L 8 R 395/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 39 R 185/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 395/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.03.2013 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2011 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten für eine zahnprothetische Versorgung.

Der am 00.00.1952 geborene, bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversicherte Kläger ist seit dem 23.08.1993 beim Land Nordrhein-Westfalen als Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt und unterrichtet seit dem 01.08.2006 am Weiterbildungskolleg D-M Gelsenkirchen im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung Absolventen des Zweiten Bildungsweges in den Fächern Deutsch und Philosophie. Das Unterrichtsfach Musik wird an dieser Bildungseinrichtung seit 2006 nicht unterrichtet. Vor seiner Versetzung an das Weiterbildungskolleg D-M hatte der Kläger vom 23.09.1996 bis zum 21.07.2004 am F-C-Gymnasium D in beiden Sekundarstufen die Fächer Deutsch, Philosophie und Musik unterrichtet. Das Fach Musik schloss dabei die praktische Einweisung in den Gebrauch von Musikinstrumenten sowie das gemeinsame Musizieren ein. In diesen Teilen des Unterrichts bediente sich der Kläger schwerpunktmäßig seines Erstinstruments, der Klarinette.

Im Jahr 1964 erlitt der Kläger bei einer nicht nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]) versicherten Unfall, bei dem er seine vorderen Schneidezähne verlor. Die Versorgung erfolgte zunächst mittels einer (Draht-) Klammerprothese. Im Jahr 1995 wurde - nach vorheriger Gewährung eines Zuschusses durch die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) - eine festsitzende Brücke eingegliedert.

Nachdem sich der Kläger im Herbst 2010 in die zahnärztliche Behandlung des Facharztes für Zahnmedizin Dr. S begeben hatte, erstellte dieser am 04.10.2010 einen Heil- und Kostenplan für eine zahnprothetische Maßnahme zur "Erneuerung der Oberkieferbrücke aus 1995 wegen Facettenfrakturen der Zähne 13 bis 23, 24, 25, 14, 15". Darauf kalkulierte er in der Rubrik "III. Kostenplanung" die zu erwartenden Gesamtkosten der prothetischen Versorgung auf ca. 5.900,00 Euro (Vermerk v. 7.10.2010).

Nachdem der Kläger den Heil- und Kostenplan der Beigeladenen zugeleitet hatte (Eingang am 11.10.2010), vermerkte diese am 11.10.2010 darauf eine Bezuschussung in Höhe von 1.338,78 Euro. Mit Bescheid vom 11.10.2010 bewilligte sie einen Zuschuss zur Regelversorgung in entsprechender Höhe. Diesen - nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Bescheid hat der Kläger nicht angefochten.

Am 03.11.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung der verbliebenen Gesamtkosten des Zahnersatzes als Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Zur Begründung verwies er auf Artikulationsstörung, die seine Berufsausübung als Gymnasiallehrer zunehmend beeinträchtige. Diese Einschränkung könne nur durch eine Erneuerung der Brücke aus dem Jahr 1995 behoben werden. Sofern dem Antrag nicht stattgegeben werde, erscheine eine Weiterbeschäftigung als Lehrer nicht möglich, da seine Artikulationsfähigkeit in diesem Fall dauerhaft so gestört wäre, dass eine erfolgreiche Unterrichtstätigkeit nicht mehr möglich sei.

Mit Bescheid vom 18.11.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Zuschusses zur zahnärztlichen Behandlung einschließlich Zahnersatz als Leistung zur medizinischen Rehabilitation ab. Ein solcher werde nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nur gewährt, wenn die Leistung zur Ausübung des bisherigen Berufes erforderlich sei. Die Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe sich dabei nur auf Tätigkeiten, für deren Ausübung der Kopfraum (Mund und Zähne) unmittelbar besonderen Belastungen ausgesetzt sei, nicht dagegen auf solche, bei denen auch optischen Anforderungen bereits mit Zahnersatzlösungen üblichen Standards Rechnung getragen werden könne. Diene der Zahnersatz lediglich der Besserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und bezwecke er im Hinblick auf die konkrete Berufsausübung nicht unmittelbar oder gezielt die Abwendung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Erwerbsfähigkeit, komme eine Leistungserbringung nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 13.11.2010 Widerspruch. Durch die Ablehnung der Leistung sei er außerstande, seinen Beruf als Lehrer mit dem damit im Allgemeinen und zumal mit den Fächern Deutsch, Philosophie und Musik verbundenen hohen Sprachanteil auszuüben. Die ursprünglich unzureichende Versorgung des im Jahr 1964 erlittenen Zahnschadens habe Minderwertigkeitskomplexe gegenüber seinen Altersgenossen ausgelöst und eine gehemmte und mangelhafte Artikulation bewirkt. Erst eine während seines Zivildienstes erfolgte Versorgung mit einer festsitzenden Brücke habe eine hemmungsfreie, verständliche Artikulation ermöglicht und die Aufnahme seines Wunschstudiums, dem Studium der Pädagogik für das Lehramt an Gymnasien mit den Fächern Deutsch, Philosophie, Musik und Pädagogik ermöglicht. Sein behandelnder Zahnarzt habe zudem ein auf die psychosozialen Auswirkungen seiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer zurückzuführendes "Zähneknirschen" (Bruxismus) festgestellt. Ergänzend beantragte der Kläger die Übernahme der nach Abzug des Festbetragszuschusses der Beigeladenen verbliebenen Restkosten der zahnärztlichen Versorgung als persönliches Budget.

Mit Schreiben vom 13.12.2010 leitete die Beklagte den Leistungsantrag an die Beigeladene weiter, wo dieser am 20.12.2010 einging. Zur Begründung erklärte die Beklagte, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen gemäß § 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) i.V.m. § 26 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) seien nicht erfüllt. Es liege jedoch ein Rehabilitationsbedarf im Sinne des SGB IX vor. Mit Schreiben gleichen Datums informierte die Beklagte den Kläger über die Weiterleitung des Antrags an die Beigeladene.

Nachdem die Beigeladene die ihr übersandten Vorgänge unter dem 21.12.2010 an die Beklagte zurückgesandt hatte, teilte der Kläger der Beigeladenen per Mail vom 20.2.2011 mit, es bestehe möglicherweise ein Rehabilitationsbedarf nach dem SGB IX. Die Beigeladene stellte sodann mit - nicht von dem Kläger angefochtenem - Bescheid vom 04.03.2011 einen Anspruch auf Zahlung eines Festbetrages in Höhe von 1.442,90 Euro fest.

Nachdem der Zahnersatz am 10.02.2011 eingegliedert worden war, bewilligte die Bezirksregierung Münster auf den Antrag des Klägers vom 08.03.2011 eine Beihilfe zum Zahnersatz in Höhe von 1.355,81 Euro (Bescheid v. 10.03.2011).

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Vertiefung der AusfühSn des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Gemäß § 26 SGB IX i.V.m. § 15 Abs. 1 SGB VI erbringe ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen zur Rehabilitation in Form zahnärztlicher Behandlung einschließlich der Versorgung mit festem oder herausnehmbaren Zahnersatz, wenn diese unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, insbesondere zur Ausübung des bisherigen Berufes erforderlich sei und soweit sie nicht als Leistung der Krankenversicherung oder als Hilfe nach dem Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu erbringen sei. Eine besondere berufliche Zielsetzung liege jedoch nur vor, wenn die Behandlung nicht bereits aus zahnmedizinischer Sicht geboten sei, weshalb die Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Rentenversicherung auf besondere Berufe, wie etwa Blasmusiker, Sänger, Schauspieler usw., beschränkt sei. Bezogen auf den Beruf des Gymnasiallehrers an einem Weiterbildungskolleg sei nicht ersichtlich, dass der Zahnersatz einer wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit diene und eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben darstelle. Der Zahnersatz sei lediglich zur Besserung des allgemeinen Gesundheitszustandes notwendig, ohne speziell, unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung der Erwerbsfähigkeit und zur Ausübung des bisherigen Berufes erforderlich zu sein. Auch das Bundessozialgericht (BSG) bejahe eine Leistungsverpflichtung des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers lediglich bei speziellen Berufen, wie etwa dem des Berufsmusikers, der vornehmlich Blasinstrumente spiele und demgemäß unmittelbar zur Ausübung seines Berufes auf einen besonders guten Zahnersatz angewiesen sei. Den Beruf als Gymnasiallehrer an einem Weiterbildungskolleg könne der Kläger indessen mit Zahnersatz ausüben, wie ihn die Krankenkasse üblicherweise finanziere.

Die Gewährung eines persönlichen Budgets komme wegen der aus diesen Gründen fehlenden Anspruchsvoraussetzungen gleichfalls nicht in Betracht, da es sich insoweit nicht um eine eigenständige Leistung, sondern lediglich um eine spezifische Art der Leistungserbringung handele.

Mit der am 17.03.2011 zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat der Kläger sein auf die Erstattung der Kosten der zahnprothetischen Versorgung unter Abzug des Festbetrages der Beigeladenen und der von der Bezirksregierung Münster bewilligten Beihilfe gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Die Beklagte berücksichtige seine Unterrichtstätigkeit nicht angemessen. Er besitze die Lehrbefähigungen für die Fächer Deutsch, Philosophie, praktische Philosophie und Musik und werde - nach Feststellung des Bedarfes durch seinen Arbeitgeber - in diesen Fächern eingesetzt. Soweit die Beklagte auf die Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung verweise, sei dies "irreführend und abwegig". Auch verfange der Verweis auf die Arbeitsanweisungen "Zahnersatz" der Deutschen Rentenversicherung (DRV) nicht, nach deren Inhalt die Zuständigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung nur bestehe, wenn die Zahnversorgung unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit insbesondere zur Ausübung des bisherigen Berufes erforderlich sei und soweit sie nicht zur Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten. Bei ihm sei der beantragte Zahnersatz nämlich zwingend erforderlich, um eine für ihn als Lehrkraft, für Schüler, Eltern und Kollegen zumutbare sprachliche Artikulation zu gewährleisten. Der hohe Sprachanteil des Lehrers bedinge, dass der Kopfraum unmittelbar besonderen Belastungen ausgesetzt sei. Diesen besonderen Belastungen könne nur durch eine festsitzende Brücke statt einer "Klammerlösung" entsprochen werden. Zudem sei die Beklagte aus Gründen "innerbetrieblicher Übung" sowie nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung zur Leistungsgewährung verpflichtet, nachdem sie die im Jahr 1995 eingegliederte Brücke ebenfalls bezuschusst habe.

Zur weiteren Begründung verwies der Kläger auf ein Gutachten von Dr. C, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Westfalen-M, vom 16.02.2009 sowie auf einen Arztbrief von Dr. Q, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, vom 13.02.2009, in dem dieser eine stationäre Tinnitusbehandlung befürwortet hatte. Auf den Inhalt der Berichte wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Schließlich liege eine unzulässige Diskriminierung aufgrund seines Alters vor, da nur knapp die Hälfte der Menschen zwischen dem 55. und dem 65. Lebensjahr überhaupt noch erwerbstätig sein, was ein bedenkliches Bild für die Qualität der Rehabilitation in dieser Altersgruppe zeige.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2010 bzw. 11.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2011 zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug genommen und ergänzend vorgetragen: Der Gesetzgeber habe die Grundentscheidung getroffen, die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bei Zahnersatz auf Festbeträge zu beschränken. Hieraus könne keine Verpflichtung der gesetzlichen Rentenversicherung zu ergänzenden Leistungen abgeleitet werden. Zudem könne der Kläger seine bisherige Tätigkeit als Lehrer mit einem von der Krankenkasse bezuschussten Zahnersatz weiterhin ausüben. Soweit er auf eine - möglicherweise rechtswidrige - Leistungsbewilligung aus dem Jahre 1995 verweise, begründe dieser Aspekt keinen neuerlichen Leistungsanspruch, zumal im Jahre 2000 ein weiterer Leistungsantrag des Klägers abgelehnt worden sei.

Das SG hat zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs von Amts wegen Beweis erhoben durch Beiziehung eines Befund- und Behandlungsberichtes von Dr. S, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Sodann hat das SG die Sach- und Rechtslage im Rahmen eines Erörterungstermins am 14.10.2011 erörtert und den Kläger zur Ausgestaltung seiner beruflichen Tätigkeit befragt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Im Anschluss hat das SG von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens von Dr. Q1. Auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens vom 22.03.2012 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihm am 05.04.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.04.2013 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend verweist er auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. K. P, Institut für zahnärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung und Behandlungsprüfung (IZWP), vom 19.05.2014, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Durch die ihm vorenthaltene angemessene zahnmedizinische Versorgung entsprechend dem Stand der Zahnmedizin werde er als tarifbeschäftige Lehrkraft im Verhältnis zu beamteten privatversicherten Lehrkräften diskriminiert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.03.2013 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2011 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, an ihn 3.492,91 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Weder gehöre der Kläger zum anspruchsberechtigten Personenkreis gemäß § 15 Abs. 1 SGB VI i.V.m. den Grundsätzen der Rentenversicherung über Zahnersatz als Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI, noch sei die gesetzliche Rentenversicherung generell verpflichtet, Leistungen zum Zahnersatz zu erbringen. Diese Leistungen seien vielmehr dem Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Mit Schreiben vom 24.01.2017, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat sie die Berechnungsgrundlagen des bewilligten befundbezogenen Festbetragszuschusses in Höhe von 1.442,90 Euro präzisiert.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers im Rahmen des § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Zahnmedizin K gehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens des Herrn K vom 28.04.2014 Bezug genommen.

Anlässlich eines Erörterungstermins vom 01.10.2014 hat der Senat den Kläger ergänzend befragt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Sodann hat der Senat von Amts wegen eine ergänzende zahnärztliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Q1 vom 15.06.2016 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 25.01.2017 haben die Sachverständigen ihre gutachterlichen Einschätzungen erläutert. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Beigeladenen sowie der Bezirksregierung Münster. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die am 22.04.2013 schriftlich eingelegte Berufung des Klägers gegen das ihm am 05.04.2013 zugestellte Urteil des SG Gelsenkirchen vom 15.03.2013 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).

II. Die Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie ist begründet, soweit das SG den Bescheid der Beklagten vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2010 nicht aufgehoben hat (hierzu 1.). Hinsichtlich des darüber hinausgehend verfolgten Anspruchs des Klägers auf Erstattung der Kosten des Zahnersatzes ist sie indessen nicht begründet (hierzu 2.).

1. Die auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2010 gerichtete Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 SGG) ist begründet. Dieser Verwaltungsakt beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er aus nicht unbeachtlichen formellen Gründen rechtswidrig ist.

a) Die Beklagte war im Verhältnis zum Kläger für die Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur zahnärztlichen Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz nicht zuständig. Die Entscheidung über die Rehabilitationsleistung oblag allein der Beigeladenen.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 95 zu Nr. 5 und S. 102 f. zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Vorschriften für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der gesetzlichen Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt (§ 14 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB IX). Andernfalls stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, Rdnr. 15 ff.; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 4, Rdnr. 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Rdnr. 21, 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche und ausschließliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX und §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verweist (BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 4, Rdnr. 14-16).

Erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er - ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben - das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (vgl. § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, Rdnr. 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 7, Rdnr. 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 21, Rdnr. 24).

aa) Nach diesen Grundsätzen ist die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Kostenerstattung im Sinne des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist Rehabilitationsträger für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§§ 5 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Bei ihr hat der Kläger - spätestens - mit Eingang des Heil- und Kostenplans des Dr. S vom 4.10.2010 am 11.10.2010 einen Antrag auf Kostenerstattung für die Zahnbehandlung gestellt.

bb) Die Beigeladene ist damit im Außenverhältnis zum Kläger mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX für das auf die Gewährung eines Zuschusses zur zahnprothetischen Versorgung ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.06.2014, L 16 R 923/13, juris, Rdnr. 29).

Der Antrag des Klägers bei der Beigeladenen richtet sich gemäß der Auslegungsregel des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) auf eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuchs, also des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung bestmögliche zahnmedizinische Versorgung. Durch eine dahingehende Auslegung wird die Aufspaltung des Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich einen auf die Bewilligung des Festbetrages und einen weiteren Antrag auf Bewilligung der darüber hinausgehenden Kosten der Zahnbehandlung ausgeschlossen (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R = SozR 4-3250 § 14 Nr. 19 Rdnr. 21 [Hörgerätversorgung]). Das BSG hat diese Auslegungsmaßstäbe ausdrücklich auf Sachverhalte übertragen, in denen - wie im vorliegenden Fall - eine zahnprothetische Versorgung beantragt worden ist. Auch in derartigen Konstellationen ist ein einmal gestellter Antrag umfassend, d.h. auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten (BSG, Beschluss v. 03.02.2015, B 13 R 261/14 B, juris, Rdnr. 8 m.w.N.).

cc) Dem kann die Beigeladene nicht entgegenhalten, ihr sei vor Erlass des endgültigen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides über die Festsetzung eines Festbetrages vom 4.3.2011 ein etwaiger, auf dem Boden anderer sozialleistungsrechtlicher Vorschriften bestehender Leistungsansprüche unbekannt geblieben. Zum einen hatte die Beklagte mit Schreiben vom 13.12.2010 den dort gestellten Antrag nebst Anlagen an die Beigeladene übermittelt; darüber hinaus hat auch der Kläger die Beigeladene ausweislich der von dem Senat beigezogenen Verwaltungsvorgänge per Mail vom 20.2.2011 unter Hinweis auf das Schreiben der Beklagten vom 13.12.2010 an einen möglicherweise bestehenden Rehabilitationsbedarf nach SGB IX erinnert.

Die Beigeladene kann sich auch nicht darauf berufen, ihr seien die für die Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben bei der Bearbeitung des Heil- und Kostenplans nicht zugänglich gewesen. Dieses folgt aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX i.V.m. dem Gebot zur Amtsermittlung nach § 20 Abs. 1 SGB X. Im Zweifel will der Versicherte die ihn günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, d.h. auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommende Leistungen und Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Die Frage, ob die zahnmedizinische Versorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt werde, ist - insbesondere auch wegen der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (vgl. § 9 SGB X) - durch eine einfache Rückfrage bei dem Versicherten zu ermitteln.

dd) Nachdem die Beigeladene den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen nach dessen Eingang weitergeleitet hatte, oblag es allein ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf des Klägers festzustellen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Im Verhältnis zum Kläger war die Beklagte daher nicht befugt, über den Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus Anlass des beantragten Zahnersatzes zu befinden, weshalb ihr Bescheid vom 18.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2011 formell rechtswidrig ist.

b) Die Verletzung der formellen Zuständigkeitsregelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist auch nicht nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich, da die formelle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht in einer Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit begründet liegt (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.9.2016, L 6 VS 756/16, juris, Rdnr. 33).

2. Die über die bloße Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2010 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2011 hinausgehende, auf die Erstattung der verbliebenen Kosten in Höhe von 3.492,91 Euro gerichtete Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) hat indessen keinen Erfolg. Der Kläger kann die Erstattung dieser Aufwendungen nach der im Rehabilitationsrecht allein in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht wegen ungerechtfertigter Ablehnung einer Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen, und zwar auch nicht gemäß dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung [hierzu unter a)], noch ist ein über den bereits bewilligten befundbezogenen Festbetrag hinausgehender Leistungsanspruch nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung begründet [hierzu unter b)]. Der Ausschluss des Leistungsanspruchs führt auch nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung des Klägers [hierzu unter c)]).

a) Als Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers im Rehabilitationsrecht kommt nur § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in Betracht. Danach ist der zuständige Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen des Versicherten verpflichtet, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Es kommt also darauf an, ob nach den jeweils geltenden Rehabilitationsvorschriften eine Leistungspflicht des Rehabilitationsträgers bestanden hätte. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

aa) Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Zahnersatz aus nach §§ 9 ff. SGB VI. Denn die besonderen Voraussetzungen, unter denen Zahnersatz zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wird, sind nicht erfüllt. Diese Voraussetzungen sind in § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI geregelt. Danach wird die Versorgung mit Zahnersatz nur erbracht, wenn sie unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, insbesondere zur Ausübung des bisherigen Berufs, erforderlich und soweit sie nicht als Leistung der Krankenversicherung oder als Hilfe nach dem Fünften Kapitel des Zwölften Buches zu erbringen ist.

(1) "Bisheriger Beruf" im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ist im Falle des Klägers derjenige eines Gymnasiallehrers an einem Weiterbildungskolleg mit den Fächern Deutsch und Philosophie.

Im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe ist grundsätzlich auf den zuletzt ausgeübten Beruf abzustellen, wobei berufliche Tätigkeiten der letzten Jahre, wenn auch nicht aus allzu lange zurückliegender Zeit einzubeziehen sind (Kater, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 93. Ergänzungslieferung März 2017, § 10 Rdnr. 3b unter Hinweis auf BSGE 49, 263, 267 = SozR 2200 § 1237a Nr. 10). Der Kläger hat zuletzt den Beruf des Gymnasiallehrers ausgeübt, und zwar seit 2006 unbefristet in der Ausprägung dieses Berufs an einem Weiterbildungskolleg, an dem sein drittes Fach, Musik, im gesamten Beschäftigungszeitraum nicht angeboten worden ist. Infolgedessen sind - allerdings ohne dass es hierauf streitentscheidend ankäme [vgl. hierzu unter (3)] - die AnfordeSn an die Erteilung von Unterricht im Fach Musik auch nicht als prägend für die Gefahr einer Erwerbsminderung des Klägers heranzuziehen.

Soweit der Kläger demgegenüber in der mündlichen Verhandlung seine Absicht bekundet hat, nach Eintritt in die Regelaltersrente wieder Musikunterricht erteilen zu wollen, ist diese - nur perspektivisch angestrebte - Betätigung im Rahmen der Bestimmung des bisherigen Berufs im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI irrelevant. Die nach Eintritt in die Regelaltersgrenze ohnehin nur vage ins Auge gefasste Tätigkeit ist im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe rentenversicherungsrechtlich nicht geschützt, da sie erst nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben angestrebt werden soll. Damit liegt sie außerhalb des Schutzzwecks der Leistungen zur Teilhabe, durch die ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhindert oder eine möglichst dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben ermöglicht werden soll (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Lehrer an einem Weiterbildungskolleg durch die bei ihm ohne Zahnersatz bestehende Beeinträchtigung des Verlustes der vorderen Schneidezähne gefährdet wäre. Denn jedenfalls ist die von ihm zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung angestrebte Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht unmittelbar und gezielt zur Besserung seiner Erwerbsfähigkeit, insbesondere zur Ausübung dieses Berufs, erforderlich.

(a) Die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI setzt die höchstrichterliche Rechtsprechung um, die zur Frage des Zahnersatzes als Leistung der medizinischen Rehabilitation aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergangen ist (vgl. BSG, Urteil v. 21.6.2001, B 13 RJ 47/00 R - SozR 3-2600 § 13 Nr. 4; BSG, Urteil v. 24.06.1980, 1 RA 51/79 = SozR 2200 § 1237 Nr. 15; BSG, Urteil v. 24.06.1980, 1 RA 53/79, SozSich 1980, 311). Sie macht deutlich, dass für eine Versorgung mit Zahnersatz als Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung nur Raum ist, soweit aus besonderen beruflichen Gründen bzw. zur direkten Ausübung des Berufs (z.B. Sänger, Blasmusiker) eine bestimmte Form des Zahnersatzes notwendig ist, diese Leistung jedoch von den Krankenkassen (bzw. Sozialhilfeträgern) im Rahmen der Krankenbehandlung nicht uneingeschränkt geleistet wird oder zu leisten ist (Stähler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 15 Rdnr. 21). Von einem dahingehenden Verständnis gehen auch die - indessen rechtlich nicht verbindlichen - gemeinsamen Anweisungen über die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der DRV aus, wonach zwar u.a. Logopäden, Blasmusiker, Sänger (u.U. auch Chorsänger in Berufschören) und Schauspieler anspruchsberechtigt sein können, demgegenüber aber Personen, für deren Berufsausübung der Kopfraum (Mund und Zähne) nicht unmittelbar besonderen Belastungen ausgesetzt ist und bei denen im Allgemeinen auch optischen AnfordeSn bereits mit Zahnersatzlösungen des üblichen Standards Rechnung getragen wird, grundsätzlich nicht zu dem anspruchsberechtigten Personen zählen. Es kommt mithin im Falle des Klägers darauf an, ob eine Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz unmittelbar und zielgerichtet notwendig ist, eine sonst bestehende erhebliche Gefährdung seiner Erwerbsfähigkeit abzuwenden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) SGB VI), oder ob hierzu der von der Beigeladenen zu bezuschussende und bezuschusste herausnehmbare Zahnersatz ausreicht. Hinsichtlich des dabei anzulegenden Prognosemaßstabes gelten dabei die allgemeinen Grundsätze des § 10 SGB VI, wonach damit zu rechnen sein muss, dass ohne die erstrebte Versorgung in absehbarer Zeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintritt. Diese muss zwar nicht unmittelbar bevorstehen, die bloße Möglichkeit ihres Eintritts reicht indessen nicht aus (allg. Meinung; statt aller: Luthe in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 10 Rdnr. 38 f. m.w.N.).

(b) Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme nicht festzustellen.

Der vorliegende Fall bietet dabei keinen Anlass, im Einzelnen der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen bei einem Gymnasiallehrer - auch eingedenk der im vorliegenden Fall unterrichteten Fächer Deutsch und Philosophie - auftretende Sprachschwierigkeiten seine Erwerbsfähigkeit überhaupt in Zweifel ziehen, insbesondere, ob es nicht auch zum Bildungsauftrag einer allgemeinbildenden Schule, erst recht eines Weiterbildungskollegs gehört, Schülerinnen und Schüler zur Akzeptanz von Lehrkräften mit sog. "Sprachfehlern" zu erziehen. Denn nach den vorliegenden Sachverständigengutachten, insbesondere nach Anhörung der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, ist schon nicht festzustellen, dass es beim Kläger im Falle einer Versorgung "lediglich" mit herausnehmbarem Zahnersatz überhaupt mit der erforderlichen Prognosewahrscheinlichkeit zu irgendwelchen Sprachschwierigkeiten käme.

Der Sachverständige Dr. Q1 hat insoweit zur Überzeugung des Senats ausgeführt, auch mit herausnehmbarem Zahnersatz sei sowohl nach der Versorgungsforschung als auch aufgrund der Lebenserfahrung eine zufriedenstellende und akzeptierte Artikulation möglich. Es gebe eine Vielzahl von mit herausnehmbarem Zahnersatz versorgten Menschen, ohne dass dies von der Umgebung auch nur als Stigma oder Handicap wahrgenommen werde. Soweit insbesondere von dem Sachverständigen K die Gefahr eines "Kippens" der Prothese gesehen wird, hat der Sachverständige Dr. Q1 überzeugend darauf hingewiesen, dass bei entsprechender Übung und Bereitschaft zur Adaption auch mit einer solchen Situation umzugehen sei. Auch der Sachverständige K hat eingeräumt, dass es beispielsweise eine Untersuchung der Universität Ankara gebe, wonach - wenn auch bezogen auf die türkische Sprache - bei Menschen mit normaler Adaptationsfähigkeit eine Adaptation innerhalb von ein bis zwei Wochen möglich sei.

Soweit der Sachverständige K allgemein die Gefahr beschrieben hat, die Adaptationsfähigkeit könne aufgrund des Bestehens somatoformer Krankheitsbilder erschwert sein, hat er im Falle des Klägers lediglich eine dahingehende Möglichkeit diskutiert. Gleiches gilt für das von ihm dargestellte theoretische Risiko des Auftretens von Lispeln. Die bloße Möglichkeit des Auftretens von sprachlichen Schwierigkeiten reicht indessen für die Annahme einer Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nicht aus. Erst recht gilt dies für eine Veränderung des (Sprach-)Grundtons, hinsichtlich derer für den Senat in keiner Weise ersichtlich ist, inwiefern sie Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers haben könnte.

Angesichts dessen weist der Senat lediglich ergänzend - und ohne dass es im Streitfall entscheidend darauf ankäme - darauf hin, dass der Kläger die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz als Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unter dem Aspekt des Vorliegens einer vom Sachverständigen K angenommenen psychischen Belastung durch chronischen Stress verlangen könnte. Denn zur Behandlung dahingehender StöSn ist Zahnersatz nicht, wie von § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gefordert, "unmittelbar und gezielt" notwendig. Vielmehr sind derartige gesundheitliche Beeinträchtigungen mit den Mitteln der Psychotherapie zu behandeln.

(3) Ein hiervon abweichendes Ergebnis ist auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn man als "bisherigen Beruf" im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI denjenigen des Gymnasiallehrers mit (zusätzlich zu Deutsch und Philosophie) dem Fach Musik zugrunde legt.

Wie der Sachverständige Dr. Q1 in Erläuterung seines Gutachtens vom 22.03.2012 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.06.2016 schlüssig und überzeugend dargelegt hat, macht es weder für die Klangerzeugung noch für den künstlerischen Ausdruck auch bei einem Einblattblasinstrument einen Unterschied, ob der Musiker mit festsitzendem oder herausnehmbarem Zahnersatz versorgt wird. Bei einem Einblattblasinstrument wie der Klarinette wird das Mundstück unabhängig davon, ob es sich um herausnehmbaren oder festsitzenden Zahnersatz handelt, an den Zähnen abgestützt. Zwar ist nach den ErläuteSn von Dr. Q1 nicht auszuschließen, dass ein herausnehmbarer Zahnersatz etwas höhere Anstrengungen erfordert und eine frühere Ermüdung begünstigen kann bzw. höhere AnfordeSn an die Konzentrationsleistung verlangt; diese negativen Effekte hat der Sachverständige allerdings ausdrücklich auf einen Einsatz als professionellen Orchestermusiker beschränkt und eine vergleichbare Beanspruchung bei einem Musiklehrer ausdrücklich verneint.

Zwar hat der Sachverständige K demgegenüber die Gefahr diskutiert, dass es speziell bei einer größeren Anstrengung zu einem Kippen der (herausnehmbaren) Prothese kommen könne. Er hat dieses Szenario allerdings ausdrücklich für den Fall einer größeren Anstrengung erwogen und ergänzend ausgeführt, eine solche bestehe bei einem Orchestermusiker, der - auch aufgrund der hohen Übungszeiten -stärkeren Belastungen ausgesetzt sei als ein Musiker, der nur gelegentlich spiele. Insoweit besteht zwischen den Sachverständigen also kein Widerspruch.

bb) Ein Anspruch auf Kostenerstattung folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte im Jahr 1995 einen Zuschuss zu der seinerzeit erfolgten zahnprothetischen Versorgung geleistet hat. Bei der im vorliegenden Fall streitbefangenen Frage, inwieweit die von dem Kläger begehrte Leistung nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB VI dem Grunde nach von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht werden kann, ist der Beklagten ein Ermessensspielraum nicht eröffnet. Nur unter dieser Prämisse sowie einem Erlass von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften käme eine Selbstbindung der Verwaltung zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung in Betracht (Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 17.01.1996, 11 C 5/95, NJW 1996, 1766; vgl. auch BSG, Urteil v. 6.5.2008, B 7/7a AL 16/07 R, SozR 4-4300 § 217 Nr. 2 = Breithaupt 2009, 381). In eine einzelne rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Betroffener indessen wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz [GG]) kein schutzwürdiges Vertrauen mit Wirkung für die Zukunft in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BSG, Urteil v. 21.05.2003, B 6 KA 32/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 1). Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keiner weiteren Klärung der Frage, ob im Jahr 2000 ein erneuter Leistungsantrag des Klägers abgelehnt worden ist.

b) Der Anspruch auf Krankenbehandlung gemäß § 27 SGB V wird für die Gewährung von Zahnersatz durch die §§ 55 ff. SGB V konkretisiert. Nach § 55 Abs. 1 Sätze 2 bis 7 SGB V haben Versicherte Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Dass die Beigeladene nach Maßgabe dieser Anspruchsgrundlagen den mit - vom Kläger nicht angefochtenen - Bescheid vom 04.03.2011 geregelten Anspruch auf Festzuschüsse unzutreffend berechnet hat, ist nicht erkennbar. Die Beigeladene hat die Festzuschüsse unter Zugrundelegung der von dem behandelnden Zahnarzt des Klägers vermerkten Befunde ermittelt. Dass bei der Ermittlung des zusätzlich zu gewährenden Bonus (§ 55 Abs. 1 Satz 5 SGB V) Berechnungsfehler erfolgt sind, macht auch der Kläger nicht geltend.

c) Der Ausschluss des Leistungsausspruchs nach dem Recht der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung bewirkt auch keine unzulässige Diskriminierung des Klägers gegenüber der Berufsgruppe der - von ihm als Vergleichsgruppe beschriebenen - "verbeamteten Lehrer"; insbesondere liegt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Art entsprechend verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 84, 348, 359; 115, 381, 383). Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchen Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. etwa BVerfGE 110, 412, 432). Die vom Kläger angenommene Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) wegen einer abweichenden Ausgestaltung der rehabilitationsrechtlichen Regelungen von "verbeamteten Lehrern" liegt nicht vor. Zwischen beiden Personengruppen bestehen Unterschiede von solchem Gewicht, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Die Gewährung von krankheitsbedingten Unterstützungsleistungen für ihre Beamte findet ihre Grundlage in der durch Art. 33 Abs. 5 GG statuierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27.09.2011, 2 BvR 86/11, NVwZ-RR 2012, 49 f.; BVerfGE 106, 225 [232]). Dagegen ist die gesetzliche Rentenversicherung eine Zwangsversicherung, die in mittelbarer Staatsverwaltung von Selbstverwaltungsträgern durchgeführt wird. Ansprüche werden durch die Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter und im Bereich "versicherungsfremder" Aufgaben durch Steuern gedeckt und sind vom Gedanken des sozialen Ausgleichs geprägt (vgl. BVerfGE 76, 256, 304 f.; BVerfGE 97, 271, 295). Diese abweichenden Strukturprinzipien schließen aus, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, die rehabilitationsrechtlichen Vorschriften deckungsgleich auszugestalten.

Die Kostenentscheidung folgt §§ 183, 193 SGG. Der Senat hat eine Kostenbelastung der Beklagten bzw. der Beigeladenen für unbillig erachtet, da das wahre Rechtsschutzbegehren des Klägers (vgl. § 123 SGG) in der Verfolgung eines Anspruchs auf Erstattung seiner Aufwendungen für den Zahnersatz bestanden hat und nicht etwa in der bloßen Klärung der formellen Zuständigkeit für die Bescheidung seines Rehabilitationsantrages.

Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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