L 1 B 36/05 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AS 82/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 36/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 28.10.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K C,, C, für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass die Unterhaltszahlungen des Ehemanns der Antragstellerin an seine geschiedene Ehefrau und die aus der Ehe mit dieser hervorgegangene Tochter K nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen sind (im Ergebnis wie hier: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.02.2005, L 9 B 1/05 AS, FEVS 56, 402 ff.).

Aus § 11 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ergibt sich abschließend, welche Beträge vom Einkommen abzusetzen sind. Diese Vorschrift gilt für jegliche Einkommensermittlung, gleich ob es sich dabei um das Einkommen des Hilfebedürftigen handelt oder aber das des mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehegatten (§§ 9 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) SGB II). Unterhaltsleistungen an Dritte sind dabei nicht aufgeführt.

Der Gesetzgeber hat sich ausweislich der Gesetzesmaterialien bei der Abfassung von § 11 SGB II an den bislang im Sozialhilferecht geltenden Regelungen orientiert (BT-Drucks. 15/1516, S. 53 zu § 11). Vorbild sind damit in erster Linie die Bestimmungen des § 76 Abs. 2, Abs. 2a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewesen. Unter deren Geltung war zwar anerkannt, dass zu Gunsten eines Unterhaltsanspruchs gepfändetes Einkommen nicht als "bereite Mittel" angesehen werden können (BVerwG, Urteil v. 15.12.1977, V C 35/77, BVerwGE 55, 148). Das bloße Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung, sei sie auch tituliert, führte demgegenüber nicht zum Sozialhilfebedarf (BVerwG, Beschluss v. 02.07.1993, 5 B 165/92, NDV 1994, 42 f.; Hess. VGH, Urteil v. 24.01.1986, IX OE 88/92, FEVS 35, 447; OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 16.02.2002, 2 L 137/01, info also 2002, 129). In Kenntnis dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber bei der Neuordnung des Sozialhilferechts keinen Anlass gesehen, tatsächliche Unterhaltsleistungen an Dritte einkommensmindernd in § 82 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) aufzunehmen. Im Hinblick auf die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Anlehnung des Einkommensbegriffs des § 11 SGB II an den Einkommensbegriff der Sozialhilfe ist nicht davon auszugehen, dass im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende etwas anderes gelten soll.

Unter systematischen Gesichtspunkten und von Sinn und Zweck des § 11 Abs. 2 SGB II her ist keine andere Auslegung geboten. Unterhaltsleistungen dürfen das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht so mindern, dass er selbst hilfebedürftig wird. Dieser aus dem Unterhaltsrecht stammende Gedanke findet seinen Widerhall in § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB II, wonach der Übergang von Unterhaltsansprüchen nach bürgerlichem Recht nur bewirkt werden darf, soweit das Einkommen und Vermögen des Unterhaltsverpflichteten das nach den §§ 11, 12 SGB II zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen übersteigen. Dementsprechend darf (und muss) der Unterhaltsverpflichtete der Sicherung seines Existenzminimums bzw. der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft Lebenden den Vorrang vor den Unterhaltsansprüchen Dritter einräumen. Fällt der Unterhaltsanspruch aus diesem Grund teilweise oder sogar ganz aus, kann dies zu Ansprüchen der Unterhaltsberechtigten nach dem SGB II oder SGB XII führen. Ansprüche des Unterhaltsverpflichteten oder der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft Lebenden über das durch das SGB II gesicherte Existenzminimum hinaus werden hierdurch hingegen nicht ausgelöst.

Im Hinblick auf die geschilderten Wertungen, durch die geschützte Interessen der Unterhaltsgläubiger nicht verletzt werden, ist für eine Rechtsfortbildung im Sinne der Anerkennung eines ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes kein Raum. Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Grundgesetz vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Prozesskostenhilfe war für das Beschwerdeverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht zu bewilligen.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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