Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 673/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 709/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.08.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch in zweiter Instanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Mammareduktionsplastik links in Höhe von 1.500,26 EUR.
Die am 00.00.1970 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Im September 2011 wurde ihr wegen eines Mammakarzinoms die rechte Brust entfernt. Nach einer Chemotherapie und Bestrahlung erfolgte eine Rekonstruktion der rechten Brust. Am 13.01.2014 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Angleichungsoperation der linken Brust unter Vorlage eines Arztbriefes von Prof. Dr. B, Chefarzt der Klinik für plastische und ästhetische Chirurgie T-Kliniken E GmbH, vom 06.01.2014, demzufolge nunmehr eine Volumenungleichheit bestehe. Die linke Brust sei größer als die rechte und daher werde eine angleichende Mammareduktion der linken Seite empfohlen.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Nach körperlicher Untersuchung am 29.01.2014 gelangte dieser zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine weitgehende Volumengleichheit bei einer Formdifferenz bestehe. Im getragenen BH zeige sich eine symmetrische Dekolletélinie. Es liege keine medizinische Indikation für eine Korrektur der gesunden Seite vor. Eine Kostenübernahme der angleichenden Operation links werde daher nicht empfohlen. Unter Bezugnahme auf diese Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.01.2014 den Antrag auf die angleichende Mammareduktionsplastik der linken Seite ab. Es handele sich bei der geplanten Operation nicht um die Behandlung einer Krankheit.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.02.2014 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass die Operation der linken Brust letztlich nur ein Teilstück der Brustrekonstruktion rechts sei. Zudem läge bei ihr eine erhebliche psychische Belastung durch die ungleichen Brüste vor. Zur Stützung ihres Vorbringens legte sie einen Bericht ihrer behandelnden Frauenärztin T vom 13.02.2014 vor. Diese vertrat die Auffassung, dass die Nichtdurchführung der Brustangleichung zu zahlreichen medizinischen Problemen führen könne, z.B. zu chronischen Rückenbeschwerden und Muskelverspannungen, aber auch zu psychischen Beeinträchtigungen. Weiter legte sie eine Bescheinigung der Heilpraktikerin für Psychotherapie T1, Diakonisches Werk des evangelischen Kirchenkreises T, vom 06.02.2014 vor. Danach nutzt die Klägerin seit November 2012 die dort angebotenen therapeutischen Beratungsgespräche. Anlass für die Beratung sei die starke psychische Belastung durch die Brustkrebserkrankung und die Trennung von ihrem Mann gewesen. Sie leide unter depressiven Stimmungen und vermindertem Selbstwertgefühl. Die verbleibende beträchtliche Veränderung des Gesamtbildes der Brust behindere die Entwicklung einer positiven Perspektive für die psychische Gesundung sehr, weil sie sich in ihrer weiblichen Identität stark traumatisiert fühle.
Der erneut von der Beklagten eingeschaltete MDK empfahl in seinen Stellungnahmen vom 14.03. und 28.04.2014 nicht die Kostenübernahme für die begehrte Angleichungsoperation. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten Bezug genommen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK zurück. Es liege kein körperlich behandlungsbedürftiger Befund vor und somit auch keine leistungsauslösende Krankheit.
Die Klägerin hat am 22.07.2014 Klage erhoben und zur Begründung auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen Bezug genommen. Am 01.09.2014 hat sie die angleichende Bruststraffung links durch Prof. Dr. B vornehmen lassen. Hierfür hat sie Kosten in Höhe von 1.500,26 EUR getragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die von ihr vorgelegte Rechnung vom 31.10.2014 Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2014 zu verurteilen, ihr die Kosten für die selbstbeschaffte Brustangleichungsoperation links in Höhe von 1.500,26 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, allein bezogen auf den Zustand ihrer Brust liege bei der Klägerin keine Krankheit vor, die der ärztlichen Behandlung bedürfe. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stelle die Brustgröße und -form der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Auch das Vorliegen einer psychischen Erkrankung begründe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keine Indikation für die begehrte Leistung. Derartigen Belastungen sei demnach nicht mit chirurgischen Eingriffen in eine an sich gesunde Körpersubstanz zu begegnen, sondern mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat Befundberichte vom Facharzt für Frauenheilkunde Dr. S, Brustzentrum, M-krankenhaus E, von der Fachärztin für Frauenheilkunde T sowie von Prof. Dr. B eingeholt. Sodann hat es Beweis erhoben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Chirurgie und plastische Chirurgie Dr. E. Weiter hat das SG auf Antrag der Klägerin ein Gutachten gemäß § 109 SGG auf psychiatrischem Gebiet von Dr. N eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 10.02.2016 und 03.04.2017 Bezug genommen.
Das SG hat mit Urteil vom 15.08.2017 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt. Ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch reiche nicht weiter als der zugrundeliegende Sachleistungsanspruch, dessen Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben seien. Eine leistungsbegründende Krankheit liege nur vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirke. Weder habe eine Erkrankung der linken Brust, die eine operative Maßnahme erfordern würde, bestätigt werden können noch lägen Hinweise für eine etwaige therapierefraktäre Entzündung im Bereich der Unterbrustfalten vor. Gleiches gelte für eine Entstellung. Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N habe die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführte Brustangleichungsoperation. Nach der Rechtsprechung des BSG komme bei Vorliegen von psychischen Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht der Eingriff in ein gesundes Organ in Betracht, sondern die Behandlung mit Mitteln der Psychotherapie und/oder Psychiatrie. Auch Dr. N habe es für möglich gehalten, dass eine entsprechende Behandlung zum Erfolg hätte führen können.
Gegen das am 10.10.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.11.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, durch den Verlust der rechten Brust und den daraufhin erfolgten Brustaufbau in diesem Bereich sei eine psychische Schädigung hervorgerufen worden. Durch die starke Ungleichheit der Brüste habe sie sich in ihrem Frausein erheblich geschädigt gefühlt. Dies habe zu einer schweren depressiven Krise bishin zu Gedanken an erweiterten Suizid geführt. Die im Rahmen der Psychotherapie zur Verfügung stehenden Mittel wären nicht unbedingt geeignet gewesen, die depressive Erkrankung zu heilen, deren Ursache die Ungleichheit der beiden Brüste gewesen sei. Die Angleichungsoperation habe zur Heilung der schweren psychischen Krise geführt. Da das Krankheitsbild so massiv gewesen sei, sei die Operation als ultima ratio der Behandlungsmöglichkeiten anzusehen. Darüber hinaus habe die Asymmetrie der Brüste entstellend gewirkt. Aufgrund der Ungleichheit der Brüste sei es nicht fernliegend gewesen, dass sie am Strand oder im Schwimmbad viele Blicke auf sich gezogen hätte und damit zum Objekt besonderer Betrachtung anderer geworden wäre. Aus der Zeit vor der Operation könne sie keine Fotos von sich vorlegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.08.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 verurteilt, an die Klägerin 1.500,26 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Eine psychische Erkrankung begründe keine Indikation für eine chirurgische Behandlung. Die zur Verfügung stehenden nicht invasiven Therapien in Form von Psychotherapie und/oder einer psychiatrischen Behandlung habe die Klägerin nicht durchgeführt. Eine Kostenübernahme für den operativen Eingriff in ein funktionell intaktes Organ sei daher nicht zu rechtfertigen.
Der Senat hat sich den zwischen der Klägerin und dem Operateur Prof. Dr. B geschlossenen Behandlungsvertrag vorlegen lassen. Nach den von der Klägerin am 31.08.2014 unterzeichneten Unterlagen war für die "medizinisch nicht zwingend indizierte Maßnahme" eine Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vorgesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG Düsseldorf, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Berufungsvorbringen der Klägerin führt zu keinem anderen Ergebnis.
Lediglich ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:
Eine Leistungspflicht ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Entstellung. Denn für die Annahme einer Entstellung muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R -). Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R -). Grundsätzlich kann nicht von einer Entstellung ausgegangen werden, wenn die betreffenden Körperstellen durch einfachste Mittel, nämlich durch das Tragen angepasster Kleidung, verdeckt werden können (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 14.12.2017 - L 5 KR 608/16 - und 03.05.2001 - L 5 KR 221/00 -). Vor diesem Hintergrund war vorliegend die Erheblichkeitsschwelle zur Entstellung bei weitem nicht erreicht. An dieser Einschätzung kann die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Bilddokumentation im unbekleideten Zustand keine Änderung herbeiführen. Maßgeblich für die Frage der Entstellung ist der bekleidete Zustand in alltäglichen Situationen (Hessisches LSG, Urteil vom 09.02.2017 - L 1 KR 134/14 -).
Die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte psychische Belastung rechtfertigt keinen Eingriff am krankenversicherungsrechtlich gesunden Körper (BSG, Urteile vom 08.03.2016 - B 1 KR 35/15 R - und 11.09.2012 - B 1 KR 3/12 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.02.2019 - L 5 KR 6/19 B -). Das psychische Leiden kann nur mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden, nicht aber mittelbar mit einer Brustverkleinerungsoperation. Denn die Gesetzliche Krankenversicherung muss Versicherte nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das ihrer Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz den Versicherten zu, teilweise selbst für ihre Gesundheit zu sorgen (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.12.2017 - L 5 KR 608/16 -). Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R - m.w.N.). Darüber hinaus ist der Vortrag der Klägerin zur Gefahr eines erweiterten Suizids nicht belegt. Gedanken an einen erweiterten Selbstmord beschreibt der Sachverständige Dr. N nur für Zeit nach der Ablatio der Brust rechts bis zu deren Rekonstruktion, nicht für den hier maßgeblichen Zeitraum nach Antragstellung im Jahr 2014.
Ein Anspruch auf Erstattung der der Klägerin durch Prof. Dr. B in Rechnung gestellten Kosten scheidet darüber hinaus auch deshalb aus, weil ihr keine erstattungsfähigen Kosten entstanden sind. Die Klägerin war keiner rechtswirksamen Vergütungsforderung ausgesetzt. Der Kostenerstattungsanspruch eines Versicherten, der sich die Leistung selbst beschafft hat, setzt voraus, dass dem behandelnden Arzt gegen den Versicherten ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch aus der Behandlung erwachsen ist (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -, jeweils m.w.N.). Auch wenn der behandelnde Arzt seinen Aufklärungspflichten genügt haben mag, fehlt es jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Geht es - wie hier - um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes nur, wenn dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erteilt worden ist. Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, verletzt insbesondere weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch die Berufsfreiheit der Ärzte. Vorbehaltlich eines anders lautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften der Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ). Vorher trifft den Patienten keine Zahlungsverpflichtung (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -).
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr, soweit in den - vorliegend nicht einschlägigen - Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes - sog. Regelspanne - bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ). Überschreitet eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Zahlungspflichtigen eine (lediglich) grobe Handhabe an die Hand zu geben, um die Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs abschätzen zu können, sind zwar keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Die vom Arzt gegebene - auf die einzelne Leistung bezogene - Begründung muss aber geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände verständlich und nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes und insbesondere den Ansatz des Höchstsatzes von 3,5 rechtfertigen können. Die Begründung kann nicht durch die schlichte Wiedergabe der Bemessungskriterien erfüllt werden. Es bedarf vielmehr einer individuellen, auf den Behandlungsfall bezogenen Begründung (Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Urteil vom 20.05.2016 - 6t A 2817/13.T -). Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte Rechnung von Prof. Dr. B nicht. Die Rechnung ist nicht fällig. Für die GOÄ-Nr. 2414 hat er den 6,5fachen Satz angesetzt, für die Position 2394A den 3,5fachen Satz. Die pauschale und nicht auf die einzelne Leistung bezogene Begründung für die Erhöhung auf den 3,5fachen Satz entspricht nicht § 12 Abs. 3 GOÄ. Die undifferenzierte Begründung ist formelhaft und ohne jeden Bezug auf konkrete einzelne Positionen. Eine Vereinbarung nach § 2 GOÄ, nach der ein über den 3,5fachen Satz hinausgehender Steigerungsfaktor vereinbart worden wäre, hat die Klägerin mit dem Operateur nicht getroffen.
Trotzdem - ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; BGH, Urteil vom 23.06.2006 - III ZR 223/05 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Mammareduktionsplastik links in Höhe von 1.500,26 EUR.
Die am 00.00.1970 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Im September 2011 wurde ihr wegen eines Mammakarzinoms die rechte Brust entfernt. Nach einer Chemotherapie und Bestrahlung erfolgte eine Rekonstruktion der rechten Brust. Am 13.01.2014 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Angleichungsoperation der linken Brust unter Vorlage eines Arztbriefes von Prof. Dr. B, Chefarzt der Klinik für plastische und ästhetische Chirurgie T-Kliniken E GmbH, vom 06.01.2014, demzufolge nunmehr eine Volumenungleichheit bestehe. Die linke Brust sei größer als die rechte und daher werde eine angleichende Mammareduktion der linken Seite empfohlen.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Nach körperlicher Untersuchung am 29.01.2014 gelangte dieser zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine weitgehende Volumengleichheit bei einer Formdifferenz bestehe. Im getragenen BH zeige sich eine symmetrische Dekolletélinie. Es liege keine medizinische Indikation für eine Korrektur der gesunden Seite vor. Eine Kostenübernahme der angleichenden Operation links werde daher nicht empfohlen. Unter Bezugnahme auf diese Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.01.2014 den Antrag auf die angleichende Mammareduktionsplastik der linken Seite ab. Es handele sich bei der geplanten Operation nicht um die Behandlung einer Krankheit.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.02.2014 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass die Operation der linken Brust letztlich nur ein Teilstück der Brustrekonstruktion rechts sei. Zudem läge bei ihr eine erhebliche psychische Belastung durch die ungleichen Brüste vor. Zur Stützung ihres Vorbringens legte sie einen Bericht ihrer behandelnden Frauenärztin T vom 13.02.2014 vor. Diese vertrat die Auffassung, dass die Nichtdurchführung der Brustangleichung zu zahlreichen medizinischen Problemen führen könne, z.B. zu chronischen Rückenbeschwerden und Muskelverspannungen, aber auch zu psychischen Beeinträchtigungen. Weiter legte sie eine Bescheinigung der Heilpraktikerin für Psychotherapie T1, Diakonisches Werk des evangelischen Kirchenkreises T, vom 06.02.2014 vor. Danach nutzt die Klägerin seit November 2012 die dort angebotenen therapeutischen Beratungsgespräche. Anlass für die Beratung sei die starke psychische Belastung durch die Brustkrebserkrankung und die Trennung von ihrem Mann gewesen. Sie leide unter depressiven Stimmungen und vermindertem Selbstwertgefühl. Die verbleibende beträchtliche Veränderung des Gesamtbildes der Brust behindere die Entwicklung einer positiven Perspektive für die psychische Gesundung sehr, weil sie sich in ihrer weiblichen Identität stark traumatisiert fühle.
Der erneut von der Beklagten eingeschaltete MDK empfahl in seinen Stellungnahmen vom 14.03. und 28.04.2014 nicht die Kostenübernahme für die begehrte Angleichungsoperation. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten Bezug genommen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK zurück. Es liege kein körperlich behandlungsbedürftiger Befund vor und somit auch keine leistungsauslösende Krankheit.
Die Klägerin hat am 22.07.2014 Klage erhoben und zur Begründung auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen Bezug genommen. Am 01.09.2014 hat sie die angleichende Bruststraffung links durch Prof. Dr. B vornehmen lassen. Hierfür hat sie Kosten in Höhe von 1.500,26 EUR getragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die von ihr vorgelegte Rechnung vom 31.10.2014 Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2014 zu verurteilen, ihr die Kosten für die selbstbeschaffte Brustangleichungsoperation links in Höhe von 1.500,26 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, allein bezogen auf den Zustand ihrer Brust liege bei der Klägerin keine Krankheit vor, die der ärztlichen Behandlung bedürfe. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stelle die Brustgröße und -form der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Auch das Vorliegen einer psychischen Erkrankung begründe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keine Indikation für die begehrte Leistung. Derartigen Belastungen sei demnach nicht mit chirurgischen Eingriffen in eine an sich gesunde Körpersubstanz zu begegnen, sondern mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat Befundberichte vom Facharzt für Frauenheilkunde Dr. S, Brustzentrum, M-krankenhaus E, von der Fachärztin für Frauenheilkunde T sowie von Prof. Dr. B eingeholt. Sodann hat es Beweis erhoben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Chirurgie und plastische Chirurgie Dr. E. Weiter hat das SG auf Antrag der Klägerin ein Gutachten gemäß § 109 SGG auf psychiatrischem Gebiet von Dr. N eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 10.02.2016 und 03.04.2017 Bezug genommen.
Das SG hat mit Urteil vom 15.08.2017 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt. Ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch reiche nicht weiter als der zugrundeliegende Sachleistungsanspruch, dessen Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben seien. Eine leistungsbegründende Krankheit liege nur vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirke. Weder habe eine Erkrankung der linken Brust, die eine operative Maßnahme erfordern würde, bestätigt werden können noch lägen Hinweise für eine etwaige therapierefraktäre Entzündung im Bereich der Unterbrustfalten vor. Gleiches gelte für eine Entstellung. Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N habe die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführte Brustangleichungsoperation. Nach der Rechtsprechung des BSG komme bei Vorliegen von psychischen Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht der Eingriff in ein gesundes Organ in Betracht, sondern die Behandlung mit Mitteln der Psychotherapie und/oder Psychiatrie. Auch Dr. N habe es für möglich gehalten, dass eine entsprechende Behandlung zum Erfolg hätte führen können.
Gegen das am 10.10.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.11.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, durch den Verlust der rechten Brust und den daraufhin erfolgten Brustaufbau in diesem Bereich sei eine psychische Schädigung hervorgerufen worden. Durch die starke Ungleichheit der Brüste habe sie sich in ihrem Frausein erheblich geschädigt gefühlt. Dies habe zu einer schweren depressiven Krise bishin zu Gedanken an erweiterten Suizid geführt. Die im Rahmen der Psychotherapie zur Verfügung stehenden Mittel wären nicht unbedingt geeignet gewesen, die depressive Erkrankung zu heilen, deren Ursache die Ungleichheit der beiden Brüste gewesen sei. Die Angleichungsoperation habe zur Heilung der schweren psychischen Krise geführt. Da das Krankheitsbild so massiv gewesen sei, sei die Operation als ultima ratio der Behandlungsmöglichkeiten anzusehen. Darüber hinaus habe die Asymmetrie der Brüste entstellend gewirkt. Aufgrund der Ungleichheit der Brüste sei es nicht fernliegend gewesen, dass sie am Strand oder im Schwimmbad viele Blicke auf sich gezogen hätte und damit zum Objekt besonderer Betrachtung anderer geworden wäre. Aus der Zeit vor der Operation könne sie keine Fotos von sich vorlegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.08.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 verurteilt, an die Klägerin 1.500,26 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Eine psychische Erkrankung begründe keine Indikation für eine chirurgische Behandlung. Die zur Verfügung stehenden nicht invasiven Therapien in Form von Psychotherapie und/oder einer psychiatrischen Behandlung habe die Klägerin nicht durchgeführt. Eine Kostenübernahme für den operativen Eingriff in ein funktionell intaktes Organ sei daher nicht zu rechtfertigen.
Der Senat hat sich den zwischen der Klägerin und dem Operateur Prof. Dr. B geschlossenen Behandlungsvertrag vorlegen lassen. Nach den von der Klägerin am 31.08.2014 unterzeichneten Unterlagen war für die "medizinisch nicht zwingend indizierte Maßnahme" eine Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vorgesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG Düsseldorf, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Berufungsvorbringen der Klägerin führt zu keinem anderen Ergebnis.
Lediglich ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:
Eine Leistungspflicht ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Entstellung. Denn für die Annahme einer Entstellung muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R -). Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R -). Grundsätzlich kann nicht von einer Entstellung ausgegangen werden, wenn die betreffenden Körperstellen durch einfachste Mittel, nämlich durch das Tragen angepasster Kleidung, verdeckt werden können (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 14.12.2017 - L 5 KR 608/16 - und 03.05.2001 - L 5 KR 221/00 -). Vor diesem Hintergrund war vorliegend die Erheblichkeitsschwelle zur Entstellung bei weitem nicht erreicht. An dieser Einschätzung kann die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Bilddokumentation im unbekleideten Zustand keine Änderung herbeiführen. Maßgeblich für die Frage der Entstellung ist der bekleidete Zustand in alltäglichen Situationen (Hessisches LSG, Urteil vom 09.02.2017 - L 1 KR 134/14 -).
Die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte psychische Belastung rechtfertigt keinen Eingriff am krankenversicherungsrechtlich gesunden Körper (BSG, Urteile vom 08.03.2016 - B 1 KR 35/15 R - und 11.09.2012 - B 1 KR 3/12 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.02.2019 - L 5 KR 6/19 B -). Das psychische Leiden kann nur mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden, nicht aber mittelbar mit einer Brustverkleinerungsoperation. Denn die Gesetzliche Krankenversicherung muss Versicherte nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das ihrer Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz den Versicherten zu, teilweise selbst für ihre Gesundheit zu sorgen (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.12.2017 - L 5 KR 608/16 -). Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R - m.w.N.). Darüber hinaus ist der Vortrag der Klägerin zur Gefahr eines erweiterten Suizids nicht belegt. Gedanken an einen erweiterten Selbstmord beschreibt der Sachverständige Dr. N nur für Zeit nach der Ablatio der Brust rechts bis zu deren Rekonstruktion, nicht für den hier maßgeblichen Zeitraum nach Antragstellung im Jahr 2014.
Ein Anspruch auf Erstattung der der Klägerin durch Prof. Dr. B in Rechnung gestellten Kosten scheidet darüber hinaus auch deshalb aus, weil ihr keine erstattungsfähigen Kosten entstanden sind. Die Klägerin war keiner rechtswirksamen Vergütungsforderung ausgesetzt. Der Kostenerstattungsanspruch eines Versicherten, der sich die Leistung selbst beschafft hat, setzt voraus, dass dem behandelnden Arzt gegen den Versicherten ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch aus der Behandlung erwachsen ist (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -, jeweils m.w.N.). Auch wenn der behandelnde Arzt seinen Aufklärungspflichten genügt haben mag, fehlt es jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Geht es - wie hier - um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes nur, wenn dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erteilt worden ist. Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, verletzt insbesondere weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch die Berufsfreiheit der Ärzte. Vorbehaltlich eines anders lautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften der Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ). Vorher trifft den Patienten keine Zahlungsverpflichtung (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -).
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr, soweit in den - vorliegend nicht einschlägigen - Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes - sog. Regelspanne - bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ). Überschreitet eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Zahlungspflichtigen eine (lediglich) grobe Handhabe an die Hand zu geben, um die Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs abschätzen zu können, sind zwar keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Die vom Arzt gegebene - auf die einzelne Leistung bezogene - Begründung muss aber geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände verständlich und nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes und insbesondere den Ansatz des Höchstsatzes von 3,5 rechtfertigen können. Die Begründung kann nicht durch die schlichte Wiedergabe der Bemessungskriterien erfüllt werden. Es bedarf vielmehr einer individuellen, auf den Behandlungsfall bezogenen Begründung (Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Urteil vom 20.05.2016 - 6t A 2817/13.T -). Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte Rechnung von Prof. Dr. B nicht. Die Rechnung ist nicht fällig. Für die GOÄ-Nr. 2414 hat er den 6,5fachen Satz angesetzt, für die Position 2394A den 3,5fachen Satz. Die pauschale und nicht auf die einzelne Leistung bezogene Begründung für die Erhöhung auf den 3,5fachen Satz entspricht nicht § 12 Abs. 3 GOÄ. Die undifferenzierte Begründung ist formelhaft und ohne jeden Bezug auf konkrete einzelne Positionen. Eine Vereinbarung nach § 2 GOÄ, nach der ein über den 3,5fachen Satz hinausgehender Steigerungsfaktor vereinbart worden wäre, hat die Klägerin mit dem Operateur nicht getroffen.
Trotzdem - ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; BGH, Urteil vom 23.06.2006 - III ZR 223/05 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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