L 17 SB 1/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
17
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SB 79/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 SB 1/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 34/19 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 17.09.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Voraussetzungen für die Merkzeichen "H” und "B".

Für den am 00.00.1961 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 02.02.2016 ein Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 100 festgesetzt. Es wurden dabei die Gesundheitsstörungen Psychisches Leiden und Toxikomanie berücksichtigt. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Merkzeichen "G", "B" und "H" wurden abgelehnt.

Im Februar 2017 beantragte der Kläger die Gewährung der Merkzeichen "H" und "B". Gegenüber der Beklagten gab er an, keine Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung beantragt zu haben. Die Beklagte holte Auskünfte des Dr. C, LWL Klinik N - Suchtambulanz - ein und ließ diese durch ihren Beratungsarzt Dr. S gutachtlich auswerten.

Mit Bescheid vom 16.10.2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung machte er geltend, über seinen Antrag sei ohne gutachtliche Untersuchung entschieden worden.

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin durch die Ärztin C1 untersuchen. Diese traf in ihrem Untersuchungsbogen vom 07.12.2017 folgende Feststellungen:

"Tagesablauf:
Zwischen 7 und 8 Uhr stehe er auf, frühstücke, wenn er Geld habe und nicht zu viel Geld an andere im HdW verliehen habe. Täglich besuche er seine Mutter, die im L-Stift wohne und die Tochter, die im X in H wohne. Mitunter besuche er sie auch 2x täglich. Die Tochter ziehe bald in ein Betreutes Wohnen um. Mittags und abends esse er im HdW, das Essen sei dort mit einem Euro günstig. Ansonsten sei er in der Stadt unterwegs und besuche Freunde, u.a. in D, er sei ja mit seinem Abo mobil. Gegen Mitternacht gehe er in das HdW und übernachte dort; wenn er jedoch vorher Bescheid sage, könne er auch morgens früh um 3 Uhr kommen. Das nehme er häufig in Anspruch, da er nicht so viel Schlaf brauche. Ansonsten habe er keine körperlichen Einschränkungen, er sei ein Paradiesvogel, sei fröhlich, optimistisch und habe sich bei verschiedenen Wohnungsgesellschaften beworben. Regelmäßig alle 2-3 Tage gehe er zu den Wohnungsgesellschaften, um keine "Karteileiche" zu werden und möglichst bald eine geförderte Wohnung zugewiesen zu bekommen.
Gesamteindruck
Das Gangbild ist bei eigenanamnestisch angegebener Mittelfußfraktur rechts und einer Versorgung mit einer Gipsschiene leicht hinkend. Herr X bewegt sich jedoch relativ schnell und sicher durch den Raum und auf der Straße. Die Reflexe sind seitengleich unauffällig, keine Einschränkung der groben Kraft, keine Asymmetrie.
Psyche
Der wache, bewusstseinsklare und ausreichend orientierte Proband in auffälliger, stark verschmutzter Kleidung und mit ungewöhnlicher Gesichtsbemalung ist im Kontakt freundlich zugewandt und redselig. Bereitwillig berichtet er von seinem Befinden und seinen Aktivitäten. Der Antrieb ist zum Teil leicht gesteigert, zum Teil ungerichtet, insgesamt jedoch zielorientiert. Das Denken ist leicht beschleunigt, assoziativ gelockert, in sich logisch und nachvollziehbar. Keine Störung der Auffassungs- und Konzentrationsfähigkeit, kein paranoid-halluzinatorisches Erleben, keine Suizidalität."

Die Beratungsärztin der Beklagten C1 verneinte die Voraussetzungen für die Merkzeichen "H" und "B". Sie führte aus, der Kläger habe im Rahmen seiner Möglichkeiten eine gesellschaftliche Teilhabe und bewege sich sicher und zielgerichtet durch die Stadt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 31.01.2018 Klage vor dem Sozialgericht Münster (SG) erhoben. Er hat erklärt, er erhebe Klage wegen wiederholter unterlassener Hilfeleistungen sowie unberechtigter Vortäuschung falscher Tatsachen. Sein Gesundheitszustand sei nicht zutreffend bewertet worden. Die begutachtende Ärztin sei am Untersuchungstag nicht in der Lage gewesen, eine Begutachtung durchzuführen. Es sei eine erneute Begutachtung erforderlich, und zwar im NRW-Umfeld.

Der Kläger, der zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid vom 16.10.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ab dem 28.02.2017 die Voraussetzungen für die Merkzeichen "H" und "B" anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor, sie halte die Voraussetzungen für die Anerkennung der Merkzeichen "H" und "B" nicht für gegeben.

Mit Urteil vom 17.09.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen. Mit Beschluss vom 18.09.2019 hat das SG auch den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 24.09.2018, der am selben Tag bei dem SG Münster eingegangen ist, hat der Kläger dem Beschluss widersprochen und beantragt, wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes neu begutachtet zu werden, aber nur von "Mitarbeiter/innen des Landessozialgerichts (Ärzte)".

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 17.09.2018 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.10.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2018 zu verurteilen, bei ihm ab dem 28.02.2017 die Voraussetzungen für die Merkzeichen "H" und "B" anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat das Schreiben des Klägers vom 24.09.2018 als Berufung gegen das Urteil vom 17.09.2018 angesehen und die Beteiligten mit Schreiben vom 03.04.2019 (Zustellung an den Kläger am 27.04.2019) darauf hingewiesen, dass erwogen werde, die Berufung mit Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.

Hierzu hat der Kläger vorgetragen, er beantrage wegen Gesundheitsverschlechterung weiterhin die Begutachtung durch einen anderen Arzt, vorzugsweise durch Dr. O von der LWL-Klinik in N, wo er wahrscheinlich ab 06.05.2019 für eine Langzeittherapie wegen Depressionen aufgenommen würde.

Mit Schreiben vom 06.05.2019 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind, da konkrete Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung des Gesundheitszustands nicht vorliegen. Hierbei ist noch einmal Bezug genommen worden auf das Schreiben vom 03.04.2019. Gleichzeitig ist ihm Gelegenheit gegeben worden, einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen (Zustellung am 08.05.2019).

Der Kläger hat daraufhin seinen Antrag auf eine weitere Begutachtung wiederholt und erklärt, er "widerspreche dem Hinzögerungsbescheid vom 06.05.2019".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtskate und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufsrichter sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass die zulässige Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Sie haben sie daher, nachdem die Beteiligten mit Schreiben vom 03.04.2019 auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden sind, durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG zurückgewiesen. Für eine Entscheidung durch Beschluss ist die Zustimmung der Beteiligten nicht erforderlich (siehe Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 153 Rn. 14). Außerdem ist eine Entscheidung durch Beschluss möglich, obwohl der Kläger bei der mündlichen Verhandlung bei dem SG nicht erschienen ist (Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 153 Rn. 14).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Zu Recht hat es die Beklagte mit Bescheid vom 16.10.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2018 abgelehnt, bei dem Kläger die Merkzeichen "H" und "B" anzuerkennen. Wegen der Begründung wird zunächst gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Diese macht sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen.

Der Vortrag im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Senat hat keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen. Der Kläger hat lediglich eine Verschlechterung des Gesundheitszustands behauptet, ohne konkret darzulegen, worin diese besteht und inwiefern diese Auswirkungen auf die Anerkennung der beantragten Merkzeichen haben könnte. Selbst nachdem ihm mit Schreiben vom 06.05.2019 mitgeteilt worden ist, dass keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung vorliegen, hat er seine Behauptung nicht konkretisiert. Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte auf Behauptungen "aufs Geratewohl" besteht auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes keine Verpflichtung (vgl. BVerfG vom 09.10.2007 - 2 BvR 1268/03, BSG vom 28.02.2018 - B 13 R 279/16 B -, BSG vom 17.10.2018 - B 9 V 20/18 B).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gem. § 160 Abs. 2 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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