Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 39 KR 140/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 247/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen des Überprüfungsverfahrens gem. § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Zahlung von Krankengeld sowie die Fortführung der beitragsfreien Mitgliedschaft des Klägers über den 31.03.2014 hinaus.
Der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte, 1956 geborene Kläger war als Bohrgeräteführer vollschichtig beschäftigt. Er war ab dem 29.04.2013 wegen Beschwerden an der rechten Hüfte und Schulter arbeitsunfähig erkrankt und bezog von der Beklagten Krankengeld. Vom 03.02.2014 bis zum 07.03.2014 befand er sich in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Diese wurde in der Rehaklinik am C, H, durchgeführt. Im Vordruck "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" führte Dr. T am 04.03.2014 aus, eine stufenweise Wiedereingliederung werde nicht eingeleitet, da eine tägliche Mindestarbeitszeit von 2 Stunden innerhalb von vier Wochen nicht erreichbar sei. Anschließend begab sich der Kläger am 07.03.2014 zu der Allgemeinmedizinerin Dr. M, C, die Arbeitsunfähigkeit vom 07.03.2014 bis zum 31.03.2014 attestierte. Am 01.04.2014 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. M vor, die an diesem Tag Arbeitsunfähigkeit vom 01.04.2014 bis zum 29.04.2014 bescheinigte.
Mit Bescheid vom 23.04.2014 beendete die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Krankengeld sowie dessen beitragsfreie Mitgliedschaft zum 31.03.2014. Sie führte aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Voraussetzung zur Zahlung von Krankengeld sei, dass der Versicherte sich spätestens am letzten Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit beim Arzt vorstellen müsse. Nach Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zunächst bis zum 31.03.2014 sei die weitere Arbeitsunfähigkeit jedoch erst wieder am 01.04.2014 festgestellt worden. Der Wegfall des Krankengeldes führe auch zum Ende der beitragsfreien Mitgliedschaft.
Dagegen legte der Kläger am 28.04.2014 Widerspruch ein und trug vor, er habe am 31.03.2014 morgens seine Ärztin aufsuchen wollen, die Praxis sei jedoch an diesem Montag geschlossen gewesen, was er nicht gewusst habe. Auch habe der Praxis kein Verlängerungsvordruck vorgelegen. Er fügte eine Bescheinigung von Dr. M vom 28.04.2014 bei, wonach er die Praxis am 31.03.2014 nicht habe aufsuchen können, da diese wegen Abrechnung geschlossen gewesen sei. Er sei wie verabredet am 01.04.2014 dort erschienen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, nach der Rechtsprechung des BSG ende der Anspruch auf Krankengeld mit dem Ende des aktuellen Bewilligungsabschnittes, wenn ein Versicherter nicht rechtzeitig vor Fristablauf die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit feststellen lasse. Grundsätzlich ende die Mitgliedschaft des Versicherten mit dem Tag des Endes des aktuellen Bewilligungszeitraumes der Krankengeldzahlung.
Hiergegen erhob der Kläger am 12.09.2014 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund (Az.: S 49 KN 1062/14 KR). Wegen Nichtbetreibens des Verfahrens nach Betreibensaufforderung wurde die Streitsache am 22.06.2015 aufgrund der Klagerücknahmefiktion gemäß § 102 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) erledigt.
Am 25.05.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X. Er führte aus, nach der Rechtsprechung des BSG liege ein Ausnahmefall vor, wenn die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert werde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen seien. Er sei am 31.03.2014 in der Praxis der Dr. M erschienen, um sich seine Arbeitsunfähigkeit lückenlos bescheinigen zu lassen, sei jedoch aufgrund der an diesem Tag laufenden Abrechnung gebeten worden, erst am nächsten Tag wiederzukommen, was auch geschehen sei. Es liege somit ein Verschulden des Vertragsarztes vor, welches dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sei. Dementsprechend sei im Sinne des § 44 SGB X das Recht unrichtig angewandt worden. Der Kläger fügte eine Bescheinigung der Dr. M vom 11.05.2016 bei, wonach er am 31.03.2014 in der Praxis erschienen sei; eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit sei jedoch aufgrund der laufenden Abrechnung nicht möglich gewesen; der Kläger habe sich am nächsten Tag vorgestellt und die durchgehende ununterbrochene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten in dem Glauben, dass diese sich nahtlos an die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit angeschlossen habe.
Mit Bescheid vom 05.10.2016 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab und führte aus, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 23.04.2014 von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und das Recht richtig angewendet worden sei.
Dagegen legte der Kläger am 14.10.2016 Widerspruch ein und trug vor, der Fehler in der Praxis sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Sphäre des Krankenversicherungsträgers zuzurechnen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2017 zurück und verblieb bei der Auffassung, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 23.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und das Recht richtig angewandt worden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 27.01.2017 Klage vor dem SG Dortmund erhoben. Er hat vorgetragen, er sei am 31.03.2014 persönlich in den Praxisräumen seiner Ärztin gewesen. Dort sei ihm an der Anmeldung vom Praxispersonal mitgeteilt worden, dass an diesem Tag aufgrund der Praxisabrechnung keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden könne. Er sei vom Praxispersonal darauf hingewiesen worden, dass es ausreichend sei, wenn er am folgenden Tag, dem 01.04.2014, wieder käme und er dann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten würde. Einen persönlichen Kontakt zu der Ärztin selbst habe er am 31.03.2014 nicht gehabt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 05.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, im Wege der Neufeststellung gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 23.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 aufzuheben und ihm Krankengeld über den 31.03.2014 hinaus zu gewähren und die beitragsfreie Mitgliedschaft fortzuführen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Ausschlusswirkung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches entfalle nur dann, wenn der Versicherte seinerseits alles in seiner Macht stehende getan habe und Umstände die Meldung der Arbeitsunfähigkeit unmöglich gemacht hätten, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen seien. Wenn am 31.03.2014 die Praxis geschlossen gewesen sei, so sei dies nicht dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen. Der Kläger hätte einen Vertretungsarzt aufsuchen können. Auch könne er nicht vortragen, einen unrichtigen Ratschlag bekommen zu haben. Schlichtweg habe gar kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden. Es wäre auch nicht erforderlich gewesen abzuwarten, bis das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Formular (Krankengeldauszahlschein) vorgelegen hätte. Denn die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit könne auch anders erfolgen.
Mit Urteil vom 21.02.2018 hat das SG die Beklagte verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2017 gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 23.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 aufzuheben und dem Kläger Krankengeld über den 31.03.2014 hinaus bis zum 07.09.2014 abzüglich des Zeitraums aufgrund des Ruhens des Krankengeldanspruchs wegen verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 04.06.2014 zu gewähren und die beitragsfreie Mitgliedschaft bis zum 07.09.2014 fortzuführen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 22/15 R) komme es nicht entscheidend darauf an, aus welchen Gründen der Vertragsarzt dem Versicherten die erbetene Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zu Unrecht nicht erteilt habe. Nach Ansicht der Kammer sei, auch wenn kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden habe, dieser Ausnahmefall auf das nichtärztliche Praxispersonal zu erweitern, das als Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzusehen sei.
Gegen das ihr am 09.04.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.04.2018 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.05.2017, a.a.O.) sei eine nachträglich erfolgte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur u.a. unter der Voraussetzung zulässig, dass der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufsuche und ihm seine Beschwerden geschildert habe. Hier liege am 31.03.2014 keine objektive Fehlbeurteilung der Ärztin vor, sodass das zitierte BSG-Urteil keine Anwendung finde. Die Ärztin habe den Kläger schlichtweg nicht gesehen. Nach der ständigen Rechtsprechung wäre es für den Kläger auch erforderlich gewesen, wenn die Praxis am 31.03.2014 geschlossen gewesen sei, einen anderen Arzt aufzusuchen, um die ärztliche Feststellung zu erreichen.
Die Beklagte beantragt,
Beweis zu erheben über die Tatsache, dass der Kläger am 04.03.2014 von der Reha-Klinik am C persönlich untersucht worden ist durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Reha-Klinik am C,
hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er gehe mit der erstinstanzlichen Entscheidung davon aus, dass das Fehlverhalten der Arztpraxis ihm nicht angelastet werden könne. Im Hinblick auf die Aussagen des Praxispersonals, dass am 01.04.2014 rückwirkend eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werde, sei er nicht gehalten gewesen, an diesem Tage für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit einen anderen Arzt aufzusuchen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.01.2019 hat der Senat die Ehefrau des Klägers, E, als präsente Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 29.01.2019.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratung des Senates gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung. Denn die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zu Leistungen in Höhe von mehr als EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist aber unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Beklagte zur weiteren Krankengeldzahlung und Fortführung der beitragsfreien Krankenversicherung über den 31.03.2014 hinaus verurteilt.
Die Voraussetzungen von § 44 SGB X sind gegeben. Gem. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Vorliegend hat die Beklagte das Recht unrichtig angewandt, denn der Kläger hat über den 31.03.2014 hinaus Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld und Fortführung der beitragsfreien Mitgliedschaft.
Gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld in Konstellationen der vorliegenden Art von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit stellt eine echte Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld dar. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit und abschnittsweise erfolgter Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig daraufhin zu prüfen, ob die Arbeitsunfähigkeit erneut oder weiterhin ärztlich festgestellt wurde. Dies hat zur Folge, dass es nach befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für die Entstehung eines weiteren Anspruchs auf Krankengeld grundsätzlich einer erneuten ärztlichen Feststellung bedarf. Da die einen Anspruch auf Krankengeld vermittelnde Beschäftigtenversicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur bei einem nahtlos fortbestehenden Anspruch auf Krankengeld weiter besteht, war es deshalb bis zum 22.07.2015 bei jeweils befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigtenversicherung erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wurde (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung).
Darüber hinaus genügt die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit in Gestalt eines allein praxisinternen Vorgangs nicht. Erforderlich ist dafür vielmehr ein Akt mit Außenwirkung, der über eine lediglich irgendwie geäußerte innere Überzeugungsbildung des Arztes hinausgeht und in Form eines entsprechenden Schriftstücks ("Bescheinigung") nach außen hin - vor allem gegenüber der als leistungspflichtig in Anspruch genommenen Krankenkasse - beweissicher zu dokumentieren ist (BSG, Urt. v. 11.05.2017, B 3 KR 22/15, Rn. 18). Die Verwendung der in § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) vorgesehenen Vordrucke (Muster 1 und Muster 17) ist nicht notwendig, da die AU-RL den leistungsrechtlichen Krankengeldtatbestand nicht ausgestalten (BSG, Urteil. v. 10.12.2012, B 1 KR 20/11 R, Rn. 13; Urteil. v. 12.03.2013, B 1 KR 7/12 R, Rn. 15).
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ist eine reine Tatsachenfeststellung. Sie setzt unabdingbar sowohl bei der Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit als auch bei nachfolgenden Feststellungen die persönliche Untersuchung des Versicherten durch einen Arzt voraus (BSG, Urt. v 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R, Rn. 13 m.w.N).
Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist zunächst festzustellen, dass der Kläger über den 31.03.2014 hinaus arbeitsunfähig gewesen ist. Dies ergibt sich schon aus den Feststellungen in der "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014, die von Dr. T, Reha-Klinik am C, H erstellt und durch diesen und den Kläger unterzeichnet worden ist. In dieser ist Dr. T ausdrücklich zu der Beurteilung gelangt, dass der Kläger innerhalb der nächsten vier Wochen, das ist vom 04.03.2014 an gerechnet bis einschließlich zum 01.04.2014, keine tägliche Mindestarbeitszeit von zwei Stunden erreichen könne, woraus Arbeitsunfähigkeit für die vom Kläger zuletzt verrichtete vollschichtige Tätigkeit als Bohrgeräteführer resultiert.
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese Checkliste aufgrund persönlicher Untersuchung des Klägers am 04.03.2014 durch einen Arzt erstellt worden ist. Diese Checkliste bezieht sich auf den Zeitpunkt der Entlassung des Klägers aus der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik am C. Es ist sowohl allgemein als auch dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass gegen Ende einer Rehabilitationsmaßnahme eine Abschlussuntersuchung durch einen Arzt stattfindet. Diese wird auch benötigt, um den erforderlichen Entlassungsbericht zu fertigen. Im Falle des Klägers hat diese ärztliche Untersuchung am 04.03.2014 stattgefunden. Dies ergibt sich zunächst aus der "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014, unterzeichnet von Dr. T und dem Kläger. Soweit hierin nicht ausdrücklich bescheinigt wird, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit aufgrund ärztlicher Untersuchung festgestellt wird, ist dies unschädlich. Denn hiervon ist aufgrund der Art der Bescheinigung auszugehen. Auch in den Vordrucken zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wird nicht ausdrücklich erwähnt, dass die Feststellung aufgrund ärztlicher Untersuchung erfolgt ist. Vielmehr wird neben der weiteren Dauer der Arbeitsunfähigkeit lediglich bescheinigt, wann die Feststellung erfolgt ist und durch die Unterschrift des Arztes bescheinigt. Da bei der formularmäßigen Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit die getroffenen Feststellungen ausreichend sind, um von einer Untersuchung durch einen Arzt auszugehen, hat der Senat keinerlei Anlass bei einer Bescheinigung auf andere Art strengere Maßstäbe anzulegen. Weiterhin ist die Tatsache, dass der Kläger am 04.03.2014 hinsichtlich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ärztlich untersucht worden ist, insbesondere aufgrund der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers, E, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.01.2019 bewiesen. Die Zeugin E hat ausdrücklich und mit Sicherheit bekundet, dass die Abschlussuntersuchung des Klägers nicht am Entlassungstag (07.03.2014), sondern zwei oder drei Tage vorher stattgefunden habe. Entsprechend auch den Feststellungen in der "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" hat sie weiterhin ausgesagt, dass ihr Mann, der Kläger, berichtet habe, in seiner letzten Tätigkeit als Bohrgeräteführer nicht mehr arbeiten zu können. Die Aussage der Zeugin E ist auch glaubhaft und glaubwürdig, da der 04.03.2014 drei Tage vor dem Entlassungstag am 07.03.2014 liegt, die Aussage übereinstimmt mit den Feststellungen in der "Checkliste" vom 04.03.2014 und nachvollziehbar ist, dass nicht jeder Rehabilitant am Entlassungstag untersucht werden kann, sondern je nach Fall auch zwei oder drei Tage vorher.
Der Senat lehnt den von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag ab, Beweis zu erheben über die Tatsache, dass der Kläger am 04.03.2014 von der Reha-Klinik am C persönlich untersucht worden ist durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Reha-Klinik am C. Zur Überzeugung des Senats ist bereits urkundsbeweislich durch die "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014 sowie zeugenbeweislich durch die Aussage der E vom 29.01.2019 bewiesen, dass Dr. T die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum 01.04.2014 aufgrund ärztlicher Untersuchung am 04.03.2014 bescheinigt hat. Es bestehen keinerlei greifbare Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Tatsache. Die Beklagte legt nicht dar, aus welchen Gründen sie davon ausgeht, dass der Kläger am 04.03.2014 nicht ärztlich untersucht worden sein sollte. Sie beantragt gleichwohl lediglich willkürlich "aufs Geratewohl" die Durchführung weiterer Ermittlungen. Dieser Beweisantrag ist als unzulässig, "ins Blaue hinein" gehend abzulehnen (vgl. BVerfG v. 10.12.2009, 1 BvR 1232/07, NJW 09, 1585 m.w.N.; BSGE 77, 140, 144). Zudem ergibt sich aus dem Beweisantrag der Beklagten auch nicht, ob über eine ärztliche oder nichtärztliche Untersuchung des Klägers in der Rehaklinik am C Beweis erhoben werden soll.
Ohne dass es für die Bewertung der Sache darauf ankommt, möchte der Senat noch auf folgenden Gesichtspunkt aufmerksam machen: Wie der Senat erst im Nachgang zur mündlichen Verhandlung in Erfahrung gebracht hat, ist die Reha-Klinik am C eine Einrichtung der C und Kinderklinik C gGmbH. Mehrheitsgesellschafterin dieser Klinik ist mit einem Anteil von 72,5 % die Beklagte (vgl. hierzu Verbund Broschüre Knappschaft Kliniken GmbH, Seite 126). Angesichts dieser gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse ist es die Beklagte, die am besten wissen müsste, wer zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form ärztliche Untersuchungen vornimmt, daraus resultierende medizinische Feststellungen trifft und entsprechende Bescheinigungen ausstellt.
Ob am 31.03.2014 aufgrund eines der Beklagten zuzurechnenden Fehlverhalten der Vertragsärztin Dr. M bzw. Mitarbeitern der Arztpraxis die Ausschlussregelung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V eingreift, kann dahinstehen, da bei dem Kläger bereits Arbeitsunfähigkeit bis zum 01.04.2014 durch Dr. T festgestellt worden war. Nahtlos an diese Arbeitsunfähigkeit schloss sich die durch Dr. M weiter bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vom 01.04.2014 bis zum 29.04.2014 an.
Schließlich ist die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch Dr. T bis zum 01.04.2014 auch nicht etwa durch die "zusätzliche", zeitlich nachfolgende Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch Dr. M vom 07.03.2014 als überholt anzusehen. Es ist keinerlei Anhaltspunkt erkennbar, dass Dr. M die zuvor durch Dr. T festgestellte Arbeitsunfähigkeit zeitlich einschränken wollte. Vielmehr ging Dr. M von einer weiter bestehenden Erkrankung in gleicher Form aus, wie aus ihrer Stellungnahme vom 28.04.2014 ersichtlich. Es sollte weiter eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden.
Die "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014 ist der Beklagten auch bereits am 07.03.2019 zugegangen, so dass ein Ruhen wegen verspäteter Meldung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen des Überprüfungsverfahrens gem. § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Zahlung von Krankengeld sowie die Fortführung der beitragsfreien Mitgliedschaft des Klägers über den 31.03.2014 hinaus.
Der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte, 1956 geborene Kläger war als Bohrgeräteführer vollschichtig beschäftigt. Er war ab dem 29.04.2013 wegen Beschwerden an der rechten Hüfte und Schulter arbeitsunfähig erkrankt und bezog von der Beklagten Krankengeld. Vom 03.02.2014 bis zum 07.03.2014 befand er sich in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Diese wurde in der Rehaklinik am C, H, durchgeführt. Im Vordruck "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" führte Dr. T am 04.03.2014 aus, eine stufenweise Wiedereingliederung werde nicht eingeleitet, da eine tägliche Mindestarbeitszeit von 2 Stunden innerhalb von vier Wochen nicht erreichbar sei. Anschließend begab sich der Kläger am 07.03.2014 zu der Allgemeinmedizinerin Dr. M, C, die Arbeitsunfähigkeit vom 07.03.2014 bis zum 31.03.2014 attestierte. Am 01.04.2014 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. M vor, die an diesem Tag Arbeitsunfähigkeit vom 01.04.2014 bis zum 29.04.2014 bescheinigte.
Mit Bescheid vom 23.04.2014 beendete die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Krankengeld sowie dessen beitragsfreie Mitgliedschaft zum 31.03.2014. Sie führte aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Voraussetzung zur Zahlung von Krankengeld sei, dass der Versicherte sich spätestens am letzten Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit beim Arzt vorstellen müsse. Nach Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zunächst bis zum 31.03.2014 sei die weitere Arbeitsunfähigkeit jedoch erst wieder am 01.04.2014 festgestellt worden. Der Wegfall des Krankengeldes führe auch zum Ende der beitragsfreien Mitgliedschaft.
Dagegen legte der Kläger am 28.04.2014 Widerspruch ein und trug vor, er habe am 31.03.2014 morgens seine Ärztin aufsuchen wollen, die Praxis sei jedoch an diesem Montag geschlossen gewesen, was er nicht gewusst habe. Auch habe der Praxis kein Verlängerungsvordruck vorgelegen. Er fügte eine Bescheinigung von Dr. M vom 28.04.2014 bei, wonach er die Praxis am 31.03.2014 nicht habe aufsuchen können, da diese wegen Abrechnung geschlossen gewesen sei. Er sei wie verabredet am 01.04.2014 dort erschienen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, nach der Rechtsprechung des BSG ende der Anspruch auf Krankengeld mit dem Ende des aktuellen Bewilligungsabschnittes, wenn ein Versicherter nicht rechtzeitig vor Fristablauf die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit feststellen lasse. Grundsätzlich ende die Mitgliedschaft des Versicherten mit dem Tag des Endes des aktuellen Bewilligungszeitraumes der Krankengeldzahlung.
Hiergegen erhob der Kläger am 12.09.2014 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund (Az.: S 49 KN 1062/14 KR). Wegen Nichtbetreibens des Verfahrens nach Betreibensaufforderung wurde die Streitsache am 22.06.2015 aufgrund der Klagerücknahmefiktion gemäß § 102 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) erledigt.
Am 25.05.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X. Er führte aus, nach der Rechtsprechung des BSG liege ein Ausnahmefall vor, wenn die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert werde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen seien. Er sei am 31.03.2014 in der Praxis der Dr. M erschienen, um sich seine Arbeitsunfähigkeit lückenlos bescheinigen zu lassen, sei jedoch aufgrund der an diesem Tag laufenden Abrechnung gebeten worden, erst am nächsten Tag wiederzukommen, was auch geschehen sei. Es liege somit ein Verschulden des Vertragsarztes vor, welches dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sei. Dementsprechend sei im Sinne des § 44 SGB X das Recht unrichtig angewandt worden. Der Kläger fügte eine Bescheinigung der Dr. M vom 11.05.2016 bei, wonach er am 31.03.2014 in der Praxis erschienen sei; eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit sei jedoch aufgrund der laufenden Abrechnung nicht möglich gewesen; der Kläger habe sich am nächsten Tag vorgestellt und die durchgehende ununterbrochene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten in dem Glauben, dass diese sich nahtlos an die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit angeschlossen habe.
Mit Bescheid vom 05.10.2016 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab und führte aus, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 23.04.2014 von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und das Recht richtig angewendet worden sei.
Dagegen legte der Kläger am 14.10.2016 Widerspruch ein und trug vor, der Fehler in der Praxis sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Sphäre des Krankenversicherungsträgers zuzurechnen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2017 zurück und verblieb bei der Auffassung, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 23.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und das Recht richtig angewandt worden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 27.01.2017 Klage vor dem SG Dortmund erhoben. Er hat vorgetragen, er sei am 31.03.2014 persönlich in den Praxisräumen seiner Ärztin gewesen. Dort sei ihm an der Anmeldung vom Praxispersonal mitgeteilt worden, dass an diesem Tag aufgrund der Praxisabrechnung keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden könne. Er sei vom Praxispersonal darauf hingewiesen worden, dass es ausreichend sei, wenn er am folgenden Tag, dem 01.04.2014, wieder käme und er dann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten würde. Einen persönlichen Kontakt zu der Ärztin selbst habe er am 31.03.2014 nicht gehabt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 05.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, im Wege der Neufeststellung gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 23.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 aufzuheben und ihm Krankengeld über den 31.03.2014 hinaus zu gewähren und die beitragsfreie Mitgliedschaft fortzuführen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Ausschlusswirkung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches entfalle nur dann, wenn der Versicherte seinerseits alles in seiner Macht stehende getan habe und Umstände die Meldung der Arbeitsunfähigkeit unmöglich gemacht hätten, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen seien. Wenn am 31.03.2014 die Praxis geschlossen gewesen sei, so sei dies nicht dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen. Der Kläger hätte einen Vertretungsarzt aufsuchen können. Auch könne er nicht vortragen, einen unrichtigen Ratschlag bekommen zu haben. Schlichtweg habe gar kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden. Es wäre auch nicht erforderlich gewesen abzuwarten, bis das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Formular (Krankengeldauszahlschein) vorgelegen hätte. Denn die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit könne auch anders erfolgen.
Mit Urteil vom 21.02.2018 hat das SG die Beklagte verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2017 gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 23.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 aufzuheben und dem Kläger Krankengeld über den 31.03.2014 hinaus bis zum 07.09.2014 abzüglich des Zeitraums aufgrund des Ruhens des Krankengeldanspruchs wegen verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 04.06.2014 zu gewähren und die beitragsfreie Mitgliedschaft bis zum 07.09.2014 fortzuführen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 22/15 R) komme es nicht entscheidend darauf an, aus welchen Gründen der Vertragsarzt dem Versicherten die erbetene Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zu Unrecht nicht erteilt habe. Nach Ansicht der Kammer sei, auch wenn kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden habe, dieser Ausnahmefall auf das nichtärztliche Praxispersonal zu erweitern, das als Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzusehen sei.
Gegen das ihr am 09.04.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.04.2018 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.05.2017, a.a.O.) sei eine nachträglich erfolgte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur u.a. unter der Voraussetzung zulässig, dass der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufsuche und ihm seine Beschwerden geschildert habe. Hier liege am 31.03.2014 keine objektive Fehlbeurteilung der Ärztin vor, sodass das zitierte BSG-Urteil keine Anwendung finde. Die Ärztin habe den Kläger schlichtweg nicht gesehen. Nach der ständigen Rechtsprechung wäre es für den Kläger auch erforderlich gewesen, wenn die Praxis am 31.03.2014 geschlossen gewesen sei, einen anderen Arzt aufzusuchen, um die ärztliche Feststellung zu erreichen.
Die Beklagte beantragt,
Beweis zu erheben über die Tatsache, dass der Kläger am 04.03.2014 von der Reha-Klinik am C persönlich untersucht worden ist durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Reha-Klinik am C,
hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er gehe mit der erstinstanzlichen Entscheidung davon aus, dass das Fehlverhalten der Arztpraxis ihm nicht angelastet werden könne. Im Hinblick auf die Aussagen des Praxispersonals, dass am 01.04.2014 rückwirkend eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werde, sei er nicht gehalten gewesen, an diesem Tage für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit einen anderen Arzt aufzusuchen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.01.2019 hat der Senat die Ehefrau des Klägers, E, als präsente Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 29.01.2019.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratung des Senates gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung. Denn die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zu Leistungen in Höhe von mehr als EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist aber unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Beklagte zur weiteren Krankengeldzahlung und Fortführung der beitragsfreien Krankenversicherung über den 31.03.2014 hinaus verurteilt.
Die Voraussetzungen von § 44 SGB X sind gegeben. Gem. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Vorliegend hat die Beklagte das Recht unrichtig angewandt, denn der Kläger hat über den 31.03.2014 hinaus Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld und Fortführung der beitragsfreien Mitgliedschaft.
Gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld in Konstellationen der vorliegenden Art von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit stellt eine echte Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld dar. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit und abschnittsweise erfolgter Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig daraufhin zu prüfen, ob die Arbeitsunfähigkeit erneut oder weiterhin ärztlich festgestellt wurde. Dies hat zur Folge, dass es nach befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für die Entstehung eines weiteren Anspruchs auf Krankengeld grundsätzlich einer erneuten ärztlichen Feststellung bedarf. Da die einen Anspruch auf Krankengeld vermittelnde Beschäftigtenversicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur bei einem nahtlos fortbestehenden Anspruch auf Krankengeld weiter besteht, war es deshalb bis zum 22.07.2015 bei jeweils befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigtenversicherung erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wurde (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung).
Darüber hinaus genügt die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit in Gestalt eines allein praxisinternen Vorgangs nicht. Erforderlich ist dafür vielmehr ein Akt mit Außenwirkung, der über eine lediglich irgendwie geäußerte innere Überzeugungsbildung des Arztes hinausgeht und in Form eines entsprechenden Schriftstücks ("Bescheinigung") nach außen hin - vor allem gegenüber der als leistungspflichtig in Anspruch genommenen Krankenkasse - beweissicher zu dokumentieren ist (BSG, Urt. v. 11.05.2017, B 3 KR 22/15, Rn. 18). Die Verwendung der in § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) vorgesehenen Vordrucke (Muster 1 und Muster 17) ist nicht notwendig, da die AU-RL den leistungsrechtlichen Krankengeldtatbestand nicht ausgestalten (BSG, Urteil. v. 10.12.2012, B 1 KR 20/11 R, Rn. 13; Urteil. v. 12.03.2013, B 1 KR 7/12 R, Rn. 15).
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ist eine reine Tatsachenfeststellung. Sie setzt unabdingbar sowohl bei der Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit als auch bei nachfolgenden Feststellungen die persönliche Untersuchung des Versicherten durch einen Arzt voraus (BSG, Urt. v 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R, Rn. 13 m.w.N).
Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist zunächst festzustellen, dass der Kläger über den 31.03.2014 hinaus arbeitsunfähig gewesen ist. Dies ergibt sich schon aus den Feststellungen in der "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014, die von Dr. T, Reha-Klinik am C, H erstellt und durch diesen und den Kläger unterzeichnet worden ist. In dieser ist Dr. T ausdrücklich zu der Beurteilung gelangt, dass der Kläger innerhalb der nächsten vier Wochen, das ist vom 04.03.2014 an gerechnet bis einschließlich zum 01.04.2014, keine tägliche Mindestarbeitszeit von zwei Stunden erreichen könne, woraus Arbeitsunfähigkeit für die vom Kläger zuletzt verrichtete vollschichtige Tätigkeit als Bohrgeräteführer resultiert.
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese Checkliste aufgrund persönlicher Untersuchung des Klägers am 04.03.2014 durch einen Arzt erstellt worden ist. Diese Checkliste bezieht sich auf den Zeitpunkt der Entlassung des Klägers aus der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik am C. Es ist sowohl allgemein als auch dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass gegen Ende einer Rehabilitationsmaßnahme eine Abschlussuntersuchung durch einen Arzt stattfindet. Diese wird auch benötigt, um den erforderlichen Entlassungsbericht zu fertigen. Im Falle des Klägers hat diese ärztliche Untersuchung am 04.03.2014 stattgefunden. Dies ergibt sich zunächst aus der "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014, unterzeichnet von Dr. T und dem Kläger. Soweit hierin nicht ausdrücklich bescheinigt wird, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit aufgrund ärztlicher Untersuchung festgestellt wird, ist dies unschädlich. Denn hiervon ist aufgrund der Art der Bescheinigung auszugehen. Auch in den Vordrucken zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wird nicht ausdrücklich erwähnt, dass die Feststellung aufgrund ärztlicher Untersuchung erfolgt ist. Vielmehr wird neben der weiteren Dauer der Arbeitsunfähigkeit lediglich bescheinigt, wann die Feststellung erfolgt ist und durch die Unterschrift des Arztes bescheinigt. Da bei der formularmäßigen Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit die getroffenen Feststellungen ausreichend sind, um von einer Untersuchung durch einen Arzt auszugehen, hat der Senat keinerlei Anlass bei einer Bescheinigung auf andere Art strengere Maßstäbe anzulegen. Weiterhin ist die Tatsache, dass der Kläger am 04.03.2014 hinsichtlich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ärztlich untersucht worden ist, insbesondere aufgrund der Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers, E, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.01.2019 bewiesen. Die Zeugin E hat ausdrücklich und mit Sicherheit bekundet, dass die Abschlussuntersuchung des Klägers nicht am Entlassungstag (07.03.2014), sondern zwei oder drei Tage vorher stattgefunden habe. Entsprechend auch den Feststellungen in der "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" hat sie weiterhin ausgesagt, dass ihr Mann, der Kläger, berichtet habe, in seiner letzten Tätigkeit als Bohrgeräteführer nicht mehr arbeiten zu können. Die Aussage der Zeugin E ist auch glaubhaft und glaubwürdig, da der 04.03.2014 drei Tage vor dem Entlassungstag am 07.03.2014 liegt, die Aussage übereinstimmt mit den Feststellungen in der "Checkliste" vom 04.03.2014 und nachvollziehbar ist, dass nicht jeder Rehabilitant am Entlassungstag untersucht werden kann, sondern je nach Fall auch zwei oder drei Tage vorher.
Der Senat lehnt den von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag ab, Beweis zu erheben über die Tatsache, dass der Kläger am 04.03.2014 von der Reha-Klinik am C persönlich untersucht worden ist durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Reha-Klinik am C. Zur Überzeugung des Senats ist bereits urkundsbeweislich durch die "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014 sowie zeugenbeweislich durch die Aussage der E vom 29.01.2019 bewiesen, dass Dr. T die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum 01.04.2014 aufgrund ärztlicher Untersuchung am 04.03.2014 bescheinigt hat. Es bestehen keinerlei greifbare Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Tatsache. Die Beklagte legt nicht dar, aus welchen Gründen sie davon ausgeht, dass der Kläger am 04.03.2014 nicht ärztlich untersucht worden sein sollte. Sie beantragt gleichwohl lediglich willkürlich "aufs Geratewohl" die Durchführung weiterer Ermittlungen. Dieser Beweisantrag ist als unzulässig, "ins Blaue hinein" gehend abzulehnen (vgl. BVerfG v. 10.12.2009, 1 BvR 1232/07, NJW 09, 1585 m.w.N.; BSGE 77, 140, 144). Zudem ergibt sich aus dem Beweisantrag der Beklagten auch nicht, ob über eine ärztliche oder nichtärztliche Untersuchung des Klägers in der Rehaklinik am C Beweis erhoben werden soll.
Ohne dass es für die Bewertung der Sache darauf ankommt, möchte der Senat noch auf folgenden Gesichtspunkt aufmerksam machen: Wie der Senat erst im Nachgang zur mündlichen Verhandlung in Erfahrung gebracht hat, ist die Reha-Klinik am C eine Einrichtung der C und Kinderklinik C gGmbH. Mehrheitsgesellschafterin dieser Klinik ist mit einem Anteil von 72,5 % die Beklagte (vgl. hierzu Verbund Broschüre Knappschaft Kliniken GmbH, Seite 126). Angesichts dieser gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse ist es die Beklagte, die am besten wissen müsste, wer zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form ärztliche Untersuchungen vornimmt, daraus resultierende medizinische Feststellungen trifft und entsprechende Bescheinigungen ausstellt.
Ob am 31.03.2014 aufgrund eines der Beklagten zuzurechnenden Fehlverhalten der Vertragsärztin Dr. M bzw. Mitarbeitern der Arztpraxis die Ausschlussregelung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V eingreift, kann dahinstehen, da bei dem Kläger bereits Arbeitsunfähigkeit bis zum 01.04.2014 durch Dr. T festgestellt worden war. Nahtlos an diese Arbeitsunfähigkeit schloss sich die durch Dr. M weiter bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vom 01.04.2014 bis zum 29.04.2014 an.
Schließlich ist die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch Dr. T bis zum 01.04.2014 auch nicht etwa durch die "zusätzliche", zeitlich nachfolgende Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch Dr. M vom 07.03.2014 als überholt anzusehen. Es ist keinerlei Anhaltspunkt erkennbar, dass Dr. M die zuvor durch Dr. T festgestellte Arbeitsunfähigkeit zeitlich einschränken wollte. Vielmehr ging Dr. M von einer weiter bestehenden Erkrankung in gleicher Form aus, wie aus ihrer Stellungnahme vom 28.04.2014 ersichtlich. Es sollte weiter eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden.
Die "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" vom 04.03.2014 ist der Beklagten auch bereits am 07.03.2019 zugegangen, so dass ein Ruhen wegen verspäteter Meldung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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