Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 12/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 17/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind Honorarkürzungen betreffend die Quartale III/2011 bis II/2012 sowie IV/2012 i.H.v. insgesamt 13.187,65 EUR.
Der Kläger war ab Oktober 2008 mit Praxissitz in H zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beigeladene zu 1) prüfte ab Mai 2012 von Amts wegen die Honorarabrechnungen des Klägers aus 2011 und ab Mai 2013 diejenigen aus 2012 auf Wirtschaftlichkeit. Dabei zeigte sich, dass die Fallkosten des Klägers die durchschnittlichen Fallkosten im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 21% bis zu 132 % überschritten. Der Kläger wandte ein, die vorgenommene Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten sei nur noch in Ausnahmefällen zulässig. Im Bereich der Beigeladenen zu 1) sei dieses Prüfverfahren jedoch weiterhin die Regelprüfmethode, was rechtlich unzulässig sei. Im Übrigen ständen seine weit unterdurchschnittlichen Fallzahlen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten von vornherein entgegen, da schwere und leistungsintensive Fälle besonders starke Auswirkungen auf die Fallkosten zeitigten. Als "schwere Fälle" seien Patienten anzusehen, die den 3,5-fachen Falldurchschnitt im jeweiligen Quartal erreichten oder überschritten. Der hohe Anteil solcher Fälle ergebe sich daraus, dass er 10 bis 20 Mal mehr Notdienstpatienten betreut habe als Praxen der Vergleichsgruppe. Diese schweren und leistungsintensiven Fälle müssten als Praxisbesonderheit gewertet und in jedem Einzelfall geprüft werden. Auch habe er die Indikation für Zahnversorgungen mit Einzelkronen sehr eng gestellt; selbst bei umfangreich geschädigten Zähnen sei häufig noch eine Füllungstherapie möglich gewesen und habe den maßgeblichen Behandlungsrichtlinien entsprochen. Durch die von ihm präferierten Füllungen sei es zu kompensatorischen Einsparungen bei Kronen i.H.v. zumindest 25.333,88 EUR im Jahr 2011 und von 17.955,08 EUR im Jahr 2012 gekommen. Als kompensatorische Einsparung sei für jede große Füllung zumindest der einfache Festzuschuss für eine Einzelkrone anzusehen.
Die Prüfungsstelle der Beigeladenen zu 1) kürzte das Honorar des Klägers für die Quartale der Jahre 2011 und 2012, soweit die Kosten je Behandlungsfall den maßgeblichen Durchschnittswert um 80 % überschritten, insgesamt um 9.727,91 EUR (Beschluss vom 04.02.2014). In den Quartalen II/2011 und III/2012 habe die Zahl der vom Kläger behandelten Patienten allerdings weniger als 20 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Vergleichsgruppe betragen und sei somit nicht ausreichend aussagekräftig für eine Prüfung nach Durchschnittswerten gewesen. Diese Quartale seien daher nicht regressiert worden. Der Kläger legte gegen den Beschluss Widerspruch ein und machte ergänzend geltend, die Prüfungsstelle habe es unterlassen, jedes Quartal gesondert zu betrachten und zu bewerten. Auch die Krankenkassen widersprachen und vertraten die Ansicht, dass an den Nachweis von Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Einsparungen keine hinreichend strengen Anforderungen gestellt worden seien.
Auf Anforderung durch den Beklagten legte der Kläger Röntgenaufnahmen der Behandlungsfälle der Jahre 2011 und 2012 in Fällen vor, in denen er Leistungen nach der Gebührennummer 56c abgerechnet hatte sowie die dazugehörigen Karteiaufzeichnungen. Weiter reichte der Kläger Röntgenaufnahmen der Behandlungsfälle aus dem Quartal I/2011 zu den Akten, in denen Leistungen nach der Gebührennummer 03 abgerechnet worden waren, sowie Karteiaufzeichnungen für den gesamten Prüfzeitraum. Schließlich übersandte er Röntgenaufnahmen und Karteiaufzeichnungen der neun Behandlungsfälle aus dem Quartal I/2011, die von ihm als "schwere Fälle" bezeichnet worden waren.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück und gab demjenigen der Krankenkassen teilweise statt, indem er das Honorar des Klägers kürzte, soweit die Kosten je Behandlungsfall den Durchschnittswert im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 70 % überschritten. Daraus ergab sich eine Regresssumme i.H.v. insgesamt 13.187,65 EUR (Beschluss vom 11.03.2015). Hierzu führte der Beklagte aus: Die geringe Fallzahl des Klägers werde dadurch berücksichtigt, dass die Abrechnungen der Quartale II/2011 und III/2012 mangels ausreichend validen Zahlenmaterials von der statistischen Betrachtung und einem Regress ausgenommen würden. Wegen der auch in den prüfbaren Quartalen stark unterdurchschnittlichen Fallzahl seien bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis zudem höhere Toleranzen zuzubilligen. Weiter sei festzuhalten, dass der Honoraranteil "schwerer Fälle" im Quartal I/2011 nicht - wie vom Kläger vorgetragen - 43 % seines Gesamthonorars ausgemacht habe, sondern lediglich 25,7 %. Die relativ vielen "schweren Fälle" des Klägers könnten zudem Ausdruck von Unwirtschaftlichkeit sein. Nach den vorgelegten Unterlagen stellten diese Fälle nach der Erfahrung der Ausschussmitglieder auch in Durchschnittspraxen "normale Fälle" dar. Gleichwohl könne in geringem Umfang aufgrund der weit unterdurchschnittlichen Fallzahl des Klägers eine statistische Relevanz vorliegen, die entsprechend zu würdigen sei. Die vielen Notdienstbehandlungen des Klägers seien hingegen keine Praxisbesonderheit, würden jedoch im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Viele der Notdienstfälle hätten auch nur einen geringen Behandlungsaufwand ausgelöst, was für Notdienstfälle typisch sei, da sich die Behandlungen auf Maßnahmen zur Schmerzbeseitigung beschränkten; sie dienten der statistischen "Verdünnung". Weiter stelle sich die Frage der Wirtschaftlichkeit, wenn der Kläger im Notdienst nach Maßnahmen zur Schmerzbeseitigung ohne Ausnahme den Wurzelkanal aufbereitet und mittels medikamentöser Einlagen versorgt habe, die Abschlussquote seiner endodontischen Behandlungen aber gerade einmal bei 13% gelegen habe bzw. bei 20%, wenn man die Wurzelkanalaufbereitungen herausrechne, die er im Notdienst erbracht habe. Die durchschnittliche Abschlussquote aller Zahnärzte habe im gleichen Zeitraum 75% betragen und dies ohne Bereinigung um Notdienstfälle. Der Kläger könne den Mehraufwand bei von ihm vorgenommenen Füllungen auch nicht dadurch kompensieren, dass er auf ein Minus bei den Kosten für Überkronungen verweise. Ein denkbarer Minderaufwand in diesem Bereich sei nicht kausal auf die vom Kläger eingebrachten großen Füllungen zurückzuführen. Das wäre nur dann der Fall, wenn er als Behandler zwischen zwei Behandlungsmethoden hätte alternativ entscheiden können; eine solche Wahlmöglichkeit sähen die Richtlinien zur Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen jedoch nicht vor. Zusammenfassend sei festzustellen, dass sich die statistischen Fallkostenabweichungen durch die geltend gemachten Besonderheiten nur bedingt erklären ließen. Nach den vorgenannten Feststellungen sei dabei von offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die durchschnittlichen Fallkosten um 70% überschritten würden. Mit dieser Toleranz seien alle möglichen "Besonderheiten" abgegolten.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Es sei unzulässig, aus den Notdienstfällen für das Quartal I/2011 Rückschlüsse auf andere Quartale zu ziehen. Wegen der deutlich unterdurchschnittlichen Fallzahlen und der überdurchschnittlichen Notdiensttätigkeiten sowie "schweren Fälle" hätte eine eigene Vergleichsgruppe gebildet werden müssen. Bei Notdienstmaßnahmen sei der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich diese zwingend auf die Beseitigung von Schmerzen zu beschränken hätten. Auch bestehe das angebliche Missverhältnis zwischen Wurzelkanalaufbereitungen und anschließender Versorgung nicht. Bei der Frage, ob ein Zahn aufzubereiten sei, bestehe ein Beurteilungsspielraum. Es genüge die Prognose, dass eine Aufbereitungsmöglichkeit eintreten könne. Schließlich habe der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis lediglich pauschal heraufgesetzt. Damit sei das Maß der Heraufsetzung nicht nachvollziehbar. Eine ausreichende Begründung fehle auch zur Qualität der Röntgenaufnahmen und zur Auslegung der Gebührennummer 56c.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1) den am 29.04.2015 ausgefertigten Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 11.03.2015 über Kürzung der Gesamtabrechnung und Vergütungsberechnung in Höhe von 13.187,65 EUR wird aufgehoben und
2) der Beklagte wird verpflichtet, auf seinen Widerspruch gegen den am 24.02.2014 ausgefertigten Bescheid zum Beschluss der Prüfungsstelle vom 04.02.2014 den Regress durch die Prüfungsstelle vollständig aufzuheben und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zum bisherigen Vortrag hat er darauf hingewiesen, dass die schlechte Qualität der Röntgenaufnahmen des Klägers keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt habe. Die Sichtung von Einzelfällen habe lediglich der Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen gedient.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.02.2016) und ausgeführt: Die für den Bereich der Beigeladenen zu 1) maßgebliche Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 regele in § 6 Abs. 1 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten. Dies stehe im Einklang mit § 106 Abs. 2 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der diese Prüfmethode auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen ausdrücklich zulasse. Dem Beklagten habe für die Prüfung nach Durchschnittswerten in den regressierten Quartalen hinreichend sicheres Datenmaterial zur Verfügung gestanden. Die niedrigen Fallzahlen seien bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis berücksichtigt worden. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung komme den Prüfgremien im Übrigen ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle unterliege. Diese beschränke sich auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt, der Sachverhalt richtig und vollständige ermittelt, die Auslegungsgrenzen unbestimmter Rechtsbegriffe eingehalten und Subsumtionserwägungen so verdeutlicht worden seien, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar sei. Der Bescheid des Beklagten genüge diesen Anforderungen. So seien Praxisbesonderheiten zu Recht nicht berücksichtigt worden. Bei ihnen handele es sich um solche Umstände, die aus der Zusammensetzung der Patienten herrührten, sich auf das Behandlungsverhalten des Zahnarztes auswirkten und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen seien. Dabei sei es Aufgabe des geprüften Arztes, den durch die Feststellung eines offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen, indem er Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Minderaufwendungen konkret darlege. Das sei dem Kläger nicht gelungen. Die von ihm benannten Notdienstbehandlungen seien keine Praxisbesonderheiten. Solche Behandlungen würden auch in den Praxen der Vergleichsgruppe durchgeführt. Der Beklagte habe den Umstand indes zu Recht im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Auch der vom Kläger geltend gemachte hohe Anteil "schwerer Fälle" sei nicht als Praxisbesonderheit zu werten. Umstände, die die Annahme einer solchen Besonderheit rechtfertigen könnten, seien nicht dargelegt worden. "Schwere Fälle" wie diejenigen des Klägers seien auch in den Praxen der Vergleichsgruppe vorhanden. Auswirkungen dieser Fälle auf statistische Daten habe der Beklagte in seine Überlegungen einbezogen und bei der Festsetzung der einzuräumenden Toleranz berücksichtigt. Hierfür habe eine gesicherte Grundlage dadurch bestanden, dass neun "schwere Fälle" aus dem Quartal I/2011 ausgewertet worden seien. Auch bestehe kein kompensatorischer Minderaufwand bei Kronen aufgrund des Umstandes, dass der Kläger Zähne ganz überwiegend verfüllt habe. Dabei sei davon auszugehen, dass auch die Zahnärzte der Vergleichsgruppe nur dann überkronen, wenn die maßgeblichen Richtlinien hierfür erfüllt seien. Nach diesen Richtlinien bestände keine Wahlmöglichkeit zwischen zwei Behandlungsmethoden, so dass durch eine vermehrte Fülltätigkeit kein kausaler Minderaufwand bei Kronen entstehen könne. Der Beklagte habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch hinreichend von Amts wegen aufgeklärt, selbst wenn die Röntgenaufnahmen des Klägers wegen ihrer schlechten Qualität teilweise nur unzulänglich haben ausgewertet werden können, denn es sei keine Einzelfallprüfung erfolgt. Die auf § 6 Abs. 1 Satz 2 Prüfvereinbarung basierende Sichtung von Einzelfällen im Rahmen der Prüfung nach Durchschnittswerten habe lediglich bezweckt, die durch die Statistikauswertung erlangten Erkenntnisse zu ergänzen.
Das Urteil ist dem Kläger am 04.03.2016 zugestellt worden; er hat hiergegen am 04.04.016 Berufung eingelegt und vorgetragen: Zu Recht mache er sein Klagebegehren nicht nur im Rahmen einer Neubescheidungsklage gelten, sondern auch als reine Anfechtungsklage. So seien kompensatorische Einsparungen zu berücksichtigen, die den regressierten Betrag mehrfach überstiegen. Ein Beurteilungsspielraum des Beklagten verbleibe daher nicht. Im Übrigen ergebe sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zu § 106 SGB V unmissverständlich, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten auslaufen solle. Damit sei nicht zu vereinbaren, wenn die Prüfvereinbarung der Beigeladenen zu 1) die Prüfung auf Grundlage von Durchschnittswerten weiterhin zur Regelprüfmethode erhebe. Dadurch würde ihm als geprüftem Zahnarzt unzulässigerweise die objektive Beweislast dafür aufgebürdet nachzuweisen, wirtschaftlich gehandelt zu haben. Weiter liege auch kein hinreichend aussagekräftiges Zahlenmaterial vor. Es müsse beachtet werden, dass bei ihm unterdurchschnittliche Fallzahlen auf eine hohe Anzahl "schwerer Fälle" träfen. Praxisbesonderheiten könnten in einem solchen Fall nicht ohne nähere Prüfung verneint werden. In den geprüften Quartalen hätten seine Fallzahlen zwischen 69 % und 79 % unter den maßgeblichen Durchschnittswerten gelegen. Angesichts dieser Schwankungsbreite wäre es erforderlich gewesen, für jedes einzelne Quartal eine gesonderte Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen. Auch habe er in seinem Widerspruch statistische Verzerrungen für jedes Quartal gesondert aufgezeigt. Die Substantiierungslast dürfe nicht überspannt werden, da die Prüfgremien sachkompetent seien. Der Beklagte sei somit von sich aus zu einer intellektuellen Prüfung bzgl. der statistischen Werte gehalten gewesen. Soweit das SG die Ansicht vertrete, "schweren Fälle" wie beim Kläger seien auch in der Praxis der Vergleichsgruppe vorhanden, handele es sich um reine Mutmaßungen. Das SG habe kausal-kompensatorische Einsparungen zudem zu Unrecht verneint. Es hätte die sich überschneidenden Indikationen zwischen der Füllungstätigkeit und der Überkronungstätigkeit mittels eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen aufklären müssen. Er - der Kläger - habe insoweit substantiiert zum Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft vorgetragen und insbesondere auf die insoweit zwischen der Prüfungsstelle der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) und den Verbänden der Krankenkassen getroffenen Vereinbarung zum Nachweis kompensatorischer Einsparung bei konservierendem Behandlungsmehraufwand hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.02.2016 abzuändern und den Beschluss des Beklagten vom 29.04.2015 aufzuheben,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 24.02.2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden.
Sodann beantragt der Bevollmächtigte des Klägers hilfsweise,
zum Beweis der Tatsache, dass es zwischen Überkronungen und mehrflächigen Füllungen zahnmedizinisch sich überschneidende Indikationen gibt, ein Gutachten eines zahnmedizinischen Sachverständigen einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verweist auf den angefochtenen Beschluss und das Urteil des SG.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.02.2016 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Beklagten vom 29.04.2015. Dieser beschwert ihn nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat nimmt nach eigener Prüfung auf die Entscheidungen des Beklagten und des SG Bezug (§§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 1 und 2 SGG) und führt ergänzend aus:
I.
Das SG hat die mit dem Klage- und Berufungsantrag zu 2) erhobene reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG) zutreffend als unbegründet angesehen. Das folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass dem Beklagten im Rahmen der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des klägerischen Handelns ein Beurteilungsspielraum zusteht. Denn der angefochtene Beschluss könnte unabhängig von diesem, dem Beklagten zustehenden und von Gerichten nicht selbst ausfüllbaren Beurteilungsspielraum rechtswidrig sein. Ein solcher Fall liegt indes nicht vor; insbesondere gibt es keine kompensatorischen Einsparungen, die die Regresssumme übersteigen (vgl. II. 2. c. dd.). Die danach allein in Betracht kommende besondere Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage (Berufungsantrag zu 2.; § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGG) ist zwar zulässig aber unbegründet (vgl. II.).
II.
1. Rechtsgrundlage für die streitigen Honorarkürzungen ist § 106 SGB V. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift überwachen die Krankenkassen und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V in der Fassung vom 22.12.2010, gültig vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2016, wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Auffälligkeitsprüfung) oder durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 % der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung), geprüft. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen konnten jedoch gemeinsam mit den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen über diese Prüfmethoden hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen weiterhin nach Durchschnittswerten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB V). Die für den Bereich der Beigeladenen zu 1) maßgebliche Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 regelte in § 6 Abs. 1 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten als Regelfall.
a) Dies stand im Einklang mit dem Wortlaut des § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V in der bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung, der diese Prüfmethode auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen ausdrücklich zuließ. Eine Rangfolge der verschiedenen Prüfmethoden oder ein Verbot, in der Regel anhand von Durchschnittswerten zu prüfen, war dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Daher konnten die Vertragspartner vereinbaren, dass diese Prüfmethode (weiterhin) als Regelprüfmethode anzuwenden ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.04.2008 - B 6 KA 34/07 -; Senat, Urteil vom 17.12.2014 - L 11 KA 46/14 -; Urteil vom 22.10.2014 - L 11 KA 21/11 -; Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -; Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 106 Rn. 45; Wehebrink in BeckOK-SGB V, 50. Edition, Stand 01.06.2018, § 106 Rn. 1; kritisch ohne rechtliche Begründung: u.a. Hess in KassKomm-SGB V, 101. EL, September 2018, § 106 Rn. 17).
b) Die Vereinbarung von Prüfungen nach Durchschnittswerten war und ist auch sachgerecht, denn sie brachte und bringt hohen Erkenntniswert bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand (st. Rspr. des BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R - m.w.N.; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -; Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 106 Rn. 161).
c) Auf die vom Kläger zu seinen Gunsten ins Feld geführten Gesetzesmaterialien kommt es nicht entscheidend an, denn primäres Auslegungskriterium für die Norminterpretation ist der Gesetzeswortlaut. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist zugleich die Grenze der Auslegung (Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. Auflage, 2006, S. 47; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 -; Senat, Urteil vom 15.05.2013 - L 11 KA 45/12 -). Für einen Ausschluss der Prüfung nach Durchschnittswerten gab der Wortlaut des § 106 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 22.12.2010 jedoch nichts her.
Im Übrigen ergibt sich auch aus der sog. historischen Auslegung nicht, dass die Prüfvereinbarung der Beigeladenen zu 1) in Bezug auf die regelhafte Prüfung mittels Durchschnittswerten (§ 6 Abs. 1 Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V) oder gar die Prüfung als solche rechtswidrig war. So heißt es in der Bundestagsdrucksache 15/1525 S. 114 u.a.:
"In der Neuformulierung der Regelung entfällt die bisherige arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten als verpflichtende Vorgabe und wird in die Entscheidungskompetenz der Vertragspartner übertragen (vgl. Doppelbuchstabe dd). Diese Prüfungsart wird damit zwar erhalten bleiben, jedoch künftig nachrangig sein. Die von den Prüfdiensten durchgeführte Untersuchung hat bestätigt, dass die Durchschnittsprüfung ein qualitativ minderwertiges Prüfungsverfahren ist, da es ausschließlich auf statistischen Auffälligkeiten basiert und verdeckte Unwirtschaftlichkeiten nicht erkennbar werden. Insbesondere können die einzelnen Arztgruppen durch ihr Leistungs- und Verordnungsverhalten die Höhe der Durchschnittswerte - und damit der Kriterien zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit - nachhaltig beeinflussen. Die Abschaffung der Pflicht zur Durchführung der Durchschnittsprüfungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen soll der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen einen Impuls geben, den gesetzlich vorgegebenen Übergang zu anderen Prüfungsformen, insbesondere zu den qualitätsorientierten Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (Zufälligkeitsprüfungen) in dem gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang (Stichprobe von 2 vom Hundert der Ärzte pro Quartal) ohne weitere Verzögerungen durchzuführen."
Der Gesetzesbegründung ist somit zunächst zu entnehmen, dass die arztbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten "erhalten bleibt" und der "Entscheidungskompetenz der Vertragspartner" der Vertragspartner übertragen wird, die hiervon in § 6 Abs. 1 Prüfvereinbarung Gebrauch gemacht haben. Weiter ist der Bundestagsdrucksache zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dem "Nachrang" der Prüfung nach Durchschnittswerten nicht einzelne von solchen Prüfungen betroffene Vertrags(zahn)ärzte vor unberechtigten Regressen schützen wollte. Vielmehr sollten durch die gesetzlich in den Vordergrund gerückten Auf- und Zufälligkeitsprüfungen selbst "verdeckte" Unwirtschaftlichkeiten offengelegt werden, die bei Prüfungen (allein) nach Durchschnittswerten unentdeckt bleiben. Auch sollte durch neue Prüfverfahren dem Umstand entgegengewirkt werden, dass Arztgruppen durch einheitlich unwirtschaftliches Handeln die Grenze der Auffälligkeit einer Prüfung nach Durchschnittswerten nachhaltig nach oben verschieben. All dies stützt das Begehren des Klägers nicht.
2. Somit hat der Beklagte zu Recht nach Durchschnittswerten geprüft und mit Beschluss vom 29.04.2015 in nicht zu beanstandender Weise im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums angenommen, dass die vertragszahnärztlichen Leistungen des Klägers unwirtschaftlich i.S.d. § 106 SGB V sind, soweit seine Fallkosten die durchschnittlichen Fallkosten im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 70% und mehr überschritten. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich insoweit auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens, die richtige und vollständige Ermittlung des Sachverhalts sowie auf die Frage, ob der Beklagte die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs Wirtschaftlichkeit ermittelten Grenzen eingehalten und seine Subsumtionserwägungen so verdeutlicht hat, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 30.11.1994 - 6 RKa 16/93 -). All dies ist hier - wie vom SG dargelegt - geschehen. Der Beschluss des Beklagten leidet insbesondere nicht an den vom Kläger mit der Berufung weiter geltend gemachten Fehlern.
a) Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung vom richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen.
Ihm stand zur Prüfung nach Durchschnittswerten insbesondere hinreichend sicheres statistisches Datenmaterial zur Verfügung. Die Gruppe der Vertragszahnärzte der Beigeladenen zu 1) ist ausreichend groß und in ihrem Abrechnungsverhalten homogen. Die Bildung einer besonderen Vergleichsgruppe war aus diesem Grund nicht erforderlich Die unterdurchschnittlichen Fallzahlen des Klägers stehen der Verwendung der Statistiken nicht entgegen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Fallzahl des geprüften Arztes 20 % des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe und dabei mindestens 100 Behandlungsfälle nicht erreicht (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R -; Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 106 Rn. 173). Diesen Vorgaben hat der Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass er die Quartale II/2011 und III/2012, in denen die Fallzahlen des Klägers unter der Grenze von 20 % lagen, von der statistischen Prüfung und dem Regress ausgenommen hat.
Die niedrigen Fallzahlen der klägerischen Praxis auch in den übrigen Quartalen hat der Beklagte bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Mehr oder anderes musste er nicht tun, insbesondere keine Einzelfallprüfung vornehmen. Das Gebot, effektiv Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen, erfordert vielmehr, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von zumindest 20 % des Fachgruppendurchschnitts im Regelfall die Vergleichbarkeit als gegeben annehmen dürfen (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 18/11 R -; Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R -).
b) Entgegen der Argumentation des Klägers hat der Beklagte die Unwirtschaftlichkeit für jedes regressierte Quartal einzeln geprüft (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 -). So hat er für die Quartale der Jahre 2011 und 2012 die durchschnittlichen Kosten je Behandlungsfall des Klägers und der übrigen Vertragszahnärzte der Beigeladenen zu 1) ermittelt. Aus der Gegenüberstellung dieser Zahlen ergab sich, dass die durchschnittlichen Fallkosten des Klägers diejenigen der übrigen Vertragszahnärzte in den Quartalen III und IV/2011, I, II sowie IV/2012 um 70% und mehr überstiegen. Sie lagen somit in jedem einzelnen regressierten Quartal oberhalb der vom Beklagten im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums fehlerfrei angenommenen Grenze zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit. Damit verbunden war der Beweis des ersten Anscheins, dass der Kläger in diesen Quartalen vertragszahnärztliche Leistungen unwirtschaftlich erbracht hat (BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -).
c) Die vom Kläger angenommenen Praxisbesonderheiten liegen nicht vor. Bei ihnen handelt es sich um Umstände, die in der Patientenstruktur liegen und nicht arztbezogen sind; sie rühren aus der Zusammensetzung der Patienten her, wirken sich auf das Behandlungsverhalten des Zahnarztes aus und sind in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen (BSG, Urteil vom 23.02.2005 - B 6 KA 79/03 -; Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -). Dabei ist es Sache des geprüften Arztes, den durch die Feststellung des offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit seines Verhaltens durch Praxisbesonderheiten oder kompensatorischen Minderaufwendungen zu widerlegen. Ihn trifft hinsichtlich dieser Einwendungen die Darlegungslast (BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -). Seiner Mitwirkungspflicht hat der Vertrags(zahn)arzt grundsätzlich bereits im Verwaltungsverfahren zu genügen; er erfüllt sie nur dann, wenn er konkret darlegt, bei welchem der von ihm behandelten Patienten, aufgrund welcher Erkrankungen welcher Mehraufwand erforderlich gewesen ist (vgl. zum Ganzen: Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -). Dies bedeutet nicht, dass der (Zahn-) Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelprüfung - anführen und medizinisch erläutern muss; es genügt, strukturell die methodischen Zusammenhänge und die medizinische Gleichwertigkeit darzulegen. Gelingt das nicht, geht dies zu Lasten des (Zahn-) Arztes (Senat, Urteil vom 17.12.2014 - L 11 KA 46/14 -).
aa) Die geringen Fallzahlen des Klägers stellen danach keine Praxisbesonderheit dar. Es fehlt an Umständen, aus denen ein besonderer Behandlungsbedarf seiner Patienten herrührt (sog. Morbiditätsstruktur). Eine unterdurchschnittliche Fallzahl ist im Übrigen bei der statistischen Vergleichsprüfung grundsätzlich irrelevant. Da beim statistischen Wirtschaftlichkeitsbeweis nicht die Gesamtkosten, sondern nur die Kosten pro behandeltem Patienten gegenübergestellt werden. Somit muss all das als Vergleichsumstand unberücksichtigt bleiben, was die Patientenzahl betrifft (vgl. Senat, Urteil vom 18.05.2011 - 11 KA 11/10 -; Beschluss vom 17.07.1996 - L 11 Ka 55/96 -).
Die geringe Fallzahl kann daher allenfalls im Rahmen der sog intellektuellen Prüfung berücksichtigt werden. Ob das überhaupt erforderlich ist, kann dahinstehen, da der Beklagte diesen Umstand berücksichtigt hat. Im angefochtenen Beschluss heißt es insoweit:
"Wegen der auch in den prüfbaren Quartalen stark unterdurchschnittlichen Fallzahl sind hier bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höhere Toleranzen zuzubilligen."
Eine mathematische Formel, nach der bei unterdurchschnittlichen Fallzahlen zuzubilligenden "Toleranzen" ermittelt werden können, existiert nicht. Die richterliche Kontrolle beschränkt sich daher auch insoweit auf die Prüfung, ob der Beklagte den entscheidungserheblichen Sachverhalt - die klägerischen durchschnittlichen Fallkosten und diejenigen der übrigen Vertragszahnärzte - richtig und vollständig ermittelt hat, und ob er seine Subsumtionserwägungen im Rahmen des Möglichen so verdeutlicht und begründet hat, dass sie nachzuvollziehen sind (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -). Das ist der Fall.
bb) Auch die vom Kläger ins Feld geführten "schweren Fälle" - Fälle, bei denen er den 3,5fachen Falldurchschnitt abgerechnet hat - stellen keine Praxisbesonderheit dar. Mit ihnen benennt der Kläger keine Umstände, aus denen ein besonderer Behandlungsbedarf seiner Patienten herrührt (sog. Morbiditätsstruktur der Patienten). Höhe bzw. Umfang der Abrechnungen eines Vertrags(zahn)arztes können bei der statistischen Vergleichsprüfung grundsätzlich nicht klären, ob sich der (Zahn-) Arzt wirtschaftlich verhalten hat. Schließlich soll gerade festgestellt werden, ob dieses Abrechnungsverhalten auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen oder im Rahmen der intellektuellen Prüfung zu berücksichtigen und damit (noch) wirtschaftlich ist. Somit muss all das als Vergleichsumstand unberücksichtigt bleiben, was das Abrechnungsverhalten des geprüften Vertrags-(zahn)arztes betrifft. Wäre das Abrechnungsverhalten des Klägers zu prüfen, ergäbe sich daraus nur, dass er deutlich umfangreicher abgerechnet hat als die Vertrags(zahn)ärzte der Vergleichsgruppe. Das begründet den Anscheinsbeweis einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise, den der Kläger gerade zu widerlegen hat (Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -).
cc) Weiter stellen die Notdienste keine Praxisbesonderheit dar, die die überdurchschnittlich hohen Fallkosten des Klägers in den geprüften Quartalen erklären könnten. Es ist schon fraglich, ob mit dem bloßen Hinweis auf die überdurchschnittlich oft verrichteten Notdienste überhaupt etwas zur Zusammensetzung der Patienten gesagt wird, was sich auf das Behandlungsverhalten des Zahnarztes auswirkt und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen ist. Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellen würde, so würde ihm das nicht weiterhelfen. Die Behandlung von Notfallpatienten umfasst nämlich im Regelfall nur die notwendigen Leistungen zur Schmerzbehandlung. Abgerechnet werden daher zumeist weniger Punkte je Fall als bei Nichtnotfallpatienten. Das hat der Beklagte hier konkret für das Quartal I/2011 und die Vergleichsgruppe festgestellt und darauf hingewiesen, dass der Kläger sogar noch weniger Leistungen bei Notfalldiensten je Fall abgerechnet hat als die Vergleichsgruppe. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass dies in anderen Quartalen anders gewesen sein könnte. Auch vom Kläger ist das nicht vorgetragen worden, insbesondere nicht - wie grundsätzlich erforderlich - im Verwaltungsverfahren.
dd) Zu Recht haben der Beklagte und das SG eine Kausalität zwischen den Füllungsleistungen des Klägers und möglicherweise unterdurchschnittlichen Kosten im Bereich von Überkronungen im Sinne eines kompensatorischen Minderaufwands verneint. Darauf wird verwiesen (§§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 1 und 2 SGG).
Mit seiner Stellungnahme vom 24.07.2012 hat der Kläger hierzu im Verwaltungsverfahren ausgeführt:
"Wenn die Möglichkeit vorhanden ist, einen Zahn noch mit einer Füllung zu erhalten, um die Erhaltung des Zahnes mit einer Krone hinausschieben zu können, ist mit den heutigen Mitteln selbst für umfangreich geschädigte Zähne häufig noch eine Füllungstherapie möglich, was ich dann auch versuche. Ich stelle die Indikation für Einzelzahnversorgungen mit Einzelkronen sehr eng, da bekannt ist, dass die Versorgung mit Zahnkronen wirtschaftlich teurer ist als die Therapie eines Zahnes mit Füllungen. Hier richtet sich meine Praxis aus an den Behandlungsrichtlinien ".
Dieses Vorbringen hat er mit Stellungnahme vom 30.01.2014 wiederholt.
Danach gab es nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Klägers in den von ihm behandelten Fällen der Jahre 2011 und 2012, in denen zahnerhaltend mittels "großer Füllungen" behandeln werden konnte und wurde, kein Alternativverhalten. Insbesondere hätte er trotz bestehender Möglichkeit zur zahnerhaltenden Behandlung mittels solcher Füllung nicht (einfach) überkronen dürfen. Damit fehlt es an jedoch einem rechtmäßigen Alternativverhalten, gegenüber dem er mit seiner Behandlungsweise kompensatorische Einsparungen erreichen konnte.
Nach diesem Vorbringen des Klägers kam es nicht auf das Ergebnis des von ihm als Berufungsantrag zu 3) hilfsweise gestellten Beweisantrags (" zum Beweis der Tatsache, dass es zwischen Überkronungen und mehrflächigen Füllungen zahnmedizinisch sich überschneidende Indikationen gibt, ein Gutachten eines zahnmedizinischen Sachverständigen einzuholen.") an. Der Kläger hat nicht behauptet, bei (fast) allen oder zumindest bei konkret benannten Behandlungsfällen mit "großen Füllungen" habe es sich um Zweifelsfälle gehandelt, in denen er nicht sicher beurteilen konnte, ob eine Zahnerhaltung mittels einer solchen Füllung noch möglich war oder ob es hierfür (zwingend) bereits einer Überkronung bedurfte, so dass grundsätzlich beide Behandlungsweisen rechtmäßig gewesen wären. Dass es solche Zweifelsfälle geben kann, ist im Übrigen gerichtsbekannt, so dass auch aus diesem Grund hierüber kein Beweis zu erheben war. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Zahnärzte der Vergleichsgruppe - ebenso wie der Kläger - nur dann die Versorgung mit einer Krone vornehmen, wenn die maßgeblichen Richtlinien für eine solche Versorgung erfüllt sind.
Nichts anderes folgt daraus, dass in Bayern die Prüfungsstelle in Absprache mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) und den Verbänden der Krankenkassen in Bayern nach dem Vortrag des Klägers einen anderen Lösungsweg vereinbart haben. Danach könne ein Zahnarzt im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung Praxisbesonderheiten nachweisen, die eine kompensatorische Einsparung bei konservierendem Behandlungsmehraufwand beträfen. Dabei werde den dortigen Prüfgremien empfohlen, zu den absoluten Werten des Leistungsnachweises Zahnersatz einen "Sicherheitszuschlag" bei der Ermittlung des Anscheins von kompensatorischen Einsparungen im Kronenbereich zu berücksichtigen. Diese Regelung ist zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits nicht anwendbar. Hinzu kommt: Wenn sicher feststände, dass im Zweifel eine Füllung gegenüber einer Krone immer wirtschaftlicher sei, so müsste auch in Bayern hierzu nichts vereinbart werden, sondern dies würde bereits nach den allgemeinen Behandlungsrichtlinien gelten. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die KZVen und Krankenkassen in den 15 anderen Bundesländern offenbar anderer Auffassung sind als die Vertragspartner in Bayern und daher entsprechende Regelungen nicht getroffen haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits auch in zweiter Instanz zu tragen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig sind Honorarkürzungen betreffend die Quartale III/2011 bis II/2012 sowie IV/2012 i.H.v. insgesamt 13.187,65 EUR.
Der Kläger war ab Oktober 2008 mit Praxissitz in H zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beigeladene zu 1) prüfte ab Mai 2012 von Amts wegen die Honorarabrechnungen des Klägers aus 2011 und ab Mai 2013 diejenigen aus 2012 auf Wirtschaftlichkeit. Dabei zeigte sich, dass die Fallkosten des Klägers die durchschnittlichen Fallkosten im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 21% bis zu 132 % überschritten. Der Kläger wandte ein, die vorgenommene Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten sei nur noch in Ausnahmefällen zulässig. Im Bereich der Beigeladenen zu 1) sei dieses Prüfverfahren jedoch weiterhin die Regelprüfmethode, was rechtlich unzulässig sei. Im Übrigen ständen seine weit unterdurchschnittlichen Fallzahlen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten von vornherein entgegen, da schwere und leistungsintensive Fälle besonders starke Auswirkungen auf die Fallkosten zeitigten. Als "schwere Fälle" seien Patienten anzusehen, die den 3,5-fachen Falldurchschnitt im jeweiligen Quartal erreichten oder überschritten. Der hohe Anteil solcher Fälle ergebe sich daraus, dass er 10 bis 20 Mal mehr Notdienstpatienten betreut habe als Praxen der Vergleichsgruppe. Diese schweren und leistungsintensiven Fälle müssten als Praxisbesonderheit gewertet und in jedem Einzelfall geprüft werden. Auch habe er die Indikation für Zahnversorgungen mit Einzelkronen sehr eng gestellt; selbst bei umfangreich geschädigten Zähnen sei häufig noch eine Füllungstherapie möglich gewesen und habe den maßgeblichen Behandlungsrichtlinien entsprochen. Durch die von ihm präferierten Füllungen sei es zu kompensatorischen Einsparungen bei Kronen i.H.v. zumindest 25.333,88 EUR im Jahr 2011 und von 17.955,08 EUR im Jahr 2012 gekommen. Als kompensatorische Einsparung sei für jede große Füllung zumindest der einfache Festzuschuss für eine Einzelkrone anzusehen.
Die Prüfungsstelle der Beigeladenen zu 1) kürzte das Honorar des Klägers für die Quartale der Jahre 2011 und 2012, soweit die Kosten je Behandlungsfall den maßgeblichen Durchschnittswert um 80 % überschritten, insgesamt um 9.727,91 EUR (Beschluss vom 04.02.2014). In den Quartalen II/2011 und III/2012 habe die Zahl der vom Kläger behandelten Patienten allerdings weniger als 20 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Vergleichsgruppe betragen und sei somit nicht ausreichend aussagekräftig für eine Prüfung nach Durchschnittswerten gewesen. Diese Quartale seien daher nicht regressiert worden. Der Kläger legte gegen den Beschluss Widerspruch ein und machte ergänzend geltend, die Prüfungsstelle habe es unterlassen, jedes Quartal gesondert zu betrachten und zu bewerten. Auch die Krankenkassen widersprachen und vertraten die Ansicht, dass an den Nachweis von Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Einsparungen keine hinreichend strengen Anforderungen gestellt worden seien.
Auf Anforderung durch den Beklagten legte der Kläger Röntgenaufnahmen der Behandlungsfälle der Jahre 2011 und 2012 in Fällen vor, in denen er Leistungen nach der Gebührennummer 56c abgerechnet hatte sowie die dazugehörigen Karteiaufzeichnungen. Weiter reichte der Kläger Röntgenaufnahmen der Behandlungsfälle aus dem Quartal I/2011 zu den Akten, in denen Leistungen nach der Gebührennummer 03 abgerechnet worden waren, sowie Karteiaufzeichnungen für den gesamten Prüfzeitraum. Schließlich übersandte er Röntgenaufnahmen und Karteiaufzeichnungen der neun Behandlungsfälle aus dem Quartal I/2011, die von ihm als "schwere Fälle" bezeichnet worden waren.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück und gab demjenigen der Krankenkassen teilweise statt, indem er das Honorar des Klägers kürzte, soweit die Kosten je Behandlungsfall den Durchschnittswert im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 70 % überschritten. Daraus ergab sich eine Regresssumme i.H.v. insgesamt 13.187,65 EUR (Beschluss vom 11.03.2015). Hierzu führte der Beklagte aus: Die geringe Fallzahl des Klägers werde dadurch berücksichtigt, dass die Abrechnungen der Quartale II/2011 und III/2012 mangels ausreichend validen Zahlenmaterials von der statistischen Betrachtung und einem Regress ausgenommen würden. Wegen der auch in den prüfbaren Quartalen stark unterdurchschnittlichen Fallzahl seien bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis zudem höhere Toleranzen zuzubilligen. Weiter sei festzuhalten, dass der Honoraranteil "schwerer Fälle" im Quartal I/2011 nicht - wie vom Kläger vorgetragen - 43 % seines Gesamthonorars ausgemacht habe, sondern lediglich 25,7 %. Die relativ vielen "schweren Fälle" des Klägers könnten zudem Ausdruck von Unwirtschaftlichkeit sein. Nach den vorgelegten Unterlagen stellten diese Fälle nach der Erfahrung der Ausschussmitglieder auch in Durchschnittspraxen "normale Fälle" dar. Gleichwohl könne in geringem Umfang aufgrund der weit unterdurchschnittlichen Fallzahl des Klägers eine statistische Relevanz vorliegen, die entsprechend zu würdigen sei. Die vielen Notdienstbehandlungen des Klägers seien hingegen keine Praxisbesonderheit, würden jedoch im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Viele der Notdienstfälle hätten auch nur einen geringen Behandlungsaufwand ausgelöst, was für Notdienstfälle typisch sei, da sich die Behandlungen auf Maßnahmen zur Schmerzbeseitigung beschränkten; sie dienten der statistischen "Verdünnung". Weiter stelle sich die Frage der Wirtschaftlichkeit, wenn der Kläger im Notdienst nach Maßnahmen zur Schmerzbeseitigung ohne Ausnahme den Wurzelkanal aufbereitet und mittels medikamentöser Einlagen versorgt habe, die Abschlussquote seiner endodontischen Behandlungen aber gerade einmal bei 13% gelegen habe bzw. bei 20%, wenn man die Wurzelkanalaufbereitungen herausrechne, die er im Notdienst erbracht habe. Die durchschnittliche Abschlussquote aller Zahnärzte habe im gleichen Zeitraum 75% betragen und dies ohne Bereinigung um Notdienstfälle. Der Kläger könne den Mehraufwand bei von ihm vorgenommenen Füllungen auch nicht dadurch kompensieren, dass er auf ein Minus bei den Kosten für Überkronungen verweise. Ein denkbarer Minderaufwand in diesem Bereich sei nicht kausal auf die vom Kläger eingebrachten großen Füllungen zurückzuführen. Das wäre nur dann der Fall, wenn er als Behandler zwischen zwei Behandlungsmethoden hätte alternativ entscheiden können; eine solche Wahlmöglichkeit sähen die Richtlinien zur Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen jedoch nicht vor. Zusammenfassend sei festzustellen, dass sich die statistischen Fallkostenabweichungen durch die geltend gemachten Besonderheiten nur bedingt erklären ließen. Nach den vorgenannten Feststellungen sei dabei von offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die durchschnittlichen Fallkosten um 70% überschritten würden. Mit dieser Toleranz seien alle möglichen "Besonderheiten" abgegolten.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Es sei unzulässig, aus den Notdienstfällen für das Quartal I/2011 Rückschlüsse auf andere Quartale zu ziehen. Wegen der deutlich unterdurchschnittlichen Fallzahlen und der überdurchschnittlichen Notdiensttätigkeiten sowie "schweren Fälle" hätte eine eigene Vergleichsgruppe gebildet werden müssen. Bei Notdienstmaßnahmen sei der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich diese zwingend auf die Beseitigung von Schmerzen zu beschränken hätten. Auch bestehe das angebliche Missverhältnis zwischen Wurzelkanalaufbereitungen und anschließender Versorgung nicht. Bei der Frage, ob ein Zahn aufzubereiten sei, bestehe ein Beurteilungsspielraum. Es genüge die Prognose, dass eine Aufbereitungsmöglichkeit eintreten könne. Schließlich habe der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis lediglich pauschal heraufgesetzt. Damit sei das Maß der Heraufsetzung nicht nachvollziehbar. Eine ausreichende Begründung fehle auch zur Qualität der Röntgenaufnahmen und zur Auslegung der Gebührennummer 56c.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1) den am 29.04.2015 ausgefertigten Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 11.03.2015 über Kürzung der Gesamtabrechnung und Vergütungsberechnung in Höhe von 13.187,65 EUR wird aufgehoben und
2) der Beklagte wird verpflichtet, auf seinen Widerspruch gegen den am 24.02.2014 ausgefertigten Bescheid zum Beschluss der Prüfungsstelle vom 04.02.2014 den Regress durch die Prüfungsstelle vollständig aufzuheben und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zum bisherigen Vortrag hat er darauf hingewiesen, dass die schlechte Qualität der Röntgenaufnahmen des Klägers keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt habe. Die Sichtung von Einzelfällen habe lediglich der Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen gedient.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.02.2016) und ausgeführt: Die für den Bereich der Beigeladenen zu 1) maßgebliche Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 regele in § 6 Abs. 1 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten. Dies stehe im Einklang mit § 106 Abs. 2 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der diese Prüfmethode auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen ausdrücklich zulasse. Dem Beklagten habe für die Prüfung nach Durchschnittswerten in den regressierten Quartalen hinreichend sicheres Datenmaterial zur Verfügung gestanden. Die niedrigen Fallzahlen seien bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis berücksichtigt worden. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung komme den Prüfgremien im Übrigen ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle unterliege. Diese beschränke sich auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt, der Sachverhalt richtig und vollständige ermittelt, die Auslegungsgrenzen unbestimmter Rechtsbegriffe eingehalten und Subsumtionserwägungen so verdeutlicht worden seien, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar sei. Der Bescheid des Beklagten genüge diesen Anforderungen. So seien Praxisbesonderheiten zu Recht nicht berücksichtigt worden. Bei ihnen handele es sich um solche Umstände, die aus der Zusammensetzung der Patienten herrührten, sich auf das Behandlungsverhalten des Zahnarztes auswirkten und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen seien. Dabei sei es Aufgabe des geprüften Arztes, den durch die Feststellung eines offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen, indem er Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Minderaufwendungen konkret darlege. Das sei dem Kläger nicht gelungen. Die von ihm benannten Notdienstbehandlungen seien keine Praxisbesonderheiten. Solche Behandlungen würden auch in den Praxen der Vergleichsgruppe durchgeführt. Der Beklagte habe den Umstand indes zu Recht im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Auch der vom Kläger geltend gemachte hohe Anteil "schwerer Fälle" sei nicht als Praxisbesonderheit zu werten. Umstände, die die Annahme einer solchen Besonderheit rechtfertigen könnten, seien nicht dargelegt worden. "Schwere Fälle" wie diejenigen des Klägers seien auch in den Praxen der Vergleichsgruppe vorhanden. Auswirkungen dieser Fälle auf statistische Daten habe der Beklagte in seine Überlegungen einbezogen und bei der Festsetzung der einzuräumenden Toleranz berücksichtigt. Hierfür habe eine gesicherte Grundlage dadurch bestanden, dass neun "schwere Fälle" aus dem Quartal I/2011 ausgewertet worden seien. Auch bestehe kein kompensatorischer Minderaufwand bei Kronen aufgrund des Umstandes, dass der Kläger Zähne ganz überwiegend verfüllt habe. Dabei sei davon auszugehen, dass auch die Zahnärzte der Vergleichsgruppe nur dann überkronen, wenn die maßgeblichen Richtlinien hierfür erfüllt seien. Nach diesen Richtlinien bestände keine Wahlmöglichkeit zwischen zwei Behandlungsmethoden, so dass durch eine vermehrte Fülltätigkeit kein kausaler Minderaufwand bei Kronen entstehen könne. Der Beklagte habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch hinreichend von Amts wegen aufgeklärt, selbst wenn die Röntgenaufnahmen des Klägers wegen ihrer schlechten Qualität teilweise nur unzulänglich haben ausgewertet werden können, denn es sei keine Einzelfallprüfung erfolgt. Die auf § 6 Abs. 1 Satz 2 Prüfvereinbarung basierende Sichtung von Einzelfällen im Rahmen der Prüfung nach Durchschnittswerten habe lediglich bezweckt, die durch die Statistikauswertung erlangten Erkenntnisse zu ergänzen.
Das Urteil ist dem Kläger am 04.03.2016 zugestellt worden; er hat hiergegen am 04.04.016 Berufung eingelegt und vorgetragen: Zu Recht mache er sein Klagebegehren nicht nur im Rahmen einer Neubescheidungsklage gelten, sondern auch als reine Anfechtungsklage. So seien kompensatorische Einsparungen zu berücksichtigen, die den regressierten Betrag mehrfach überstiegen. Ein Beurteilungsspielraum des Beklagten verbleibe daher nicht. Im Übrigen ergebe sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zu § 106 SGB V unmissverständlich, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten auslaufen solle. Damit sei nicht zu vereinbaren, wenn die Prüfvereinbarung der Beigeladenen zu 1) die Prüfung auf Grundlage von Durchschnittswerten weiterhin zur Regelprüfmethode erhebe. Dadurch würde ihm als geprüftem Zahnarzt unzulässigerweise die objektive Beweislast dafür aufgebürdet nachzuweisen, wirtschaftlich gehandelt zu haben. Weiter liege auch kein hinreichend aussagekräftiges Zahlenmaterial vor. Es müsse beachtet werden, dass bei ihm unterdurchschnittliche Fallzahlen auf eine hohe Anzahl "schwerer Fälle" träfen. Praxisbesonderheiten könnten in einem solchen Fall nicht ohne nähere Prüfung verneint werden. In den geprüften Quartalen hätten seine Fallzahlen zwischen 69 % und 79 % unter den maßgeblichen Durchschnittswerten gelegen. Angesichts dieser Schwankungsbreite wäre es erforderlich gewesen, für jedes einzelne Quartal eine gesonderte Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen. Auch habe er in seinem Widerspruch statistische Verzerrungen für jedes Quartal gesondert aufgezeigt. Die Substantiierungslast dürfe nicht überspannt werden, da die Prüfgremien sachkompetent seien. Der Beklagte sei somit von sich aus zu einer intellektuellen Prüfung bzgl. der statistischen Werte gehalten gewesen. Soweit das SG die Ansicht vertrete, "schweren Fälle" wie beim Kläger seien auch in der Praxis der Vergleichsgruppe vorhanden, handele es sich um reine Mutmaßungen. Das SG habe kausal-kompensatorische Einsparungen zudem zu Unrecht verneint. Es hätte die sich überschneidenden Indikationen zwischen der Füllungstätigkeit und der Überkronungstätigkeit mittels eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen aufklären müssen. Er - der Kläger - habe insoweit substantiiert zum Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft vorgetragen und insbesondere auf die insoweit zwischen der Prüfungsstelle der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) und den Verbänden der Krankenkassen getroffenen Vereinbarung zum Nachweis kompensatorischer Einsparung bei konservierendem Behandlungsmehraufwand hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.02.2016 abzuändern und den Beschluss des Beklagten vom 29.04.2015 aufzuheben,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 24.02.2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden.
Sodann beantragt der Bevollmächtigte des Klägers hilfsweise,
zum Beweis der Tatsache, dass es zwischen Überkronungen und mehrflächigen Füllungen zahnmedizinisch sich überschneidende Indikationen gibt, ein Gutachten eines zahnmedizinischen Sachverständigen einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verweist auf den angefochtenen Beschluss und das Urteil des SG.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.02.2016 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Beklagten vom 29.04.2015. Dieser beschwert ihn nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat nimmt nach eigener Prüfung auf die Entscheidungen des Beklagten und des SG Bezug (§§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 1 und 2 SGG) und führt ergänzend aus:
I.
Das SG hat die mit dem Klage- und Berufungsantrag zu 2) erhobene reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG) zutreffend als unbegründet angesehen. Das folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass dem Beklagten im Rahmen der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des klägerischen Handelns ein Beurteilungsspielraum zusteht. Denn der angefochtene Beschluss könnte unabhängig von diesem, dem Beklagten zustehenden und von Gerichten nicht selbst ausfüllbaren Beurteilungsspielraum rechtswidrig sein. Ein solcher Fall liegt indes nicht vor; insbesondere gibt es keine kompensatorischen Einsparungen, die die Regresssumme übersteigen (vgl. II. 2. c. dd.). Die danach allein in Betracht kommende besondere Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage (Berufungsantrag zu 2.; § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGG) ist zwar zulässig aber unbegründet (vgl. II.).
II.
1. Rechtsgrundlage für die streitigen Honorarkürzungen ist § 106 SGB V. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift überwachen die Krankenkassen und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V in der Fassung vom 22.12.2010, gültig vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2016, wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Auffälligkeitsprüfung) oder durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 % der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung), geprüft. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen konnten jedoch gemeinsam mit den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen über diese Prüfmethoden hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen weiterhin nach Durchschnittswerten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB V). Die für den Bereich der Beigeladenen zu 1) maßgebliche Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 regelte in § 6 Abs. 1 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten als Regelfall.
a) Dies stand im Einklang mit dem Wortlaut des § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V in der bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung, der diese Prüfmethode auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen ausdrücklich zuließ. Eine Rangfolge der verschiedenen Prüfmethoden oder ein Verbot, in der Regel anhand von Durchschnittswerten zu prüfen, war dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Daher konnten die Vertragspartner vereinbaren, dass diese Prüfmethode (weiterhin) als Regelprüfmethode anzuwenden ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.04.2008 - B 6 KA 34/07 -; Senat, Urteil vom 17.12.2014 - L 11 KA 46/14 -; Urteil vom 22.10.2014 - L 11 KA 21/11 -; Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -; Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 106 Rn. 45; Wehebrink in BeckOK-SGB V, 50. Edition, Stand 01.06.2018, § 106 Rn. 1; kritisch ohne rechtliche Begründung: u.a. Hess in KassKomm-SGB V, 101. EL, September 2018, § 106 Rn. 17).
b) Die Vereinbarung von Prüfungen nach Durchschnittswerten war und ist auch sachgerecht, denn sie brachte und bringt hohen Erkenntniswert bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand (st. Rspr. des BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R - m.w.N.; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -; Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 106 Rn. 161).
c) Auf die vom Kläger zu seinen Gunsten ins Feld geführten Gesetzesmaterialien kommt es nicht entscheidend an, denn primäres Auslegungskriterium für die Norminterpretation ist der Gesetzeswortlaut. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist zugleich die Grenze der Auslegung (Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. Auflage, 2006, S. 47; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 -; Senat, Urteil vom 15.05.2013 - L 11 KA 45/12 -). Für einen Ausschluss der Prüfung nach Durchschnittswerten gab der Wortlaut des § 106 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 22.12.2010 jedoch nichts her.
Im Übrigen ergibt sich auch aus der sog. historischen Auslegung nicht, dass die Prüfvereinbarung der Beigeladenen zu 1) in Bezug auf die regelhafte Prüfung mittels Durchschnittswerten (§ 6 Abs. 1 Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V) oder gar die Prüfung als solche rechtswidrig war. So heißt es in der Bundestagsdrucksache 15/1525 S. 114 u.a.:
"In der Neuformulierung der Regelung entfällt die bisherige arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten als verpflichtende Vorgabe und wird in die Entscheidungskompetenz der Vertragspartner übertragen (vgl. Doppelbuchstabe dd). Diese Prüfungsart wird damit zwar erhalten bleiben, jedoch künftig nachrangig sein. Die von den Prüfdiensten durchgeführte Untersuchung hat bestätigt, dass die Durchschnittsprüfung ein qualitativ minderwertiges Prüfungsverfahren ist, da es ausschließlich auf statistischen Auffälligkeiten basiert und verdeckte Unwirtschaftlichkeiten nicht erkennbar werden. Insbesondere können die einzelnen Arztgruppen durch ihr Leistungs- und Verordnungsverhalten die Höhe der Durchschnittswerte - und damit der Kriterien zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit - nachhaltig beeinflussen. Die Abschaffung der Pflicht zur Durchführung der Durchschnittsprüfungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen soll der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen einen Impuls geben, den gesetzlich vorgegebenen Übergang zu anderen Prüfungsformen, insbesondere zu den qualitätsorientierten Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (Zufälligkeitsprüfungen) in dem gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang (Stichprobe von 2 vom Hundert der Ärzte pro Quartal) ohne weitere Verzögerungen durchzuführen."
Der Gesetzesbegründung ist somit zunächst zu entnehmen, dass die arztbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten "erhalten bleibt" und der "Entscheidungskompetenz der Vertragspartner" der Vertragspartner übertragen wird, die hiervon in § 6 Abs. 1 Prüfvereinbarung Gebrauch gemacht haben. Weiter ist der Bundestagsdrucksache zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dem "Nachrang" der Prüfung nach Durchschnittswerten nicht einzelne von solchen Prüfungen betroffene Vertrags(zahn)ärzte vor unberechtigten Regressen schützen wollte. Vielmehr sollten durch die gesetzlich in den Vordergrund gerückten Auf- und Zufälligkeitsprüfungen selbst "verdeckte" Unwirtschaftlichkeiten offengelegt werden, die bei Prüfungen (allein) nach Durchschnittswerten unentdeckt bleiben. Auch sollte durch neue Prüfverfahren dem Umstand entgegengewirkt werden, dass Arztgruppen durch einheitlich unwirtschaftliches Handeln die Grenze der Auffälligkeit einer Prüfung nach Durchschnittswerten nachhaltig nach oben verschieben. All dies stützt das Begehren des Klägers nicht.
2. Somit hat der Beklagte zu Recht nach Durchschnittswerten geprüft und mit Beschluss vom 29.04.2015 in nicht zu beanstandender Weise im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums angenommen, dass die vertragszahnärztlichen Leistungen des Klägers unwirtschaftlich i.S.d. § 106 SGB V sind, soweit seine Fallkosten die durchschnittlichen Fallkosten im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 70% und mehr überschritten. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich insoweit auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens, die richtige und vollständige Ermittlung des Sachverhalts sowie auf die Frage, ob der Beklagte die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs Wirtschaftlichkeit ermittelten Grenzen eingehalten und seine Subsumtionserwägungen so verdeutlicht hat, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 30.11.1994 - 6 RKa 16/93 -). All dies ist hier - wie vom SG dargelegt - geschehen. Der Beschluss des Beklagten leidet insbesondere nicht an den vom Kläger mit der Berufung weiter geltend gemachten Fehlern.
a) Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung vom richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen.
Ihm stand zur Prüfung nach Durchschnittswerten insbesondere hinreichend sicheres statistisches Datenmaterial zur Verfügung. Die Gruppe der Vertragszahnärzte der Beigeladenen zu 1) ist ausreichend groß und in ihrem Abrechnungsverhalten homogen. Die Bildung einer besonderen Vergleichsgruppe war aus diesem Grund nicht erforderlich Die unterdurchschnittlichen Fallzahlen des Klägers stehen der Verwendung der Statistiken nicht entgegen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Fallzahl des geprüften Arztes 20 % des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe und dabei mindestens 100 Behandlungsfälle nicht erreicht (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R -; Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 106 Rn. 173). Diesen Vorgaben hat der Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass er die Quartale II/2011 und III/2012, in denen die Fallzahlen des Klägers unter der Grenze von 20 % lagen, von der statistischen Prüfung und dem Regress ausgenommen hat.
Die niedrigen Fallzahlen der klägerischen Praxis auch in den übrigen Quartalen hat der Beklagte bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Mehr oder anderes musste er nicht tun, insbesondere keine Einzelfallprüfung vornehmen. Das Gebot, effektiv Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen, erfordert vielmehr, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von zumindest 20 % des Fachgruppendurchschnitts im Regelfall die Vergleichbarkeit als gegeben annehmen dürfen (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 18/11 R -; Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R -).
b) Entgegen der Argumentation des Klägers hat der Beklagte die Unwirtschaftlichkeit für jedes regressierte Quartal einzeln geprüft (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 -). So hat er für die Quartale der Jahre 2011 und 2012 die durchschnittlichen Kosten je Behandlungsfall des Klägers und der übrigen Vertragszahnärzte der Beigeladenen zu 1) ermittelt. Aus der Gegenüberstellung dieser Zahlen ergab sich, dass die durchschnittlichen Fallkosten des Klägers diejenigen der übrigen Vertragszahnärzte in den Quartalen III und IV/2011, I, II sowie IV/2012 um 70% und mehr überstiegen. Sie lagen somit in jedem einzelnen regressierten Quartal oberhalb der vom Beklagten im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums fehlerfrei angenommenen Grenze zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit. Damit verbunden war der Beweis des ersten Anscheins, dass der Kläger in diesen Quartalen vertragszahnärztliche Leistungen unwirtschaftlich erbracht hat (BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -).
c) Die vom Kläger angenommenen Praxisbesonderheiten liegen nicht vor. Bei ihnen handelt es sich um Umstände, die in der Patientenstruktur liegen und nicht arztbezogen sind; sie rühren aus der Zusammensetzung der Patienten her, wirken sich auf das Behandlungsverhalten des Zahnarztes aus und sind in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen (BSG, Urteil vom 23.02.2005 - B 6 KA 79/03 -; Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -). Dabei ist es Sache des geprüften Arztes, den durch die Feststellung des offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit seines Verhaltens durch Praxisbesonderheiten oder kompensatorischen Minderaufwendungen zu widerlegen. Ihn trifft hinsichtlich dieser Einwendungen die Darlegungslast (BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -). Seiner Mitwirkungspflicht hat der Vertrags(zahn)arzt grundsätzlich bereits im Verwaltungsverfahren zu genügen; er erfüllt sie nur dann, wenn er konkret darlegt, bei welchem der von ihm behandelten Patienten, aufgrund welcher Erkrankungen welcher Mehraufwand erforderlich gewesen ist (vgl. zum Ganzen: Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -). Dies bedeutet nicht, dass der (Zahn-) Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelprüfung - anführen und medizinisch erläutern muss; es genügt, strukturell die methodischen Zusammenhänge und die medizinische Gleichwertigkeit darzulegen. Gelingt das nicht, geht dies zu Lasten des (Zahn-) Arztes (Senat, Urteil vom 17.12.2014 - L 11 KA 46/14 -).
aa) Die geringen Fallzahlen des Klägers stellen danach keine Praxisbesonderheit dar. Es fehlt an Umständen, aus denen ein besonderer Behandlungsbedarf seiner Patienten herrührt (sog. Morbiditätsstruktur). Eine unterdurchschnittliche Fallzahl ist im Übrigen bei der statistischen Vergleichsprüfung grundsätzlich irrelevant. Da beim statistischen Wirtschaftlichkeitsbeweis nicht die Gesamtkosten, sondern nur die Kosten pro behandeltem Patienten gegenübergestellt werden. Somit muss all das als Vergleichsumstand unberücksichtigt bleiben, was die Patientenzahl betrifft (vgl. Senat, Urteil vom 18.05.2011 - 11 KA 11/10 -; Beschluss vom 17.07.1996 - L 11 Ka 55/96 -).
Die geringe Fallzahl kann daher allenfalls im Rahmen der sog intellektuellen Prüfung berücksichtigt werden. Ob das überhaupt erforderlich ist, kann dahinstehen, da der Beklagte diesen Umstand berücksichtigt hat. Im angefochtenen Beschluss heißt es insoweit:
"Wegen der auch in den prüfbaren Quartalen stark unterdurchschnittlichen Fallzahl sind hier bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höhere Toleranzen zuzubilligen."
Eine mathematische Formel, nach der bei unterdurchschnittlichen Fallzahlen zuzubilligenden "Toleranzen" ermittelt werden können, existiert nicht. Die richterliche Kontrolle beschränkt sich daher auch insoweit auf die Prüfung, ob der Beklagte den entscheidungserheblichen Sachverhalt - die klägerischen durchschnittlichen Fallkosten und diejenigen der übrigen Vertragszahnärzte - richtig und vollständig ermittelt hat, und ob er seine Subsumtionserwägungen im Rahmen des Möglichen so verdeutlicht und begründet hat, dass sie nachzuvollziehen sind (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -). Das ist der Fall.
bb) Auch die vom Kläger ins Feld geführten "schweren Fälle" - Fälle, bei denen er den 3,5fachen Falldurchschnitt abgerechnet hat - stellen keine Praxisbesonderheit dar. Mit ihnen benennt der Kläger keine Umstände, aus denen ein besonderer Behandlungsbedarf seiner Patienten herrührt (sog. Morbiditätsstruktur der Patienten). Höhe bzw. Umfang der Abrechnungen eines Vertrags(zahn)arztes können bei der statistischen Vergleichsprüfung grundsätzlich nicht klären, ob sich der (Zahn-) Arzt wirtschaftlich verhalten hat. Schließlich soll gerade festgestellt werden, ob dieses Abrechnungsverhalten auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen oder im Rahmen der intellektuellen Prüfung zu berücksichtigen und damit (noch) wirtschaftlich ist. Somit muss all das als Vergleichsumstand unberücksichtigt bleiben, was das Abrechnungsverhalten des geprüften Vertrags-(zahn)arztes betrifft. Wäre das Abrechnungsverhalten des Klägers zu prüfen, ergäbe sich daraus nur, dass er deutlich umfangreicher abgerechnet hat als die Vertrags(zahn)ärzte der Vergleichsgruppe. Das begründet den Anscheinsbeweis einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise, den der Kläger gerade zu widerlegen hat (Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -).
cc) Weiter stellen die Notdienste keine Praxisbesonderheit dar, die die überdurchschnittlich hohen Fallkosten des Klägers in den geprüften Quartalen erklären könnten. Es ist schon fraglich, ob mit dem bloßen Hinweis auf die überdurchschnittlich oft verrichteten Notdienste überhaupt etwas zur Zusammensetzung der Patienten gesagt wird, was sich auf das Behandlungsverhalten des Zahnarztes auswirkt und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen ist. Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellen würde, so würde ihm das nicht weiterhelfen. Die Behandlung von Notfallpatienten umfasst nämlich im Regelfall nur die notwendigen Leistungen zur Schmerzbehandlung. Abgerechnet werden daher zumeist weniger Punkte je Fall als bei Nichtnotfallpatienten. Das hat der Beklagte hier konkret für das Quartal I/2011 und die Vergleichsgruppe festgestellt und darauf hingewiesen, dass der Kläger sogar noch weniger Leistungen bei Notfalldiensten je Fall abgerechnet hat als die Vergleichsgruppe. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass dies in anderen Quartalen anders gewesen sein könnte. Auch vom Kläger ist das nicht vorgetragen worden, insbesondere nicht - wie grundsätzlich erforderlich - im Verwaltungsverfahren.
dd) Zu Recht haben der Beklagte und das SG eine Kausalität zwischen den Füllungsleistungen des Klägers und möglicherweise unterdurchschnittlichen Kosten im Bereich von Überkronungen im Sinne eines kompensatorischen Minderaufwands verneint. Darauf wird verwiesen (§§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 1 und 2 SGG).
Mit seiner Stellungnahme vom 24.07.2012 hat der Kläger hierzu im Verwaltungsverfahren ausgeführt:
"Wenn die Möglichkeit vorhanden ist, einen Zahn noch mit einer Füllung zu erhalten, um die Erhaltung des Zahnes mit einer Krone hinausschieben zu können, ist mit den heutigen Mitteln selbst für umfangreich geschädigte Zähne häufig noch eine Füllungstherapie möglich, was ich dann auch versuche. Ich stelle die Indikation für Einzelzahnversorgungen mit Einzelkronen sehr eng, da bekannt ist, dass die Versorgung mit Zahnkronen wirtschaftlich teurer ist als die Therapie eines Zahnes mit Füllungen. Hier richtet sich meine Praxis aus an den Behandlungsrichtlinien ".
Dieses Vorbringen hat er mit Stellungnahme vom 30.01.2014 wiederholt.
Danach gab es nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Klägers in den von ihm behandelten Fällen der Jahre 2011 und 2012, in denen zahnerhaltend mittels "großer Füllungen" behandeln werden konnte und wurde, kein Alternativverhalten. Insbesondere hätte er trotz bestehender Möglichkeit zur zahnerhaltenden Behandlung mittels solcher Füllung nicht (einfach) überkronen dürfen. Damit fehlt es an jedoch einem rechtmäßigen Alternativverhalten, gegenüber dem er mit seiner Behandlungsweise kompensatorische Einsparungen erreichen konnte.
Nach diesem Vorbringen des Klägers kam es nicht auf das Ergebnis des von ihm als Berufungsantrag zu 3) hilfsweise gestellten Beweisantrags (" zum Beweis der Tatsache, dass es zwischen Überkronungen und mehrflächigen Füllungen zahnmedizinisch sich überschneidende Indikationen gibt, ein Gutachten eines zahnmedizinischen Sachverständigen einzuholen.") an. Der Kläger hat nicht behauptet, bei (fast) allen oder zumindest bei konkret benannten Behandlungsfällen mit "großen Füllungen" habe es sich um Zweifelsfälle gehandelt, in denen er nicht sicher beurteilen konnte, ob eine Zahnerhaltung mittels einer solchen Füllung noch möglich war oder ob es hierfür (zwingend) bereits einer Überkronung bedurfte, so dass grundsätzlich beide Behandlungsweisen rechtmäßig gewesen wären. Dass es solche Zweifelsfälle geben kann, ist im Übrigen gerichtsbekannt, so dass auch aus diesem Grund hierüber kein Beweis zu erheben war. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Zahnärzte der Vergleichsgruppe - ebenso wie der Kläger - nur dann die Versorgung mit einer Krone vornehmen, wenn die maßgeblichen Richtlinien für eine solche Versorgung erfüllt sind.
Nichts anderes folgt daraus, dass in Bayern die Prüfungsstelle in Absprache mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) und den Verbänden der Krankenkassen in Bayern nach dem Vortrag des Klägers einen anderen Lösungsweg vereinbart haben. Danach könne ein Zahnarzt im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung Praxisbesonderheiten nachweisen, die eine kompensatorische Einsparung bei konservierendem Behandlungsmehraufwand beträfen. Dabei werde den dortigen Prüfgremien empfohlen, zu den absoluten Werten des Leistungsnachweises Zahnersatz einen "Sicherheitszuschlag" bei der Ermittlung des Anscheins von kompensatorischen Einsparungen im Kronenbereich zu berücksichtigen. Diese Regelung ist zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits nicht anwendbar. Hinzu kommt: Wenn sicher feststände, dass im Zweifel eine Füllung gegenüber einer Krone immer wirtschaftlicher sei, so müsste auch in Bayern hierzu nichts vereinbart werden, sondern dies würde bereits nach den allgemeinen Behandlungsrichtlinien gelten. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die KZVen und Krankenkassen in den 15 anderen Bundesländern offenbar anderer Auffassung sind als die Vertragspartner in Bayern und daher entsprechende Regelungen nicht getroffen haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits auch in zweiter Instanz zu tragen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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