Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 VK 73/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 VK 1/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Berufsschadensausgleich (BSA) nach § 30 Abs. 3 ff. des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Der Kläger wurde am 00.00.1928 geboren. Sein Vater war gelernter Schreiner und als Hilfsarbeiter tätig. Der Kläger absolvierte die Volksschule und anschließend bis zur sechsten Klasse (Jahrgang 1944/1945) die Mittelschule. Von 1941 bis 1943 war er neben der Schule als Aushilfe in einer Bäckerei tätig. Vom 07.02.1944 an wurde er als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Im März 1945 erhielt er ein Abschlusszeugnis. Am 09.04.1945 erlitt er eine Granatsplitterverletzung unterhalb des linken Auges. Bei einer anschließenden Operation des Kiefers wurden zwei Granatsplitter entfernt. Infolge der Röntgenbestrahlung während der Operation kam es an der rechten Wange zu einem Röntgenerythem und einer handtellergroßen Verbrennungswunde. Bis Ende August 1945 befand er sich in Kriegsgefangenschaft.
Im September 1945 begann der Kläger ein Praktikum als Maurer. Von Anfang 1946 bis Ende 1948 war er als "Volontär" im kaufmännischen Bereich der Deutschen Schrottgemeinschaft tätig, die in ihrem Abschlusszeugnis diese Zeit als Ersatz für eine kaufmännische Lehre ansah. Ab 1949 war der Kläger im Schrotthandel als kaufmännischer Angestellter tätig, ab 1953 als Vertreter. Ab Ende 1954 betrieb der Kläger eine eigene Firma, deren Gegenstand die Verwertung von Nutzeisen war. Seit Oktober 1993 bezieht er eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund i.H.v. anfänglich 1.348,20 DM. Der Versicherungsverlauf weist bis August 1945 militärischen Dienst, von Januar 1946 bis August 1952 Pflichtbeiträge, ab 1956 freiwillige Beiträge (davon für 1956-1961 nachgezahlte Beiträge) und von Oktober 1992 bis Februar 1993 Pflichtbeiträge aufgrund Krankheit aus.
1974/1975 wurde der Kläger am rechten Auge operiert. Ab 1981 erfolgten mehrere Operationen der rechten Wange einschließlich Hauttransplantationen sowie Narbenkorrekturen im Bereich des Halses.
Am 13.08.1981 beantragte der Kläger beim damaligen Versorgungsamt E Beschädigtenversorgung. Er gab an, vor der Schädigung Schüler gewesen zu sein und den Beruf des flugtechnischen Ingenieurs angestrebt zu haben. Das Versorgungsamt stellte mit Bescheid vom 08.06.1982 zunächst eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, mittlerweile Grad der Schädigungsfolgen - GdS) um 30 v.H. fest. Weitere Versorgungsleistungen stünden nicht zu.
In einem anschließenden sozialgerichtlichen Klage- und Berufungsverfahren (S 30 V 327/85 = L 10 V 78/90) trug der Kläger vor, er habe eigentlich auf das Gymnasium gehen sollen, was aber an den fehlenden finanziellen Mitteln der Eltern gescheitert sei. Zunächst habe er Fliegertechniker werden wollen. Da dies nach dem Krieg nicht mehr möglich gewesen sei und angesichts der Zerstörungen des Krieges habe er dann Architekt werden wollen. Vorstellungen bei diversen Baufirmen seien an seinen Kriegsverletzungen gescheitert. Er habe dann doch bei einer Baufirma ein Praktikum begonnen, sei dort aber an einer Lungenentzündung erkrankt. Zwischenzeitlich sei diese Firma in Konkurs gegangen. Durch wiederholte Vermittlungsbemühungen seiner Familie sei er zum Schrotthandel gekommen. Aufgrund seiner Entstellung sei ihm nur der Weg in die Selbständigkeit geblieben, wo er sich den Ruf eines Spezialisten erarbeitet habe. Er sei besonders beruflich betroffen, da er regelmäßig Ware selbst in Augenschein nehmen müsse. Dies geschehe regelmäßig im Freien. Dabei sei er zum einen durch seine gesundheitlichen Probleme im Bereich der Augen beeinträchtigt. Zum anderen bestehe aufgrund der Wundverhältnisse im Bereich von Kiefer und Wange eine erhöhte Infektanfälligkeit. Aufgrund der Selbständigkeit habe keine ausreichende Altersvorsorge betrieben werden können. Das Sozialgericht Düsseldorf verurteilte das seinerzeit beklagte Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 30.01.1990 zur Zahlung von Rentenleistungen nach einer MdE um 50 v.H. unter Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins. Der Kläger müsse die beim Kundenkontakt nachteilige Entstellung durch besonderen Einsatz ausgleichen. Hinzu kämen die in seinem Beruf bedeutsame Einschränkung der Sehfähigkeit und die Infektanfälligkeit. Im Berufungsverfahren erklärte der Kläger gegenüber dem Landessozialgericht, er beschäftige seit 1981 sieben bis neun Personen. Er sei erkältungsbedingt an 30 bis 40 Tagen im Jahr arbeitsunfähig. Das Landessozialgericht wies die Berufung des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 30.09.1992 zurück. Es sei jedenfalls von einer schädigungsbedingten und im Beruf des Klägers relevanten Infektanfälligkeit und damit von der Inkaufnahme besonderer gesundheitlicher Risiken auszugehen.
Das Versorgungsamt setzte einen vorherigen Teilvergleich über eine MdE um 40 v.H. mit Bescheid vom 30.10.1990 und das Urteil des Sozialgerichts mit Bescheid vom 15.12.1992 um. Auf einen Verschlimmerungsantrag aus dem Jahr 1993 und nach sozialgerichtlichem Klageverfahren (S 30 VS 53/96) gewährte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 18.12.1998 Rentenleistungen nach einer MdE um 60 v.H., auf einen Verschlimmerungsantrag aus dem Jahr 2003 und nach sozialgerichtlichem Klageverfahren (S 31 V 191/05) mit Bescheid vom 09.02.2009 Rentenleistungen nach einem GdS von 80 und auf einen Verschlimmerungsantrag aus dem Jahr 2009 mit Bescheid vom 04.10.2010 Rentenleistungen nach einem GdS von 100.
Am 16.12.2008 beantragte der Kläger BSA nach Maßgabe von §§ 44, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Ohne die Schädigungsfolgen hätte er jetzt eine höhere Rente.
Der Beklagte lehnte die Gewährung von BSA nach § 48 SGB X mit Bescheid vom 05.05.2011 ab. Es sei weder nachgewiesen, dass das Praktikum wegen der Schädigungsfolgen beendet worden sei, noch dass der Kläger ohne die Schädigungsfolgen Architekt geworden wäre. Einen schädigungsbedingten Einkommensverlust habe er in den diversen Vorverfahren nie geltend gemacht. Der Kläger habe durch den anerkannten erhöhten Einsatz die etwaigen Schädigungsfolgen ausgeglichen. Die sich aus dem Versicherungsverlauf ergebenden und vergleichsweise kurzen Krankheitszeiten hätten am Ende des Berufslebens gelegen. Obwohl sich gesundheitliche Verschlimmerungen erst in den 1980iger Jahren ergeben hätten, habe der Kläger schon zuvor nur sehr geringe freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Die Beiträge aufgrund der Krankheitszeiten seien sogar höher als die zuvor freiwillig entrichteten Beiträge gewesen.
Der Kläger legte am 06.06.2011 Widerspruch ein. Maßgeblich sei § 7 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV). Nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) sei davon auszugehen, dass er Architekt geworden wäre. Entsprechend sei ein Vergleichseinkommen nach den Besoldungsgruppen A13 bis A15 zugrunde zu legen. Das bereits anerkannte besondere berufliche Betroffensein indiziere, dass ein schädigungsbedingter Einkommensverlust vorliege.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2011 zurück. Es sei nicht wahrscheinlich, dass aufgrund der Schädigungsfolgen ein Einkommensverlust entstanden sei.
Mit Bescheid vom 26.09.2013 lehnte der Beklagte BSA auch nach Maßgabe von § 44 SGB X ab. Der Kläger legte am 15.10.2013 Widerspruch ein. Zu überprüfen seien sämtliche bislang ergangenen Bescheide. Ohne die Schädigung hätte er mit seiner Arbeitskraft ein höheres Einkommen erzielen können. Im Hinblick auf die Rente seien schädigungsbedingt Beitragslücken im Jahr 1945 und zwischen 1952 und 1955 entstanden. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 zurück. Die vom Kläger genannten Bescheide enthielten keine Regelung zum BSA. Jedenfalls sei die Feststellung einer Einkommensminderung durch erkältungsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht mehr möglich. Soweit aufgrund des Praktikums 1945 Beiträge zur Rentenversicherung fehlten, sei der Kläger dieses Praktikum freiwillig eingegangen. Die Krankheitszeiten zum Ende des Berufslebens hätten zu höheren als den vorherigen freiwilligen Beiträgen geführt.
Der Kläger hat beim Sozialgericht Düsseldorf am 06.12.2011 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 07.11.2011 (S 6 VK 57/11 = S 6 VK 73/14) und am 26.02.2014 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 (S 6 VK 17/14) erhoben. Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens S 6 VK 57/11 = S 6 VK 73/14 hat das Sozialgericht beide Verfahren mit Beschluss vom 22.10.2014 zum Verfahren S 6 VK 73/14 verbunden.
Der Kläger hat vorgetragen, nach dem Krieg sei ein Wechsel von der Mittelschule auf das Gymnasium nicht mehr möglich gewesen. Mit Mittelschulabschluss und zweijährigem Maurerpraktikum wäre aber ein Architekturstudium möglich gewesen. Das Praktikum habe er wegen einer Lungenentzündung abbrechen müssen. Ihm sei von dem behandelnden Arzt die Fortsetzung der Tätigkeit als Maurer verboten worden. Ohne die Schädigungsfolgen hätte er eine Stelle mit höchstem Rentenanspruch erworben. Die Höhe der freiwilligen Rentenbeiträge sei ihm von der Rentenversicherung vorgegeben worden. Soweit in den Bescheiden des Versorgungsamtes ein besonderes berufliches Betroffensein anerkannt werde, seien diese auch im Hinblick auf BSA einer Überprüfung fähig, da das besondere berufliche Betroffensein eine Vorstufe zum BSA darstelle.
Das Sozialgericht hat die Klagen mit Urteil vom 29.11.2016 abgewiesen. Ausweislich seines Erstantrages habe der Kläger vor der Schädigung nicht den Beruf eines Architekten angestrebt. Es sei nicht ersichtlich, dass das Maurerpraktikum wegen Schädigungsfolgen aufgegeben worden sei, da diese sich erst deutlich später in relevanter Weise ausgewirkt hätten. Es sei weder ein schädigungsbedingter Einkommensverlust erkennbar, noch könnten die niedrigen Rentenbeiträge auf die Schädigungsfolgen zurückgeführt werden. Die Rentenbeiträge seien schon zu einem Zeitpunkt gering gewesen, als die gesundheitliche Verschlechterung noch nicht eingetreten sei.
Der Kläger hat gegen das seinem Bevollmächtigten am 05.01.2017 zugestellte Urteil am 02.02.2017 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, aus der Zusammenschau von besonderem beruflichen Betroffensein und geringer Altersrentenhöhe ergebe sich der schädigungsbedingte Einkommensverlust. Zu überprüfen sei der Bescheid vom 08.06.1982. Seine Angaben seien nach § 15 KOVVfG zugrunde zu legen. Zwischen 1952 und 1955 habe er schädigungsbedingt kein Einkommen erzielt. Soweit sein aktuelles Einkommen unter Rückgriff auf Leistungsgruppen zu berechnen sein sollte, sei nicht die höchste, sondern die niedrigste Leistungsgruppe anzusetzen. Es sei Beweis zu erheben durch Anhörung berufskundlicher und ärztlicher Sachverständiger.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2016 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2011 sowie des Bescheides vom 26.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2014 zu verpflichten, den Bescheid des Versorgungsamtes Düsseldorf vom 08.06.1982 zurückzunehmen und ihm BSA nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab 2004, hilfsweise ab Dezember 2008 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, ein schädigungsbedingter Einkommensverlust sei nicht erwiesen. Den Berufswunsch Architekt habe der Kläger erst nach der Schädigung gehabt. Maßgeblich seien die Regeln für den BSA Selbständiger. Ein Renten-BSA komme bei Selbständigen nicht in Betracht. Ausgehend von einem Antrag im Jahr 1981 wäre, da die Schädigung vor Beginn der Berufsausbildung erfolgte, § 7 BSchAV a.F. anwendbar. Bei erwartbarem Mittelschulabschluss wäre danach die Besoldungsstufe A8 anzusetzen. Demgegenüber zu stellen wäre ein Einkommen, das dem Wert der Arbeitsleistung des Klägers als abhängig Beschäftigtem entsprechen würde, hier das eines kaufmännischen Angestellten im Bereich Handel, Leistungsgruppe II. Bezogen auf 1981 überstiege letzteres das erstere um mehr als 1.000 DM, so dass kein BSA zustünde. Bei Annahme einer Antragstellung erst im Jahr 2008 ergebe sich ein noch größerer Unterschiedsbetrag.
Der Senat hat eine Probeberechnung der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Rentenhöhe unter Zugrundelegung von Höchstbeiträgen ab 1956 eingeholt und den Kläger durch den Berichterstatter in einem Erörterungstermin am 09.03.2018 persönlich angehört.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren, die beigezogenen Gerichtsakten zum Verfahren S 31 V 191/05, die ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie dessen Prozesshandakten zu den Verfahren S 30 V 327/85 = L 10 V 78/90 und S 30 VS 53/96.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen, da diese zwar zulässig, aber unbegründet sind. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind.
Der Senat legt den Antrag des Klägers dahingehend aus, dass er eine Rücknahme des Bescheides vom 08.06.1982 begehrt (hierzu unter 1.). Von den diversen Bescheiden, die vor den hier angefochtenen Bescheiden erlassen worden sind, enthält allenfalls dieser Bescheid eine Regelung zum BSA. Soweit der Kläger zwischenzeitlich gemeint hat, die Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins i.S.v. § 30 Abs. 2 BVG in anderen Bescheiden enthalte ebenfalls eine Regelung zum BSA, ist dies unzutreffend. Das den GdS erhöhende besondere berufliche Betroffensein und BSA sind verschiedene Gegenstände (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 24.08.1987 - 9a BV 180/86; vgl. zum Verhältnis von § 30 Abs. 2 zu § 30 Abs. 3 BVG auch Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 30 BVG Rn 24). Eine Aufhebung früherer Bescheide nach § 48 SGB X kommt nicht in Betracht. § 48 SGB X setzt das Bestehen eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung voraus. Unabhängig davon, ob der Bescheid vom 08.06.1982 sich zum BSA verhält, enthielte er allenfalls eine Ablehnung. Ablehnungsentscheidungen sind aber grundsätzlich keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. Heße, in: BeckOK-SGB X, Stand: 01.06.2018, § 48 Rn 9). Hilfsweise legt der Senat den Antrag aus Dezember 2008 zugleich als Neuantrag auf BSA aus (hierzu unter 2.).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 08.06.1982.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Dabei geht der Senat mit dem Kläger davon aus, dass der erste auf Beschädigtenversorgung gerichtete Leistungsantrag aus 1981 umfassend zu verstehen war und entsprechend einen Antrag auf BSA enthielt (vgl. hierzu Hansen, Der Berufsschadensausgleich, 1996, S. 26 und VV Nr. 1 Satz 2 zu § 1 BVG) und dass mit der Formulierung "5. Auf weitere Versorgungsbezüge besteht kein Anspruch." u.a. BSA abgelehnt wurde.
Bei dieser Ablehnung wurde weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch das Recht unrichtig angewandt.
Nach § 30 BVG Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BVG i.d.F. vom 22.01.1982 erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), einen Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes. Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Vergleichseinkommen ist das monatliche Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte Die Einzelheiten der Berechnung des Einkommensverlustes ergeben sich aus der aufgrund von § 30 Abs. 9 BVG a.F. erlassenen BSchAV, hier in der Fassung vom 18.01.1977.
Während Einigkeit darüber besteht, dass BSA einen schädigungsbedingten Einkommensverlust im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung erfordert, ist streitig, ob § 30 Abs. 3 BVG eine allgemeine Kausalitätsprüfung erfordert (so Förster, in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 30 BVG Rn 52; wohl auch Hansen, a.a.O., S. 31) oder ob der schädigungsbedingte Einkommensverlust sich - jedenfalls bei bestimmten Fallgruppen - aus § 30 Abs. 4 BVG ergibt (so Dau, a.a.O., Rn 28; BSG, Urteil vom 19.06.1996 - 9 RV 22/94, Rn 13 ff.; vgl. auch Rohr/Strässer/Dahm, BVG, Stand: August 2017, § 30 - 21f.).
Der Senat kann diese Frage dahinstehen lassen, da sich ein schädigungsbedingter Einkommensverlust weder im Rahmen einer allgemeinen Kausalitätsprüfung ergibt, noch nach Maßgabe von § 30 Abs. 4 BVG.
Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen, dass und inwiefern er einen schädigungsbedingten Einkommensverlust in seinem Beruf als selbständiger Stahlhändler gehabt haben könnte (vgl. zur Notwendigkeit eines entsprechenden Nachweises LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.02.1996 - L 4 V 28/95, S. 12 f.). Soweit er geltend gemacht hat, er habe aufgrund der Schädigungsfolgen, die sich etwa beim Taxieren der Ware ausgewirkt hätten, besondere Anstrengungen unternehmen müssen, so ist dies im Vorprozess S 30 V 327/85 = L 10 V 78/90 durch Bejahung eines besonderen beruflichen Betroffenseins anerkannt worden. Mit derselben Argumentation kann dann aber nicht zugleich ein schädigungsbedingter Einkommensverlust begründet werden (BSG, Urteil vom 23.11.1977 - 9 RV 12/77; vgl. auch Förster, a.a.O., Rn 50). Völlig offen ist, inwieweit die vermeintlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu einem Minderverdienst geführt haben sollten. Jedenfalls sind relevante Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers nicht bewiesen. Aus dem Versicherungsverlauf ergibt sich nur eine kurze Krankheitsphase kurz vor Renteneintritt. Es können auch nicht die Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 30.09.1992 nach § 15 Satz 1 KOVVfG zugrunde gelegt werden, da die in dieser Norm als Voraussetzung genannte Beweisnot im Hinblick auf die Behauptung von Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht gegeben war.
Soweit der Kläger geltend macht, er hätte ohne die Schädigungsfolgen einen anderen Beruf eingeschlagen und ein höheres Einkommen erzielt, ist dies völlig spekulativ. Auch wenn die Angaben des Klägers zu seinen damaligen Berufswünschen (Flugtechniker/Architekt) nach § 15 Satz 1 KOVVfG zugrunde gelegt werden, ist es unter Berücksichtigung seines familiären Hintergrundes (der Vater war gelernter Schreiner, jedoch als Hilfsarbeiter tätig), seines Bildungsstandes (Mittelschule bis zur sechsten Klasse mit durchschnittlichen Noten) und seiner ersten Berührungen mit der Arbeitswelt (Aushilfe in Bäckerei, Luftwaffenhelfer, Praktikum als Maurer) keinesfalls wahrscheinlich, dass er seine unterstellten Berufswünsche hätte realisieren können (vgl. zur Erforderlichkeit einer solchen Wahrscheinlichkeit im Rahmen von § 7 BSchAV Heinz, Der Berufsschadensausgleich des sozialen Entschädigungsrechts, ZfS 6/2007, S. 161, 168).
Nichts anderes ergibt sich aus § 30 Abs. 4, 5 BVG a.F. i.V.m. der BSchAV a.F.
Da die Schädigung hier vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist, ist das Vergleichseinkommen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BSchAV a.F. nach deren § 7 zu bestimmen, wobei aus den vorgenannten Gründen gemäß § 7 Abs. 2 BSchAV a.F. dessen Abs. 1 heranzuziehen ist. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BSchAV a.F. i.V.m. § 4 Abs. 1 BSchAV a.F. ist ausgehend von einem Mittelschulabschluss die Besoldungsgruppe A8 zugrunde zu legen. Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 BSchAV a.F. ergibt sich aus den vorgenannten Gründen nichts anderes. Nach § 30 Abs. 5 Satz 6 BVG a.F. i.V.m. der "Bekanntmachung der Vergleichseinkommen für die Feststellung der Berufsschadens- und Schadensausgleiche nach dem Bundesversorgungsgesetz für das Jahr 1981" (Bundesarbeitsblatt 12/1980, S. 115 ff.) bedeutet dies einen monatlichen Betrag von ca. 2.700 DM.
Demgegenüber zu stellen ist das "derzeitige Bruttoeinkommen", das bei Selbständigen gemäß § 9 Abs. 1 HS 1 Nr. 2, HS 2 BSchAV a.F. das Arbeitsentgelt ist, das einem Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre. Angesichts des lange zurückliegenden Zeitraumes hält der Senat es im vorliegenden Fall für vertretbar, die vom Beklagten vorgelegten Werte für das Vergleichseinkommen im Jahr 1981 zugrunde zu legen (vgl. zu den grundsätzlich bestehenden Erkenntnismöglichkeiten Förster, a.a.O., Rn 75 m.w.N.). Nach den seinerzeit gültigen Vorgaben gehörten zur Leistungsgruppe II kaufmännische und technische Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben, ferner Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen, außerdem Angestellte, die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen (BSG, Urteil vom 31.05.1979 - 10 RV 69/78, Rn 13; vgl. zur Gültigkeitsdauer der aus den 1960er Jahren stammenden Definition bis zum Jahr 2009 Bayerisches LSG, Urteil vom 26.04.2012 - L 15 VS 2/06, Rn 82 und die Neufassung der Leistungsgruppen mit Rundschreiben des BMAS vom 19.06.2009 - IV c 2 - 61080/27). Da der Kläger Anfang der 1980iger Jahre bereits seit über zwanzig Jahren alleine eine Firma geleitet hatte, zuletzt mit bis zu neun Angestellten, und er zudem nach seinen eigenen Angaben ein anerkannter Spezialist im Bereich der Verwertung von Nutzeisen war, kann er ohne Weiteres der Leistungsgruppe II zugeordnet werden. Sollte hierfür der Abschluss einer Ausbildung vorausgesetzt werden (vgl. hierzu BSG, a.a.O., Rn 14), wäre dafür jedenfalls im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Nachkriegszeit die dreijährige Zeit als "Volontär" bei der Deutschen Schrottgemeinschaft ausreichend, die von dieser im Abschlusszeugnis ausdrücklich als Äquivalent einer Ausbildung bezeichnet wurde (vgl. auch die Wertung in § 5 Abs. 3 BSchAV a.F.) und dem Kläger in der Folgezeit eine Beschäftigung als kaufmännischer Angestellter ermöglichte. Ausgehend von der Leistungsgruppe II im Bereich Handel ergibt sich ein monatlicher Betrag von ca. 3.800 DM.
Da das anzunehmende "derzeitige Bruttoeinkommen" damit höher als das Vergleichseinkommen war, bestand kein Anspruch auf BSA (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG a.F.).
2. Soweit im Antrag aus 2008 zugleich ein Neuantrag zu sehen ist, ergibt sich auch danach kein BSA.
2008 befand sich der Kläger im Rentenalter. Wie unter 1. ausgeführt, ist weder substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass die anerkannten Schädigungsfolgen mit Wahrscheinlichkeit zu einem Einkommensverlust während des Berufslebens geführt hätten, der sich auch im Rentenalter auswirken könnte. Weder ist ersichtlich, dass ein schädigungsbedingter Einkommensverlust im konkret ausgeübten Beruf eingetreten ist, noch ist es wahrscheinlich, dass der Kläger ohne die Schädigungsfolgen einen anderen Beruf erlernt hätte und darin wirtschaftlich erfolgreicher gewesen wäre. Soweit der Kläger speziell im Hinblick auf seine Rente zusätzlich geltend macht, schädigungsbedingt seien Ende 1945 sowie zwischen 1952 und 1955 Beitragslücken entstanden, ist auch dies nicht überzeugend. Die Beitragslücke Ende 1945 kam dadurch zustande, dass der Kläger ein Praktikum absolvierte. Die Beitragslücke zwischen 1952 und 1955 entstand offenbar dadurch, dass der Kläger in dieser Zeit als Vertreter tätig war. Dass diese Umstände schädigungsbedingt gewesen sein sollen, erschließt sich nicht.
Unabhängig von diesen allgemeinen Überlegungen ergibt sich auch nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 ff. BVG kein BSA. Anwendbar ist bei einer in dieser Auslegungsvariante anzunehmenden (Erst-) Antragstellung in 2008 § 30 BVG in der ab dem 21.12.2007 gültigen Fassung. Gemäß § 30 Abs. 10 Satz 1 BVG a.F. ist der BSA nach § 30 Abs. 6 BVG a.F. zu berechnen (sogenanntes Nettoprinzip). Die Änderungen des Rechts des Berufsschadensausgleich ab 2011 bleiben außer Betracht (vgl. Dau, a.a.O., Rn 26; Rohr/Strässer/Dahm, a.a.O., § 30 - 22).
Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens i.S.v. § 30 Abs. 6 Satz 1 BVG a.F. wird in § 30 Abs. 7 BVG a.F. definiert. Das Vergleichseinkommen selbst ergibt sich aus der BSchAV, hier in der Fassung vom 13.12.2007. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Satz 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV a.F. bestimmt sich das Vergleichseinkommen nach der Besoldungsgruppe A9, Stufe 11. Das bedeutet nach der entsprechenden Bekanntmachung für 2008 einen Betrag von ca. 2.700 EUR. Der Nettobetrag beträgt davon gemäß § 30 Abs. 7 Satz 2 BVG a.F. 50% (vgl. hierzu Dau, a.a.O., Rn 39; Förster, a.a.O., Rn 86).
Demgegenüber zu stellen ist (u.a.) das "Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit". Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 HS 1 Nr. 2, HS 2 BSchAV a.F. ist bei Selbständigen der Wert der eigenen Arbeitsleistung maßgeblich, der durch einen Vergleich mit einem Arbeitnehmer zu ermitteln ist. Dieser fiktive Vergleich ist auch dann vorzunehmen, wenn der früher Selbständige sich nunmehr im Rentenalter befindet (BSG, Urteil vom 18.12.1996 - 9 RV 1/95, Rn 14; Urteil vom 08.03.1995 - 9 RV 19/94, Rn 12; Urteil vom 27.04.1989 - 9/4b RV 33/87, Rn 13 a.E.; Heinz, a.a.O., S. 165, 170, 171 f.). Nach den unter 1. angestellten Überlegungen wäre der Kläger als Angestellter in die Leistungsgruppe II einzustufen. Eine höhere Leistungsgruppe ist für die Bestimmung des Vergleichseinkommens nicht vorgesehen. Für die Frage, welche Rente der Kläger als Angestellter erreicht hätte, kann davon ausgegangen werden, dass er als leitender Angestellter tätig gewesen wäre und Höchstbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt hätte. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat auf Anfrage des Senats errechnet, dass der Kläger ausgehend von Höchstbeiträgen ab 1956, also dem Jahr des Beginns seiner Selbständigkeit, im Jahr 2008 eine Rente von gut 2.000 EUR monatlich erzielt hätte.
Auch nach Bereinigung gemäß § 30 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 BVG a.F. läge dieses "Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit" deutlich über dem Nettobetrag des Vergleichseinkommens, so dass sich kein BSA ergibt.
Ein Renten-BSA nach § 30 Abs. 4 Satz 3 BVG a.F. kommt auch nicht hilfsweise zur Anwendung, da dieser auf Selbständige nicht anzuwenden ist (vgl. Hansen, a.a.O., S. 104 f.; Förster, a.a.O., Rn 57; Heinz, a.a.O., S. 172; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.02.1996 - L 4 V 28/95, S. 9). Im Hinblick auf die Zeiten, in denen der Kläger nicht selbständig war (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen differenzierenden Betrachtung BSG, Urteil vom 26.11.1991 - 9a RV 7/90, Rn 17), lässt sich nach den obigen Ausführungen eine schädigungsbedingte Rentenminderung nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Berufsschadensausgleich (BSA) nach § 30 Abs. 3 ff. des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Der Kläger wurde am 00.00.1928 geboren. Sein Vater war gelernter Schreiner und als Hilfsarbeiter tätig. Der Kläger absolvierte die Volksschule und anschließend bis zur sechsten Klasse (Jahrgang 1944/1945) die Mittelschule. Von 1941 bis 1943 war er neben der Schule als Aushilfe in einer Bäckerei tätig. Vom 07.02.1944 an wurde er als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Im März 1945 erhielt er ein Abschlusszeugnis. Am 09.04.1945 erlitt er eine Granatsplitterverletzung unterhalb des linken Auges. Bei einer anschließenden Operation des Kiefers wurden zwei Granatsplitter entfernt. Infolge der Röntgenbestrahlung während der Operation kam es an der rechten Wange zu einem Röntgenerythem und einer handtellergroßen Verbrennungswunde. Bis Ende August 1945 befand er sich in Kriegsgefangenschaft.
Im September 1945 begann der Kläger ein Praktikum als Maurer. Von Anfang 1946 bis Ende 1948 war er als "Volontär" im kaufmännischen Bereich der Deutschen Schrottgemeinschaft tätig, die in ihrem Abschlusszeugnis diese Zeit als Ersatz für eine kaufmännische Lehre ansah. Ab 1949 war der Kläger im Schrotthandel als kaufmännischer Angestellter tätig, ab 1953 als Vertreter. Ab Ende 1954 betrieb der Kläger eine eigene Firma, deren Gegenstand die Verwertung von Nutzeisen war. Seit Oktober 1993 bezieht er eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund i.H.v. anfänglich 1.348,20 DM. Der Versicherungsverlauf weist bis August 1945 militärischen Dienst, von Januar 1946 bis August 1952 Pflichtbeiträge, ab 1956 freiwillige Beiträge (davon für 1956-1961 nachgezahlte Beiträge) und von Oktober 1992 bis Februar 1993 Pflichtbeiträge aufgrund Krankheit aus.
1974/1975 wurde der Kläger am rechten Auge operiert. Ab 1981 erfolgten mehrere Operationen der rechten Wange einschließlich Hauttransplantationen sowie Narbenkorrekturen im Bereich des Halses.
Am 13.08.1981 beantragte der Kläger beim damaligen Versorgungsamt E Beschädigtenversorgung. Er gab an, vor der Schädigung Schüler gewesen zu sein und den Beruf des flugtechnischen Ingenieurs angestrebt zu haben. Das Versorgungsamt stellte mit Bescheid vom 08.06.1982 zunächst eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, mittlerweile Grad der Schädigungsfolgen - GdS) um 30 v.H. fest. Weitere Versorgungsleistungen stünden nicht zu.
In einem anschließenden sozialgerichtlichen Klage- und Berufungsverfahren (S 30 V 327/85 = L 10 V 78/90) trug der Kläger vor, er habe eigentlich auf das Gymnasium gehen sollen, was aber an den fehlenden finanziellen Mitteln der Eltern gescheitert sei. Zunächst habe er Fliegertechniker werden wollen. Da dies nach dem Krieg nicht mehr möglich gewesen sei und angesichts der Zerstörungen des Krieges habe er dann Architekt werden wollen. Vorstellungen bei diversen Baufirmen seien an seinen Kriegsverletzungen gescheitert. Er habe dann doch bei einer Baufirma ein Praktikum begonnen, sei dort aber an einer Lungenentzündung erkrankt. Zwischenzeitlich sei diese Firma in Konkurs gegangen. Durch wiederholte Vermittlungsbemühungen seiner Familie sei er zum Schrotthandel gekommen. Aufgrund seiner Entstellung sei ihm nur der Weg in die Selbständigkeit geblieben, wo er sich den Ruf eines Spezialisten erarbeitet habe. Er sei besonders beruflich betroffen, da er regelmäßig Ware selbst in Augenschein nehmen müsse. Dies geschehe regelmäßig im Freien. Dabei sei er zum einen durch seine gesundheitlichen Probleme im Bereich der Augen beeinträchtigt. Zum anderen bestehe aufgrund der Wundverhältnisse im Bereich von Kiefer und Wange eine erhöhte Infektanfälligkeit. Aufgrund der Selbständigkeit habe keine ausreichende Altersvorsorge betrieben werden können. Das Sozialgericht Düsseldorf verurteilte das seinerzeit beklagte Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 30.01.1990 zur Zahlung von Rentenleistungen nach einer MdE um 50 v.H. unter Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins. Der Kläger müsse die beim Kundenkontakt nachteilige Entstellung durch besonderen Einsatz ausgleichen. Hinzu kämen die in seinem Beruf bedeutsame Einschränkung der Sehfähigkeit und die Infektanfälligkeit. Im Berufungsverfahren erklärte der Kläger gegenüber dem Landessozialgericht, er beschäftige seit 1981 sieben bis neun Personen. Er sei erkältungsbedingt an 30 bis 40 Tagen im Jahr arbeitsunfähig. Das Landessozialgericht wies die Berufung des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 30.09.1992 zurück. Es sei jedenfalls von einer schädigungsbedingten und im Beruf des Klägers relevanten Infektanfälligkeit und damit von der Inkaufnahme besonderer gesundheitlicher Risiken auszugehen.
Das Versorgungsamt setzte einen vorherigen Teilvergleich über eine MdE um 40 v.H. mit Bescheid vom 30.10.1990 und das Urteil des Sozialgerichts mit Bescheid vom 15.12.1992 um. Auf einen Verschlimmerungsantrag aus dem Jahr 1993 und nach sozialgerichtlichem Klageverfahren (S 30 VS 53/96) gewährte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 18.12.1998 Rentenleistungen nach einer MdE um 60 v.H., auf einen Verschlimmerungsantrag aus dem Jahr 2003 und nach sozialgerichtlichem Klageverfahren (S 31 V 191/05) mit Bescheid vom 09.02.2009 Rentenleistungen nach einem GdS von 80 und auf einen Verschlimmerungsantrag aus dem Jahr 2009 mit Bescheid vom 04.10.2010 Rentenleistungen nach einem GdS von 100.
Am 16.12.2008 beantragte der Kläger BSA nach Maßgabe von §§ 44, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Ohne die Schädigungsfolgen hätte er jetzt eine höhere Rente.
Der Beklagte lehnte die Gewährung von BSA nach § 48 SGB X mit Bescheid vom 05.05.2011 ab. Es sei weder nachgewiesen, dass das Praktikum wegen der Schädigungsfolgen beendet worden sei, noch dass der Kläger ohne die Schädigungsfolgen Architekt geworden wäre. Einen schädigungsbedingten Einkommensverlust habe er in den diversen Vorverfahren nie geltend gemacht. Der Kläger habe durch den anerkannten erhöhten Einsatz die etwaigen Schädigungsfolgen ausgeglichen. Die sich aus dem Versicherungsverlauf ergebenden und vergleichsweise kurzen Krankheitszeiten hätten am Ende des Berufslebens gelegen. Obwohl sich gesundheitliche Verschlimmerungen erst in den 1980iger Jahren ergeben hätten, habe der Kläger schon zuvor nur sehr geringe freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Die Beiträge aufgrund der Krankheitszeiten seien sogar höher als die zuvor freiwillig entrichteten Beiträge gewesen.
Der Kläger legte am 06.06.2011 Widerspruch ein. Maßgeblich sei § 7 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV). Nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) sei davon auszugehen, dass er Architekt geworden wäre. Entsprechend sei ein Vergleichseinkommen nach den Besoldungsgruppen A13 bis A15 zugrunde zu legen. Das bereits anerkannte besondere berufliche Betroffensein indiziere, dass ein schädigungsbedingter Einkommensverlust vorliege.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2011 zurück. Es sei nicht wahrscheinlich, dass aufgrund der Schädigungsfolgen ein Einkommensverlust entstanden sei.
Mit Bescheid vom 26.09.2013 lehnte der Beklagte BSA auch nach Maßgabe von § 44 SGB X ab. Der Kläger legte am 15.10.2013 Widerspruch ein. Zu überprüfen seien sämtliche bislang ergangenen Bescheide. Ohne die Schädigung hätte er mit seiner Arbeitskraft ein höheres Einkommen erzielen können. Im Hinblick auf die Rente seien schädigungsbedingt Beitragslücken im Jahr 1945 und zwischen 1952 und 1955 entstanden. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 zurück. Die vom Kläger genannten Bescheide enthielten keine Regelung zum BSA. Jedenfalls sei die Feststellung einer Einkommensminderung durch erkältungsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht mehr möglich. Soweit aufgrund des Praktikums 1945 Beiträge zur Rentenversicherung fehlten, sei der Kläger dieses Praktikum freiwillig eingegangen. Die Krankheitszeiten zum Ende des Berufslebens hätten zu höheren als den vorherigen freiwilligen Beiträgen geführt.
Der Kläger hat beim Sozialgericht Düsseldorf am 06.12.2011 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 07.11.2011 (S 6 VK 57/11 = S 6 VK 73/14) und am 26.02.2014 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 (S 6 VK 17/14) erhoben. Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens S 6 VK 57/11 = S 6 VK 73/14 hat das Sozialgericht beide Verfahren mit Beschluss vom 22.10.2014 zum Verfahren S 6 VK 73/14 verbunden.
Der Kläger hat vorgetragen, nach dem Krieg sei ein Wechsel von der Mittelschule auf das Gymnasium nicht mehr möglich gewesen. Mit Mittelschulabschluss und zweijährigem Maurerpraktikum wäre aber ein Architekturstudium möglich gewesen. Das Praktikum habe er wegen einer Lungenentzündung abbrechen müssen. Ihm sei von dem behandelnden Arzt die Fortsetzung der Tätigkeit als Maurer verboten worden. Ohne die Schädigungsfolgen hätte er eine Stelle mit höchstem Rentenanspruch erworben. Die Höhe der freiwilligen Rentenbeiträge sei ihm von der Rentenversicherung vorgegeben worden. Soweit in den Bescheiden des Versorgungsamtes ein besonderes berufliches Betroffensein anerkannt werde, seien diese auch im Hinblick auf BSA einer Überprüfung fähig, da das besondere berufliche Betroffensein eine Vorstufe zum BSA darstelle.
Das Sozialgericht hat die Klagen mit Urteil vom 29.11.2016 abgewiesen. Ausweislich seines Erstantrages habe der Kläger vor der Schädigung nicht den Beruf eines Architekten angestrebt. Es sei nicht ersichtlich, dass das Maurerpraktikum wegen Schädigungsfolgen aufgegeben worden sei, da diese sich erst deutlich später in relevanter Weise ausgewirkt hätten. Es sei weder ein schädigungsbedingter Einkommensverlust erkennbar, noch könnten die niedrigen Rentenbeiträge auf die Schädigungsfolgen zurückgeführt werden. Die Rentenbeiträge seien schon zu einem Zeitpunkt gering gewesen, als die gesundheitliche Verschlechterung noch nicht eingetreten sei.
Der Kläger hat gegen das seinem Bevollmächtigten am 05.01.2017 zugestellte Urteil am 02.02.2017 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, aus der Zusammenschau von besonderem beruflichen Betroffensein und geringer Altersrentenhöhe ergebe sich der schädigungsbedingte Einkommensverlust. Zu überprüfen sei der Bescheid vom 08.06.1982. Seine Angaben seien nach § 15 KOVVfG zugrunde zu legen. Zwischen 1952 und 1955 habe er schädigungsbedingt kein Einkommen erzielt. Soweit sein aktuelles Einkommen unter Rückgriff auf Leistungsgruppen zu berechnen sein sollte, sei nicht die höchste, sondern die niedrigste Leistungsgruppe anzusetzen. Es sei Beweis zu erheben durch Anhörung berufskundlicher und ärztlicher Sachverständiger.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2016 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2011 sowie des Bescheides vom 26.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2014 zu verpflichten, den Bescheid des Versorgungsamtes Düsseldorf vom 08.06.1982 zurückzunehmen und ihm BSA nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab 2004, hilfsweise ab Dezember 2008 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, ein schädigungsbedingter Einkommensverlust sei nicht erwiesen. Den Berufswunsch Architekt habe der Kläger erst nach der Schädigung gehabt. Maßgeblich seien die Regeln für den BSA Selbständiger. Ein Renten-BSA komme bei Selbständigen nicht in Betracht. Ausgehend von einem Antrag im Jahr 1981 wäre, da die Schädigung vor Beginn der Berufsausbildung erfolgte, § 7 BSchAV a.F. anwendbar. Bei erwartbarem Mittelschulabschluss wäre danach die Besoldungsstufe A8 anzusetzen. Demgegenüber zu stellen wäre ein Einkommen, das dem Wert der Arbeitsleistung des Klägers als abhängig Beschäftigtem entsprechen würde, hier das eines kaufmännischen Angestellten im Bereich Handel, Leistungsgruppe II. Bezogen auf 1981 überstiege letzteres das erstere um mehr als 1.000 DM, so dass kein BSA zustünde. Bei Annahme einer Antragstellung erst im Jahr 2008 ergebe sich ein noch größerer Unterschiedsbetrag.
Der Senat hat eine Probeberechnung der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Rentenhöhe unter Zugrundelegung von Höchstbeiträgen ab 1956 eingeholt und den Kläger durch den Berichterstatter in einem Erörterungstermin am 09.03.2018 persönlich angehört.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren, die beigezogenen Gerichtsakten zum Verfahren S 31 V 191/05, die ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie dessen Prozesshandakten zu den Verfahren S 30 V 327/85 = L 10 V 78/90 und S 30 VS 53/96.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen, da diese zwar zulässig, aber unbegründet sind. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind.
Der Senat legt den Antrag des Klägers dahingehend aus, dass er eine Rücknahme des Bescheides vom 08.06.1982 begehrt (hierzu unter 1.). Von den diversen Bescheiden, die vor den hier angefochtenen Bescheiden erlassen worden sind, enthält allenfalls dieser Bescheid eine Regelung zum BSA. Soweit der Kläger zwischenzeitlich gemeint hat, die Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins i.S.v. § 30 Abs. 2 BVG in anderen Bescheiden enthalte ebenfalls eine Regelung zum BSA, ist dies unzutreffend. Das den GdS erhöhende besondere berufliche Betroffensein und BSA sind verschiedene Gegenstände (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 24.08.1987 - 9a BV 180/86; vgl. zum Verhältnis von § 30 Abs. 2 zu § 30 Abs. 3 BVG auch Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 30 BVG Rn 24). Eine Aufhebung früherer Bescheide nach § 48 SGB X kommt nicht in Betracht. § 48 SGB X setzt das Bestehen eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung voraus. Unabhängig davon, ob der Bescheid vom 08.06.1982 sich zum BSA verhält, enthielte er allenfalls eine Ablehnung. Ablehnungsentscheidungen sind aber grundsätzlich keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. Heße, in: BeckOK-SGB X, Stand: 01.06.2018, § 48 Rn 9). Hilfsweise legt der Senat den Antrag aus Dezember 2008 zugleich als Neuantrag auf BSA aus (hierzu unter 2.).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 08.06.1982.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Dabei geht der Senat mit dem Kläger davon aus, dass der erste auf Beschädigtenversorgung gerichtete Leistungsantrag aus 1981 umfassend zu verstehen war und entsprechend einen Antrag auf BSA enthielt (vgl. hierzu Hansen, Der Berufsschadensausgleich, 1996, S. 26 und VV Nr. 1 Satz 2 zu § 1 BVG) und dass mit der Formulierung "5. Auf weitere Versorgungsbezüge besteht kein Anspruch." u.a. BSA abgelehnt wurde.
Bei dieser Ablehnung wurde weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch das Recht unrichtig angewandt.
Nach § 30 BVG Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BVG i.d.F. vom 22.01.1982 erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), einen Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes. Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Vergleichseinkommen ist das monatliche Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte Die Einzelheiten der Berechnung des Einkommensverlustes ergeben sich aus der aufgrund von § 30 Abs. 9 BVG a.F. erlassenen BSchAV, hier in der Fassung vom 18.01.1977.
Während Einigkeit darüber besteht, dass BSA einen schädigungsbedingten Einkommensverlust im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung erfordert, ist streitig, ob § 30 Abs. 3 BVG eine allgemeine Kausalitätsprüfung erfordert (so Förster, in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 30 BVG Rn 52; wohl auch Hansen, a.a.O., S. 31) oder ob der schädigungsbedingte Einkommensverlust sich - jedenfalls bei bestimmten Fallgruppen - aus § 30 Abs. 4 BVG ergibt (so Dau, a.a.O., Rn 28; BSG, Urteil vom 19.06.1996 - 9 RV 22/94, Rn 13 ff.; vgl. auch Rohr/Strässer/Dahm, BVG, Stand: August 2017, § 30 - 21f.).
Der Senat kann diese Frage dahinstehen lassen, da sich ein schädigungsbedingter Einkommensverlust weder im Rahmen einer allgemeinen Kausalitätsprüfung ergibt, noch nach Maßgabe von § 30 Abs. 4 BVG.
Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen, dass und inwiefern er einen schädigungsbedingten Einkommensverlust in seinem Beruf als selbständiger Stahlhändler gehabt haben könnte (vgl. zur Notwendigkeit eines entsprechenden Nachweises LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.02.1996 - L 4 V 28/95, S. 12 f.). Soweit er geltend gemacht hat, er habe aufgrund der Schädigungsfolgen, die sich etwa beim Taxieren der Ware ausgewirkt hätten, besondere Anstrengungen unternehmen müssen, so ist dies im Vorprozess S 30 V 327/85 = L 10 V 78/90 durch Bejahung eines besonderen beruflichen Betroffenseins anerkannt worden. Mit derselben Argumentation kann dann aber nicht zugleich ein schädigungsbedingter Einkommensverlust begründet werden (BSG, Urteil vom 23.11.1977 - 9 RV 12/77; vgl. auch Förster, a.a.O., Rn 50). Völlig offen ist, inwieweit die vermeintlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu einem Minderverdienst geführt haben sollten. Jedenfalls sind relevante Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers nicht bewiesen. Aus dem Versicherungsverlauf ergibt sich nur eine kurze Krankheitsphase kurz vor Renteneintritt. Es können auch nicht die Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 30.09.1992 nach § 15 Satz 1 KOVVfG zugrunde gelegt werden, da die in dieser Norm als Voraussetzung genannte Beweisnot im Hinblick auf die Behauptung von Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht gegeben war.
Soweit der Kläger geltend macht, er hätte ohne die Schädigungsfolgen einen anderen Beruf eingeschlagen und ein höheres Einkommen erzielt, ist dies völlig spekulativ. Auch wenn die Angaben des Klägers zu seinen damaligen Berufswünschen (Flugtechniker/Architekt) nach § 15 Satz 1 KOVVfG zugrunde gelegt werden, ist es unter Berücksichtigung seines familiären Hintergrundes (der Vater war gelernter Schreiner, jedoch als Hilfsarbeiter tätig), seines Bildungsstandes (Mittelschule bis zur sechsten Klasse mit durchschnittlichen Noten) und seiner ersten Berührungen mit der Arbeitswelt (Aushilfe in Bäckerei, Luftwaffenhelfer, Praktikum als Maurer) keinesfalls wahrscheinlich, dass er seine unterstellten Berufswünsche hätte realisieren können (vgl. zur Erforderlichkeit einer solchen Wahrscheinlichkeit im Rahmen von § 7 BSchAV Heinz, Der Berufsschadensausgleich des sozialen Entschädigungsrechts, ZfS 6/2007, S. 161, 168).
Nichts anderes ergibt sich aus § 30 Abs. 4, 5 BVG a.F. i.V.m. der BSchAV a.F.
Da die Schädigung hier vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist, ist das Vergleichseinkommen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BSchAV a.F. nach deren § 7 zu bestimmen, wobei aus den vorgenannten Gründen gemäß § 7 Abs. 2 BSchAV a.F. dessen Abs. 1 heranzuziehen ist. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BSchAV a.F. i.V.m. § 4 Abs. 1 BSchAV a.F. ist ausgehend von einem Mittelschulabschluss die Besoldungsgruppe A8 zugrunde zu legen. Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 BSchAV a.F. ergibt sich aus den vorgenannten Gründen nichts anderes. Nach § 30 Abs. 5 Satz 6 BVG a.F. i.V.m. der "Bekanntmachung der Vergleichseinkommen für die Feststellung der Berufsschadens- und Schadensausgleiche nach dem Bundesversorgungsgesetz für das Jahr 1981" (Bundesarbeitsblatt 12/1980, S. 115 ff.) bedeutet dies einen monatlichen Betrag von ca. 2.700 DM.
Demgegenüber zu stellen ist das "derzeitige Bruttoeinkommen", das bei Selbständigen gemäß § 9 Abs. 1 HS 1 Nr. 2, HS 2 BSchAV a.F. das Arbeitsentgelt ist, das einem Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre. Angesichts des lange zurückliegenden Zeitraumes hält der Senat es im vorliegenden Fall für vertretbar, die vom Beklagten vorgelegten Werte für das Vergleichseinkommen im Jahr 1981 zugrunde zu legen (vgl. zu den grundsätzlich bestehenden Erkenntnismöglichkeiten Förster, a.a.O., Rn 75 m.w.N.). Nach den seinerzeit gültigen Vorgaben gehörten zur Leistungsgruppe II kaufmännische und technische Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben, ferner Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen, außerdem Angestellte, die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen (BSG, Urteil vom 31.05.1979 - 10 RV 69/78, Rn 13; vgl. zur Gültigkeitsdauer der aus den 1960er Jahren stammenden Definition bis zum Jahr 2009 Bayerisches LSG, Urteil vom 26.04.2012 - L 15 VS 2/06, Rn 82 und die Neufassung der Leistungsgruppen mit Rundschreiben des BMAS vom 19.06.2009 - IV c 2 - 61080/27). Da der Kläger Anfang der 1980iger Jahre bereits seit über zwanzig Jahren alleine eine Firma geleitet hatte, zuletzt mit bis zu neun Angestellten, und er zudem nach seinen eigenen Angaben ein anerkannter Spezialist im Bereich der Verwertung von Nutzeisen war, kann er ohne Weiteres der Leistungsgruppe II zugeordnet werden. Sollte hierfür der Abschluss einer Ausbildung vorausgesetzt werden (vgl. hierzu BSG, a.a.O., Rn 14), wäre dafür jedenfalls im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Nachkriegszeit die dreijährige Zeit als "Volontär" bei der Deutschen Schrottgemeinschaft ausreichend, die von dieser im Abschlusszeugnis ausdrücklich als Äquivalent einer Ausbildung bezeichnet wurde (vgl. auch die Wertung in § 5 Abs. 3 BSchAV a.F.) und dem Kläger in der Folgezeit eine Beschäftigung als kaufmännischer Angestellter ermöglichte. Ausgehend von der Leistungsgruppe II im Bereich Handel ergibt sich ein monatlicher Betrag von ca. 3.800 DM.
Da das anzunehmende "derzeitige Bruttoeinkommen" damit höher als das Vergleichseinkommen war, bestand kein Anspruch auf BSA (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG a.F.).
2. Soweit im Antrag aus 2008 zugleich ein Neuantrag zu sehen ist, ergibt sich auch danach kein BSA.
2008 befand sich der Kläger im Rentenalter. Wie unter 1. ausgeführt, ist weder substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass die anerkannten Schädigungsfolgen mit Wahrscheinlichkeit zu einem Einkommensverlust während des Berufslebens geführt hätten, der sich auch im Rentenalter auswirken könnte. Weder ist ersichtlich, dass ein schädigungsbedingter Einkommensverlust im konkret ausgeübten Beruf eingetreten ist, noch ist es wahrscheinlich, dass der Kläger ohne die Schädigungsfolgen einen anderen Beruf erlernt hätte und darin wirtschaftlich erfolgreicher gewesen wäre. Soweit der Kläger speziell im Hinblick auf seine Rente zusätzlich geltend macht, schädigungsbedingt seien Ende 1945 sowie zwischen 1952 und 1955 Beitragslücken entstanden, ist auch dies nicht überzeugend. Die Beitragslücke Ende 1945 kam dadurch zustande, dass der Kläger ein Praktikum absolvierte. Die Beitragslücke zwischen 1952 und 1955 entstand offenbar dadurch, dass der Kläger in dieser Zeit als Vertreter tätig war. Dass diese Umstände schädigungsbedingt gewesen sein sollen, erschließt sich nicht.
Unabhängig von diesen allgemeinen Überlegungen ergibt sich auch nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 ff. BVG kein BSA. Anwendbar ist bei einer in dieser Auslegungsvariante anzunehmenden (Erst-) Antragstellung in 2008 § 30 BVG in der ab dem 21.12.2007 gültigen Fassung. Gemäß § 30 Abs. 10 Satz 1 BVG a.F. ist der BSA nach § 30 Abs. 6 BVG a.F. zu berechnen (sogenanntes Nettoprinzip). Die Änderungen des Rechts des Berufsschadensausgleich ab 2011 bleiben außer Betracht (vgl. Dau, a.a.O., Rn 26; Rohr/Strässer/Dahm, a.a.O., § 30 - 22).
Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens i.S.v. § 30 Abs. 6 Satz 1 BVG a.F. wird in § 30 Abs. 7 BVG a.F. definiert. Das Vergleichseinkommen selbst ergibt sich aus der BSchAV, hier in der Fassung vom 13.12.2007. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Satz 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV a.F. bestimmt sich das Vergleichseinkommen nach der Besoldungsgruppe A9, Stufe 11. Das bedeutet nach der entsprechenden Bekanntmachung für 2008 einen Betrag von ca. 2.700 EUR. Der Nettobetrag beträgt davon gemäß § 30 Abs. 7 Satz 2 BVG a.F. 50% (vgl. hierzu Dau, a.a.O., Rn 39; Förster, a.a.O., Rn 86).
Demgegenüber zu stellen ist (u.a.) das "Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit". Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 HS 1 Nr. 2, HS 2 BSchAV a.F. ist bei Selbständigen der Wert der eigenen Arbeitsleistung maßgeblich, der durch einen Vergleich mit einem Arbeitnehmer zu ermitteln ist. Dieser fiktive Vergleich ist auch dann vorzunehmen, wenn der früher Selbständige sich nunmehr im Rentenalter befindet (BSG, Urteil vom 18.12.1996 - 9 RV 1/95, Rn 14; Urteil vom 08.03.1995 - 9 RV 19/94, Rn 12; Urteil vom 27.04.1989 - 9/4b RV 33/87, Rn 13 a.E.; Heinz, a.a.O., S. 165, 170, 171 f.). Nach den unter 1. angestellten Überlegungen wäre der Kläger als Angestellter in die Leistungsgruppe II einzustufen. Eine höhere Leistungsgruppe ist für die Bestimmung des Vergleichseinkommens nicht vorgesehen. Für die Frage, welche Rente der Kläger als Angestellter erreicht hätte, kann davon ausgegangen werden, dass er als leitender Angestellter tätig gewesen wäre und Höchstbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt hätte. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat auf Anfrage des Senats errechnet, dass der Kläger ausgehend von Höchstbeiträgen ab 1956, also dem Jahr des Beginns seiner Selbständigkeit, im Jahr 2008 eine Rente von gut 2.000 EUR monatlich erzielt hätte.
Auch nach Bereinigung gemäß § 30 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 BVG a.F. läge dieses "Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit" deutlich über dem Nettobetrag des Vergleichseinkommens, so dass sich kein BSA ergibt.
Ein Renten-BSA nach § 30 Abs. 4 Satz 3 BVG a.F. kommt auch nicht hilfsweise zur Anwendung, da dieser auf Selbständige nicht anzuwenden ist (vgl. Hansen, a.a.O., S. 104 f.; Förster, a.a.O., Rn 57; Heinz, a.a.O., S. 172; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.02.1996 - L 4 V 28/95, S. 9). Im Hinblick auf die Zeiten, in denen der Kläger nicht selbständig war (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen differenzierenden Betrachtung BSG, Urteil vom 26.11.1991 - 9a RV 7/90, Rn 17), lässt sich nach den obigen Ausführungen eine schädigungsbedingte Rentenminderung nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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