L 7 AS 1011/19 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 286/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1011/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 31.05.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Beschwerdeverfahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der am 00.00.1993 geborene, erwerbsfähige Antragsteller bewohnt alleinstehend eine Wohnung unter der Anschrift Q-straße 00, T. Die Gesamtmiete für diese Wohnung beträgt 500 EUR (360 EUR Grundmiete, 60 EUR Betriebskosten, 80 EUR Heizkosten). Der Antragsteller bezog in der Vergangenheit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Antragsgegner, zuletzt bis Februar 2019 iHv monatlich 871,75 EUR (Änderungsbescheid vom 24.11.2018). Auf den Fortzahlungsantrag des Antragstellers vom 14.01.2019 für den Leistungszeitraum ab dem 01.03.2019 hat der Antragsgegner dem Antragsteller noch keine Leistungen bewilligt, weil dem Antragsgegner von der Agentur für Arbeit S mitgeteilt wurde, der Antragsteller würde nach den Ermittlungen der Polizei S einer gewerblichen Tätigkeit als Autovermieter nachgehen. Weitere Ermittlungen des Antragsgegners ergaben, dass der Antragsteller einem Herrn T aus S einen - dem Antragsgegner nicht als Vermögensgegenstand des Antragstellers bekannten - Audi A4 für 4.000 EUR verkauft hat. Des Weiteren ergab ein Kontenabrufungsverfahren des Antragsgegners, dass der Antragsteller neben dem angegebenen Konto bei der O-bank während des Leistungsbezugs noch zwei dem Antragsgegner bis dahin unbekannte Konten bei der G-bank unterhielt. Die vom Antragsgegner am 22.02.2019 angeforderten Kontoauszüge für die beiden G-bankkonten, legte der Antragsteller nicht vor. Die Kontoauszüge für das Konto bei der O-bank legte der Antragsteller teilweise in geschwärzter Form vor.

Am 01.04.2019 meldete der Antragsteller in der Gemeinde T ein Onlinemarketing-Gewerbe (Vermittlung von digitalen und physischen Produkten/ Dienstleistungen) an.

Am 02.04.2019 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht einen "Eilantrag wegen finanziellen Notstand" gestellt. Er sei finanziell mittellos und der Antragsgegner spiele bewusst auf Zeit, um ihn in eine "Zeitarbeit zu treiben". Er habe kein Einkommen aus einem Autohandel und kein relevantes Vermögen. Das habe er bei der Polizei in T am 18.03.2019 klargestellt. Zu dem Vorwurf sei es gekommen, weil der Käufer des Audi A4 zur Verschleierung einer TÜV-Plakettenmanipulation, wahrheitswidrig behauptet habe, öfter vom Antragsteller Autos gekauft zu haben. Die Miete und die Stromkosten für März und April 2019 habe er nicht zahlen können, wie sich aus Rückbuchungen seiner Daueraufträge ergebe. Ein Konto bei der G-bank habe er kündigen müssen, weil er die Login-Daten vergessen habe. Daher habe er das zweite G-bankkonto eröffnet. Das F-konto und daneben ein Paypalkonto habe er für ein Gewerbe eröffnen müssen. Der Antragsteller hat eine Umsatzanzeige seines Kontos bei der O-bank vom 01.03.2019 vorgelegt (Kontostand: -1,36 EUR). Daneben hat der Antragsteller am 14.05.2019 teilweise geschwärzte Kontoauszüge seines G-banksmartgeschäftskontos (Iban -000) für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis 28.02.2019 und vom 12.04.2019 bis 30.04.2019, seines G-bankkontos (Iban -000) für den Zeitraum 01.03.2019 bis 29.03.2019, seines Paypalkontos für die Zeit vom 01.03.2019 bis 30.04.2019 und seines O-bankkontos für die Zeit vom 01.03.2019 bis 07.05.2019 vorgelegt. Weitere Kontoauszüge könne er nicht vorlegen, da er die hierfür entstehenden Kosten nicht tragen könne.

Am 31.05.2019 hat der Antragsteller sein am 08.04.2019 angemeldetes Gewerbe abgemeldet.

Mit Beschluss vom 31.05.2019 hat das Sozialgericht den Eilantrag des Antragstellers abgelehnt. Soweit der Antragsteller Leistungen für Zeiträume vor dem Antrag auf einstweilige Anordnung begehre, sei dies mangels Fortwirkungen aus der Vergangenheit abzulehnen. Hinsichtlich einstweiliger Leistungen für den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht fehle das Rechtsschutzbedürfnis, denn der Antragsteller habe erst im gerichtlichen Verfahren Unterlagen vorgelegt, die es dem Antragsgegner ermöglichten, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Es sei dem Antragsteller möglich und zumutbar, die Leistungsentscheidung des Antragsgegners abzuwarten, ehe gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen werde.

Gegen den ihm am 05.06.2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 26.06.2019 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht habe verkannt, dass die im Eilverfahren vorgelegten Unterlagen dem Antragsgegner bereits vorgerichtlich vorgelegen hätten. Weiterhin würden keine Leistungen erbracht, sodass ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Der Antragsgegner suche ständig nach unterschiedlichen Gründen, ihm die Leistungen zu verweigern. Deswegen stünde er kurz vor der Obdachlosigkeit. Der Antragsteller hat Kontoauszüge seines O-bankkontos für die Zeit vom 30.03.2019 bis 28.06.2019 und seines F-smartgeschäftskontos (Iban -000) für den Zeitraum vom 12.04.2019 bis 28.06.2019 vorgelegt. Er hat ferner unter dem 14.04.2019 eidesstattlich versichert, dass er - mit Ausnahme eines angemessenen Hausrats - über kein Vermögen verfüge.

Der Senat hat den Antragsteller unter dem 19.07.2019, abgesandt am 22.07.2019, aufgefordert binnen drei Tagen die Banken O-bank (Iban 000) und G-bank Iban.-000; -000) von der Schweigepflicht zu entbinden, damit Kontoauszüge von Amts wegen ab dem 04.07.2017 (Datum der Kontoeröffnung bei der G-bank) eingeholt werden können. Daneben hat der Senat den Antragsteller aufgefordert Fragen zum Mietverhältnis, Lebensunterhalt und Pkw-Verkauf zu beantworten. Nachdem der Antragsteller auf die Verfügung vom 19.07.2019 nicht reagiert hat, hat der Senat unter dem 29.07.2019, abgesandt am 30.07.2019 an die Verfügung erinnert und die Erledigung binnen drei Tagen angeordnet. Auch hierauf hat der Antragsteller nicht reagiert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Mit zutreffender Begründung, auf die der Senat nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug nimmt, weist das Sozialgericht darauf hin, dass einstweilige Anordnungen in der Regel - so auch hier - für vor Antragstellung zurückliegende Zeiten nicht in Betracht kommen. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht auch den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab gerichtlicher Antragstellung Leistungen zu gewähren, abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antrag-steller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 05.09.2017 - L 7 AS 1419/17 B ER und vom 21.07.2016 - L 7 AS 1045/16 B ER).

Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Insbesondere hat der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit iS der §§ 7,9 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, was mit dem Verkaufserlös über 4.000 EUR aus dem Pkw-Verkauf im August 2018 geschehen ist. Ungeklärt ist zudem, wie der Antragsteller den Pkw anschaffen konnte und warum dessen Existenz dem Antragsgegner nicht mitgeteilt wurde. Auch war die Einlassung des Antragstellers, dass er über kein Einkommen verfüge, nicht glaubhaft. Der Antragsteller hält neben seinem Privatkonto Geschäfts- und Paypalkonten vor, deren Existenz er dem Antragsgegner lange Zeit vorenthalten hatte. Die Kontoauszüge für diese Konten legt er - trotz gerichtlicher Aufforderung - nicht durchgehend und teilweise geschwärzt vor. Auf den vorgelegten Kontoauszügen sind zudem Geldeingänge ersichtlich, die auf einen Gewerbehandel des Antragstellers über ebay-Kleinanzeigen schließen lassen, so am 04.02.2019, 06.02.2019, 08.02.2019, 15.02.2019, 22.03.2019, 25.03.2019, 26.03.2019, 27.03.2019, 29.03.2019, 29.04.2019, 02.05.2019, 15.05.2019. Weiterhin findet sich eine Bareinzahlung auf dem Privatkonto des Antragstellers über 550 EUR am 04.03.2019. Der Antragsteller hat trotz Anfrage des Senats nicht erklärt, ob Miet- und/oder Stromschulden bestehen und wie er seit März 2019, bei durchgehend gedeckten Konten, seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Eine Schweigepflichtentbindung der Banken, die der Senat angefordert hat und die weitere Aufklärung hätte erbringen können, hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Ebenso wenig hat der Antragstell dem Senat eine Zustimmung erteilt, die Ermittlungsakten des Polizeipräsidiums S einzuholen. Vielmehr hat der Antragsteller die gerichtlichen Anordnungen vom 19.07.2019 und 29.07.2019 gänzlich ignoriert, was auch Zweifel an der vom Antragsteller geltend gemachten Eilbedürftigkeit aufkommen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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