S 34 KR 136/18 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 136/18 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 229/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der Sozialrechtsweg ist bei Überlagerung einer sozialrechtlichen Norm (§ 129 Abs. 5 SGB V) durch das Kartellvergaberecht der §§ 97 ff. (insbesondere § 103) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht gegeben.
2. Eine Verweisungsmöglichkeit an die Vergabekammern des Bundes besteht nicht.
3. Die Beschwerde ist unter L 8 KR 229/18 B ER anhängig.
1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf EUR 1,6 Mio. festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit von Preisvereinbarungen zwischen den Antragsgegnern zu quadrivalenten Grippeimpfstoffen für Erwachsene in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in der Saison 2018/2019.

Die Antragstellerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen und stellt quadrivalenten Grippeimpfstoff her (Vaxigrip Tetra®). In der Saison 2018/2019 wird ihr Apothekenverkaufspreis pro Impfdosis EUR 12,54 brutto (10er - Packung) und EUR 11,99 brutto (20er - Packung) betragen. Neben der Antragstellerin stellen auch die Unternehmen E. (E.) mit dem Produkt Influsplit tetra (Apothekeneinkaufspreis zuletzt EUR 9,87 netto, Apothekenverkaufspreis zuletzt EUR 13,11 brutto, jeweils pro Impfdosis in 10er Packung) und F. mit dem Produkt Influvac tetra quadrivalente Grippeimpfstoffe her, wobei der F. - Impfstoff nur für Erwachsene zugelassen ist. Bei F. liegt der Apothekeneinkaufspreis voraussichtlich bei EUR 7,55 netto pro Impfdosis in 10er Packungen. Der Abgabepreis der Apotheken für Grippeimpfstoff, der als Sprechstundenbedarf verordnet und an Ärzte geliefert wird, ist gesetzlich nicht festgelegt. Die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung finden keine Anwendung.

Unter dem 13.02.2018 und 21.02.2018 schloss die Antragsgegnerin zu 1., auch für die Antragsgegner zu 2. - 8., mit den Antragsgegnern zu 9., 10. und 11. jeweils eine Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen und eine Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen für die Saison 2018/2019 mit einer Laufzeit bis 30.04.2019. Die Vereinbarungen über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen regeln die Abrechnung von als Sprechstundenbedarf verordneten Grippeimpfstoffen auf Muster 16 (" Grippeimpfstoff quadrivalent, nach WHO Saison 2018/2019 für Erwachsene"). Im Falle einer individuellen Verordnung auf den Namen eines Versicherten reicht die Apotheke nach § 2 Nr. 2 einen Kostenvoranschlag zur Genehmigung bei der Antragsgegnerin zu 1. ein, nachdem die Apotheke Rücksprache mit dem Arzt geführt hat, ob ausschließlich diese Verordnung gewünscht sei. Nach den Vereinbarungen zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen wird vom Arzt als Sprechstundenbedarf verordneter Grippeimpfstoff mit Auswahlmöglichkeit für die Apotheke von der Antragsgegnerin zu 1. mit EUR 9,20 zuzüglich Mehrwertsteuer je Impfdosis vergütet (und später auf die anderen gesetzlichen Krankenkassen anteilig umgelegt). Voraussetzung für diesen Preis ist, dass die ärztlichen Verordnungen der Apotheke bis 12.03.2018 vorliegen. Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf die Vereinbarungen der Antragsgegner (Bl. 189 ff. Gerichtsakte) Bezug genommen. Nach einem Angebotsschreiben vom 08.02.2018, versandt über die Antragsgegner zu 9.-11., bietet die G. Center GmbH G-Stadt die Grippeimpfstoffbelieferung für Apotheken in Kooperation mit F. an, wobei Bestellungen bis 31.03.2018 erfolgen sollen (vgl. Bl. 99 Gerichtsakte).

Das Unternehmen E. hat vor der Vergabekammer des Bundes ein Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vereinbarungen angestrengt (Aktenzeichen VK 2 – 30/18). Eine Entscheidung dort steht aus.

Die Antragstellerin hat am 13.03.2018 um sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.

Die Antragstellerin trägt im Wesentlichen vor, eine sogenannte generische Verordnung von Grippeimpfstoffen verbiete sich, da Grippeimpfstoffe nicht wirkstoffgleich und damit nicht gegeneinander substituierbar seien. Durch die streitgegenständlichen Festpreisvereinbarungen seien die Ärzte aber zu Wirkstoffverordnungen angehalten, also unter Verzicht auf die Bezeichnung eines bestimmten Produktes eines bestimmten Herstellers, was diese zur Vermeidung von Regressen auch umsetzen würden. Dies werde zu einer vollständigen Verdrängung aller Hersteller von quadrivalenten Grippeimpfstoffen außer F. für die Impfsaison 2018/2019 führen, da die Apotheken die Impfstoffe ausschließlich über F. beziehen würden, um nicht defizitär zu arbeiten. Bei einer spezifischen Verordnung sei zudem das Verfahren erschwert (Rücksprache mit Art, Kostenvoranschlag, Genehmigung durch Antragsgegnerin zu 1.). Die Antragstellerin ist der Ansicht, es liege ein Anordnungsanpruch vor. Für die streitgegenständlichen Festpreisvereinbarungen biete weder § 129 Abs. 5 noch § 129 Abs. 2 SGBV eine Rechtsgrundlage.

Die Antragstellerin trägt weiter vor, die Produktions- und Vertriebsprozesse für quadrivalenten Grippeimpfstoff nähmen 30 Wochen in Anspruch. In der 8. Kalenderwoche (KW) habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die jährliche Empfehlung für die Zusammensetzung der Grippeschutzimpfung bekannt gegeben. Spätestens in der 23. KW habe die Antragstellerin die Mengen, Packungsgrößen und Darreichungsformen für den deutschen Markt festzulegen. In der 24. KW beginne die Abfüllung. Für die Einholung der Vorbestellungen benötige die Antragstellerin 6 Wochen. Spätestens zum Ende der 16. KW müsse eine Eilentscheidung vorliegen. Im Falle der Weitergeltung der Vereinbarung drohten der Antragstellerin schwerwiegende Nachteile. Sie müsste die Produktionsmenge erheblich reduzieren. Die Antragstellerin geht in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern von einem Marktanteil von 29% für die Versorgung Erwachsener und Kinder mit quadrivalenten Grippeimpfstoffen aus. Dies entspreche einer Menge von 630.000 Dosen Vaxigrip Tetra®. Der Marktanteil würde sich auf 4% reduzieren (Kinder, 87.000 Dosen). Damit drohe ein Absatzverlust von 543.000 Dosen Vaxigrip Tetra®. Bei einem Nettoverkaufspreis von EUR 8,65 sei mit einem Umsatzverlust von EUR 4,7 Mio. zu rechnen. Dies entspreche 31 % des Gesamtumsatzes der Antragstellerin, womit ihrer Ansicht nach ein Anordnungsgrund gegeben sei. Zudem könnten Lieferengpässen oder ausfälle nicht mehr ausgeglichen werden, was die Versorgungssicherheit gefährde. Dies widerspreche dem gesetzgeberischen Willen, da durch die Streichung des § 132e Abs. 2 Satz 1 SGB V Exklusivverträge mit einzelnen pharmazeutischen Unternehmen vermieden werden, vielmehr die Impfstoffe aller Hersteller für die Versorgung zur Verfügung stehen sollten.

Die Antragstellerin ist ferner der Ansicht, der Sozialrechtsweg sei eröffnet, da die streitentscheidende Norm § 129 Abs. 5 SGB V zum Normengeflecht der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Sie sei antragsbefugt, da die Festpreisvereinbarungen einen faktischen Ausschluss der Antragstellerin von der Versorgung mit quadrivalenten Grippeimpfstoffen ohne behördliche Vollzugsakte bewirkten. Zudem greiften die Festpreisvereinbarungen in Art. 12 Grundgesetz (GG) ein.

Die Antragstellerin beantragt,
im Wege der einstweiligen Abordnung die zwischen den Antragsgegnern geschlossenen Vereinbarungen über die Festsetzung eines Abrechnungsbetrages pro Impfdosis für quadrivalenten Grippeimpfstoff zur Anwendung bei Erwachsenen in der Saison 2018/2019 auf EUR 10,95 inklusive Mehrwertsteuer außer Kraft zu setzen.

Die Antragsgegner zu 1., 2., 4.-7. und 9.-11. beantragen,
den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegner zu 1., 2., 4.-7. beantragen weiter,
hilfsweise keine Entscheidung ohne vorherigen Termin zur mündlichen Verhandlung oder zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien zu erlassen.

Die Antragsgegner tragen im Wesentlichen vor, es handle sich um produktneutrale Preisvereinbarungen. Die Produktauswahl werde weiterhin den Ärzten in ihrer Therapiehoheit (bei Produktverordnungen) oder den Apotheken (bei Wirkstoffverordnungen) überlassen. Es bestehe keine exklusive Bindung an einen bestimmten Hersteller. Die Versorgung der Versicherten sei durch frühzeitige Bestellungen bis 31.03.2018 gesichert. Ihrer Ansicht nach biete § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V die Rechtsgrundlage für Vereinbarungen von einheitlichen Abrechnungspreisen als Ergänzung des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V, weshalb ein Anordnungsanspruch ausscheide. Eine Wettbewerbsbeschränkung bzw. eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Impfstoffauswahl liege nicht vor. Die Apotheken hätten aus dem Angebot aller Grippeimpfstoffhersteller unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes auszuwählen. Die Antragstellerin sei letztlich in der Saison 2018/2019 nur mit dem Preis unzufrieden und möchte höhere Preise durchsetzen, obwohl in den letzten Jahren ähnliche Preisvereinbarungen getroffen und nicht beanstandet worden seien.

Die Antragsgegner sind der Ansicht, ein Rechtsschutzbedürfnis liege nicht vor, da eine Entscheidung keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil mehr bringen könne. Der wesentliche Teil der Vorbestellungen für die Saison 2018/2019 sei zum 31.03.2018 erfolgt. Auch ohne die streitgegenständlichen Vereinbarungen würde das günstige Angebot von F. bestehen und die Ärzte und Apotheker hätten dieses im Rahmen der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Umsatzeinbußen rechtfertigten auch weder eine Antragsbefugnis, denn Art. 12 GG garantiere keinen Umsatz und schütze nicht vor Wettbewerb, noch einen Anordnungsgrund. Eine Existenzgefährdung sei nicht vorgetragen worden, zumal eine Umsatzeinbuße in anderen Regionen ausgeglichen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unzulässig.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG gestellte Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist bereits unzulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht gegeben, das Sozialgericht Frankfurt ist nicht zuständig. Eine Verweisung scheidet hier aus.

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich - rechtliche Streitigkeiten unter anderem in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Allerdings sind nach § 51 Abs. 3 SGG von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V regelt das Vierte Kapitel SGB V abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken (§§ 129, 130 SGB V) sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden. Dabei gilt ein weiter Leistungserbringerbegriff, worunter auch pharmazeutische Unternehmen fallen (§§ 130a - 131 SGB V). In diesem Zusammenhang bestimmt § 69 Abs. 3 SGB V, dass auf öffentliche Aufträge nach dem SGB V die Vorschriften des Teils 4 des GWB (§§ 97 - 184) anzuwenden sind. § 69 Abs. 3 SGB V legt fest, dass nicht einzelne Vorschriften des Vergaberechts, sondern generell die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff. GWB) – und damit das gesamte Kartellvergaberecht – auf die genannten Rechtsbeziehungen anzuwenden sind. Das Kartellvergaberecht der §§ 97 ff. GWB ist Bestandteil des Vergaberechts. Bei diesem handelt es sich um die Gesamtheit der Normen, die ein Träger öffentlicher Verwaltung bei der Beschaffung von sachlichen Mitteln und Leistungen, die er zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt, zu beachten hat. Der wesentliche Inhalt dieser Regelung liegt in der damit verbundenen Übertragung des Rechtsweges bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten von der Sozial- auf die Zivilgerichtsbarkeit (vgl. Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 69 SGB V Rn. 105 -109, 137 m.w.N.).

Vorliegend wendet sich die Antragstellerin gegen Preisvereinbarungen zwischen den Antragsgegnern in den Ländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in Ergänzung des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V. Nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V können die Krankenkassen oder ihre Verbände mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Nach Satz 3 kann abweichend vom Rahmenvertrag vereinbart werden, dass die Apotheke die Ersetzung wirkstoffgleicher Arzneimittel so vorzunehmen hat, dass die Krankenkasse Kosten nur in Höhe eines zu vereinbarenden durchschnittlichen Betrages je Arzneimittel entstehen. Mit vorliegendem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nimmt die Antragstellerin konkret Bezug auf die Vorschrift des § 129 Abs. 5 Satz 1 und 3 SGB V und stützt ihr Begehren darauf, dass die getroffenen Preisvereinbarungen nicht von der Vorschrift gedeckt sind.

Maßgebend für die Beurteilung, ob das vorliegende Verfahren der Antragstellerin, gerichtet auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit umfasst wird, ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der erhobene Anspruch hergeleitet wird, sofern eine ausdrückliche Zuweisung fehlt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschlüsse vom 10.12.2015, B 12 SF 1/14 R, vom 30.09.2015, B 3 KR 22/15 B, und vom 28.09.2010, B 1 SF 1/10 R, – alle juris -).

Bei ihrer Auffassung, für vorliegendes Verfahren sei die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, übersieht die Antragstellerin, dass das vorliegende Verfahren nach der eindeutigen Regelung des § 51 Abs. 3 SGG ausdrücklich von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ausgenommen wird. Denn nach dem Regelungsgehalt des § 69 Abs. 3 SGB V sind auf öffentliche Aufträge nach dem SGB V die Vorschriften der §§ 97 - 184 GWB anzuwenden.

Nach diesen Vorschriften des Vierten Teils des GWB sind Beschaffungen im Normalfall in einem geregelten Vergabeverfahren bekanntzumachen und auszuschreiben, sofern
- ein öffentlicher Auftraggeber (§ 99 GWB)
- durch einen öffentlichen Auftrag Lieferungen, Dienstleistungen, Bauleistungen beschaffen will (§ 103 GWB),
- der Auftragswert den maßgebenden Schwellenwert erreicht oder überschreitet (§ 106 GWB)
- und ein Ausnahmefall nach § 107 GWB nicht gegeben ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragsgegnerin als gesetzliche Krankenkasse ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB auch bei dem Abschluss von Versorgungsverträgen mit Leistungserbringern, da die Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen - jedenfalls mittelbar durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung - durch den Bund finanziert werden (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht unterliegen (Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07; vgl. Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 69 SGB V Rn. 119 - juris). Dies reicht für die Qualifikation als öffentlicher Auftraggeber aus (vgl. hierzu auch Landessozialgericht (LSG) Nordrhein - Westfalen, Beschlüsse vom 24.08.2009, L 21 KR 45/09 SFB, Rn. 55 - juris, und 22.07.2010, L 21 SF 152/10 Verg, Rn. 51 - juris).

Öffentliche Aufträge sind nach der Legaldefinition des § 103 Abs. 1 GWB entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Die Antragsgegnerin will für ihre Versicherten Grippeimpfstoffe für die Saison 2018/2019 beschaffen / einkaufen und damit deren Versorgung sicherstellen. Dies stellt einen Lieferauftrag, also einen Vertrag zur entgeltlichen Beschaffung von Waren, nach § 103 Abs. 1 und 2 GWB dar. Ob hier ein Vergabeverfahren anstelle der Preisvereinbarungen hätte durchgeführt werden müssen, und die Vereinbarungen deshalb rechtswidrig sind, entscheidet die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren, wie von dem Konkurrenten E. eingeleitet.

Der Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB von EUR 207.000,00 wird vorliegend überschritten. Ein Ausnahmefall nach § 107 GWB liegt nicht vor. Damit liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des 4. Teils des GWB vor.

Die Antragstellerin begründet die Zuständigkeit mit der Norm des § 129 Abs. 5 SGB V, also mit einer an sich in den Zuständigkeitsbereich der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit fallenden Norm. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung unterliegt jedoch die rechtliche Beurteilung der Frage, ob die Preisvereinbarungen der Antragsgegner gestützt auf § 129 Abs. 5 SGB V - rechtmäßig sind, nicht der Rechtsprechung der Sozialgerichte.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat zum Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 21.06.2016 (VK 2 - 45/16) am 21.12.2016 entschieden (VII-Verg 26/16 juris –), dass "§ 127 Abs. 1 SGB V durch das unionsrechtliche und das Vergaberechtsregime des Vierten Teils des GWB vollständig überlagert wird. Dies wird gleichermaßen belegt durch die Regelung des § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB V a.F. (§ 69 Abs. 3 SGB V n.F.), wonach auf öffentliche Aufträge der gesetzlichen Krankenkassen gemäß dem SGB V die Vorschriften des Vierten Teils des GWB anzuwenden sind." Im vorliegenden Fall liegt zwar kein Vertrag der Krankenkasse mit einem Hilfsmittelerbringer zugrunde. Für Verträge der Krankenkassen mit Apotheken kann aber im Hinblick auf die Regelung des § 69 Abs. 3 SGB V nicht anderes gelten. In Übereinstimmung mit dem Beschluss des OLG Düsseldorf ist daher das Gericht der Überzeugung, dass vorliegender Rechtsstreit allein dem Prüfregime des Vergaberechts nach dem GWB unterfällt, so dass hier zunächst die Vergabekammern des Bundes und dann der Vergabesenat des zuständigen OLG Düsseldorf zuständig sind.

Somit ist die Antragstellerin darauf verwiesen, das Nachprüfungsverfahren zunächst vor der zuständigen Vergabekammer zu beschreiten. Bei der Vergabekammer handelt es sich nicht um ein Gericht (vgl. BSG, Beschlüsse vom 25.10.2011, X ZB 5/10, und 22.04.2008, B 1 S F 1/08 R, beide juris m.w.N.), sodass eine Verweisung des vorliegenden Verfahrens an die zuständige Vergabekammer nach § 98 SGG in Verbindung mit § 17a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes aus rechtlichen Gründen nicht erfolgen konnte. Zudem war eine solche Verweisung auch nicht beantragt. Auch eine Verweisung an den Vergabesenat des zuständigen OLG Düsseldorf war aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Die Kammer folgt insoweit der überzeugenden Rechtsauffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 09.02.2016 (5 B 315/15, Rn. 19 ff., insbesondere 28f. –juris-). Zutreffend wird in dieser Entscheidung auf den Beschleunigungsgrundsatz des Vergaberechts verwiesen und hierauf Bezug nehmend eine Verweisung an den Vergabesenat eines Oberlandesgerichts unter Umgehung der Vergabekammer als nicht sachgerecht angesehen.

Aufgrund der fehlenden Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit und der fehlenden Verweisungsmöglichkeit erweist sich der Antrag der Antragstellerin bereits als unzulässig.

Ob es der Antragstellerin auch an der erforderlichen Antragsbefugnis oder am Rechtsschutzbedürfnis fehlt, kann dahinstehen, da bei fehlender Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit und mangels Verweisungsmöglichkeit der Antrag bereits aus diesem Grund als unzulässig abzulehnen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Antragstellerin noch Antragsgegner zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Der Streitwert ist gemäß § 197a SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 3 und 4 Gerichtskostengesetz auf EUR 1,6 Mio. festzusetzen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Vertragslaufzeit der streitgegenständlichen Preisvereinbarungen ca. 1 Jahr beträgt (bis 30.04.2019). Der von der Antragstellerin angegebene Umsatzverlust in der Saison 20178/2019 wurde auf EUR 4,7 Mio. beziffert. Dieser Betrag ist zur Grundlage der Streitwertfestsetzung zu machen und im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Eilentscheidung angemessen zu reduzieren, wobei in der Rechtsprechung zwischen ¼ und ½ angesetzt werden. Vorliegend wurde mit EUR 1,6 Mio. ein Streitwert von rund einem Drittel angesetzt (vgl. hierzu Hessisches LSG, Beschluss vom 25. Juni 2008 – L 4 KA 48/08 B ER –, juris).
Rechtskraft
Aus
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