L 21 R 6/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 R 2101/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 R 6/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 2/19 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.11.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch in dem Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Selbstständiger.

Der Kläger hat am 3.9.1997 ein Gewerbe zur Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen angemeldet und ist seit dem 22.9.1997 als selbstständiger Handelsvertreter für die E AG (E AG) tätig, zunächst als Vermögensberater-Assistent. Grundlage der Tätigkeit ist der mit der E AG abgeschlossene Vermögensberater-Vertrag vom 22.9.1997. Unter anderem heißt es in den Leistungs- und Betreuungsbedingungen, welche zu dem Vertrag gehören, unter Ziffer II.1: "Eine Tätigkeit des Vermögensberaters für ein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft oder ihrer Partnergesellschaften ist unzulässig. Für die Ausübung einer anderweitigen Beratungs-, Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeit bedarf der Vermögensberater der vorherigen schriftlichen Einwilligung durch die Geschäftsleitung der Gesellschaft". Ab dem 16.10.2000 war der Kläger als "Agenturleiter" tätig.

Versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigte der Kläger im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit seit dem 1.1.2009 nicht. Später - ab dem 1.9.2007 - war nach seinen Angaben seine Ehefrau bei ihm beschäftigt gewesen; die Beklagte hatte aufgrund dessen für den Zeitraum vom 1.9.2007 bis zum 19.9.2010 in dem Eilverfahren SG Düsseldorf S 27 R 1451/12 ER eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht angenommen.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Rechtsvorgängerin der Beklagten übersandte dem Kläger mit Datum vom 27.12.2002 zur Prüfung des Versicherungsverlaufs einen "Fragebogen zu Rechtsänderungen seit dem 1.1.1992" und bat um Übersendung weiterer Unterlagen. Diesen reichte der Kläger am 24.3.2003 zurück. Beigefügt war auch ein ausgefüllter "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige" sowie ein Schreiben des Klägers vom 10.6.1999, bei der BfA eingegangen am 16.6.1999. Der Kläger hatte dort angegeben, als freier Handelsvertreter für 16 Produktpartner tätig zu sein, und die Ansicht vertreten, nicht als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger zu gelten. Er hatte eine Liste, überschrieben mit "Liste der Auftraggeber und Produktpartner", beigefügt, in welcher Banken, Bausparkassen, Investment- und Versicherungsgesellschaften genannt waren. Höchst hilfsweise hatte er die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt und um Mitteilung gebeten, welche Unterlagen zur Antragsbearbeitung noch benötigt würden. In dem Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige hatte der Kläger angegeben, er vertreibe Versicherungen, Bausparverträge und Ähnliches diverser Anbieter unter der Einschaltung der E AG.

Am 9.5.2003 wandte sich die BfA an den Kläger und teilte diesem mit, dass die Möglichkeit der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Existenzgründer nach § 6 Abs. 1a SGB VI für die ersten drei Jahre nach Aufnahme der Beschäftigung bestünde. Ferner wurde der Kläger auf die Möglichkeit der Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI - damalige Fassung - hingewiesen. Entsprechende Antragsvordrucke waren beigefügt. Weiter hieß es in dem Schreiben: "Für den Fall, dass Sie die Voraussetzungen des § 231 Abs. 5 SGB VI nicht erfüllen, tritt ab 4.9.2000 die Versicherungspflicht in Kraft."

Mit Bescheid vom 18.7.2003 stellte die BfA Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ab dem 1.1.1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Zugleich forderte sie für die Zeit vom 1.1.1999 bis 31.7.2003 Pflichtbeiträge i.H.v. 24.508,83 EUR nach. Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 29.7.2003. Der Kläger trug vor, er habe die Befreiung rechtzeitig beantragt. Der Befreiungsantrag, nochmals übersandt im März 2003, sei bisher nicht beschieden. Die BfA wies den Kläger mit Schreiben vom 20.8.2003 darauf hin, dass er die im Mai des Jahres versendeten Antragsvordrucke für die Befreiungsmöglichkeiten nach § 6 Abs. 1a bzw. § 231 Abs. 5 SGB VI noch nicht zurückgesandt habe. Im Dezember 2003 erinnerte die BfA an die Rücksendung der Unterlagen zum Befreiungsantrag. Auf einen Forderungseinzug verzichtete die BfA zunächst bis zum 30.6.2004. Mit Schreiben vom 27.5.2004 erläuterte die Beklagte aus ihrer Sicht die Rechtslage: Entgegen den Ausführungen in dem Schreiben der BfA von Mai 2003 komme eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI nicht in Betracht, da die Befreiung nicht innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht beantragt worden sei. Auch sei die Befreiungsmöglichkeit gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI nicht gegeben. Diese Befreiung müsse innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit beantragt werden bzw. wegen der rückwirkenden Einfügung in das Gesetz innerhalb von drei Monaten nach Verkündung des Gesetzes am 10.1.2000. Eine in diesem Sinne rechtzeitige Antragstellung sei nicht erfolgt. Mit weiterem Schreiben vom 26.1.2005 teilte die BfA dem Kläger mit, dass eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI voraussetze, dass vor dem 10.12.1998 eine anderweitige Versorgung getroffen worden sei. Entsprechendes sei durch den Kläger nicht nachgewiesen. Die BfA fügte nochmals einen Antragsvordruck bei und bat, eine ebenfalls beigefügte Bestätigung des Versicherers über die getroffene Vorsorge ausfüllen lassen. Ferner heißt es in diesem Schreiben: "Für den Fall, dass die Voraussetzung für diese Befreiungsmöglichkeit nicht gegeben ist, besteht die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht für Existenzgründer nach § 6 Abs. 1a SGB VI."

Mit Bescheid vom 4.4.2005 lehnte die BfA den Befreiungsantrag des Klägers vom 16.6.1999 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI lägen nicht vor. Der Kläger habe keine Nachweise über das Bestehen einer anderweitigen Vorsorge erbracht. Es verbleibe bei der mit Bescheid vom 18.7.2003 festgestellten Versicherungspflicht. Die Beklagte vertrat die Auffassung, der Bescheid sei nach § 86 Abs. 1 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens über die Feststellung der Versicherungspflicht geworden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4.7.2005 wies sie den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 18.7.2003 sowie 4.4.2005 als unbegründet zurück. Der Kläger sei seit dem 1.1.1999 versicherungspflichtiger Selbstständiger, da er nur für einen Auftraggeber tätig sei. Von der Versicherungspflicht könne der Kläger nicht befreit werden, da er keine ausreichende anderweitige Altersversorgung nachgewiesen habe.

Dagegen hat der Kläger am 8.8.2005 vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben.

Zur Begründung führte er aus, es bestehe mit einer privaten Lebensversicherung (Nr. 000) und einer Rentenversicherung (Nr. 001) bei der B Lebensversicherungs AG eine ausreichende Absicherung. Er sei zudem für mehr als einen Auftraggeber tätig. In etlichen anderen Fällen sei eine Befreiung erfolgt; der Kläger hat den Befreiungsbescheid nach § 231 SGB VI eines Dritten zur Akte gereicht. Da er seinen Antrag vorher gestellt habe, sei unverständlich, warum dieser nicht positiv beschieden worden sei.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger genannten Versicherungen, Banken und ähnliche gehörten zur E AG. Sie hat um Übersendung von fünf Verträgen mit Firmen gebeten, die nicht zur E AG gehörten.

Nach einer Betreibensaufforderung mit Fristsetzung nach § 102 Abs. 2 SGG - dem Klägerbevollmächtigten zugegangen am 16.4.2008 - hat der damals zuständige Vorsitzende eine Erledigung nach § 102 Abs. 2 SGG verfügt. Eine zuvor vom Klägerbevollmächtigten erbetene Fristverlängerung hat er nicht gewährt. Nachdem beide Beteiligten Zweifel an der Erledigung geäußert hatten, hat das Gericht das Verfahren weitergeführt.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe im Januar 2006 der Beklagten weitere abgeschlossene Verträge zur Verfügung gestellt.

Am 7.6.2010 hat das Gericht die Sache erneut austragen lassen. Der Kläger hat unter dem 18.9.2012 nach dem Sachstand gefragt und geäußert, das Verfahren solle weiterbetrieben werden. Diese Eingabe hat das Sozialgericht Düsseldorf zum Anlass genommen, das Verfahren fortzuführen.

Der Kläger hat in dem Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht Düsseldorf am 21.11.2013 die Auffassung vertreten, aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Beiträge für die private Rentenversicherung im Falle einer Invalidität vom Versicherer weitergezahlt würden. Absicherungen ergäben sich ferner aus der Zusatzvereinbarung "Bedingungen für besondere Zusatzleistung" zum Vermögensberater-Vertrag und auch daraus, dass er ein Einfamilienhaus erworben habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 18.7.2003 und vom 4.4.2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 4.7.2005 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 21.11.2013 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger sei nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig. Der Kläger sei seit dem 1.1.1999 selbstständig tätig. Er sei nicht in die Betriebsorganisation der E AG eingebunden, er könne sich sowohl Arbeitsort als auch Arbeitszeit frei einteilen. Ebenso bestehe Freiheit bei der Arbeitsausführung. Nach dem Vermögensberater-Vertrag sei der Kläger als Handelsvertreter im Sinne der §§ 82, 84 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) tätig. Er habe zu dem in dem angefochtenen Bescheiden genannten Zeitpunkt - am 1.1.1999 - im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger sei auf Dauer im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Es treffe nicht zu, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei. Der Vertrag über die Tätigkeit als selbständiger Vermögensberater bestehe ausschließlich mit der E AG. Nur in diesem Rahmen vermittle er Verträge. Auch wenn er Versicherungsverträge anderer Versicherungsunternehmen vermittle, werde der Kläger nicht selbst Vertragspartner des anderen Versicherers oder der sich dort versichernden Kunden, sondern der E AG. Auftraggeber eines Handelsvertreters sei der Prinzipal und nicht etwa die einzelnen Kunden. Für die insoweit entstandene Rentenversicherungspflicht des Klägers bestünde eine Befreiungsmöglichkeit nach § 231 SGB VI nicht. Der Kläger habe zu den in der Vorschrift im einzelnen genannten Stichtagen keine dort verlangte entsprechende Sicherung für den Fall der Invalidität nachgewiesen. Die private Rentenversicherung und die Lebensversicherung des Klägers deckten ersichtlich nicht das Risiko der Invalidität ab. Auch aus der Zusatzvereinbarung zum Vermögensberater-Vertrag ergebe sich keine solche Sicherung.

Gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 6.12.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 2.1.2014 vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Berufung eingelegt.

Zur Begründung beruft er sich darauf, dass er rechtzeitig einen Befreiungsantrag gestellt habe. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen vor. Dies ergebe sich bereits daraus, dass ihm bekannt sei, dass einige seiner Kollegen ebenfalls von der Versicherungspflicht befreit worden seien. Bei der E AG sei im Jahr 2000 eine Überprüfung der rechtlichen Stellung der Vermögensberater&8239;/&8239;Handelsvertreter vorgenommen worden. Es sei festgestellt worden, dass die Berater regelmäßig als Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB selbstständig seien. Weiter sei festgestellt worden, dass die Vermögensberater nicht in einem sozialversicherten Beschäftigungsverhältnis nach § 7 SGB IV zur E AG stünden. Der Kläger ist der Auffassung, die E AG sei nicht sein einziger Auftraggeber.

Es sei inzwischen zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger im Juni 1999 einen Befreiungsantrag gestellt habe. Dieser Bescheid sei weder beschieden noch abgelehnt worden. Der Kläger sei so zu stellen, wie er stünde, wenn 1999 eine zeitnahe Bearbeitung seines Befreiungsantrags erfolgt wäre. Zum damaligen Zeitpunkt seien Altersvorsorge und Absicherung in ausreichender Höhe vorhanden gewesen. Der Kläger verweist auf die im Laufe des Verfahrens vorgelegten Unterlagen.

Mit Schreiben vom 7.10.2015 hat das Landessozialgericht den Kläger aufgefordert, Unternehmen namentlich zu benennen, für welche der Kläger neben der E AG als Handelsvertreter tätig war, und diese Beziehungen durch Verträge, Abrechnungen, Finanzamtsunterlagen oder ähnliches zu belegen.

Am 24.1.2017 hat der Senat einen Verhandlungstermin durchgeführt. Der Kläger hat in dem Termin mitgeteilt, dass er im Rahmen der Einführung der Versicherungspflicht für Selbständige von der E AG seinerzeit eine umfangreiche Handreichung bekommen hatte. Der Kläger hat ferner darauf hingewiesen, dass er eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit habe, es handele sich dabei um den Kollektivvertrag mit der Versicherungsnummer 293/384. Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat der Senat die Verhandlung vertagt.

Mit Schreiben vom 1.2.2017 hat der Senat dem Kläger, soweit dieser sich hinsichtlich der Absicherung der Berufsunfähigkeit bzw. der Invalidität auf andere Unterlagen als auf den Kollektivvertrag berufen hat, eine Frist zur Vorlage von entsprechenden Dokumenten bis zum 15.3.2017 gesetzt und auf die Regelungen der §§ 153 Abs. 1, 106a Abs. 3 S. 1 SGG hingewiesen.

Die B-Versicherung teilte auf Anfrage des Senats mit, dass im Rahmen des Vertrages xxx eine Absicherung zum 1.12.2003 erfolgte und eine Berufsunfähigkeitsrente von 512,84 EUR mitversichert war. Zudem gebe es einen Vertrag xxx mit einem Versicherungsbeginn 1.12.2009. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Berufsunfähigkeitsrente von 364,90 EUR mitversichert gewesen. Am 30.6.2000 habe bei beiden Verträgen keine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bestanden. Der Kläger behauptete, dass in den Policen mit den Endziffern 446.71 und 571.69 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nachträglich hätte vereinbart werden können. Bei zeitgerechter ordnungsgemäßer Bearbeitung seines Antrages hätte er sich dort nachträglich bis zum 30.6.2000 nachversichern können. Die E AG teilte auf Nachfrage des Senats mit, dass die damalige Handreichung zur Einführung der Versicherungspflicht für Selbstständige nicht mehr zu den Akten gereicht werden könne. Aus der Erinnerung seien erste Informationen im März 1999 an die Handelsvertreter weitergegeben worden. Es sei an sie auch ein formloser Befreiungsantrag und später ein vorbereiteter, formloser Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verschickt worden.

Mit Schreiben vom 3.5.2017 wies die Beklagte auf die grundsätzliche Möglichkeit der Befreiung gemäß § 231 Abs. 5 Nr. 3 SGB VI. hin Dies setze allerdings voraus, dass vor dem 10.12.1998 ein Betrag i.H.v. 7.522,57 EUR (14.712 DM) als Vermögen bereits vorhanden gewesen sei. Eine Aufstockung sei dann bis zum 30.6.2000 bzw. innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht möglich, es entstünden hier Aufstockungsbeträge zwischen 3.187,56 DM und 312.550,56 DM in Rede. Grundsätzlich könne der Aufstockungsbetrag bei Nachreichung von Einkommensunterlagen konkret berechnet werden, in jedem Fall wäre aber Voraussetzung, dass bereits das genannte Vermögen von 14.712 DM vorgelegen habe.

Der Kläger wies daraufhin auf seine Versicherungspolice mit den Endziffern 619.97 hin; ferner, dass im Juni 1999 bereits eine Summe von 19.200 DM angespart gewesen sei, und zwar aus Verträgen mit den Nrn. 002 sowie 003, in einem nicht mehr vorhandenen Fonds i.H.v. 4.800 EUR und auf einem nicht mehr vorhandenen Sparbuch i.H.v. 9.600 EUR. Hinzu kämen weitere Vermögenswerte wie Autos und Motorräder.

Ferner legte der Kläger ein Sparbuch seiner Eltern vor und trug vor, die angesparten Beträge hätten ihm zufließen sollen. Er ist der Auffassung, dass diese daher seinem Vermögen zuzurechnen seien.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.12.2018 hat die Beklagte eine Versicherungsfreiheit des Klägers für die Zeit vom 1.1.1999 bis zum 21.9.2000 gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI anerkannt, der Kläger hat in dem Termin das Teilanerkenntnis angenommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.11.2013 zu ändern und die Bescheide vom 18.7.2003 und 4.4.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2005 aufzuheben sowie hilfsweise, ihn von der Versicherungspflicht rückwirkend ab Antragstellung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger als selbstständiger Handelsvertreter grundsätzlich in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache aber - nach angenommenem Teilanerkenntnis der Beklagten - unbegründet.

1) Die Bescheide der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten vom 18.7.2003 und 4.4.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2005 sind rechtmäßig, soweit sie - in Ausgestaltung durch das Teilanerkenntnis - eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 22.9.2000 feststellen und eine darüber hinausgehende Befreiung ablehnen, und beschweren den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht die statthaft und zulässig erhobene Anfechtungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGG) als unbegründet abgewiesen.

a) Der Kläger ist dem Grunde nach seit dem 1.1.1999 in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Versicherungspflichtig sind selbstständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig eine bestimmte - geringfügige - Entgeltgrenze im Monat übersteigt (Buchst aa), und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (Buchst bb).

aa) Der Kläger ist bzw. war - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - selbständig tätig. Seine Selbständigkeit beruht darauf, dass er seine Tätigkeit im Wesentlichen ohne persönliche Abhängigkeit, mit eigenem Unternehmerrisiko, in der eigenen Betriebsstätte, bei Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und bei im Wesentlichen frei gestalteter Tätigkeit und Arbeitszeit ausüben kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB; zur Zulässigkeit der Anknüpfung an den Begriff der Selbstständigkeit im HGB vgl. BSG, 10.5.2006 - B 12 RA 2/05 R-, Rn. 14 m.w.N., juris). Dies ergibt sich aus den von dem Kläger vorgelegten Vermögensberater-Verträgen vom 22.9.1997 und 16.10.2000 samt den dort jeweils in Bezug genommenen Anlagen. Der Kläger hatte im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Soweit er im Parallelverfahren Sozialgericht Düsseldorf S 27 R 1451/12 ER geltend gemacht hat, seine Ehefrau sei seit dem 1.9.2007 für ihn tätig, steht dies der streitgegenständlichen Versicherungspflicht bereits ab dem 1.1.1999 nicht entgegen; zudem hat die Beklagte für den Zeitraum 1.9.2007 bis 19.9.2010 im dortigen Verfahren eine Versicherungspflicht nicht angenommen.

bb) Zur Überzeugung des Senates war der Kläger auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Weil der Kläger nicht Partei der von ihm vermittelten Versicherungs- und Vermögensverträge geworden ist (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB), kommen weder die beteiligten Banken bzw. Versicherungen noch die Kunden als Auftraggeber in Betracht. Während der gesamten Verfahrensdauer konnte der Kläger keine anderen Auftraggeber außer der E AG nachweisen. Trotz des Hinweises des Senats, dass als Auftraggeber der Prinzipal anzusehen sei, hat der Kläger sich weiter darauf berufen, dass Vertragsparteien der von ihm vermittelten Verträge unterschiedliche Gesellschaften seien. Eine Tätigkeit für einen weiteren Auftraggeber bzw. für ein Konkurrenzunternehmen der E AG oder ihrer Partnergesellschaften ist dem Kläger nach dem Vermögensberater-Vertrag vom 22.9.1997 (Ziffer II. 1.) mit der E AG jedoch ausdrücklich untersagt. Für die Ausübung einer anderweitigen Beratungs-, Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeit hätte der Kläger der vorherigen schriftlichen Einwilligung durch die Geschäftsleitung der E AG bedurft, die ihm aber nicht erteilt worden ist. Soweit der Kläger sich darauf beruft, er habe im Januar 2006 der Beklagten abgeschlossene Verträge zur Prüfung zur Verfügung gestellt, ist dies nicht richtig. Vorgelegt wurde eine Liste aus der Provisionsvereinbarung, welche Abschlüsse provisionswirksam sind. Gerade dies zeigt, dass Prinzipal die E AG ist, denn diese schuldet für den Abschluss eines solchen Vertrages die Provision.

b) Versicherungsfreiheit bestand nicht. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass der Kläger derart geringfügige Einnahmen aus der Handelsvertretertätigkeit erzielte, dass er bei im Übrigen unterstellter Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 2 SGB VI in dieser Tätigkeit versicherungsfrei wäre.

c) In der Zeit vom 1.1.1999 bis zum 21.9.2000 war der Kläger gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit.

Nach der Annahme des Teilanerkenntnisses in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.12.2018, wonach die Beklagte eine Befreiung vom 1.1.2009 bis zum 21.9.2000 anerkannte, war sein Antrag dahingehend auszulegen (§ 123 SGG, hierzu grundlegend BSG, 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R m.w.N.; 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R), dass er eine Befreiung darüber hinaus, mithin ab dem 22.9.2000 begehrte. Der Kläger war darüber hinaus nicht von der Versicherungspflicht zu befreien.

Sind Versicherte nach dem 01.01.1949 geboren, kommt für sie eine Befreiung i.S.v. § 231 Abs. 5 SGB VI in Betracht, wenn sie die Voraussetzungen der Nr. 2 oder 3 dieser Vorschrift erfüllen.

aa) Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 SGB VI liegen nicht vor.

Diese Norm setzt voraus, dass vor dem 10.12.1998 mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen wurde, der so ausgestaltet ist oder bis zum 30.6.2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht - hier unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses: bis zum 22.9.2001 - so ausgestaltet wird, dass Leistungen für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden und für die Versicherung mindestens ebenso viel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären.

Keiner der von dem Kläger zahlreich vorgelegten Versicherungsverträge erfüllt diese Vorgaben; der Kläger hat nicht nachgewiesen, einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen zu haben, der so ausgestaltet ist, dass Leistungen für den Fall der Invalidität erbracht werden. Im Gesetzestext heißt es, dass die abzuschließenden Verträge "Leistungen für den Fall der Invalidität" vorsehen müssen. In der Versicherungsbranche ist der Begriff der "Invalidität" unüblich; ausreichend ist es deshalb, wenn der Versicherungsvertrag eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung enthält, die entweder die teilweise oder vollständige Berufsunfähigkeit abdeckt (Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2013, § 231 Rn. 83).

Voraussetzung der Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist zunächst, dass eine Vorsorge bis zum 10.12.1998 "betrieben" wurde. Nur sofern dies der Fall ist, bestand in einem zweiten Schritt die Möglichkeit einer Ausgestaltung nach diesem Stichtag. Zum 10.12.1998 waren die vom Kläger vorgelegten Verträge Lebensversicherung Nr. xxx, Lebensversicherung Nr. xxx, Risikoversicherung Nr. xxx, Familienunfallversicherung Nr. xxx, Kollektivversicherung Nr. xxx, Rentenversicherung Nr. xxx noch nicht, auch nicht in anderer Ausgestaltung, abgeschlossen; sie scheiden daher als Nachweis einer Vorsorge von vornherein aus.

Die Rentenversicherung Nr. 005, mit Versicherungsbeginn Mai 1998, enthielt zwar eine Beitragsbefreiung für den Fall einer Berufsunfähigkeit, aber keine Leistungen zur Absicherung des Risikos; zu dem Zeitpunkt des Eintritts des Risikos Invalidität hätte der Kläger aus dieser Versicherung keine Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhaltes erhalten. Beitragsfreiheit bei Berufsunfähigkeit ist keine Leistung bei Invalidität, sondern eine Regelung über die Beitragstragung. Entsprechendes gilt für die Lebensversicherung Nr. 000 mit Versicherungsbeginn Juni 1997.

Schließlich ergibt sich eine entsprechende Absicherung auch nicht aus den "Bedingungen für besondere Zusatzleistungen" als Teil des Vertrages mit der E AG. Auch diese Unterlagen hat der Kläger lediglich unvollständig vorgelegt, insbesondere fehlt der Nachweis, dass die E AG entsprechende Verträge für den Kläger auch tatsächlich abgeschlossen hat. Unter Ziffer 2.2 Buchst. a ist eine "Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit und Berufsunfähigkeitsrente innerhalb der Rentenversicherung" genannt. Eine eigenständige Leistung - über die Frage der Beitragszahlung hinaus - wird damit nicht geschuldet. Ziffer 3.1 der genannten Bedingungen stellt keine vergleichbare Leistung bei Invalidität dar, weil die E AG sich zu einer Fortzahlung von anteiligen Provisionen für den Fall der Verhinderung an der Ausübung des Berufes lediglich für längstens zwei Jahre verpflichtet. Zu einem entsprechenden Abschluss verpflichtet sich die E AG gemäß Ziffer 1 der Bedingungen darüber hinaus erst für Mitarbeiter ab der Stufe "Regionalgeschäftsstelle". Der Kläger war ab dem 16.10.2000 "Agenturleiter" und hatte damit die Stufe Regionalgeschäftsstelle noch nicht erreicht.

Die Familienunfallversicherung Nr. xxx, Versicherungsbeginn Juli 1997, ist bereits vom Wortlaut des § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfasst.

bb) Auch eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 SGB VI scheidet aus.

Voraussetzung ist, dass vor dem 10.12.1998 eine vergleichbare Form der Vorsorge betrieben wurde oder nach diesem Zeitpunkt bis zum 30.6.2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht entsprechend ausgestaltet wurde; eine vergleichbare Vorsorge liegt vor, wenn vorhandenes Vermögen oder Vermögen, das aufgrund einer auf Dauer angelegten vertraglichen Verpflichtung angespart wird, insgesamt gewährleistet, dass eine Sicherung für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene vorhanden ist, deren wirtschaftlicher Wert nicht hinter dem einer Lebens- oder Rentenversicherung nach Nummer 2 zurückbleibt.

Der Kläger hat auch dies nicht nachgewiesen.

(1) Der Kläger konnte ausreichendes Vermögen gemäß § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3a SGB VI nicht nachweisen. Dazu gehört, dass - wie bei den Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 - die Vorsorge bereits am 10.12.1998 angelegt war, wenngleich auch sie bis 30.6.2000 oder bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht aufgestockt werden konnte (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, Stand: September 2018, SGB VI § 231 Rn. 30). Es fehlt bereits an dem Nachweis des erforderlichen Mindestvermögens i.H.v. 14712 DM bzw. 7522,57 EUR für den Stichtag 10.12.1998.

Dieses Mindestvermögen allein würde aber nicht genügen. Der Kläger müsste bis spätestens zum 22.9.2001, also binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht, ein Vermögen aufgestockt haben, dessen wirtschaftlicher Wert nicht hinter dem einer Lebens- oder Rentenversicherung nach Nr. 2 zurückbleibt. Zu einem Vergleich wird der festgestellte Vermögenswert - nach Abzug noch vorhandener Schulden - dividiert durch die Anzahl der Monate, die sich vom Monat der ansonsten eintretenden Versicherungspflicht bis einschließlich des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird, ergeben (Segebrecht, in: Kreikebohm -Hrsg.-, SGB VI, 2017, § 231 Rn. 30). Dies wären bei dem Kläger zum spätestmöglichen Zeitpunkt September 2001 371 Monate. Dem Bescheid vom 18.7.2003 liegt für 2001 ein Regelbeitrag von 855,68 DM zu Grunde; andere Auskünfte hat der Kläger nicht erteilt. Erforderlich wäre davon ausgehend ein Vermögensstock nach Nr. 3a von 162.313,33 EUR. Einen solchen Vermögensstock hat der Kläger nicht im Ansatz nachgewiesen. Eigentümer des bebauten Grundstücks L Str. 00 ist der Kläger (zu 1/2) erst am 15.12.2003 geworden. Soweit der Kläger vorträgt, der Kaufvertrag sei 2001 geschlossen worden, ist dies nicht von Relevanz, denn der dingliche Übergang ist entscheidend. Schließlich sind die Belastungen noch abzuziehen.

Der Hinweis auf einen Rückkauf der Kollektivversicherung Nr. xxx geht fehl, weil diese Versicherung erst am 1.12.2003 abgeschlossen wurde und damit am 22.9.2001 nicht rückkaufbar sein konnte.

Das vom Kläger schließlich vorgelegte Sparbuch seiner Eltern ist selbst dann nicht sein Vermögen, wenn man den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, dass das ersparte Geld ihm hätte zufließen sollen.

(2) Schließlich fehlt es auch an den Voraussetzungen nach § 231 Abs. 5 Nr. 3b SGB VI.

Eine vergleichbare Vorsorge liegt auch vor bei Vermögen, welches aufgrund einer auf Dauer angelegten vertraglichen Verpflichtung angespart wird und welches eine ausreichende Sicherung gewährleistet. Da die Absicherung aber ausdrücklich neben der Altersvorsorge auch den Fall der Invalidität und des Todes umfassen muss, mithin stets gegenwärtige Risiken, sind, sofern nicht ein ausreichender Vermögensstock i.S.d Satz 1 Nr. 3a vorliegt (was nicht der Fall ist), nur solche Ansparverträge ausreichend, die zugleich das Risiko des zuerst eintretenden Versicherungsfalles absichern (dazu Gürtner, in: Kasseler Kommentar, Stand: September 2018, SGB VI, § 231 Rn. 29). Eine solche Absicherung hatte der Kläger zum maßgeblichen Stichtag nicht.

d) Ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ergibt sich schließlich nicht aus dem Institut des "sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs" mit der Argumentation, bei Antragstellung am 30.6.1999 hätte die Beklagte dem Kläger noch Hinweise zur Ausgestaltung seiner Verträge geben können; die Fristen des § 231 Abs. 5 Nr. 2 bzw. 3 SGB VI seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen.

Durch das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ein Versicherter in bestimmten Fällen trotz Fehlens einer gesetzlichen Voraussetzung verlangen, so gestellt zu werden, als läge diese gesetzliche Voraussetzung vor, wenn es sich um Gestaltungen handelt, die gesetzlich zulässig sind. Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt tatbestandlich im Einzelnen voraus: (1) Eine sich aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis ergebende Pflicht des Sozialleistungsträgers, (2) diese Pflicht muss dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Kläger obliegen und (3) objektiv rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt worden sein, (4) die Pflichtverletzung hat einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen Nachteil verursacht (zum Vorstehenden: BSG, 11.3.2004 - B 13 RJ 16/03 R -, Rn. 24, juris).

Daran fehlt es. Der Kläger hat selbst in dem Verhandlungstermin am 24.1.2017 zu Protokoll erklärt, er habe im Jahr 1999 durch seinen Prinzipal, die E AG, eine "umfangreiche Handreichung zu der Fragestellung der Rentenversicherungspflicht" bekommen. Dies ist von der E AG so bestätigt worden. Es ist dem Senat daher nicht erkennbar, dass der Kläger eine Ausgestaltung der privaten Vorsorgeverträge allein deshalb unterließ, weil er eine entsprechende Beratung durch die Beklagte nicht erhielt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger als selbständiger Handelsvertreter für Versicherungen insbesondere aufgrund der Handreichung zu der Fragestellung der Rentenversicherungspflicht über diese informiert war, zumal die Einführung einer Versicherungspflicht für Selbständige damals branchenübergreifend thematisiert wurde.

Darüber hinaus kann der Kläger den von ihm begehrten Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht aber auch auf Rechtsfolgenseite nicht durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung -, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (BSG, 11.3.2004 - B 13 RJ 16/03 R -, Rn. 24, juris, mit zahlr. Nachw.). Voraussetzung der Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI ist die entsprechende Ausgestaltung der privatrechtlichen Versorgungsverträge; eine solche Ausgestaltung ist nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich.

e) Die Beklagte hat daher - unter Berücksichtigung des vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnisses vom 14.12.2018 - rechtmäßig mit Bescheid vom 18.7.2003 die Versicherungspflicht des Klägers ab dem 22.09.2000 festgestellt und mit Bescheid vom 4.4.2005 den Befreiungsantrag abgelehnt. 2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3) Gründe, im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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