L 8 BA 16/19 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 23 BA 124/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 16/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 29.12.2018 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.496,68 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Sozialgericht (SG) hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 28.9.2018 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hinsichtlich der Grundlagen für die versicherungsrechtliche Beurteilung von Geschäftsführern einer GmbH zunächst Bezug auf den angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Nach Maßgabe der dort dargestellten - in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten - Grundsätze ist Frau U für die Zeit vom 1.7.2014 bis zum 23.4.2018 als Fremdgeschäftsführerin der Antragstellerin und damit als versicherungspflichtig beschäftigt anzusehen.

Maßgeblich für die Beurteilung der Versicherungspflicht kommt es darauf an, ob der Geschäftsführer die Rechtsmacht hat, in der Gesellschafterversammlung sämtliche ihm nicht genehmen Weisungen zu verhindern. Das beurteilt sich nach innergesellschaftlichen Verhältnissen, nämlich nach dem Umfang seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung.

Im Verhältnis zur Gesellschaft galt Frau U jedoch erst ab dem 24.4.2018, dem Tag der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelregister, als Gesellschafterin (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung [GmbHG]) und damit als in der Gesellschafterversammlung stimmberechtigt. Bis zu diesem Zeitpunkt dagegen galt noch Herr B U als Gesellschafter, dem im Innenverhältnis der Gesellschaft alle Gesellschafterrechte, insbesondere also auch das Stimmrecht (§ 47 Abs. 1 GmbHG), zustanden (zu dieser unstreitigen Wirkung der Eintragung Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 16 Rdnr. 26; Heidinger in MünchKomm-GmbHG, 3. Aufl. 2018, § 16 Rdnr. 134; Seibt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. Stand 2018, § 16 Rdnr. 8).

Der Anwendung dieser Bestimmung auch auf den vorliegenden Fall hält die Antragstellerin ohne Erfolg entgegen, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG keinen Schutz zugunsten Dritter entfalte. Zwar regelt § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht die materielle Rechtslage mit der Folge, dass bereits vom Zeitpunkt der Abtretung an z.B. der Erwerber seinen Gesellschaftsanteil an einen Dritten abtreten oder ein Dritter als Gläubiger des Erwerbers ihn pfänden kann. Die Antragsgegnerin ist indessen kein "Dritter" in diesem Sinne. Sie verfolgt keine Rechte in Bezug auf den Geschäftsanteil von Herrn oder Frau U , sondern stellt die Verpflichtung zur Beitragszahlung der Antragstellerin gegenüber der Einzugsstelle fest. Für die Feststellung dieser Verpflichtung ist es nach der vom SG zutreffend dargestellten Rechtsprechung des BSG maßgeblich, wie sich die Rechtsmachtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft gestaltet haben. Um dies beurteilen zu können, muss und darf die Antragsgegnerin auch die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG heranziehen.

Das gilt umso mehr, als Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 GmbHG in seiner hier maßgeblichen, durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) geschaffenen Fassung gerade dazu dient, für ein höheres Maß an Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen (vgl. Bayer a.a.O. Rdnr. 5; Seibt a.a.O. Rdnr. 4; jeweils m.w.N.). Diese Zielsetzungen decken sich mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit versicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände, das maßgeblich für die Entscheidung des BSG ist, hinsichtlich der Versicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern allein auf die Rechtsmachtverhältnisse in der Gesellschafterversammlung abzustellen (vgl. BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 35, juris-Rdnr. 20).

§ 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG kommt der Antragstellerin dabei nicht zugute. Diese Vorschrift betrifft nur Rechtshandlungen des Erwerbers, denen die Aufnahme der (geänderten) Liste in das Handelsregister unverzüglich nachgefolgt ist. Unbeschadet der - umstrittenen - Frage, nach welchen Kriterien sich beurteilt, was "unverzüglich" im Sinne dieser Bestimmung bedeutet, reicht die Rückwirkung dieser Bestimmung über einen Zeitraum von vier Wochen grundsätzlich jedenfalls nicht zurück (vgl. dazu Seibt a.a.O. Rdnr. 47 m.w.N.).

Dass Frau U jederzeit das Recht gehabt hätte, von der Antragstellerin die Einreichung der Liste zum Handelsregister zu verlangen, ist dabei unerheblich. Entscheidend mit Blick auf die Bestimmtheit versicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände ist nicht, wie die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter hätten handeln können, sondern wie sie gehandelt haben. Nur dies kann von der Einzugsstelle bzw. dem prüfenden Rentenversicherungsträger mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 52, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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