S 15 AL 102/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 102/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 65/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 77/17 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der 1973 geborene Kläger meldete sich am 4. November 2013 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 1. Dezember 2013. Mit Bescheid vom 2. Januar 2014 gewährte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 1. Dezember 2013 für die Dauer von 180 Kalendertage in Höhe von 31,85 EUR täglich. Auf Blatt 35 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen.

In der Zeit vom 8. September 2014 bis 23. Juni 2015 war der Kläger als Assistent der Geschäftsführung bei der C. beschäftigt. Der Arbeitgeber beendete das Arbeitsverhältnis mit außerordentliche Kündigung am 22. Juni 2015. Hiergegen wendete sich der Kläger vor dem Arbeitsgericht Darmstadt.

Am 22. Juni 2015 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte wiederum die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 23. Juni 2015. Mit Bescheid vom 15. Juli 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der am 1. Dezember 2013 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld sei erschöpft. Seither sei der Kläger weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen und habe daher keine neue Anwartschaftszeit erfüllt. Auf Blatt 51 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen. Den Widerspruch des Klägers hiergegen vom 17. Juli 2015 wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. August 2015 als unbegründet zurück.

Am 28. Januar 2016 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte wiederum die Gewährung von Arbeitslosengeld. Hierzu füllte er den formularmäßigen Leistungsantrag der Beklagten aus und legte das Protokoll über die öffentliche Sitzung des Arbeitsgerichts Darmstadt in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 6 Ca 121/15 vom 31. Januar 2016 vor. In dem darin enthaltenen gerichtlichen Vergleich wurde ausgeführt, dass zwischen dem Kläger und dem ehemaligen Arbeitgeber, der C., Einigkeit bestehe, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung mit Ablauf des 7. September 2015 sein Ende gefunden habe. Die außerordentliche Kündigung vom 22. Juni 2015 sowie die ordentliche Kündigung vom gleichen Tag seien gegenstandslos.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 28. Januar 2016 für die Dauer von 180 Kalendertage in Höhe von 26,68 EUR täglich. Auf Blatt 98 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger unter dem 21. März 2016 Widerspruch bei der Beklagten. Der Widerspruch richte sich insbesondere gegen den Bewilligungszeitraum bzw. den Beginn der Leistungen. Der Antrag auf Arbeitslosengeld sei bereits am 22. Juni 2015 gestellt worden. Ihm stehe Arbeitslosengeld daher bereits ab dem 8. September 2015 zu.

Mit Änderungsbescheid vom 23. März 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 28. Januar 2016 in Höhe von 26,91 EUR täglich. Mit Bescheid vom Folgetag wies die Beklagte sodann den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei der Bescheid vom 24. Februar 2016, der auf der Antragstellung vom 28. Januar 2016 beruhe. Über den Antrag vom 22. Juni 2015 sei bereits mit Bescheid vom 15. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 entschieden worden. Die persönliche Arbeitslosmeldung sei am 28. Januar 2016 erfolgt. Der insoweit maßgebende Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 8. September 2014 bis 7. September 2015. In diesem Bemessungszeitraum sei an 266 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 21.916,67 EUR erzielt worden. Hieraus folge ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 82,39 EUR sowie ein tägliches Arbeitslosengeld in Höhe von 26,91 EUR.

Gegen diese Entscheidung der Beklagten richtet sich die unter dem 11. April 2016 bei dem hiesigen Gericht erhobene Klage, mit welcher der Kläger sich weiterhin gegen den Anspruchsbeginn ab dem 28. Januar 2016 wendet.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. März 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld bereits ab dem 8. September 2015 in gesetzlichen Umfang zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Mit Schreiben vom 19. April 2016 hat das Gericht die Beteiligten dahingehend angehört, dass eine Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid in Aussicht genommen sei. Dieses Schreiben des Gerichtes wurde dem Kläger nach der vorliegenden Zustellungsurkunde am 26. April 2016, der Beklagten nach dem vorliegenden Empfangsbekenntnis bereits am 22. April 2016 bekannt gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung - ohne ehrenamtliche Richter - entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind, ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist sowie der Sachverhalt darüber hinaus so, wie er für die Entscheidung allein rechtlich relevant ist, geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend mit Bescheid vom 24. Februar 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. März 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2016 festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld erst ab dem 28. Januar 2016 hat.

Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung der Beklagten, dass über den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 22. Juni 2015 bereits mit Bescheid vom 15. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 bindend entschieden wurde.

Ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld ist frühestens mit der persönlichen Meldung des Klägers am 28. Januar 2016 entstanden.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat nach § 137 Abs. 1 SGB III, wer
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person nach Absatz 2 der Vorschrift bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.

Die oder der Arbeitslose hat sich nach § 141 Abs. 1 SGB III persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

Für den vorliegenden Fall folgt hieraus, dass zunächst der Tag der tatsächlichen persönlichen Vorsprache des Klägers am 28. Januar 2016 maßgebend ist. Eine Fiktion der persönlichen Arbeitslosmeldung auf den 8. September 2016 ist nicht möglich. Die Vorschrift des § 141 Abs. 3 SGB III führt nicht zu der vom Kläger gewünschten Rechtsfolge. Auch kann er unter Zugrundelegung des §137 Abs. 2 SGB III keine Wirkung seiner Meldung in die Vergangenheit bewirken.

Der hier maßgebende Anspruch auf Arbeitslosengeld ist erst am 28. Januar 2016 entstanden. Auch bestehen nach Erlass des Änderungsbescheides vom 23. März 2016 keine Bedenken an der Höhe der gewährten Leistungen.

Das Arbeitslosengeld beträgt nach § 149 SGB III
1. für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz),
2. für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).

Für den Kläger ist hiernach der allgemeine Leistungssatz in Höhe von 60 Prozent maßgebend.

Leistungsentgelt ist nach § 153 Abs. 1 SGB III sodann das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind
1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 Prozent des Bemessungsentgelts,
2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und
3. der Solidaritätszuschlag. Bei der Berechnung der Abzüge nach den Nummern 2 und 3 sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen.

Der Bemessungszeitraum nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst nach Satz 2 der Vorschrift ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Vorliegend umfasst der Bemessungsrahmen somit die Zeit vom 8. September 2014 bis 7. September 2015.

Der Bemessungsrahmen von einem Jahr, in den die vom Bemessungszeitraum umfassten und abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume fallen, muss nach § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III immer vor Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld liegen. Mit Anspruch ist hier nicht die Zahlungsberechtigung, sondern die Begründung des Stammrechts nach § 137 Abs. 1 SGB III gemeint (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 39; vgl. K § 137 Rdnr. 11 f.). Erforderlich ist also der Eintritt von Arbeitslosigkeit nach Erfüllung der Anwartschaftszeit und persönlicher Arbeitslosmeldung. Unerheblich ist es, ob eine Sperrzeit oder ein anderer Ruhenszeitraum eingetreten sind, so dass Arbeitslosengeld erst später beansprucht werden kann, oder wann die Agentur für Arbeit über diesen Anspruch entscheidet. Daraus ist der leistungsrechtliche Grundsatz abzuleiten, dass die zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs herrschenden Verhältnisse für den gesamten Leistungsbezug maßgebend sind, solange das Stammrecht nach § 148 SGB III nicht verbraucht ist. Spätere Veränderungen haben keinen Einfluss auf die Berechnung des Arbeitslosengeldes (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 17; (Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB, 01/14, § 150 SGB III, Rdnr. 39, 41).

Bemessungsentgelt ist sodann das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 151 Abs. 1 SGB III). Die Abrechnungszeiträume Juni bis September 2015 gehören nicht zu dem Bemessungszeitraum, weil diese beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis noch nicht abgerechnet waren.

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist vorliegend von der Erzielung eines beitragspflichtigen Arbeitsentgeltes in 266 Tagen von insgesamt 21.916,67 EUR durch den Kläger auszugehen. Hieraus folgt ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 82,39 EUR.

Im Ergebnis bleibt es somit dabei, dass dem Kläger Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgeltes von 82,39 EUR zu gewähren ist. Nach Abzug der Sozialversicherungspauschale und der betreffenden Lohnsteuer nach Lohnsteuerklasse V ergibt sich daraus ein tägliches Leistungsentgelt von 44,85 EUR, aus welchem ein täglicher Leistungssatz von 26,91 EUR resultiert.

Da die übrigen Leistungsvoraussetzungen unstreitig vorliegen, ist dem Kläger in diesem Umfang Arbeitslosengeld, wie durch die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden geschehen, ab dem 28. Januar 2016 zu gewähren. Ein Anspruch auf früheres oder höheres Arbeitslosengeld besteht nicht.

Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist im Ergebnis somit nicht zu beanstanden. Die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 105, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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