S 6 R 283/19 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 283/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in dem Kinder-Reha-Zentrum FX., F-Straße, F-Stadt FX., für den Zeitraum 18. September bis 15. Oktober 2019 zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin eine stationäre Rehabilitationsleistung im tenorierten Zeitraum im Kinder-Reha-Zentrum auf FX. zu gewähren.

Die 2009 geborene Antragstellerin leidet an der Stoffwechselerkrankung Mukopolysacharidose Typ 3B (Sanfilippo-Syndrom). Sie leidet ausweislich der ärztlichen Angaben u.a. an frühkindlicher Demenz, Bewegungseinschränkungen und Entwicklungsstörungen des Sprechens. Sie hat einen Pflegegrad 2. Sie besucht eine Schule für Förderung der geistigen und motorischen Entwicklung.

2016, 2017 und 2018 absolvierte die Antragstellerin jeweils vierwöchige Rehabilitationsmaßnahmen im Kinderrehabilitationszentrum auf FX., wobei die Leistung 2016 durch die Krankenversicherung der Antragstellerin (DAK Hamburg; SG Frankfurt Az. 18 KR 395/16 ER) gewährt worden war. Im Bericht vom 20. September 2017 hinsichtlich der Rehabilitation vom 19. August bis 20. September 2017 führte das Kinder-Rehazentrum FX. aus, dass zu Beginn die Physiotherapie nicht angenommen worden sei. Nach etwa zwei Wochen habe die Antragstellerin sich sodann jedoch auf die Therapie und die Personen eingelassen. Aufgrund des komplexen Krankheitsgeschehens sei aus medizinischer Indikation eine Wiederholung der Rehabilitation in einem Jahr dringend erforderlich. Im Arztbrief an den behandelnden Kinderarzt vom 6. November 2018 und im Entlassungsbericht für den Rentenversicherungsträger bezüglich des letzten Aufenthaltes vom 10. Oktober bis 6. November 2018 wurden neben der Mukopolysaccharidose zusätzlich rezidivierende Otitiden, eine kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen, Entwicklungsstörung des Sprechens oder der Sprache, Laktoseintoleranz und frühkindliche Demenz diagnostiziert. Ausgeführt wurde, dass die Rehabilitationsziele, Eigenschaften beizubehalten und Weiterentwicklung zu fördern, teilweise erreicht worden seien. Die Rehamaßnahmen seien teilweise schwierig gewesen, insbesondere hätten Probleme in der Gruppe bestanden. Die Antragstellerin habe an ausgeprägten Schlafproblemen gelitten. Nach der Rehabilitationsmaßnahme sei die Antragstellerin entspannter gewesen, die Ausdauer sei verbessert worden. Schwerpunkt der Rehabilitation im Bereich der Physiotherapie sei die allgemeine Kräftigung und Gleichgewichtstärkung gewesen. Zunächst habe sich die Antragstellerin gewehrt, die Übungen überhaupt zuzulassen. Zum Ende hin sei sie jedoch entspannter gewesen und habe mehr Therapie zugelassen. Im Wasser hingegen hätte die Antragstellerin keine Eingewöhnung gebraucht, sondern die Übungen von Beginn an ausgeübt. Es werde aufgrund der Komplexität der Erkrankung eine Wiederholung der Rehabilitation in einem Jahr empfohlen.

Das Kinder-Rehazentrum auf FX. ist eine Vertragseinrichtung nach § 111 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der Vater der Antragstellerin beantragte für diese bei der Antragsgegnerin mit am 25. Januar 2019 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Formular "Antrag auf Leistungen zur Rehabilitaion für Kinder und Jugendliche" eine Leistung und gab an, dass das Kinder-Rehazentrum auf FX. auf die Erkrankung der Tochter spezialisiert sei. Dem Antrag beigefügt und ausweislich des Eingangsstempels der Antragsgegnerin ebenfalls am 25. Januar 2019 zugegangen, war ein Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. G. vom 16. Januar 2019 mit beigefügten Arztbriefen des Klinikum Frankfurt Höchst vom 19. März 2018 und 26. September 2018, des Clementine Kinderhospitals vom 21. August 2018 der Universitätsmedizin Mainz vom 24. Mai 2017. Der behandelnde Arzt führte im Befundbericht aus, dass eine Verbesserung der Teilhabe durch eine Rehabilitation möglich sei. Es bestehe wegen der geistigen Entwicklung der Antragstellerin sonderpädagogischer Förderbedarf. Die behandelnden Ärzte am Klinikum Frankfurt Höchst führten in ihren Arztbriefen aus, dass mindestens einmal jährlich ein stationärer "Kinderhospiz-Aufenthalt" als Fördermaßnahme erforderlich sei.

Der Eingang des Antrags wurde durch die Antragsgegnerin mit bei der Antragstellerin am 28. Januar 2019 eingegangenem Schreiben bestätigt.

Am 11. Februar 2019 ging der Entlassungsbericht des Kinder-Rehazentrums FX. bei der Antragsgegnerin ein.

Mit E-Mail vom 27. März 2019 fragte der Vater der Antragstellerin an, ob eine Entscheidung bezüglich des Antrags vorliege. Auf seine telefonische Anfrage von vor drei Wochen habe man ihm lediglich mitgeteilt, dass man den letzten Rehabilitationsbericht noch abwarten wolle. Eine Antwort auf den Antrag habe man jedoch noch nicht erhalten. Er gehe von einer Ablehnung aus, wenn eine Antwort bis 3. April 2019 nicht vorliege.

Die Antragsgegnerin lehnte eine Kinderrehabilitation mit Bescheid vom 26. März 2019 ab. Eine Rehabilitationsleistung sei aufgrund der Schwere der gesundheitlichen Einschränkungen nicht geeignet, positive Auswirkungen auf die spätere Erwerbsfähigkeit zu erzielen. Auch nach den Leistungsgesetzen eines anderen Rehabilitationsträgers bestehe keine Möglichkeit, zur Behandlung der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine Rehabilitationsleistung zu erbringen.

Hiergegen erhob der Vater der Antragstellerin Widerspruch.

Am 11. April 2019 schlug das Kinderrehabilitationszentrum auf FX. dem Vater der Antragstellerin eine Kur im Zeitraum 18. September bis 15. Oktober 2019 vor. Der Termin erlösche automatisch, sofern nicht zwölf Wochen vor Kurbeginn eine Zusage eines Kostenträgers vorliege.

Die Antragstellerin hat vertreten durch ihre Eltern am 17. Juni 2019 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am Sozialgericht Frankfurt am Main gestellt.

Die Antragstellerin trägt vor, dass die kurative Versorgung nicht ausreichend sei, um eine Verschlechterung des Zustands zu verhindern. Die bisherigen Erfahrungen mit der Rehabilitation auf FX. ließen den Schluss zu, dass diese erneut erforderlich sei. Der progrediente Verlauf führe zudem ohne therapeutische Unterstützung insbesondere mittels stationärer Rehabilitation zwangsläufig zu einer beschleunigten Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin. Die lediglich einwöchigen Therapieangebote im Kinderhospiz seien nicht ausreichend gewesen.

Die Eltern der Antragstellerin haben ausgeführt, dass sie ein Gesamtnettoeinkommen von 4.200,- EUR zuzüglich Pflegegeld für die Tochter i.H.v. 700,- EUR und Kindergeld i.H.v. 384,- EUR zur Verfügung hätten. Hiervon müssten sie 1.145,- EUR Miete, 74,- EUR für Gas, 89,- EUR für Strom, 120,- EUR Kosten für Therapiereiten und 30,- EUR für Windeln regelmäßig an Ausgaben aufwenden. Ersparnisse seien keine vorhanden.

Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in dem Kinder-Rehazentrum FX., F-Straße, F-Stadt FX. für den Zeitraum vom 18.9.2019 bis 15.10.2019 zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen im Bescheid. Zudem trägt sie vor, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache bei stattgebender Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorliegen würde. Die Erkrankung der Antragstellerin führe zu einer zunehmenden geistigen Retardierung, woraus sich bereits 2018 eine stark eingeschränkte Rehabilitierfähigkeit und Kooperationsfähigkeit der Antragstellerin ergeben habe. Das Voranschreiten des Leidens lasse sich nicht abwenden. Zudem habe die Antragstellerin bzw. ihre Eltern die Eilbedürftigkeit verschuldet, da der Widerspruch seit 3. April 2019 nicht begründet worden war.

Auf Anfrage des Gerichts hat das Kinder-Reha-Zentrum FX. bestätigt, dass die Reservierung bis zum 24. Juli 2019 aufrechterhalten werden könne. Aus den bisherigen Behandlungen der Antragstellerin ergebe sich, dass die Antragstellerin an Sprachstörungen leide, sowie Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme und der Fortbewegung benötige. Schwerpunkte der Therapiemaßnahmen seien die Verbesserung der Haltung, eine allgemeine Kräftigung und der Bewegungserhalt. Die Kosten für eine vierwöchige Rehabilitationsmaßnahme für die Antragstellerin beliefen sich auf 3.181,68 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen.

II.

Dem zulässigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war stattzugeben. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anordnungsanspruch auf Bewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Kinder-Reha-Zentrum FX. im tenorierten Umfang. Nach gegenwärtiger Beurteilung überwiegen die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin, die finanziellen Interessen der Antragsgegnerin.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerseite vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Vorausgesetzt wird, dass der Antragstellerin durch das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, weil in der Zwischenzeit irreparable Rechtsnachteile eintreten können.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in: Meyer-Ladewig et al., SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 27; 29 m.w.N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragssteller umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG Beschl. v. 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG Beschl. v. 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Keller in: Meyer-Ladewig et al., SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn.16c-d; 40).

Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch, als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf eine medizinische Rehabilitationsleistung aufgrund eingetretener Fiktion.

Die Antragsgegnerin ist zunächst der für Rehabilitationsleistungen zuständige Träger als sogenannter leistender Rehabilitationsträger i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 1 Neuntes Sozialgesetzbuch (i.d. ab 1.1.2018 gültigen Fassung; SGB IX). Denn sie hat den Antrag nicht an einen anderen Leistungsträger weitergeleitet, zudem fallen medizinische Rehabilitationen als Leistungen zur Teilhabe nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX grundsätzlich in ihre Zuständigkeit.

Der Antrag der Antragstellerin vom 25. Januar 2019 gilt nach § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX als genehmigt. Die Regelung ist sowohl zeitlich, als auch hinsichtlich der Leistung auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Die Antragstellerin war leistungsberechtigt und erfüllte mit ihrem Antrag die Voraussetzungen eines genehmigungsfähigen, den Lauf der Frist auslösenden Antrags auf Rehabilitationsleistung. Sie durfte die beantragte Leistung für erforderlich halten. Die Antragsgegnerin hielt die zweimonatige Frist für eine Verbescheidung nicht ein. Die Genehmigung ist schließlich auch nicht später erloschen. Eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist hingegen nicht eingetreten, da diese Regelung ausweislich des Satzes 9 keine Anwendung bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wie beispielsweise § 40 Abs. 2 SGB V, findet.

Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Antragseingang bei dem leistenden Rehabilitationsträger entschieden werden, teilt er nach § 18 Abs. 1 SGB IX dem Leistungsberechtigten vor Ablauf der Frist die Gründe hierfür schriftlich mit (begründete Mitteilung). In der begründeten Mitteilung ist nach § 18 Abs. 2 S. 1 SGB IX auf den Tag genau zu bestimmen, bis wann über den Antrag entschieden wird. In der begründeten Mitteilung kann der leistende Rehabilitationsträger die Frist von zwei Monaten nach Absatz 1 nur in folgendem Umfang verlängern:

1. um bis zu zwei Wochen zur Beauftragung eines Sachverständigen für die Begutachtung infolge einer nachweislich beschränkten Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger,

2. um bis zu vier Wochen, soweit von dem Sachverständigen die Notwendigkeit für einen solchen Zeitraum der Begutachtung schriftlich bestätigt wurde und

3. für die Dauer einer fehlenden Mitwirkung der Leistungsberechtigten, wenn und soweit den Leistungsberechtigten nach § 66 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) schriftlich eine angemessene Frist zur Mitwirkung gesetzt wurde.

Erfolgt keine begründete Mitteilung, gilt die beantragte Leistung nach § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX nach Ablauf der Frist als genehmigt. Die beantragte Leistung gilt auch dann als genehmigt, wenn der in der Mitteilung bestimmte Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ohne weitere begründete Mitteilung des Rehabilitationsträgers abgelaufen ist. Beschaffen sich Leistungsberechtigte eine als genehmigt geltende Leistung selbst, ist der leistende Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen nach § 18 Abs. 4 SGB IX verpflichtet. Mit der Erstattung gilt der Anspruch der Leistungsberechtigten auf die Erbringung der selbstbeschafften Leistungen zur Teilhabe als erfüllt. Der Erstattungsanspruch umfasst auch die Zahlung von Abschlägen im Umfang fälliger Zahlungsverpflichtungen für selbstbeschaffte Leistungen. Die Erstattungspflicht besteht nach § 18 Abs. 5 SGB IX nicht, wenn und soweit kein Anspruch auf Bewilligung der selbstbeschafften Leistungen bestanden hätte (Nr. 1) und die Leistungsberechtigten dies wussten oder infolge grober Außerachtlassung der allgemeinen Sorgfalt nicht wussten (Nr. 2).

Ist die Genehmigung einer beantragten Leistung kraft Fiktion erfolgt, steht dies der Bewilligung der beantragten Leistung durch einen Leistungsbescheid gleich. Die Genehmigungsfiktion bewirkt ohne Bekanntgabe (§§ 37, 39 Abs. 1 Zehntes Sozialgesetzbuch – SGB X) einen in jeder Hinsicht voll wirksamen Verwaltungsakt gemäß § 31 S. 1 SGB X. Durch den Eintritt der Fiktion verwandelt sich der hinreichend inhaltlich bestimmte Antrag in den Verfügungssatz des fingierten Verwaltungsakts. Er hat zur Rechtsfolge, dass das in seinem Gegenstand durch den Antrag bestimmte Verwaltungsverfahren beendet ist und dem Versicherten unmittelbar ein Anspruch auf Versorgung mit der Leistung zusteht (vgl. zu § 13 Abs. 3a SGB V BSG Urt. v. 6.11.2018 – B 1 KR 13/17 R m.w.N.). Dem steht nicht die Gesetzesbegründung entgegen, wonach durch die Genehmigungsfiktion keine behördliche Entscheidung ersetzen soll, sondern eine Rechtsposition sui generis schaffen soll, die die Leistungsberechtigten in die Lage versetzt, gegenüber dem leistenden Rehabilitationsträger einen Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs. 4 SGB IX geltend zu machen (vgl. BtDrS. 18/9522, S. 238). Denn diese Absicht eines reinen Erstattungsanspruchs hat im Gesetzestext ausweislich dessen Wortlaut keinen Niederschlag gefunden. § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX tituliert vielmehr parallel zu § 13 Abs. 3a SGB V eine kraft Fiktion genehmigte Leistung, die nach § 18 Abs. 4 SGB IX u.a. zu einem Erstattungsanspruch unter den Einschränkungen des § 18 Abs. 5 SGB IX führt. Des § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX hätte es nicht bedurft, wenn ausschließlich ein Erstattungsanspruch hätte geregelt werden sollen. Denn dann hätte ohne Eintritt einer Fiktion der Erstattungsanspruch in § 18 Abs. 4 S. 1 SGB IX derart formulieren werden können, dass der Erstattungsanspruch nach Fristablauf nach § 18 Abs. 1 SGB IX automatisch besteht. Der Gesetzgeber hat zudem § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX bewusst nach dem Vorbild des § 13 Abs. 3a SGB V eingeführt, obwohl bereits bei Vorlage der Drucksache am 5. September 2016 Entscheidung der Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts zu den sich aus dem Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ergebenden Konsequenzen ergangen waren (vgl. bspw. BSG Urt. v. 8.3.2016 – B 1 KR 25/15 R; zur Auslegung des § 18 Abs. 3 SGB IX Kemper in: Ehmann et.al., Gesamtkommentar SRB, 2. Aufl. 2018, § 18 SGB IX, Rn. 16; Schaumberg, SGb 2019, 206, 211; Kellner, SVBl 2019, 284, 287; LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 17.12.2018 – L 8 R 4195/18 ER-B).

Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Regelung des § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX ist eröffnet. Die Antragstellerin beantragte am 25. Januar 2019, mithin nach Inkrafttreten des § 18 SGB IX in der aktuellen Form am 1. Januar 2018, die Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme als Teilhabeleistung durch die Verwendung des Formulars "Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation für Kinder und Jugendliche (Kinderrehabilitation)".

Der Antrag der Antragstellerin vom 25. Januar 2019 auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitation war aufgrund des eingereichten Befundberichts des Dr. G. sowie der beigefügten Arztberichte zudem bestimmt genug. Die Fiktion kann grundsätzlich nur eintreten, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits gemäß § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (vgl. BSG Urt. v. 7.11.2017 - B 1 KR 24/17 R). Nach § 33 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt, wenn der Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz eine geeignete Grundlage für eine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (vgl. BSG Urt. v. 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R).

Diese Voraussetzungen werden durch den Antrag der Antragstellerin vom 25. Januar 2019 erfüllt. Die Antragsgegnerin als Adressat des Antrags konnte aufgrund der Angaben des Vaters der Antragstellerin im Antragsformular erkennen, dass diese eine medizinische Rehabilitationsleistung aufgrund ihrer Erkrankung begehrt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben schieden aus, da die Antragstellerin bei Antragstellung erst neun Jahre alt war. Zudem ergaben sich aus dem Befundbericht und den Arztbriefen gesundheitliche Einschränkungen. Aus der Verwendung des Formblatts für "Kinderrehabilitation" ergab sich nicht, dass nur diese bestimmte Leistung auf der Grundlage des § 15a SGB VI begehrt werde. Denn zum einen wurde diese Regelung im Formular nicht benannt, zum anderen sind die Voraussetzungen hierfür auch nicht wiedergegeben. Für einen Antragsteller ergibt sich aus dem Formblatt nicht, dass er nicht jegliche Teilhabeleistung medizinischer Art beantragt, sondern nur eine unter den engen Voraussetzungen des § 15a SGB VI. Daher entspricht ein solches Verständnis auch nicht dem Begehr eines Antragstellers und ist für die Bestimmung des Antrags unerheblich.

Eine Verengung der Prüfung lediglich auf eine Kinderrehabilitation würde zudem dem Sinn und Zweck der Vereinfachung der Rehabilitationsleistungsgewährung widersprechen, das Begehr des Antragstellers unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten (respektive Anspruchsgrundlagen) durch einen einzigen Rehabilitationsträger überprüfen und sodann leisten zu lassen. Dieses auch § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX zugrunde liegende Konzept würde konterkariert, wenn man die Prüfung der begehrten Leistung im Rahmen der Genehmigungsfiktion wiederum nur anhand eines durch den Träger zur Verfügung gestellten Formulars verengen würde. Nicht maßgeblich für die Bestimmtheit des Antrags ist zudem, dass der Entlassungsbericht bezüglich der letzten Rehabilitationsmaßnahme am 11. Februar 2019 bei der Antragsgegnerin einging. Denn diesen benötigte die Antragsgegnerin lediglich für die Prüfung, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, nicht jedoch, um das Antragsbegehren nachvollziehen zu können.

Eine stationäre Rehabilitation durfte die Antragstellerin aufgrund des Befundberichts des behandelnden Arztes, der beigefügten Arztbriefe und der bisherigen Erfahrungen aus drei durchgeführten Rehabilitationen auch für erforderlich halten. Insbesondere liegen diese nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Antragsgegnerin.

Im Rahmen des Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Rechtsprechung diese Einschränkung aufgrund des Sinn und Zwecks der Regelung entwickelt. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Leistungsträgers liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs der Leistungserbringer überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl. BSG Urt. v. 11.7.2017 – B 1 KR 26/16 R; Urt. v. 8.3.2016 – B 1 KR 25/15 R).

Diese im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V durch die Rechtsprechung entwickelte Einschränkung des Eintritts der Genehmigungsfiktion hat im Ausschlusstatbestand des § 18 Abs. 5 Nr. 2 SGB IX Niederschlag gefunden. Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber solche Evidenzfälle vom Eintritt der Genehmigungsfiktion ausschließen, die von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bereits zur Konkretisierung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V herausgearbeitet worden seien (vgl. BtDrS. 18/9522, S. 238). Der Vertrauensschutz, der durch § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX für den Leistungsberechtigten gewährt werden soll, soll den gleichen Grundsätzen unterliegen, wie derjenige im Rahmen der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte nach § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB X. Daraus folgt, dass derjenige, der bei Antragstellung sowie bei Eintritt der Genehmigungsfiktion weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, dass die Leistung unter keinen Umständen gewährt werden kann (Beispiel: Urlaub auf Mallorca, s. BtDrS. 18/9522, S. 238), von den Vorteilen des Eintritts nach § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX nicht profitieren soll (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 17.12.2018 – L 8 R 4195/18 ER-B).

Die von der Antragstellerin begehrte medizinische Rehabilitation liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Antragsgegnerin als leistendem Rehabilitationsträger i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX. Die Antragstellerin und ihre Eltern durften insbesondere im Hinblick auf die Bewilligung der Leistungen im Jahr 2016 davon ausgehen, dass die Leistung einer medizinischen Rehabilitation grundsätzlich zum Leistungskatalog der Antragsgegnerin sowie der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Maßgeblich ist das gesamte Spektrum der Rehabilitationsleistungen nach dem SGB V sowie SGB VI, für die die Antragsgegnerin nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX grundsätzlich zuständig ist. Unerheblich ist hierbei, ob sich der Anspruch aus dem SGB V oder SGB VI ergibt, die Antragsgegnerin ist als leistender Träger nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB VI für die Prüfung aller in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen verpflichtet, was sie ausweislich des Bescheids vom 26. März 2019 auch getan hat.

Darüber hinaus ergeben sich keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch durch die Antragstellerin bzw. die sie vertretenden Eltern. Diese konnten eine erneute medizinische Rehabilitationsleistung für erforderlich halten. Denn wie bereits 2016 und 2017 empfahl das Rehabilitationszentrum FX. ausweislich des Berichts an den behandelnden Arzt nach der Rehabilitation im Jahr 2018 eine Wiederholung innerhalb eines Jahres. Maßgeblich für die Prüfung der Erforderlichkeit ist allein, ob eine weitere medizinische Rehabilitationsleistung für erforderlich gehalten wurde. Nicht ausschlaggebend ist, wie bereits ausgeführt, ob die auf dem Formformular benannte Kinderrehabilitation für erforderlich gehalten wurde.

Zudem liegen keine Anhaltspunkte für eine Rehabilitationsunfähigkeit der Antragstellerin vor, die ihren Eltern bekannt gewesen wären und eine erneute Maßnahme sinnlos erscheinen ließe. In den Entlassungsberichten bezüglich der 2017 und 2018 durchgeführten Rehabilitation wurden, wie von der Antragsgegnerin zutreffend wiedergegeben, Anfangsschwierigkeiten in der Physiotherapie geschildert. Die Antragstellerin musste zunächst, auch aufgrund der weniger bekannten Umgebung, nach den Ausführungen verstärkt motiviert werden, um an den physiotherapeutischen Maßnahmen teilzunehmen. Im Verlauf der Maßnahme sei die Antragstellerin sodann offener geworden. Hinsichtlich der Wasserphysiotherapie wurde jedoch, was die Antragsgegnerin nicht gewürdigt hat, ausgeführt, dass in diesem Bereich zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten bestanden. Die Entlassungsberichte 2017 und 2018 zeigen, dass sich der Zustand der Antragstellerin während der Rehabilitation ständig verbesserte und die Antragstellerin die Maßnahme mit einem verbesserten Allgemeinzustand, u.a. durch verbesserte Ausdauer.

Die Antragsgegnerin beschied den am 25. Januar 2019 eingegangenen Antrag sodann nicht innerhalb von zwei Monaten bis 25. März 2019, sondern verspätet mit Bescheid vom 26. März 2019, dessen Bekanntgabe an die Antragstellerin nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X am 29. März 2019 als erfolgt gilt. Die Entscheidungsfrist begann am 26. Januar 2019 nach § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB und endete am 25. März 2019 nach § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB. Eine Verlängerung der zweimonatigen Frist kam mangels begründeter Mitteilung gemäß § 18 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB IX, insbesondere mangels Mitteilung eines Datums, bis wann die Antragsgegnerin über den Antrag entscheiden werde, nicht in Betracht. Nicht maßgeblich ist der Eingang des Rehabilitationsberichts bezüglich der 2018 durchgeführten Maßnahme am 11. Februar 2019 bei der Antragsgegnerin. Denn das Begehren der Antragsgegnerin ergab sich bereits nachvollziehbar, wie oben ausgeführt, aus dem Antrag vom 25. Januar 2019. § 18 Abs. 1 SGB IX stellt für den Fristbeginn allein auf den Antragseingang, nicht auf das Vorliegen der (nach Ansicht der Antragsgegnerin) entscheidungserheblichen Tatsachen zur Prüfung des materiellen Anspruchs ab. Dies wird durch die abschließende Aufzählung der Verlängerungstatbestände nach § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB IX zusätzlich verdeutlicht. Denn die zweimonatige Frist ab Antragseingang kann lediglich um zwei oder vier Wochen verlängert werden, wenn eine Begutachtung notwendig ist. Unerheblich ist für die Verlängerungstatbestände, wie viel Zeit dem leistenden Rehabilitationsträger nach Eingang des Gutachtens für die Entscheidung verbleibt.

Eine begründete Mitteilung durch das durch den Vater der Antragstellerin in der Email vom 27. März 2019 erwähnte Gespräch auf Nachfrage scheidet mangels Erfüllung des Schriftformerfordernisses nach § 18 Abs. 1 SGB IX bereits aus. Auch ist der Eintritt der Genehmigung nicht durch die Rückfrage durch den Vater der Antragstellerin mit dieser Email, wann eine Entscheidung der Antragsgegnerin ergehe, ausgeschlossen. Dass der Vater der Antragstellerin bei Ablauf der gesetzten Frist bis 3. April 2019 von einer Ablehnung durch die Antragsgegnerin ausgehe, hindert den vorherigen Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht. Denn § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX soll nicht nur diejenigen schützen, die diese Regelung kennen. Sinn und Zweck der Genehmigungsfiktion ist eine Risikoverlagerung auf die säumigen Rehabilitationsträger (vgl. BtDrS. 18/9522). Diese Sanktionswirkung würde nur partiell greifen, wenn der Eintritt der Genehmigungsfiktion von einer diesbezüglichen positiven Kenntnis des Leistungsberechtigten abhängen würde.

Zur Überzeugung des Gerichts lag zudem keine Vorfestlegung der Antragstellerin auf das Kinder-Reha-Zentrum FX. in der Gestalt vor, dass die Antragstellerin von vornherein ungeachtet des Ausgangs des Antragsverfahrens die Leistung beim Reha-Zentrum in Anspruch genommen hätte (vgl. st. Rspr.; vgl. BSG Urt. v. 4.4.2006 – B 1 KR 5/05 R; BSG Urt. v. 8.9.2015 – B 1 KR 14/14 R). Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Antragstellerin eine andere Rehabilitationseinrichtung, soweit von der Antragsgegnerin vorgeschlagen, abgelehnt hätte. Der Hinweis im Antrag, dass man das Reha-Zentrum auf FX. bevorzuge, lässt eine solche Vorfestlegung jedenfalls nicht erkennen. Dass der Vater der Klägerin nach dreimaligem Besuch mit seiner Meinung nach positiven Erfahrungen diese Einrichtung erneut vorschlägt, ist nachvollziehbar. Eine Festlegung erfolgte erst nach Eintritt der Genehmigungsfiktion, als der Vater der Antragstellerin das Reha-Zentrum um Terminvorschläge bat, die ihm mit Schreiben vom 11. April 2019 gemacht wurden.

Ob der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 2 S. 2 SGB VI, wie von der Antragsgegnerin bestritten, erfüllt ist, ist unerheblich, da dieser Tatbestand den Anspruch auf medizinische Rehabilitation dem Grunde nach betrifft. Dieser ist jedoch, wie oben ausgeführt, aufgrund Fiktion gegeben.

Die fingierte Genehmigung ist nicht später erloschen. Ein fiktiver Verwaltungsakt unterliegt den gleichen gesetzlichen Regelungen wie ein tatsächlich erlassener, sodass er solange wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder andere Weise erledigt ist. Die fingierte Genehmigung hat sich weder durch Zeitablauf, noch auf sonstige Weise erledigt. Auch ist der fiktive Verwaltungsakt nicht aufgehoben worden. Insbesondere ist dem Ablehnungsbescheid vom 26. März 2019 ein solcher Verfügungssatz nicht zu entnehmen (vgl. auch BSG Urt. v. 6.11.2018 – B 1 KR 13/17 R m.w.N.).

Neben dem Anordnungsanspruch ist ebenso ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Dies ergibt sich sowohl aufgrund des nach Überzeugung des Gerichts bestehenden Anspruchs auf medizinische Rehabilitation aufgrund Fiktion, als auch im Rahmen einer umfassenden Folgenabwägung hinsichtlich der konkreten Leistung einer Rehabilitation im Kinder-Reha-Zentrum FX. vom 18. September bis 15. Oktober 2019.

Wie oben ausgeführt, verringert sich der Anspruch an den Anordnungsgrund, je wahrscheinlicher ein Anordnungsanspruch ist. Im vorliegenden Fall ist im Hinblick auf die konkret begehrte Maßnahme trotz eingetretener Fiktion nach § 18 Abs. 3 S. 1 SGB IX eine Folgenabwägung vorzunehmen, da lediglich eine medizinische Rehabilitationsleistung dem Grunde nach, nicht jedoch die konkret im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte Leistung als genehmigt gilt. Denn der Antrag bezog sich lediglich auf medizinische Rehabilitationsleistungen, erst im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde eine konkrete Leistung am Reha-Zentrum FX. im Zeitraum 18. September bis 15. Oktober 2019 begehrt. Zudem obliegt die Entscheidung über Art und Umfang der Leistung grundsätzlich dem leistenden Rehabilitationsträger (vgl. bspw. § 13 SGB VI), wobei nach § 8 Abs. 1 S. 1 8 SGB IX berechtigten Wünschen eines Leistungsempfängers entsprochen wird.

Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend nicht nur ein Anordnungsanspruch auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitation, sondern auf die konkrete Leistung im tenorierten Umfang. Insbesondere hat die Antragsgegnerin trotz Hinweises auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion hinsichtlich der Leistung dem Grunde nach keine alternative Einrichtung vorgetragen, die auch für eine Rehabilitation der an Mukopolysacharidose Typ 3B erkrankten Antragstellerin gleich geeignet wäre.

Ein Abwarten eines möglichen Hauptsacheverfahrens bei bestehendem Anspruch dem Grunde nach wäre aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Denn dann würde die Antragstellerin die Rehabilitation prognostisch erst in ca. zwei Jahren durchführen können. Der ausweislich der Empfehlungen des Reha-Zentrums sowie des behandelnden Arztes des Klinikum Frankfurt Höchst empfohlene jährliche Rehabilitationsrhythmus würde um mehr als eine Rehabilitationsmaßnahme durchbrochen werden. Dies wiegt insbesondere schwer, da es bei der Erkrankung der Antragstellerin, die sich bereits im dritten von drei Stadien befindet, nach Angaben des medizinischen Dienstes der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag um eine Krankheit handelt, deren Verlauf progredient ist, der Zustand der Antragstellerin verschlechtert sich stetig. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin, ein zehnjähriges Kind, sich in der Entwicklung befindet. Ein längeres Zuwarten mit einer Rehabilitation, die zumindest kurzzeitig eine Stabilisierung des Zustands bewirkt, ist damit unvereinbar.

Die Eilbedürftigkeit begründet sich zudem darin, dass eine Terminsvergabe durch das Reha-Zentrum ausweislich der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin eines Vorlaufs von ca. 5 Monaten bedarf. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin hinsichtlich des Zeitpunkts der Durchführung der Rehabilitation nicht vollkommen frei ist. Denn es handelt sich um ein zehnjähriges Kind, welches schulpflichtig ist und auch tatsächlich eine sonderpädagogische Schule besucht. Der Termin ab 15. September 2019 ist beispielsweise in Bezug auf die hessischen Herbstferien vom 30. September bis 12. Oktober 2019 gewählt.

Eine vorherige Durchführung der Maßnahme auf Kosten ihrer Eltern unter gleichzeitiger Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 18 Abs. 4 S. 1 SGG erscheint zum einen als reine Förmelei, zum anderen ist dies im konkreten Fall kein zumutbarer Alternativweg. Denn die Eltern der Antragstellerin, soweit man ihre Vermögensverhältnisse heranziehen kann, haben glaubhaft gemacht, dass sie keine Ersparnisse besitzen, um die Kosten der Rehabilitation i.H.v. ca. 5.000,- EUR (inklusive Begleitung durch ein Elternteil) zu tragen.

Zuletzt steht der vorläufigen Verpflichtung der Beklagten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch nicht das bei Sachleistungen grundsätzlich zu erwägende Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Denn dieses hat im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ausnahmsweise dann zurückzustehen, wenn dem Betroffenen ein Abwarten bis zur (rechtskräftigen) Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Keller in: Mayer-Ladewig et. Al., SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 31). Zur Überzeugung des Gerichts ist der Anspruch auf Leistungen aufgrund Genehmigungsfiktion, wie oben dargestellt, gegeben. Darüber hinaus ist eine "echte" Vorwegnahme der Hauptsache, die keiner Korrektur für die Vergangenheit mehr zugänglich ist, nicht gegeben. Denn bei einem Unterliegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren käme nach § 50 Abs. 2 und 1 Satz 2 Zehntes Sozialgesetzbuch jedenfalls eine Erstattung der erbrachten Leistung in Geld und/oder ein Schadensersatzanspruch gemäß § 86b Abs. 2 S: 4 SGG in Verbindung mit § 945 ZPO in Betracht. Ob solche Ansprüche im Einzelfall bestehen, geltend gemacht werden oder durchsetzbar sind, ist insoweit ohne Belang (vgl. BSG Urt. v. 13.12.2016 – B 1 KR 1/16 R; LSG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 26.3.2019, LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 3.7.2014 – L 1 KR 208/14 R).

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Das zulässige Rechtsmittel der Beschwerde ergibt sich aus § 172 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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