderungen dar, als sie in der Folge Verfügungen zugelassen habe. Sie sei auch rechtlich gesehen nicht in der Lage, sich durch eine wirksame Verrechnung mit dem Minussaldo insoweit Befriedigung zu verschaffen; denn sie habe keine Wahl, ob sie den Rentenempfänger weiter verfügen lasse. Vielmehr sei sie ungeachtet des Kontostandes gemäß § 55 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in Verbindung mit § 394 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, diesen über die eingegangenen Rentenleistungen innerhalb der ersten sieben Tage nach Eingang uneingeschränkt und danach immer noch zeitanteilig verfügen zu lassen.
Mit Urteil vom 13.04.2005 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 758,75 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen unter Bezugnahme auf Entscheidungen des BSG (Urteil vom 11.12.2002 - B 5 RJ 42/01 R - und vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 -) ausgeführt, dass die Beklagte nach § 118 Abs.3 S.1 und 2 SGB VI verpflichtet sei, den überzahlten Rentenbetrag zu erstatten, ohne sich nach § 118 Abs.3 S.3 SGB VI auf den Einwand der Entreicherung berufen zu können. Da sich das Konto der Leistungsberechtigten sowohl bei Eingang der Rentenzahlung als auch im Zeitpunkt des erstmaligen Rückforderungsverlangens im Soll befunden habe, habe die Beklagte den überwiesenen Betrag zur Befriedigung eigener Forderungen aus dem der Leistungsberechtigten eingeräumten Überziehungskredit verwendet. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.05.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 06.06.2005, Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen, die bloße Einbuchung der Rentenleistung auf dem Konto der Leistungsberechtigten verstoße nicht gegen das in § 118 Abs.3 S.4 SGB VI geregelte Verbot, den Rentenbetrag zur Befriedigung eigener Forderungen zu verwenden. Die Tagessalden vor der quartalsmäßigen Saldierung würden nur informatorisch gebildet und seien nicht Ergebnis einer Verrechnung mit eigenen Forderungen. Unabhängig davon sehe § 118 Abs.3 S.4 SGB VI nicht vor, dass eine Berufung des Kreditinstituts auf den Entreicherungseinwand bei einem Verstoß gegen das Befriedigungsverbot ausgeschlossen sei. Nach dem Wortlaut des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI komme es auch nicht darauf an, ob die Rente auf ein im Haben oder im Soll geführtes Konto eingehe. Sei ihr die Berufung auf eine Entreicherung bei Eingang der Rentenleistung auf debitorische Konten grundsätzlich verwehrt, so liefe der mit dieser Vorschrift bezweckte Schutz des Kreditinstituts, das vom Tod des Rentenbeziehers keine Kenntnis besitze und deshalb Verfügungen zuließe, leer. Wirtschaftliche oder sonstige Gründe, den Rentenversicherungsträger in den Fällen, in denen sich ein Konto im Minus befände, besser zu stellen, als er stehen würde, wenn das Konto bei Null bzw. im Haben stehe, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr führe eine solche Sichtweise zu einer unbilligen Haftung der Kreditinstitute. Dabei sei erschwerend zu berücksichtigen, dass gerade Rentenbezieher monatlich wiederkehrende Leistungen (Miete, Telefon etc.) ausführten, die den überwiesenen Rentenbetrag unweigerlich minderten. Seien die Kreditinstitute grundsätzlich bei Eingang der Rentenleistung auf ein im Soll befindliches Konto zur Erstattung der Rentenleistung verpflichtet, könnten diese gehalten sein, Rentenempfängern keine Dispositionskredite mehr einzuräumen, um eine Überziehung der Konten zu vermeiden und damit das Haftungsrisiko zu begrenzen. Dies liege aber sozialpolitisch nicht im Interesse der Beteiligten. Schließlich verstoße es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 Grundgesetz (GG) und die in Art.12 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit, im Rahmen des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI auf den Kontostand zum Zeitpunkt der Rentenrückforderung abzustellen. Der Kontostand als solcher sei kein sachliches Kriterium, das die ungleiche Behandlung des Erstattungsanspruchs der Rentenversicherungsträger bei Eingang der Rentenzahlung auf ein im Soll bzw. im Haben befindliches Konto rechtfertigen könne. Mit der Berufsausübungsfreiheit sei die Rückerstattungspflicht der Kreditinstitute bei Eingang der Rente auf ein debitorisches Konto nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.12.2001 - B 4 RA 126/00 R -) nur dann vereinbar, wenn sich die damit verbundenen Belastungen des Kreditinstituts in einem überschaubaren Rahmen hielten. Dieser Rahmen werde aber, wenn man der Auffassung des Sozialgerichts folge, evident gesprengt, zumal in der Praxis oftmals Rentenzahlungen nach dem Tod des Versicherten nicht nur für einen, sondern über mehrere Monate überwiesen würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Klägerin, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Insbesondere wurde sie gemäß § 151 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts eingelegt. Die Berufungsfrist begann gemäß § 64 Abs.1 SGG am 05.05.2005 (= Tag nach Zustellung des Urteils) und endete, da der 04.06.2005 auf einen Samstag fiel, gemäß § 64 Abs.2 und 3 SGG am Montag, den 06.06.2005.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die als allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.5 SGG zulässige Klage ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 758,75 Euro zu erstatten. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 118 Abs.3 SGB VI ein Rückerstattungsanspruch in der genannten Höhe zu.
Nach § 118 Abs.3 S.1 und 2 SGB VI hat das Geldinstitut (Postgiroamt oder anderes Geldinstitut im Inland) Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei ihm überwiesen wurden, der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend unstreitig erfüllt. Die Klägerin hat die Rente der Leistungsberechtigten in Höhe von 758,75 Euro nach deren Tod für den Monat Juni 2004 auf ein Konto bei der Beklagten überwiesen und den Betrag von dieser zurückgefordert.
Entgegen ihrer Auffassung kann die Beklagte sich insoweit nicht auf den einspruchsvernichtenden Entreicherungseinwand des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI berufen. Danach besteht eine Verpflichtung zur Rücküberweisung nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (vgl. § 118 Abs.3 S.4 SGB VI).
Ob durch die im Mai und Juni 2004 erfolgten Barabhebungen bzw. den Lastschrifteinzug im Sinne dieser Regelung "anderweitig verfügt" wurde, kann offen bleiben; denn die Einwendungsregelung des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI ist vorliegend schon nicht anwendbar. Insoweit folgt der Senat weiterhin (vgl. bereits Urteil vom 14.07.2003 - L 3 RJ 42/03 -) der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 20.12.2001 - B 4 RA 53/01 R - (SozR 3-2600 § 118 Nr.9), - B 4 RA 37/01 R - sowie - B 4 RA 44/01 R -; ferner Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R - ). Danach setzt bereits die Anwendung der Entreicherungseinwendung des S.3 voraus, dass der Wert der überwiesenen Geldleistung nicht im Vermögen des Geldinstituts geblieben ist. Dieses wird von der Erstattungspflicht so lange nicht frei, bis es den Wert der überwiesenen Geldleistung durch eine entsprechende Gutschrift auf das in der Überweisung genannte Konto vollständig in das Vermögen des Kontoinhabers und in dessen Verfügungsmacht übertragen hat und diese Übertragung für den Kunden (im Regelfall mit der sog. Abrufpräsenz; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25.01.1988 , II ZR 320/87, BGHZ 103, 143 ff, NJW 1988, 1230 ff) wirksam wird; denn allein wegen der durch die Überweisung der Geldleistung auf das Konto erlangten faktischen Verfügungsmacht und der im Rahmen des Bankvertrages gegenüber dem Bankkunden erweiterten wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten statuiert § 118 Abs.3 S.2 SGB VI einen speziellen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -). Der Erstattungsanspruch erlischt demnach erst, sobald (soweit) der Wert der Geldleistung sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der bankvertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als das Geldinstitut (oder kumulativ andere) durch ihm gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert gesenkt hat (BSG, Urteil vom 04.08.1998, a.a.O.).
Dasselbe gilt, wenn die Übertragung des Wertes der Geldleistung - wie hier - auf ein vom Zeitpunkt der Gutschrift bis zum Eingang des Rückforderungsverlangens des Rentenversicherungsträgers durchgehend im Soll stehendes Konto erfolgt und das Vermögen des Inhabers bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur derart vermehrt, dass seine Schulden gegenüber dem Geldinstitut vermindert werden. Auch in diesem Fall bleibt das Geldinstitut unverändert zur Erstattung verpflichtet; denn hier führt das relative öffentlich-rechtliche Befriedigungsverbot aus § 118 Abs.3 S.4 SGB VI, nach dem das Geldinstitut den Wert des überwiesenen Betrages nicht zur Befriedigung eigener Forderungen (gegenüber dem Kontoinhaber) verwenden darf, in Verbindung mit dem in S.1 der Vorschrift normierten Rückforderungsvorbehalt - danach gelten die nach dem Tod des Berechtigten überwiesenen Geldleistungen als unter Vorbehalt erbracht - dazu, dass die Verrechnung im Verhältnis zum Rentenversicherungsträger wie auch zum Bankkunden in entsprechender Anwendung des § 134 BGB (relativ) unwirksam bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -; ferner BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 64/01 R -).
Der Vortrag der Beklagten, in der ersten Woche nach Eingang der Rentenzahlung sei ihr eine Verrechnung mit eigenen Forderungen aus dem der Leistungsberechtigten eingeräumten Dispositionskredit gemäß § 55 Abs.1 S.1 SGB I iVm § 394 S.1 BGB ohnehin verboten und ein Verstoß gegen das Befriedigungsverbot daher schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich, steht dem nicht entgegen.
Bereits die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 S.1 SGB I iVm § 394 S.1 BGB sind vorliegend nicht erfüllt. Gemäß § 55 Abs.1 S.1 SGB I ist eine Forderung, die bei Überweisung einer Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch auf das Konto des Berechtigten bei einem Geldinstitut durch Gutschrift der Überweisung entsteht, für die Dauer von sieben Tagen seit der Gutschrift unpfändbar - mit der Folge, dass eine Aufrechnung gegen sie nicht stattfindet (§ 394 S.1 BGB). Von dem Pfändungsschutz des § 55 Abs.1 S.1 SGB I erfasst ist also der Auszahlungsanspruch des Kontoinhabers und Leistungsberechtigten gegen das Geldinstitut. Vorliegend ist mit der Überweisung der Witwenrente für Juni 2004 aber kein - der Pfändungsbeschränkung des § 55 Abs.1 S.1 SGB I unterliegender - Auszahlungsanspruch der Leistungsberechtigten gegen die Beklagte entstanden. Da Renten lediglich bis zum Ende des Kalendermonats geleistet werden, in dem die Berechtigten gestorben sind (§ 102 Abs.5 SGB VI), stand der im Mai 2004 verstorbenen Leistungsberechtigten kein Anspruch auf Zahlung der Witwenrente für Juni 2004 und damit insoweit auch kein Auszahlungsanspruch zu.
Der Beklagten wäre eine Berufung auf den Entreicherungseinwand aber selbst dann verwehrt, wenn in den ersten sieben Tagen nach Eingang des Rentenbetrags für Juni 2004 ein Aufrechnungsverbot im Sinne der o.g. Vorschriften bestanden hätte und ein Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Befriedigungsverbot aus diesem Grunde nicht in Betracht käme. Eine Berufung auf die Einrede der Entreicherung wäre der Beklagten jedenfalls deshalb nicht möglich, weil der für Juni 2004 überwiesene Rentenbetrag nach § 118 Abs.3 S.1 SGB VI als unter Vorbehalt erbracht gilt.
Es handelt sich bei dem Rückforderungsvorbehalt augenfällig um ein öffentliches Sonderrecht des Staates; denn er gilt, obwohl unter Umständen keiner der von ihm Betroffenen (Rentenversicherugnsträger, Geldinstitut, Kontoinhaber) an seiner Entstehung mitgewirkt bzw. von ihr Kenntnis haben kann; er vermittelt einer Untergliederung des Staates besondere Ansprüche sowie den betroffenen Privatrechtssubjekten hierzu besondere Lasten (BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -). Der Rückforderungsvorbehalt stellt nicht nur die Verringerung des Debets des Kontoinhabers, also die durch das Kreditinstitut vorgenommene Verrechnung mit eigenen Forderungen, entsprechend § 161 Abs.1 und 2 BGB unter die auflösende Bedingung, dass im Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers keine Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Vielmehr stehen alle eigenen Rechtshandlungen des Geldinstituts, die nach Eingang der Überweisung bezüglich des Kontoguthabens vorgenommen werden, unter dieser auflösenden Bedingung. Ist eine Rücküberweisung aus dem Guthaben nicht möglich, sind sämtliche Rechtshandlungen des Kreditinstituts insoweit entweder schon wegen Verstoßes gegen das Befriedigungsverbot oder wegen Bedingungseintritts unwirksam (BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -, a.a.O.).
Zu den - von dem Rückforderungsvorbehalt erfassten - Rechtshandlungen der Beklagten gehören aber auch der nach Eingang der Rente auf dem Konto der Leistungsberechtigten bis zum 01.07.2004 zugelassene Lastschrifteinzug sowie die vorgenommenen Barauszahlungen. Dass letztere an einem Geldautomaten erfolgten, ist dabei unerheblich; denn der Geldautomat ersetzt lediglich die entsprechende Barauszahlung durch den Bankangestellten.
Für das Bestehen oder Nichtbestehen des Rückerstattungsanspruchs nach § 118 Abs.3 SGB VI ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht entscheidend, ob im Zeitraum zwischen Rentenüberzahlung und Eingang der Rückforderung (zufällig) eine nach dem Bankvertrag vorgesehene periodische Verrechnung des Geldinstituts mit eigenen Forderungen auch tatsächlich stattgefunden hat (LSG NRW, Urteil vom 04.04.2005 - L 3 RA 34/04 -); denn abgesehen davon, dass diese Verrechnung, so sie den Schutzbetrag des § 118 Abs.3 S.4 SGB VI tangiert, nach § 118 Abs.3 S.4 SGB VI wegen des Verstoßes gegen das Befriedigungsverbot relativ unwirksam ist, ist es nicht hinnehmbar, eine Rückforderung und damit auch die Möglichkeit einer Inanspruchnahme Dritter nach § 118 Abs.4 SGB VI davon abhängig zu machen, ob die Verrechnung zeitlich zufällig im Betrachtungszeitraum stattgefunden hat. Eine solche zufällige Abhängigkeit widerspräche nicht nur dem Normziel des § 118 Abs.3 und 4 SGB VI, eine Rückforderung zu Unrecht erbrachter Rentenleistungen im wirtschaftlichen Interesse der Versichertengemeinschaft zu ermöglichen, sondern auch der Rangfolge und Abhängigkeit der Rückforderungsmöglichkeiten nach § 118 Abs.4 SGB VI. Anders als die Adressaten des - gegenüber § 118 Abs.3 SGB VI nachrangigen - Rückforderungsanspruchs nach §§ 118 Abs.4 SGB VI, 50 SGB X (= die Verfügenden, Empfänger oder Erben) hat das kontoführende Geldinstitut, welches weitere Verfügungen zu Lasten eines ohnehin im Soll stehenden Kontos zugelassen hat, ein mögliches (Ausfall-)Risiko bei Ausbleiben bzw. Rückforderungen periodischer Eingänge bewusst und im wirtschaftlichen Interesse übernommen (LSG, Urteil vom 04.04.2005 - L 3 RA 34/04 -).
(Allein) dieses Ergebnis entspricht dem Sinn und Zweck des § 118 Abs.3 SGB VI, der im öffentlichen Interesse eine schnelle Rücküberweisung der überzahlten Rentenbeträge ermöglichen will, damit die Gelder möglichst bald und auf unkomplizierte Weise dem Rentenversicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben wieder zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 04.08.1998, a.a.O.; vgl. auch BSG SozR 3-2600 § 118 Nr.1 m.w.N). Es steht im Übrigen auch im Einklang mit der durch § 118 Abs.3, 4 SGB VI beabsichtigten und rechtlich durch die zeitliche und inhaltliche Abfolge der Ansprüche charakterisierten Risikoverteilung unter Berücksichtigung auch der Interessen der Versichertengemeinschaft. Das letztlich vom Geldinstitut zu tragende Risiko eines Verlustes entspringt der Bereitschaft der Kreditinstitute, durch Einräumung großzügiger und hochverzinslicher Überziehungsmöglichkeiten auch Kontenbelastungen zu erlauben, deren Ausgleich angesichts der Höhe der periodischen Eingänge auf dem belasteten Konto bei objektiver Betrachtung risikobehaftet ist. Realisiert sich das Ausfallrisiko, ist es nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, hierfür einzustehen (LSG, Urteil vom 04.04.2005 - L 3 RA 34/04 -).
Die Regelung des § 118 Abs.3 SGB VI greift schließlich auch nicht verfassungswidrig in die durch Art. 12 geschützte Berufsfreiheit bzw. den Gleichheitssatz des Art. 3 GG ein. Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs.3 SGB VI mag zwar insoweit den Schutzbereich des Art.12 Abs.1 GG tangieren, als die Art und Weise der beruflichen Tätigkeit, also die Berufsausübung der Beklagten, dadurch beschränkt wird, dass sie die überzahlten Rentenbeträge auf entsprechendes Verlangen der Rentenversicherungsträger zurücküberweisen muss. Diese Beschränkung ist aber jedenfalls durch die Schranken des Art.12 Abs.1 S.1 GG gedeckt. Danach kann die Berufsausübung durch oder aufgrund eines Gesetzes, hier also durch § 118 Abs.3 SGB VI, geregelt werden, sofern der Eingriff im Interesse des Gemeinwohls erfolgt und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Beides ist vorliegend zu bejahen. Der Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers dient - wie bereits ausgeführt - dem Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten an einem schnellen Rückfluss der Beträge, aber auch der Verwaltungsvereinfachung und damit der Effizienz der Arbeit der Rentenversicherungsträger. Er ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und auch erforderlich, denn ein gleich wirksames, weniger belastendes Mittel ist nicht erkennbar. Insbesondere wäre ein vom Rentenversicherungsträger mit Hilfe der Gerichte durchsetzbarer Anspruch aus § 118 Abs.4 SGB VI gegen die dort Genannten zeitraubend, da dem Rentenversicherungsträger die zur Durchsetzung des Anspruch notwendigen Angaben (Name des Kontoinhabers bzw. des Rechtsnachfolgers des Versicherten, Kontenstand und Kontenbewegung) nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2001 - B 4 RA 126/00 R -). Die Belastung der betroffenen Geldinstitute mit der Erstattung rechtsgrundlos erlangter Geldzahlungen ist im Übrigen auch weder unangemessen noch unzumutbar. Der dadurch entstehende Mehraufwand ist erträglich, da die Verpflichtung sich an die übliche Banktätigkeit anlehnt. Sie führt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht zu unangemessen hohen wirtschaftlichen Belastungen. Unzutreffend ist insoweit bereits, dass das BSG in der von der Beklagten zitierten Entscheidung (Urteil vom 20.12.12001 - B 4 RA 126/00 R -) eine Vereinbarkeit der hier streitigen Regelung mit Art.12 GG nur deshalb angenommen hat, weil die damit verbundenen Folgen sich in einem überschaubaren geringfügigen Rahmen hielten. Abgesehen davon, dass sich das BSG in der genannten Entscheidung lediglich mit der Frage befasst hat, ob die von dem Kreditinstitut vorzunehmende unentgeltliche Rücküberweisung verfassungsgemäß ist (und dabei offensichtlich die Verfassungsmäßigkeit der Erstattungspflicht als solche nicht anzweifelt), ist es jedenfalls davon ausgegangen, dass ein Teil der jeweiligen Rentenbeträge auf den Konten der Geldinstitute verbleibt und deren Erträge im Ergebnis auf jeden Fall erhöht (BSG, a.a.O.). Dies gilt für die hier streitige Rücküberweisungspflicht umso mehr; denn Dispositionskredite, wie sie auch vorliegend von der Beklagten gegenüber der Leistungsberechtigten eingeräumt worden waren, werden u.a. wegen des damit verbundenen Ausfallrisikos nur gegen Zahlung nicht unerheblicher Zinsen gewährt. Realisiert sich dabei - wie hier - das Ausfallrisiko, so ist es nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, hierfür einzustehen (s.o.).
Die Regelung des § 118 Abs.3 SGB VI greift schließlich auch nicht ungerechtfertigt in den Schutzbereich des Art.3 Abs.1 GG ein, der u.a. gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Es trifft zwar zu, dass das Bestehen eines Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Kreditinstitut unter Umständen davon abhängt, ob sich das Konto des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt des Renteneingangs im Soll oder im Haben befand. Diese Ungleichbehandlung ist aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - sachlich gerechtfertigt. Wie bereits ausgeführt, knüpft die "Haftung" nach § 118 Abs.3 SGB VI nämlich allein an die tatsächliche Verfügungsmacht des Kreditinistituts und die im Rahmen des Bankvertrages gegenüber dem Kunden erweiterten wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten an. Der Erstattungsanspruch erlischt, sobald dieser "Haftungsgrund" nicht mehr besteht. Dies ist aber nur der Fall, wenn der Wert der Geldleistung - anders als vorliegend - sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der bankvertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als das Geldinstitut (oder kumulativ andere) durch ihm gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert gesenkt haben (vgl. BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt der Entscheidung in der Sache.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 25 Abs.2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG) noch liegt ein Fall der Divergenz im Sinne des § 160 Abs.2 Nr.2 SGG vor.
Im Hinblick auf die Vielzahl gleichlautender Entscheidungen mehrerer Senate des Bundessozialgerichts ist vielmehr von einer gefestigten Rechtsprechung auszugehen. Das gilt umso mehr, als die für Rentenangelegenheiten zuständigen Senate des BSG in Kenntnis der anderslautenden Entscheidung des 9. Senats (Urteil vom 09.12.1998 - B 9 V 48/97 R -, SozR 3-2600 § 118 Nr.4 -), auf die sich die Beklagte beruft, in ihren Entscheidungen vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 R - und vom 11.12.2002 - B 5 RJ 42/01 R - an ihrer bisherigen Rechtsprechung festgehalten bzw. entsprechend entschieden und offensichtlich keinen Anlass gesehen haben, die auch hier streitige Frage nach § 41 SGG dem Großen Senat zur Entscheidung vorzulegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag von 758,75 Euro zu erstatten hat, der ihr nach dem Tod der Leistungsberechtigten J I (im Folgenden: Leistungsberechtigte) zugeflossen ist.
Die am 00.00.2004 verstorbene Leistungsberechtigte bezog von der Klägerin große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes von zuletzt monatlich 810,60 Euro. In dieser Höhe wurde die Rente auch nach ihrem Tod noch für den Monat Juni 2004 auf ihr Konto bei der Beklagten überwiesen.
Im Zeitpunkt des Eingangs der Rente für Juni 2004 am 28.05.2004 befand sich das Konto valutarisch mit 1.170,62 Euro im Soll. Seitdem wurden von dem Girokonto folgende Buchungen vorgenommen:
28.05.2004: Barauszahlung in Höhe von 700 Euro;
04.06.2004: Barauszahlung in Höhe von 50 Euro;
09.06.2004: Barauszahlung in Höhe von 50 Euro;
15.06.2004: Lastschrifteinzug/ec-Karte in Höhe von 27,80 Euro.
Die Barauszahlungen erfolgten jeweils am Geldautomaten unter Benutzung der Geheimzahl. Am 01.07.2004 betrug der Sollsaldo des Kontos 1.242,36 Euro.
Mit einem bei der Beklagten am 01.07.2004 eingegangenen Schreiben forderte die Klägerin von der Beklagten den überzahlten Rentenbetrag für Juni 2004 in Höhe von 758,75 Euro (= 810,60 Euro abzüglich der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner und Pflegeversicherung) zurück. Die Beklagte lehnte die erbetene Rückzahlung unter Hinweis darauf ab, dass über den Rentenbetrag anderweitig verfügt worden sei.
Nach einem weiteren erfolglosen Rückforderungsersuchen hat die Klägerin am 04.10.2004 beim Sozialgericht Dortmund unter Bezugnahme auf § 118 Abs.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Leistungsklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass über die Rentenleistung im Sinne des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI anderweitig verfügt worden sei. Da sich das Konto der Leistungsberechtigten bei Eingang der Rente im Soll befunden habe, habe die Beklagte die Geldleistung zur Minderung ihrer eigenen Forderung aus dem der Leistungsberechtigten eingeräumten Dispositionskredit und damit zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet. Dies sei nach § 118 Abs.3 S.4 SGB VI unzulässig.
Nach Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Sozialgericht Köln hat die Klägerin erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 758,75 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG, Urteil vom 09.12.1998 (B 9 V 48/97 R), die Auffassung vertreten, nicht zur Rückerstattung der überzahlten Rentenleistung verpflichtet zu sein, weil über den Rentenbetrag bei Eingang des Rückforderungsverlangens der Klägerin bereits anderweitig verfügt worden sei. Sie habe den überwiesenen Betrag auch nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet. Allein die Tatsache, dass sie im Rahmen eines bestehenden Kontokorrentverhältnisses eine eingehende Rentenzahlung vertragsgemäß in ein debitorisch geführtes Konto einstelle, stelle jedenfalls insoweit keine endgültige Verrechnung mit eigenen Forderungen dar, als sie in der Folge Verfügungen zugelassen habe. Sie sei auch rechtlich gesehen nicht in der Lage, sich durch eine wirksame Verrechnung mit dem Minussaldo insoweit Befriedigung zu verschaffen; denn sie habe keine Wahl, ob sie den Rentenempfänger weiter verfügen lasse. Vielmehr sei sie ungeachtet des Kontostandes gemäß § 55 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in Verbindung mit § 394 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, diesen über die eingegangenen Rentenleistungen innerhalb der ersten sieben Tage nach Eingang uneingeschränkt und danach immer noch zeitanteilig verfügen zu lassen.
Mit Urteil vom 13.04.2005 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 758,75 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen unter Bezugnahme auf Entscheidungen des BSG (Urteil vom 11.12.2002 - B 5 RJ 42/01 R - und vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 -) ausgeführt, dass die Beklagte nach § 118 Abs.3 S.1 und 2 SGB VI verpflichtet sei, den überzahlten Rentenbetrag zu erstatten, ohne sich nach § 118 Abs.3 S.3 SGB VI auf den Einwand der Entreicherung berufen zu können. Da sich das Konto der Leistungsberechtigten sowohl bei Eingang der Rentenzahlung als auch im Zeitpunkt des erstmaligen Rückforderungsverlangens im Soll befunden habe, habe die Beklagte den überwiesenen Betrag zur Befriedigung eigener Forderungen aus dem der Leistungsberechtigten eingeräumten Überziehungskredit verwendet. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.05.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 06.06.2005, Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen, die bloße Einbuchung der Rentenleistung auf dem Konto der Leistungsberechtigten verstoße nicht gegen das in § 118 Abs.3 S.4 SGB VI geregelte Verbot, den Rentenbetrag zur Befriedigung eigener Forderungen zu verwenden. Die Tagessalden vor der quartalsmäßigen Saldierung würden nur informatorisch gebildet und seien nicht Ergebnis einer Verrechnung mit eigenen Forderungen. Unabhängig davon sehe § 118 Abs.3 S.4 SGB VI nicht vor, dass eine Berufung des Kreditinstituts auf den Entreicherungseinwand bei einem Verstoß gegen das Befriedigungsverbot ausgeschlossen sei. Nach dem Wortlaut des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI komme es auch nicht darauf an, ob die Rente auf ein im Haben oder im Soll geführtes Konto eingehe. Sei ihr die Berufung auf eine Entreicherung bei Eingang der Rentenleistung auf debitorische Konten grundsätzlich verwehrt, so liefe der mit dieser Vorschrift bezweckte Schutz des Kreditinstituts, das vom Tod des Rentenbeziehers keine Kenntnis besitze und deshalb Verfügungen zuließe, leer. Wirtschaftliche oder sonstige Gründe, den Rentenversicherungsträger in den Fällen, in denen sich ein Konto im Minus befände, besser zu stellen, als er stehen würde, wenn das Konto bei Null bzw. im Haben stehe, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr führe eine solche Sichtweise zu einer unbilligen Haftung der Kreditinstitute. Dabei sei erschwerend zu berücksichtigen, dass gerade Rentenbezieher monatlich wiederkehrende Leistungen (Miete, Telefon etc.) ausführten, die den überwiesenen Rentenbetrag unweigerlich minderten. Seien die Kreditinstitute grundsätzlich bei Eingang der Rentenleistung auf ein im Soll befindliches Konto zur Erstattung der Rentenleistung verpflichtet, könnten diese gehalten sein, Rentenempfängern keine Dispositionskredite mehr einzuräumen, um eine Überziehung der Konten zu vermeiden und damit das Haftungsrisiko zu begrenzen. Dies liege aber sozialpolitisch nicht im Interesse der Beteiligten. Schließlich verstoße es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 Grundgesetz (GG) und die in Art.12 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit, im Rahmen des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI auf den Kontostand zum Zeitpunkt der Rentenrückforderung abzustellen. Der Kontostand als solcher sei kein sachliches Kriterium, das die ungleiche Behandlung des Erstattungsanspruchs der Rentenversicherungsträger bei Eingang der Rentenzahlung auf ein im Soll bzw. im Haben befindliches Konto rechtfertigen könne. Mit der Berufsausübungsfreiheit sei die Rückerstattungspflicht der Kreditinstitute bei Eingang der Rente auf ein debitorisches Konto nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.12.2001 - B 4 RA 126/00 R -) nur dann vereinbar, wenn sich die damit verbundenen Belastungen des Kreditinstituts in einem überschaubaren Rahmen hielten. Dieser Rahmen werde aber, wenn man der Auffassung des Sozialgerichts folge, evident gesprengt, zumal in der Praxis oftmals Rentenzahlungen nach dem Tod des Versicherten nicht nur für einen, sondern über mehrere Monate überwiesen würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Klägerin, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Insbesondere wurde sie gemäß § 151 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts eingelegt. Die Berufungsfrist begann gemäß § 64 Abs.1 SGG am 05.05.2005 (= Tag nach Zustellung des Urteils) und endete, da der 04.06.2005 auf einen Samstag fiel, gemäß § 64 Abs.2 und 3 SGG am Montag, den 06.06.2005.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die als allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.5 SGG zulässige Klage ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 758,75 Euro zu erstatten. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 118 Abs.3 SGB VI ein Rückerstattungsanspruch in der genannten Höhe zu.
Nach § 118 Abs.3 S.1 und 2 SGB VI hat das Geldinstitut (Postgiroamt oder anderes Geldinstitut im Inland) Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei ihm überwiesen wurden, der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend unstreitig erfüllt. Die Klägerin hat die Rente der Leistungsberechtigten in Höhe von 758,75 Euro nach deren Tod für den Monat Juni 2004 auf ein Konto bei der Beklagten überwiesen und den Betrag von dieser zurückgefordert.
Entgegen ihrer Auffassung kann die Beklagte sich insoweit nicht auf den einspruchsvernichtenden Entreicherungseinwand des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI berufen. Danach besteht eine Verpflichtung zur Rücküberweisung nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (vgl. § 118 Abs.3 S.4 SGB VI).
Ob durch die im Mai und Juni 2004 erfolgten Barabhebungen bzw. den Lastschrifteinzug im Sinne dieser Regelung "anderweitig verfügt" wurde, kann offen bleiben; denn die Einwendungsregelung des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI ist vorliegend schon nicht anwendbar. Insoweit folgt der Senat weiterhin (vgl. bereits Urteil vom 14.07.2003 - L 3 RJ 42/03 -) der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 20.12.2001 - B 4 RA 53/01 R - (SozR 3-2600 § 118 Nr.9), - B 4 RA 37/01 R - sowie - B 4 RA 44/01 R -; ferner Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R - ). Danach setzt bereits die Anwendung der Entreicherungseinwendung des S.3 voraus, dass der Wert der überwiesenen Geldleistung nicht im Vermögen des Geldinstituts geblieben ist. Dieses wird von der Erstattungspflicht so lange nicht frei, bis es den Wert der überwiesenen Geldleistung durch eine entsprechende Gutschrift auf das in der Überweisung genannte Konto vollständig in das Vermögen des Kontoinhabers und in dessen Verfügungsmacht übertragen hat und diese Übertragung für den Kunden (im Regelfall mit der sog. Abrufpräsenz; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25.01.1988 , II ZR 320/87, BGHZ 103, 143 ff, NJW 1988, 1230 ff) wirksam wird; denn allein wegen der durch die Überweisung der Geldleistung auf das Konto erlangten faktischen Verfügungsmacht und der im Rahmen des Bankvertrages gegenüber dem Bankkunden erweiterten wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten statuiert § 118 Abs.3 S.2 SGB VI einen speziellen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -). Der Erstattungsanspruch erlischt demnach erst, sobald (soweit) der Wert der Geldleistung sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der bankvertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als das Geldinstitut (oder kumulativ andere) durch ihm gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert gesenkt hat (BSG, Urteil vom 04.08.1998, a.a.O.).
Dasselbe gilt, wenn die Übertragung des Wertes der Geldleistung - wie hier - auf ein vom Zeitpunkt der Gutschrift bis zum Eingang des Rückforderungsverlangens des Rentenversicherungsträgers durchgehend im Soll stehendes Konto erfolgt und das Vermögen des Inhabers bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur derart vermehrt, dass seine Schulden gegenüber dem Geldinstitut vermindert werden. Auch in diesem Fall bleibt das Geldinstitut unverändert zur Erstattung verpflichtet; denn hier führt das relative öffentlich-rechtliche Befriedigungsverbot aus § 118 Abs.3 S.4 SGB VI, nach dem das Geldinstitut den Wert des überwiesenen Betrages nicht zur Befriedigung eigener Forderungen (gegenüber dem Kontoinhaber) verwenden darf, in Verbindung mit dem in S.1 der Vorschrift normierten Rückforderungsvorbehalt - danach gelten die nach dem Tod des Berechtigten überwiesenen Geldleistungen als unter Vorbehalt erbracht - dazu, dass die Verrechnung im Verhältnis zum Rentenversicherungsträger wie auch zum Bankkunden in entsprechender Anwendung des § 134 BGB (relativ) unwirksam bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -; ferner BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 64/01 R -).
Der Vortrag der Beklagten, in der ersten Woche nach Eingang der Rentenzahlung sei ihr eine Verrechnung mit eigenen Forderungen aus dem der Leistungsberechtigten eingeräumten Dispositionskredit gemäß § 55 Abs.1 S.1 SGB I iVm § 394 S.1 BGB ohnehin verboten und ein Verstoß gegen das Befriedigungsverbot daher schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich, steht dem nicht entgegen.
Bereits die Voraussetzungen des § 55 Abs.1 S.1 SGB I iVm § 394 S.1 BGB sind vorliegend nicht erfüllt. Gemäß § 55 Abs.1 S.1 SGB I ist eine Forderung, die bei Überweisung einer Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch auf das Konto des Berechtigten bei einem Geldinstitut durch Gutschrift der Überweisung entsteht, für die Dauer von sieben Tagen seit der Gutschrift unpfändbar - mit der Folge, dass eine Aufrechnung gegen sie nicht stattfindet (§ 394 S.1 BGB). Von dem Pfändungsschutz des § 55 Abs.1 S.1 SGB I erfasst ist also der Auszahlungsanspruch des Kontoinhabers und Leistungsberechtigten gegen das Geldinstitut. Vorliegend ist mit der Überweisung der Witwenrente für Juni 2004 aber kein - der Pfändungsbeschränkung des § 55 Abs.1 S.1 SGB I unterliegender - Auszahlungsanspruch der Leistungsberechtigten gegen die Beklagte entstanden. Da Renten lediglich bis zum Ende des Kalendermonats geleistet werden, in dem die Berechtigten gestorben sind (§ 102 Abs.5 SGB VI), stand der im Mai 2004 verstorbenen Leistungsberechtigten kein Anspruch auf Zahlung der Witwenrente für Juni 2004 und damit insoweit auch kein Auszahlungsanspruch zu.
Der Beklagten wäre eine Berufung auf den Entreicherungseinwand aber selbst dann verwehrt, wenn in den ersten sieben Tagen nach Eingang des Rentenbetrags für Juni 2004 ein Aufrechnungsverbot im Sinne der o.g. Vorschriften bestanden hätte und ein Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Befriedigungsverbot aus diesem Grunde nicht in Betracht käme. Eine Berufung auf die Einrede der Entreicherung wäre der Beklagten jedenfalls deshalb nicht möglich, weil der für Juni 2004 überwiesene Rentenbetrag nach § 118 Abs.3 S.1 SGB VI als unter Vorbehalt erbracht gilt.
Es handelt sich bei dem Rückforderungsvorbehalt augenfällig um ein öffentliches Sonderrecht des Staates; denn er gilt, obwohl unter Umständen keiner der von ihm Betroffenen (Rentenversicherugnsträger, Geldinstitut, Kontoinhaber) an seiner Entstehung mitgewirkt bzw. von ihr Kenntnis haben kann; er vermittelt einer Untergliederung des Staates besondere Ansprüche sowie den betroffenen Privatrechtssubjekten hierzu besondere Lasten (BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -). Der Rückforderungsvorbehalt stellt nicht nur die Verringerung des Debets des Kontoinhabers, also die durch das Kreditinstitut vorgenommene Verrechnung mit eigenen Forderungen, entsprechend § 161 Abs.1 und 2 BGB unter die auflösende Bedingung, dass im Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers keine Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Vielmehr stehen alle eigenen Rechtshandlungen des Geldinstituts, die nach Eingang der Überweisung bezüglich des Kontoguthabens vorgenommen werden, unter dieser auflösenden Bedingung. Ist eine Rücküberweisung aus dem Guthaben nicht möglich, sind sämtliche Rechtshandlungen des Kreditinstituts insoweit entweder schon wegen Verstoßes gegen das Befriedigungsverbot oder wegen Bedingungseintritts unwirksam (BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R -, a.a.O.).
Zu den - von dem Rückforderungsvorbehalt erfassten - Rechtshandlungen der Beklagten gehören aber auch der nach Eingang der Rente auf dem Konto der Leistungsberechtigten bis zum 01.07.2004 zugelassene Lastschrifteinzug sowie die vorgenommenen Barauszahlungen. Dass letztere an einem Geldautomaten erfolgten, ist dabei unerheblich; denn der Geldautomat ersetzt lediglich die entsprechende Barauszahlung durch den Bankangestellten.
Für das Bestehen oder Nichtbestehen des Rückerstattungsanspruchs nach § 118 Abs.3 SGB VI ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht entscheidend, ob im Zeitraum zwischen Rentenüberzahlung und Eingang der Rückforderung (zufällig) eine nach dem Bankvertrag vorgesehene periodische Verrechnung des Geldinstituts mit eigenen Forderungen auch tatsächlich stattgefunden hat (LSG NRW, Urteil vom 04.04.2005 - L 3 RA 34/04 -); denn abgesehen davon, dass diese Verrechnung, so sie den Schutzbetrag des § 118 Abs.3 S.4 SGB VI tangiert, nach § 118 Abs.3 S.4 SGB VI wegen des Verstoßes gegen das Befriedigungsverbot relativ unwirksam ist, ist es nicht hinnehmbar, eine Rückforderung und damit auch die Möglichkeit einer Inanspruchnahme Dritter nach § 118 Abs.4 SGB VI davon abhängig zu machen, ob die Verrechnung zeitlich zufällig im Betrachtungszeitraum stattgefunden hat. Eine solche zufällige Abhängigkeit widerspräche nicht nur dem Normziel des § 118 Abs.3 und 4 SGB VI, eine Rückforderung zu Unrecht erbrachter Rentenleistungen im wirtschaftlichen Interesse der Versichertengemeinschaft zu ermöglichen, sondern auch der Rangfolge und Abhängigkeit der Rückforderungsmöglichkeiten nach § 118 Abs.4 SGB VI. Anders als die Adressaten des - gegenüber § 118 Abs.3 SGB VI nachrangigen - Rückforderungsanspruchs nach §§ 118 Abs.4 SGB VI, 50 SGB X (= die Verfügenden, Empfänger oder Erben) hat das kontoführende Geldinstitut, welches weitere Verfügungen zu Lasten eines ohnehin im Soll stehenden Kontos zugelassen hat, ein mögliches (Ausfall-)Risiko bei Ausbleiben bzw. Rückforderungen periodischer Eingänge bewusst und im wirtschaftlichen Interesse übernommen (LSG, Urteil vom 04.04.2005 - L 3 RA 34/04 -).
(Allein) dieses Ergebnis entspricht dem Sinn und Zweck des § 118 Abs.3 SGB VI, der im öffentlichen Interesse eine schnelle Rücküberweisung der überzahlten Rentenbeträge ermöglichen will, damit die Gelder möglichst bald und auf unkomplizierte Weise dem Rentenversicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben wieder zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 04.08.1998, a.a.O.; vgl. auch BSG SozR 3-2600 § 118 Nr.1 m.w.N). Es steht im Übrigen auch im Einklang mit der durch § 118 Abs.3, 4 SGB VI beabsichtigten und rechtlich durch die zeitliche und inhaltliche Abfolge der Ansprüche charakterisierten Risikoverteilung unter Berücksichtigung auch der Interessen der Versichertengemeinschaft. Das letztlich vom Geldinstitut zu tragende Risiko eines Verlustes entspringt der Bereitschaft der Kreditinstitute, durch Einräumung großzügiger und hochverzinslicher Überziehungsmöglichkeiten auch Kontenbelastungen zu erlauben, deren Ausgleich angesichts der Höhe der periodischen Eingänge auf dem belasteten Konto bei objektiver Betrachtung risikobehaftet ist. Realisiert sich das Ausfallrisiko, ist es nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, hierfür einzustehen (LSG, Urteil vom 04.04.2005 - L 3 RA 34/04 -).
Die Regelung des § 118 Abs.3 SGB VI greift schließlich auch nicht verfassungswidrig in die durch Art. 12 geschützte Berufsfreiheit bzw. den Gleichheitssatz des Art. 3 GG ein. Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs.3 SGB VI mag zwar insoweit den Schutzbereich des Art.12 Abs.1 GG tangieren, als die Art und Weise der beruflichen Tätigkeit, also die Berufsausübung der Beklagten, dadurch beschränkt wird, dass sie die überzahlten Rentenbeträge auf entsprechendes Verlangen der Rentenversicherungsträger zurücküberweisen muss. Diese Beschränkung ist aber jedenfalls durch die Schranken des Art.12 Abs.1 S.1 GG gedeckt. Danach kann die Berufsausübung durch oder aufgrund eines Gesetzes, hier also durch § 118 Abs.3 SGB VI, geregelt werden, sofern der Eingriff im Interesse des Gemeinwohls erfolgt und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Beides ist vorliegend zu bejahen. Der Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers dient - wie bereits ausgeführt - dem Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten an einem schnellen Rückfluss der Beträge, aber auch der Verwaltungsvereinfachung und damit der Effizienz der Arbeit der Rentenversicherungsträger. Er ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und auch erforderlich, denn ein gleich wirksames, weniger belastendes Mittel ist nicht erkennbar. Insbesondere wäre ein vom Rentenversicherungsträger mit Hilfe der Gerichte durchsetzbarer Anspruch aus § 118 Abs.4 SGB VI gegen die dort Genannten zeitraubend, da dem Rentenversicherungsträger die zur Durchsetzung des Anspruch notwendigen Angaben (Name des Kontoinhabers bzw. des Rechtsnachfolgers des Versicherten, Kontenstand und Kontenbewegung) nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2001 - B 4 RA 126/00 R -). Die Belastung der betroffenen Geldinstitute mit der Erstattung rechtsgrundlos erlangter Geldzahlungen ist im Übrigen auch weder unangemessen noch unzumutbar. Der dadurch entstehende Mehraufwand ist erträglich, da die Verpflichtung sich an die übliche Banktätigkeit anlehnt. Sie führt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht zu unangemessen hohen wirtschaftlichen Belastungen. Unzutreffend ist insoweit bereits, dass das BSG in der von der Beklagten zitierten Entscheidung (Urteil vom 20.12.12001 - B 4 RA 126/00 R -) eine Vereinbarkeit der hier streitigen Regelung mit Art.12 GG nur deshalb angenommen hat, weil die damit verbundenen Folgen sich in einem überschaubaren geringfügigen Rahmen hielten. Abgesehen davon, dass sich das BSG in der genannten Entscheidung lediglich mit der Frage befasst hat, ob die von dem Kreditinstitut vorzunehmende unentgeltliche Rücküberweisung verfassungsgemäß ist (und dabei offensichtlich die Verfassungsmäßigkeit der Erstattungspflicht als solche nicht anzweifelt), ist es jedenfalls davon ausgegangen, dass ein Teil der jeweiligen Rentenbeträge auf den Konten der Geldinstitute verbleibt und deren Erträge im Ergebnis auf jeden Fall erhöht (BSG, a.a.O.). Dies gilt für die hier streitige Rücküberweisungspflicht umso mehr; denn Dispositionskredite, wie sie auch vorliegend von der Beklagten gegenüber der Leistungsberechtigten eingeräumt worden waren, werden u.a. wegen des damit verbundenen Ausfallrisikos nur gegen Zahlung nicht unerheblicher Zinsen gewährt. Realisiert sich dabei - wie hier - das Ausfallrisiko, so ist es nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, hierfür einzustehen (s.o.).
Die Regelung des § 118 Abs.3 SGB VI greift schließlich auch nicht ungerechtfertigt in den Schutzbereich des Art.3 Abs.1 GG ein, der u.a. gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Es trifft zwar zu, dass das Bestehen eines Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Kreditinstitut unter Umständen davon abhängt, ob sich das Konto des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt des Renteneingangs im Soll oder im Haben befand. Diese Ungleichbehandlung ist aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - sachlich gerechtfertigt. Wie bereits ausgeführt, knüpft die "Haftung" nach § 118 Abs.3 SGB VI nämlich allein an die tatsächliche Verfügungsmacht des Kreditinistituts und die im Rahmen des Bankvertrages gegenüber dem Kunden erweiterten wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten an. Der Erstattungsanspruch erlischt, sobald dieser "Haftungsgrund" nicht mehr besteht. Dies ist aber nur der Fall, wenn der Wert der Geldleistung - anders als vorliegend - sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der bankvertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als das Geldinstitut (oder kumulativ andere) durch ihm gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert gesenkt haben (vgl. BSG, Urteil vom 04.08.1998 - B 4 RA 72/97 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt der Entscheidung in der Sache.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 25 Abs.2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG) noch liegt ein Fall der Divergenz im Sinne des § 160 Abs.2 Nr.2 SGG vor.
Im Hinblick auf die Vielzahl gleichlautender Entscheidungen mehrerer Senate des Bundessozialgerichts ist vielmehr von einer gefestigten Rechtsprechung auszugehen. Das gilt umso mehr, als die für Rentenangelegenheiten zuständigen Senate des BSG in Kenntnis der anderslautenden Entscheidung des 9. Senats (Urteil vom 09.12.1998 - B 9 V 48/97 R -, SozR 3-2600 § 118 Nr.4 -), auf die sich die Beklagte beruft, in ihren Entscheidungen vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 R - und vom 11.12.2002 - B 5 RJ 42/01 R - an ihrer bisherigen Rechtsprechung festgehalten bzw. entsprechend entschieden und offensichtlich keinen Anlass gesehen haben, die auch hier streitige Frage nach § 41 SGG dem Großen Senat zur Entscheidung vorzulegen.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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