L 7 AS 362/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AS 360/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 362/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 14.01.2016 geändert. Der Bescheid vom 03.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2015 wird aufgehoben, soweit der Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 01.12.2009 bis zum 31.10.2013 zurücknimmt und eine Erstattung für diesen Zeitraum festsetzt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Rücknahme und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv insgesamt 79.003,34 EUR für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 28.02.2009, vom 01.10.2009 bis zum 30.11.2009 und vom 01.01.2010 bis zum 31.10.2013.

Der am 00.00.1953 in Leipzig geborene Kläger absolvierte von 1969 bis 1972 in der DDR eine Ausbildung zum Werkzeugmacher. Von 1973 bis 1990 war er als Getriebeschlosser und Werkzeugmacher in "Volkseigenen Betrieben" tätig. 1990 zog er in den Kreis Lippe. Von 1990 bis 1993 war er in jeweils nur wenige Monate dauernden Beschäftigungsverhältnissen in seinem ursprünglichen Beruf tätig. Von 1993 bis 2001 arbeitete der Kläger als Wachmann und Hundeführer im militärischen und zivilen Wachdienst. Anschließend war er arbeitsuchend und bezog zunächst Arbeitslosengeld, dann Arbeitslosenhilfe und Wohngeld.

Am 13.11.1999 schloss der Kläger mit der Victoria-Versicherung einen Rentenversicherungsvertrag ab. Der Kläger hatte einen jährlichen Beitrag von 15.537,80 DM bei einem Beginn der Beitragszahlung am 01.11.1999 und einem Ablauf der Beitragszahlung am 01.11.2004 zu entrichten. Der Beginn der Rentenzahlung wurde für den 01.11.2013 mit einer Garantiezeit von zehn Jahren angesetzt. Die Police sah eine monatliche Altersrente von 614,12 DM ab diesem Zeitpunkt und die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bei Rentenbeginn anstelle der Inanspruchnahme der Altersrente iHv 118.659 DM vor. Der Kläger konnte bis zu einem Zeitpunkt von drei Monaten vor dem Beginn der Altersrente die Zahlung der im Versicherungsschein genannten Kapitalabfindung verlangen. Der garantierte Rückkaufswert der Versicherung betrug zum 01.01.2005 34.332,50 EUR, zum 01.01.2006 36.042,63 EUR, zum 01.01.2007 32.210,99 EUR, zum 01.01.2008 31.945,89 EUR, zum 01.01.2009 31.846,26 EUR, zum 01.01.2010 31.756,02 EUR, zum 01.01.2011 31.736,17 EUR, zum 01.01.2012 34.765,37 EUR und zum 01.01.2013 36.101,92 EUR. Der Kläger war berechtigt, die Versicherung jeweils zum 01.11. des Vorjahres zu kündigen. Der Kläger zahlte vier Beiträge von jeweils 15.537,80 DM, insgesamt 62.151,20 DM ein. Am 01.11.2003 vereinbarte der Kläger mit der Versicherung eine Beitragsfreistellung. Die garantierte monatliche Altersrente betrug danach noch 247,15 EUR monatlich, die Kapitalabfindung 47.754 EUR.

Der Kläger beantragte am 11.08.2004 bei der Agentur für Arbeit Detmold Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Antragsformular wird zu dem Punkt "Vermögensverhältnisse des Antragstellers" ausgeführt, als Vermögen seien "alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen". Beispielhaft werden auch Kapitallebensversicherungen und private Rentenversicherungen genannt. Dem Antragsformular war ein "Zusatzblatt zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens" beigefügt. In diesem wird ausdrücklich nach Kapitallebensversicherungen und privaten Lebensversicherungen gefragt. Der Kläger kreuzte die Frage nach dem Vorhandensein von entsprechendem Vermögen mit "Nein" an und unterschrieb das Zusatzblatt.

Die Agentur für Arbeit Detmold bewilligte dem Kläger erstmals mit Bescheid vom 15.11.2004 die Regelleistung und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft iHv zunächst 325 EUR vom 01.01.2005 bis zum 31.05.2005.

Am 03.05.2005, 04.11.2005, 04.05.2006, 08.11.2006, 13.04.2007, 22.11.2007, 28.04.2008 und 21.10.2008 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen. Er gab jeweils an, es hätten sich keine Änderungen ergeben. Die Lippe pro Arbeit gGmbH bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 12.05.2005, 10.11.2005, 11.05.2006, 21.11.2006, 14.05.2007, 07.11.2007, 28.04.2008 und 21.10.2008 jeweils die Regelleistung und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft vom 01.06.2005 bis zum 28.02.2009.

Vom 16.01.2009 bis zum 15.01.2010 war der Kläger bei der Fa. X Wach & Werkschutz GmbH beschäftigt. Die Lippe pro Arbeit gGmbH bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 11.03.2009 für Februar 2009 unter Anrechnung des Einkommens Leistungen iHv 241,90 EUR. Da das Einkommen des Klägers bedarfsdeckend war, hob die Lippe pro Arbeit gGmbH die Bewilligung mit Bescheid vom 27.03.2009 ab dem 01.03.2009 auf. Am 17.09.2009 beantragte der Kläger erneut Leistungen. Er gab wiederum an, in seinen Vermögensverhältnissen hätten sich keine Änderungen ergeben. In der "Anlage Vermögen" erklärte er ausdrücklich, nicht über Kapitallebensversicherungen bzw. private Rentenversicherungen zu verfügen. Mit Bescheid vom 17.09.2009 bewilligte die Lippe pro Arbeit gGmbH Leistungen vom 01.10.2009 bis zum 31.03.2010. Vom 16.10.2009 bis zum 01.12.2009 war der Kläger bei der Fa. L Security GmbH beschäftigt. Der Beklagte stellte die Zahlungen an den Kläger im Dezember 2009 ohne förmlichen Aufhebungsbescheid ein.

In den Weiterbewilligungsanträgen vom 16.02.2010, 13.08.2010, 23.02.2011, 11.08.2011, 05.03.2012, 06.08.2012, 11.02.2013 und 08.08.2013 verneinte der Kläger erneut den Eintritt von Änderungen. Die Lippe pro Arbeit gGmbH bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 01.03.2010 und 19.08.2010 die Regelleistung und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft vom 01.04.2010 bis zum 31.03.2011. Eine entsprechende Bewilligung erfolgte durch das Jobcenter Lippe pro Arbeit mit Bescheiden vom 07.03.2011 und 11.08.2011 für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis zum 31.03.2012 und durch den Beklagten mit Bescheiden vom 06.03.2012, 28.08.2012, 22.02.2013 und 02.09.2013 für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 31.10.2013.

Mit Schreiben vom 28.08.2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er sei aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme arbeitsunfähig und habe einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zum 01.11.2013 gestellt. In einer neuen "Anlage VM" am 29.08.2013 kreuzte der Kläger die Frage, ob er eine private Rentenversicherung "mit Prämienrückgewähr" habe, wieder mit "Nein" an. Mit Bescheid vom 02.09.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen vom 01.10.2013 bis zum 31.10.2014.

Mit Bescheid vom 25.09.2013 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Westfalen dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.11.2013. Der monatliche Zahlbetrag belief sich auf 622,81 EUR und lag damit unter dem vom Beklagten zuletzt berücksichtigten Bedarf des Klägers von 707 EUR (382 EUR Regelbedarf zuzüglich 325 EUR Kosten der Unterkunft). Ebenfalls seit dem 01.11.2013 erhält der Kläger monatliche Zahlungen aus der privaten Rentenversicherung iHv 283 EUR. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegt der monatliche Netto-Rentenzahlbetrag bei 720 EUR. Die Unterkunftskosten betragen durchgehend 325 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 01.10.2013 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 01.11.2013 auf.

Mit Schreiben vom 25.09.2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit: "Als ich seinerzeit das Arbeitslosengeld beantragte, habe ich meine Vermögensverhältnisse offengelegt. Dabei habe ich offensichtlich einen Fehler gemacht. Ich hatte vor dem Zeitpunkt der Beantragung von Arbeitslosengeld eine private Rentenversicherung bei der Victoria Lebensversicherung abgeschlossen ( ). Diesen Vertrag habe ich damals nicht angegeben, weil ich der festen Überzeugung war, dass Rentenansprüche nicht zum privaten Vermögen gehören, solange sie zur Auszahlung kommen. Ich habe Herrn X1 G beauftragt, über den bestehenden Vertrag umfassende Auskünfte zu erteilen. Bitte halten Sie mir zugute, dass ich diese Angaben aus Unwissenheit nicht gemacht habe. Die Rente hat einen Kapitalwert von 55.080,79 EUR per 1.11.2013." Der Kläger übersandte dem Beklagten u.a. eine Kopie des Versicherungsscheins und Schreiben über die Wertentwicklung und die Rückkaufshistorie der Police. Mit Schreiben vom 04.04.2014 teilte die Ergo-Versicherung (als Rechtsnachfolgerin der Viktoria-Versicherung) den Rückkaufswert der Lebensversicherung zwischen 2005 und 2013 mit.

Mit Schreiben vom 24.06.2014 hörte der Beklagte den Kläger zu einer Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.10.2013 und einer Erstattung iHv 79.290,18 EUR an. Dem Kläger habe ein jedenfalls mit 25.932,50 EUR über den Freibeträgen liegendes verwertbares Vermögen zur Verfügung gestanden. Deswegen sei er nicht hilfebedürftig gewesen. Der Kläger wandte ein, der Rückforderungsbetrag sei allenfalls auf den den Freibetrag übersteigenden Betrag des verwertbaren Vermögens begrenzt. Die Rückforderung sei ausgeschlossen, weil sie für ihn eine besondere Härte bedeute. Ohne die private Rentenversicherung müsse er mit einer gesetzlichen Rente iHv 635,70 EUR unterhalb des Grundsicherungsniveaus auskommen. Zum Zeitpunkt der Erstantragstellung mit 51 Jahren sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, bedarfsdeckende Rentenansprüche zu erarbeiten. Eine außergewöhnliche Härte sei in seiner Erwerbsbiographie in der DDR, in seinen weitgehend kurzfristigen Tätigkeiten nach 1990 und dem Bezug von Transferleistungen nach 2000 begründet. Gleichzeitig beantragte der Kläger, ihm die Forderung zu erlassen.

Mit Bescheid vom 03.12.2014 nahm der Beklagte die Bescheide vom 15.11.2004, 12.05.2005, 10.11.2005, 11.05.2006, 21.11.2006, 14.05.2007, 07.11.2007, 28.04.2008, 21.10.2008, 17.09.2009, 01.03.2010, 26.08.2010, 07.03.2011, 11.08.2011, 06.03.2012, 28.08.2012, 22.02.2013 und 02.09.2013 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 11.05.2006, 02.06.2007, 18.05.2008, 24.10.2008, 24.11.2008, 11.03.2009, 09.10.2009, 24.11.2009, 09.02.2010, 26.03.2011, 11.08.2011, 24.10.2011, 26.11.2011 und 12.03.2012 für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 28.02.2009, vom 01.10.2009 bis zum 30.11.2009 und vom 01.01.2010 bis zum 31.10.2013 zurück und forderte vom Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv 65.744,01 EUR, Beiträge zur Krankenversicherung iHv 12.271,74 EUR und Beiträge zur Pflegeversicherung iHv 1.651,70 EUR zurück. Der Kläger habe während des Leistungsbezugs anrechenbares Vermögen iHv 25.932,50 EUR gehabt. Da es ihm durchgehend möglich gewesen sei, die Versicherung zurückzukaufen, habe ihm diese auch zur Verfügung gestanden. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X seien erfüllt. Der Kläger habe in den Anlagen "VM" jeweils mitgeteilt, nicht über eine private Lebensversicherung zu verfügen und auch im Übrigen angegeben, es hätten sich keine Änderungen ergeben. Da der Kläger trotz der Hinweise in seinen Leistungsanträgen mit seiner Unterschrift bestätigt habe, vollständige Angaben zu machen, habe er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Der Bescheid enthält eine detaillierte Auflistung darüber, welche Leistungen dem Kläger für welchen Monat gewährt worden waren und aus welchen Leistungsarten diese sich zusammensetzten. Mit Schreiben vom 03.12.2014 teilte der Beklagte mit, ein Erlass könne erst nach bestandskräftiger Aufhebungsentscheidung erfolgen.

Am 15.12.2014 erhob der Kläger Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2015 änderte der Beklagte die Rücknahme und Erstattung auf 65.366,74 EUR für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, auf 12.020,49 EUR für die Krankenversicherungsbeiträge und auf 1.616,11 EUR für die Beiträge zur Pflegeversicherung ab, weil für November 2009 zu hohe und für Januar 2011 bis Oktober 2011 zu niedrige Leistungen zurückgefordert worden seien. Im Übrigen seien die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für Januar 2009 und Oktober 2009 falsch beziffert worden. Der Beklagte verweist im Übrigen auf seine Ausführungen im Ausgangsbescheid. Aufgrund der Erklärungen des Klägers im Schreiben vom 25.09.2013 sei sogar von bewusst falschen Angaben auszugehen.

Am 03.03.2015 hat der Kläger beim Sozialgericht Detmold Klage gegen den Bescheid vom 03.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2015 erhoben. Ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen hat er vorgetragen, im Zuge der von ihm beabsichtigten Beitragsfreistellung sei es im Jahr 2003 zu einem Gespräch mit Herrn X2 als Vertreter der Victoria-Versicherung gekommen. Herr X2 habe ausgeführt, es handele sich bei der Versicherung um eine angemessene Altersvorsorge, die der Staat auch Arbeitslosen belasse. Er brauche nicht zu befürchten, diese einsetzen zu müssen, und solle sie deshalb aufrechterhalten. Hierauf habe er sich verlassen. Ihm sei keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen, denn der Beklagte habe im Grundantrag nur nach "verwertbaren Vermögensgegenständen" gefragt. Aus seiner Sicht seien damit nur liquide Vermögensgegenstände angesprochen worden. Ein solcher sei die Rentenversicherung nach Auskunft seines Vertreters gerade nicht gewesen. Da die Arbeitslosenhilfe entsprechendes Vermögen noch geschützt habe, sei ein ausdrücklicher Hinweis des Beklagten geboten gewesen. Er habe sich keinen Vorteil verschaffen, sondern nur um seine Altersvorsorge kümmern wollen. Das Schreiben an den Beklagten vom 25.09.2013 habe er abgeschickt, weil die Auszahlung seiner Versicherung unmittelbar bevorgestanden habe. Er habe einen Widerspruch zwischen dem erkannt, was der Versicherungsvertreter und "das Arbeitsamt" ihm gesagt hätten.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 03.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2015 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2016 (nach entsprechender Anhörung der Beteiligten) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die Aufhebung zu Recht auf §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 iVm 45 Abs. 1, 4 SGB X iVm 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II sowie 330 Abs. 2 SGB III gestützt. Der Bescheid sei hinreichend bestimmt, denn er nenne sämtliche aufzuhebende Bescheide und die betroffenen Zeiträume. Der Bescheid sei innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ergangen. Die den Beginn der Jahresfrist auslösende Kenntnis sei erst anzunehmen, wenn die Behörde eine sichere Informationsgrundlage hinsichtlich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung maßgeblicher Tatsachen habe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte noch mit Schreiben vom 01.10.2013 und 09.09.2014 Ermittlungen hinsichtlich der Rückkaufsmöglichkeit, der Verwertbarkeit und des Substanzwertes der Rentenversicherung vorgenommen habe. Auch die Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Nr. 3 SGB X sei gewahrt. Die Bewilligungsbescheide seien iSv § 45 SGB X rechtswidrig gewesen, weil der Kläger aufgrund des bei ihm vorhandenen verwertbaren Vermögens nicht hilfebedürftig gewesen sei. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn die Bescheide beruhten auf Angaben, die der Kläger in wesentlicher Hinsicht zumindest grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig gemacht habe.

Am 18.02.2016 hat der Kläger Berufung gegen den ihm am 18.01.2016 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt.

Die Beteiligten wiederholen ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Der Beklagte verweist ergänzend auf die Ausführungen des Sozialgerichts.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 14.01.2016 zu ändern und den Bescheid vom 03.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine Auskunft der Versicherung über die Kündigungsmöglichkeiten eingeholt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig, soweit der Beklagte Leistungen bis zum 30.11.2009 aufhebt und eine entsprechende Erstattung fordert. Soweit der Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 01.12.2009 bis zum 31.10.2013 zurücknimmt und eine Erstattung für diesen Zeitraum fordert, ist der Bescheid rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG und die Berufung des Klägers begründet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 03.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2015, den der Kläger zutreffend mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) angreift.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 24.06.2014 zu der beabsichtigten Rücknahme iSv 24 SGB X in hinreichender Weise angehört.

Der Beklagte ist als seit dem 01.01.2012 zugelassener kommunaler Träger iSd § 6d SGB II (Anlage zu § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung) befugt, auch die für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2011 erlassenen Bewilligungsbescheide aufzuheben und Erstattungen zu fordern. Er ist gem. § 6b Abs. 1 SGB II anstelle der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen seiner örtlichen Zuständigkeit Leistungsträger auch für die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II bezeichneten Leistungen. Soweit damit im Hinblick auf die durch den angefochtenen Bescheid aufgehobenen Leistungen ein Trägerwechsel stattgefunden hat, ist der Beklagte gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB II Rechtsnachfolger der bis dahin zuständigen Leistungsträger (zum Übergang von einer gemeinsamen Einrichtung in eine kommunale Trägerschaft ausdrücklich BT-Drucks. 17/1555 S. 33, zur umfassenden Wirkung der Rechtsnachfolge gem. § 76 Abs. 2 SGB II vgl. näher Weißenberger, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 76 Rn. 3).

Der Bescheid ist hinreichend bestimmt iSv 33 Abs. 1 SGB X. Er benennt die zurückgenommenen Bescheide, die von der Rücknahme betroffenen Zeiträume und stellt für jeden Monat die bewilligten und den nach Auffassung des Beklagten dem Kläger tatsächlich zustehenden Leistungsbetrag sowie die zur Erstattungssumme führende Differenz dar.

Der Umstand, dass der Beklagte über den mit Schreiben vom 16.10.2014 beantragten Erlass gemäß 44 SGB II bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht entschieden hat, hat auf die Rechtmäßigkeit des Rücknahme- und Erstattungsbescheides keinen Einfluss (BSG Urteil vom 25.04.2018 - B 4 AS 29/17 R).

Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2009 ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 45 Abs. 1 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gem. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III ist das nach § 45 Abs. 1 SGB X bestehende Ermessen aufgehoben, soweit die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts vorliegen.

Die für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2009 erlassenen Bewilligungsbescheide sind rechtswidrig. Der Kläger war nicht hilfebedürftig iSv §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II, weil er über gemäß § 12 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigendes und nicht gemäß §§ 12 Abs. 2, 3 SGB II geschütztes Vermögen verfügte.

Bei der privaten Rentenversicherung des Klägers handelte es sich um einen verwertbaren Vermögensgegenstand iSv 12 Abs. 1 SGB II. Ein Verwertungsausschluss, der den Kläger an der Realisierung des jeweiligen Rückkaufswerts gehindert hätte, lag nicht vor. Die Rückkaufswerte, die in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2009 durchgehend zwischen 31.846,26 EUR und 34.332,50 EUR lagen, konnten vom Kläger jeweils zum 01.11. eines jeden Jahres mit einer Kündigungsfrist von einem Monat und damit bereits vor Beginn der Leistungsbewilligung am 01.01.2005 realisiert werden.

Das Vermögen überstieg die Freibeträge gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Hiernach sind vom Vermögen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner, mindestens aber jeweils 3100 EUR abzusetzen; der Grundfreibetrag darf für jede volljährige Person und ihre Partnerin oder ihren Partner jeweils den nach Satz 2 maßgeblichen Höchstbetrag (im Fall des Klägers gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB II 9750 EUR) nicht übersteigen. Vor dem 01.08.2006 waren gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II pro Jahr 200 EUR, mindestens aber 4100 EUR abzusetzen; der Höchstbetrag gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB II lag für den vor dem 01.01.1958 geborenen Kläger bei 13000 EUR. Diese Beträge werden durch die Rückkaufswerte durchgehend überschritten.

Die Versicherung des Klägers war nicht gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II geschützt. Nach dieser Vorschrift war im gesamten von der Aufhebung und Rückforderung betroffenen Zeitraum Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens vom Vermögen abzusetzen. Ein solches Vermögen liegt nur vor, wenn ein nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt (BSG Urteile vom 15.04.2018 - B 14 AS 27/07 R und B 14/7b AS 52/06), was bei der Lebensversicherung des Klägers nicht der Fall ist.

Die Versicherung des Klägers war nicht gemäß 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II geschützt. Geschützt waren gemäß sämtlichen für den Rücknahmezeitraum maßgeblichen Fassungen der Norm, die jeweils unterschiedliche Freibeträge vorsahen, geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann. Voraussetzung für die Vermögensprivilegierung ist, dass die Verwertbarkeit des Anspruchs durch eine unwiderrufliche Vereinbarung ausgeschlossen ist. Eine Kapitallebensversicherung ohne Verwertungsausschluss kann nicht anerkannt werden, selbst wenn ihre Fälligkeit erst mit Vollendung des 60. Lebensjahres vereinbart worden ist (Radüge/Formann, in: Juris-PK SGB II, § 12, Rn. 90). Ein entsprechender Verwertungsausschluss liegt hier nicht vor.

Eine Nichtberücksichtigung der Versicherung nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II scheidet aus, weil der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.

Für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2009 war die Versicherung des Klägers auch nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II geschützt. Danach sind Sachen und Rechte, geschützt, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung liegt nur vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Gegenstandes steht. Als "wirklicher Wert" ist der Substanzwert anzusehen. Bei Rentenversicherungen bzw. Kapitallebensversicherungen liegt der Substanzwert in den eingezahlten Beiträgen und der Verkehrswert im Rückkaufswert der Versicherung. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit ist nicht anzunehmen, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14 AS 27/07 R; Radüge/Formann in Juris-PK SGB II, § 12, Rn. 158, 160). Bei Rentenversicherungen bzw. Kapitallebensversicherungen ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Jedenfalls bei einer Verlustquote von 12,9 % ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit noch nicht erreicht (BSG Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 66/06 R). Nach diesen Maßgaben ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung hier nicht ersichtlich. Nur im Jahr 2011 liegt der Rückkaufswert mit 31.736,17 EUR geringfügig unter dem Wert der eingezahlten Beiträge (31.777,40 EUR), im Übrigen liegt er darüber.

Eine besondere Härte der Vermögensverwertung iSv § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II liegt für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2009 nicht vor. Eine solche ist anzunehmen, wenn außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte und die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen erfasst werden. Insofern ist eine Atypik des Falles erforderlich (BSG Urteile vom 15.04.2008 - B 14 AS 27/07 R und vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R). Bei Altersvorsorgevermögen liegt eine besondere Härte der Verwertung in der Regel nicht vor, wenn es dem Hilfebedürftigen möglich war, einen Verwertungsausschluss zu vereinbaren und damit den Schutz der 12 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 SGB II herbeizuführen. Die Unmöglichkeit der Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses reicht für die Annahme einer besonderen Härte aber nicht aus; vielmehr müssen anderweitige außergewöhnliche Umstände hinzutreten, die im Allgemeinen in der Erwerbsbiographie des Hilfebedürftigen begründet sind. Außergewöhnliche Umstände liegen in der Regel nicht vor, wenn der Hilfebedürftige vom Lebensalter her noch Chancen für den Aufbau einer bedarfsdeckenden Alterssicherung durch Erwerbstätigkeit hat, atypische Erwerbsbiographien nicht vorliegen und voraussichtliche Renteneinkünfte deutlich über dem Niveau der Regelleistung liegen (insgesamt hierzu BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R). Im Hinblick auf die Chancen für den Aufbau einer Alterssicherung und die Höhe der voraussichtlichen Renteneinkünfte ist auf den jeweiligen Bewilligungszeitpunkt abzustellen (BSG Urteil vom 25.04.2018 - B 4 AS 29/17 R). Lücken in den Rentenanwartschaften, die auf langjähriger Arbeitslosigkeit beruhen, reichen für die Annahme einer besonderen Härte allein nicht aus (BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14 AS 27/07 R; Radüge/Formann, in: Juris-PK SGB II, § 12 Rn. 186). Eine atypische Erwerbsbiographie, die für sich genommen eine besondere Härte begründet, ist beim Kläger nicht festzustellen. Der Kläger war von 1972 bis 2001 durchgehend in rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungen tätig, auch wenn seine Arbeitsverhältnisse nach 1990 überwiegend nicht mehr seiner ursprünglichen Qualifikation entsprochen haben. Größere Lücken durch Arbeitslosigkeit sind beim Kläger erst ab dem Jahr 2001 erkennbar. Dem im Jahr 2005 51 Jahre alten Kläger war es zunächst noch möglich, bis zum Renteneintrittsalter Anwartschaften zu erwerben, die zu einer bedarfsdeckenden Rentenzahlung führten.

Das nach diesen Maßgaben zu berücksichtigende Vermögen des Klägers schließt den Anspruch des Klägers für die von der Rücknahme erfassten Zeiträume insgesamt aus. Ein "fiktiver Verbrauch" des tatsächlich durchgängig vorhandenen Vermögens ist unmaßgeblich. Verwertbares Vermögen steht der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegen, solange es tatsächlich vorhanden ist (hierzu ausführlich BSG Urteil vom 25.04.2018 - B 14 AS 29/17 R).

Die Bewilligungsbescheide bis zum 30.11.2009 sind für die Vergangenheit aufzuheben. Die Einschränkungen von § 45 Abs. 2 SGB X gelten nicht, da der Kläger sich gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Der Kläger hat die Rentenversicherung in den Erstanträgen und in den zahlreichen Weiterbewilligungsanträgen nicht angegeben, und zwar weder in dem Grundantrag (der Rentenversicherungen exemplarisch als Vermögen aufführte) noch in der den Erstanträgen beigefügten Anlage "VM" (in der der Beklagte ausdrücklich nach privaten Rentenversicherungen fragte). Diesbezüglich ist ihm grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung vorzuhalten. Die Fragestellung in den Anträgen des Beklagten ist eindeutig. Auch der Bezug des Beklagten auf "verwertbares Vermögen" im Grundantrag ist nicht missverständlich, denn der Begriff der "Verwertbarkeit" bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, dass eine Verwertung möglich und nicht dass sie obligatorisch ist. Im Übrigen war es dem Kläger nicht vorbehalten, die Angabe von Vermögensgegenständen, nach denen ausdrücklich gefragt wurde, von seiner eigenen rechtlichen Wertung abhängig zu machen. Eine mögliche Falschberatung durch den Versicherungsvertreter X2 im Jahr 2003 könnte den Kläger nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entlasten. Selbst wenn der Kläger eine entsprechende Information bekommen hätte, hätte er die Versicherung angeben und im Zweifelsfall beim Beklagten nachfragen müssen. Eine Änderung der Rechtslage gegenüber der vorherigen Arbeitslosenhilfe (§ 1 Abs. 3 AlHiV 2002, hierzu BSG Urteil vom 14.09.2005 - B 11a/11 AL 71/04 R) ist nicht eingetreten, weshalb auch ein solcher Gesichtspunkt den Kläger nicht vom Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit entlastet. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger aus individuellen Gründen, etwa wegen einer Krankheit oder Behinderung, an einer entsprechenden subjektiven Einsichtsfähigkeit gefehlt haben könnte, sind nicht ersichtlich.

Da der Kläger die Lebensversicherung dem Beklagten mit Schreiben vom 25.09.2013 aus freien Stücken angezeigt hat, sieht der Senat allerdings keine Anhaltspunkte für vorsätzliches Verhalten des Klägers.

Der Beklagte hat die Fristen des § 45 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten und war gemäß den §§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 2, 3 SGB II von der Ermessensausübung entbunden. Die Pflicht zur Erstattung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beruht auf 40 Abs. 1 Satz 1, SGB II iVm 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind gem. §§ 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II, 335 Abs. 1 und 5 SGB III zu erstatten.

Soweit der Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 01.12.2009 bis zum 31.10.2013 zurückgenommen und eine Erstattung für diesen Zeitraum festgesetzt hat, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und die Berufung des Klägers begründet. Für diese Zeit steht einer Pflicht zur Verwertung der Rentenversicherung eine besondere Härte iSv § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II (hierzu ausführlich Geiger in LPK - SGB II, 6.Aufl. § 12 Rn.82) entgegen. Nach der Beendigung der Beschäftigung bei der Fa. L GmbH war der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt das 56. Lebensjahr vollendet hatte, auf dem Arbeitsmarkt nur noch schwer vermittelbar und hatte damit keine Chance zum Aufbau einer bedarfsdeckenden Altersvorsorge mehr. Die Vermittlungseinschränkungen wurden durch den zwischenzeitlichen langjährigen Leistungsbezug des Klägers, seine Beschäftigung in einem ausbildungsfernen Beruf und die Kündigung des letzten Beschäftigungsverhältnisses weiter erschwert. Während des Bezuges der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 2005 bis 2009 waren zu den bisher erworbenen Rentenanwartschaften des Klägers nur in geringem Umfang weitere Rentenanwartschaften hinzugekommen. Die dem Kläger von der DRV bewilligte Altersrente erreicht den Grundsicherungsbedarf weiterhin nicht, denn einer Rente iHv netto 720 EUR steht ein Grundsicherungsbedarf des Klägers iHv 741 EUR (Regelbedarf gemäß §§ 27a Abs. 2, 28, 28 a Abs. 1 Satz 1 SGB XII iVm §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG iHv 416 EUR zuzüglich Kosten der Unterkunft iHv 325 EUR) gegenüber. Der Kläger wäre hiernach prognostisch bei Verwertung der privaten Rentenversicherung und ohne einen - nicht absehbaren - anderweitigen Zufluss von Einkommen oder Vermögen - lebenslang auf Leistungen nach dem SGB XII angewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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