L 7 AS 887/19 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 368/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 887/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 24.04.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag der Antragsteller auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug nimmt, hat das Sozialgericht den Antragstellern ab Antragstellung im Eilverfahren lediglich den Regelbedarf abzüglich des unbereinigten Einkommens aus der geringfügigen Beschäftigung bei der F GmbH iHv monatlich 450 EUR und des Kindergeldes für vier Kinder iHv monatlich 813 EUR im Wege der einstweiligen Anordnung zugesprochen. Da das Sozialgericht mit seinem angegriffenen Beschluss lediglich aus dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung entschieden hat, hat der Senat keine Bedenken, das Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 1) vollständig, mithin auch unter Einschluss der Erwerbstätigenfreibeträge nach § 11b Abs. 2 und 3 SGB II, anzurechnen. Dies greifen auch die Antragsteller nicht an.

Das Beschwerdevorbringen der Antragsteller führt auch im Übrigen zu keiner abweichenden Entscheidung.

Soweit die Antragsteller beanstanden, das monatliche Kindergeld von 194 EUR der volljährigen Tochter I, die unstreitig mangels Hilfebedürftigkeit nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört, dürfe nicht angerechnet werde, geht dies fehl. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist das bedarfsüberdeckende Kindergeld nicht bei dem Kind, sondern bei dem kindergeldberechtigten Elternteil als Einkommen anzurechnen (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 21.03.2019 - B 14 AS 42/17 R mwN).

Soweit die Antragsteller geltend machen, der Antragsgegner sei auch verpflichtet, die Miete in Höhe von monatlich 1.200 EUR (950 EUR Grundmiete, 250 EUR Nebenkostenvorauszahlung) an die Tochter der Antragsteller zu 1) und 2) als Vermieterin zu zahlen, hat das Sozialgericht insoweit zutreffend den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Eigentumsübertragung und der nachfolgenden Vermietung der Liegenschaft I-straße 00, B. Wie die bei Eigentumsübertragung der Immobilie erst 21-jährige, in Ausbildung befindliche Tochter der Antragsteller die Finanzierung des Kaufpreises von 275.000 EUR bestreiten konnte, ist nicht geklärt. Neben einem Darlehen bei der W-Bank von 230.000 EUR will die Tochter Familiendarlehen bei Verwandten iHv rund 35.000 EUR aufgenommen haben. Damit ist zum einen nicht geklärt, wie die verbleibende Summe von 10.000 EUR nebst weiteren Erwerbskosten (Notar, Grundbucheintragungen etc.) finanziert wurde. Zum anderen sind belastbare Nachweise für die geltend gemachten Familiendarlehen iHv 35.000 EUR (Kontoauszüge, Darlehensverträge, Quittungen, Sicherungsvereinbarungen) nicht vorgelegt worden (vgl. zu den strengen Anforderungen an Familiendarlehen BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R). Weiterhin mit erheblichen Zweifeln behaftet ist, wie die in Ausbildung befindliche Tochter die Annuitätenzahlungen von monatlich 900 EUR (davon zuletzt für Tilgung monatlich rund 570 EUR und für Zinsen monatlich rund 330 EUR) an die W-Bank erbracht hat. Soweit geltend gemacht wurde, dies sei über Darlehenszuwendungen von Herrn N V iHv rund 18.000 EUR und Herrn G E iHv 5.000 EUR erfolgt, ist dies angesichts einer seit Sommer 2017 bestehenden Zahlungspflicht von monatlich 900 EUR schon der Höhe nach fraglich, da mit diesen Darlehenszuwendungen zugleich ein wesentlicher Teil des Lebensunterhalts einer sechsköpfigen Familie sichergestellt worden sein soll.

Zweifelhaft ist auch die Ernsthaftigkeit der mietvertraglichen Vereinbarung. Die Tochter der Antragsteller zu 1) und 2), die selber in der gegenständlichen Immobilie lebt, aber ihren Nutzungsvorteil nicht anrechnet, hat seit Beginn des Mietvertrages im Juli 2017 von den Antragstellern keine Miete erhalten. Die laufenden Kosten der Immobilie für Gas, Wasser, Abwasser, Grundbesitzabgaben, Darlehen, Abfall und Gebäudeversicherung werden zwar über das Sparkassenkonto der Tochter erbracht, jedoch faktisch durch Bareinzahlungen ermöglicht, die der Antragsteller zu 1) über Freundschaftsdarlehen realisiert haben will. Dabei erfolgen die Einzahlungen jeweils zur Abdeckung des laufenden Bedarfs, ohne dass eine Zuordnung im mietrechtlichen Innenverhältnis erkennbar wäre. Der Antragsteller zu 1) nutzt das Konto seiner Tochter faktisch, um die laufenden Kosten für das Einfamilienhaus zu bestreiten. Die Familienmitglieder wirtschaften erkennbar aus einem Topf, was dafür spricht, dass die Eigentumsübertragung und Mietvertragsunterzeichnung nur zu dem Zwecke erfolgt sind, höhere Leistungen vom Antragsgegner zu erzielen. Dafür spricht auch die zeitliche Nähe des Hausverkaufs im Mai 2017 kurz vor dem Erstantrag der Antragsteller bei dem Antragsgegner im Juni 2017.

Ungeachtet dieser Zweifel an der Ernsthaftigkeit von Eigentumsübertragung und Mietvertragsvereinbarung hat der Senat zudem vor dem Hintergrund der zutreffenden Folgenabwägung des Sozialgerichts keine Bedenken dagegen, dass eine Klärung der Unterkunftsbedarfe erst im Hauptsacheverfahren erfolgt. Der erkennende Senat nimmt zwar in ständiger Rechtsprechung - bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 01.08.2017 - 1 BvR 1910/12) - an, dass für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes bezogen auf die Unterkunfts- und Heizbedarfe keine Räumungsklage und/oder Kündigungslage erforderlich ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 04.05.2015 - L 7 AS 139/15 B ER und vom 06.12.2017 - L 7 AS 2133/17 B). Ausnahmen von diesem Grundsatz erkennt der Senat aber in besonderen Ausnahmekonstellationen an, etwa wenn nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen Prüfungsdichte belastbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vertraglichen Pflichten der Antragsteller jedenfalls während der Nichtzahlung von Leistungen zur Deckung des Unterkunftsbedarfs gestundet sind, etwa weil es sich um ein Mietverhältnis unter Verwandten handelt oder eine sonstige Nähebeziehung zwischen dem Vermieter und dem Anspruchsteller besteht. Gleiches gilt, wenn feststeht, dass das Mietverhältnis trotz Zusprechens der Leistungen nicht erhalten werden kann und es daher nur noch darum geht, Ansprüche des Vermieters zu sichern (zusammenfassend Beschluss des Senats vom 06.12.2017 - L 7 AS 2133/17 B), oder wenn es sich nicht um erhaltenswerten Wohnraum, etwa wegen einer ordnungsbehördlichen Schließungsverfügung oder eines Verstoßes gegen eine Wohnsitzauflage handelt. Diese Kriterien für den Anordnungsgrund gelten erst recht im Rahmen einer Folgenabwägung, da eine mangelnde Eilbedürftigkeit regelmäßig in der Folgenbetrachtung dazu führt, dass Leistungen einstweilen nicht erbracht werden. Da die Antragsteller seit Mietvertragsbeginn im Juli 2017 ihren Mietzahlungspflichten von 1.200 EUR nicht nachkommen, geht der Senat davon aus, dass den Antragstellern auch zukünftig bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren die Mietzahlung von ihrer Tochter/Schwester gestundet wird. Etwas anderes machen die Antragsteller weder geltend, noch ergibt sich dies aus den Gesamtumständen. Dass die Tochter der Antragsteller ihren Verpflichtungen aus dem Grundeigentum nicht nachkommen könnte, ist angesichts einer seit Sommer 2017 erfolgten uneingeschränkten Leistung auf die laufenden Immobilienlasten nicht ersichtlich. Die Antragsteller machen auch nicht geltend, dass der Kredit der Tochter durch die fehlenden Mietzahlungen notleidend geworden ist oder sonstige Zahlungen an Energieversorger, für die kommunalen Grundbesitzabgaben und/oder Gebäudeversicherung etc. nicht erbracht werden konnten. Entsprechende Zahlungsausfälle seitens der Tochter sind nicht glaubhaft gemacht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen im Beschwerdeverfahren von Beginn an keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat, ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved