S 23 U 34/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 34/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 48/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der 1961 geborene Kläger ist Kfz-Mechaniker Meister. Seine Ausbildung absolvierte er von Juni 1977 bis Juli 1980 bei der CX. Autohaus C. GmbH, wo er Instandhaltungsarbeiten wie Ölwechsel, Motor- und Vergasereinstellungen, Austausch von größeren Baugruppen, Kupplungs- und Bremsendienst sowie sonstige Reparaturen durchführte. Bei der Arbeit hatte er dabei auch Hautkontakt zu Kraftstoffen sowie auch zu Bremsenreiniger und Motoröl. Ebenso wurde er zum Entkonservieren von täglich 1 bis 2 Neuwagen sowie Reinigungsarbeiten an Fahrzeugen herangezogen. Die Entkonservierung wurde dabei mit Petroleum vorgenommen. Nach Abschluss der Lehre arbeitete der Kläger als Kundendienstberater und mitarbeitender Kfz-Mechaniker, wobei etwa die Hälfte der täglichen Arbeitszeit auf Instandsetzungsarbeiten entfiel.

Ab 1983 wechselte der Inhaber des Autohauses und es wurden vermehrte Dieselfahrzeuge instandgesetzt, wodurch der Kläger inhalativer Kontakt zu Dieselabgasen hatte. Von 1985 bis Ende 1987 arbeitete der Kläger sodann als Kundendienstmitarbeiter beim D. Autohaus in D-Stadt. Seine wesentlichen Aufgaben bestanden in der Annahme von Fahrzeugen, Diagnose, Werkstattkoordination und gegebenenfalls Mitarbeit, Durchführung von Abgasuntersuchungen, Kundendienstmaßnahmen oder Verkauf.

Von Anfang 1988 bis Juni 1992 arbeitete der Kläger sodann wiederum als Kundendienstberater und mitarbeitender Kfz-Mechaniker bei einer Firma in E-Stadt. Bei täglichen Reinigungsarbeiten bestand dabei Umgang mit Bremsen- und Kaltreiniger sowie durch Umbauarbeiten an Fahrzeugen Kontakt mit Benzin- und Dieseldämpfen.

Ab Juli 1992 arbeitete der Kläger sodann in einer anderen Firma als Kundendienst- und Werkstattmeister. Durch Arbeiten an Motoren kam es hierbei zu Belastungen durch Abgase, über einen begrenzten Zeitraum auch durch Rapsölmotore. Seit Juli 2003 arbeitete der Kläger sodann als Service Berater bei der Firma F. GmbH.

Im September 1999 wurde sodann bei dem Kläger die Erstdiagnose eines Harnblasentumors gestellt. Nach der operativen Entfernung traten in den folgenden Jahren mehrfach Rezidive auf, zuletzt 2009 was schließlich u.a. zu einer kompletten Entfernung der Harnblase und Harnröhre führte.

Im November 2009 meldete die Krankenkasse der Beklagten den Verdacht auf Vorliegen einer BK. Die Beklagte ermittelte daraufhin durch ihren Präventionsdienst, welcher in einer Stellungnahme vom 18.12.2009 angab, dass derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen, dass das im Benzin vorhandene Benzol Urothelkarzinome verursachen könne. Gleiches gelte für die übrigen Stoffe wie Petroleum, Bremsenreiniger, Kaltreiniger, Bremsflüssigkeit, Motor- und Getriebeöle, Fette sowie Kfz-und Werkstattreiniger.

Auf Anfrage der Beklagten teilte in einer Stellungnahme vom 12.01.2010 die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) mit, dass es keinen neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII bzgl. Benzol im Zusammenhang mit Urothelkarzinomen gebe. Der Präventionsdienst der Beklagten gab in einer ergänzenden Stellungnahme vom 19.01.2010 sodann an, dass die Ermittlungen im Hinblick auf eine BK 1301 ergeben hätten, dass aromatische Amine nach den Angaben der Mineralölhersteller in Form von Farbstoffzusätzen in Ottokraftstoffen in geringem Umfang vorhanden gewesen sei. Von 1964-1994, bei anderen Herstellern teilweise auch nur bis 1983, sei verbleites Normal- und Superbenzin teilweise mit einem Azo-Farbstoff eingefärbt worden, welcher 4-Aminoazobenzol habe abspalten können, welches in der Liste der aromatischen Amine in Kategorie 2 falle. Dieselkraftstoffe seien nicht eingefärbt worden. Zum Reinigungspetroleum könnten keine Angaben über mögliche eingesetzte Farbstoffe gemacht werden. Die Schmierstoffe und Öle seien mit Farbstoffen gefärbt worden, die keine aromatischen Amine enthielten. Insgesamt ergebe sich somit eine Belastung durch aromatische Amine nur aus den Kraftstoffen, wobei der Anteil des Azo-Farbstoffs in den Kraftstoffen äußerst gering gewesen sei. Aufgrund der hohen Farbintensität habe der Gesamtanteil des Farbstoffs in der Konzentration bei lediglich maximal 1 ppm gelegen.

In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 15.06.2010 teilte der Präventionsdienst sodann noch mit, dass nach den derzeitigen Erkenntnissen und diversen Rückfragen aromatische Amine in Autoabgasen nicht bekannt seien. Das Gleiche gelte auch für Autolacke.

Die Beklagte holte sodann ein arbeitsmedizinisches Gutachten bei Prof. G. ein, dem Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg. In seinem Gutachten vom 05.08.2010 kam Prof. G. dabei zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Kfz-Mechaniker, an einem Harnblasenkarzinom zu erkranken, in der Literatur kontrovers diskutiert werde. Für die Anerkennung einer BK fordere der Gesetzgeber jedoch bei der betroffenen Berufsgruppe gegenüber der übrigen Bevölkerung eine Gefährdung in erheblich höherem Grade, was einer Verdoppelung des Risikos entspreche. Eine solche Risikoverdoppelung sei in den ausgewerteten Studien hinsichtlich Blasenkarzinoms bei Kfz-Mechanikern nicht gesehen worden. Bei dem Kläger spreche für eine berufliche Genese der Erkrankung auf der anderen Seite das rezidivierende Auftreten des Karzinoms sowie auch das deutlich unter dem mittleren Erkrankungsalter für Harnblasenkarzinome liegende Erkrankungsalter des Klägers. Darüber hinaus fehlten außerberuflicher Risikofaktoren. Im Ergebnis sei der Kläger gegenüber aromatischen Aminen in geringer Konzentration exponiert gewesen, so dass ein beruflich bedingtes Harnblasenkarzinom bei ihm möglich erscheine. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten könne jedoch kein beruflich bedingtes Harnblasenkarzinom im Sinne der BK 1301 bei dem Kläger angenommen werden, da die Voraussetzungen der BK 1301 nicht erfüllt seien. Bei dem Kläger habe eine Exposition gegenüber Azofarbstoffen nur in geringer Konzentration von 1 ppm vorgelegen und einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos für Kfz-Mechaniker sei nach den aktuellen wissenschaftlichen Studien nicht belegt.

Der Präventionsdienst der Beklagten teilte in einer Stellungnahme vom 10.08.2010 daraufhin nochmals mit, dass die berufliche Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen ausreichend ermittelt worden sei und weitere Ermittlungen nicht mehr möglich sein, da auch die Betriebe nicht mehr existierten. In einer Stellungnahme vom 23.08.2010 schloss sich auch der Landesgewerbearzt der Einschätzung von Prof. G. an.

Mit Bescheid vom 21.09.2010 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger daraufhin die Anerkennung einer BK 1301 ab. Auch liege bei dem Kläger keine so genannte Wie-BK vor. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass Prof. G. in seinem Gutachten schlüssig dargelegt habe, dass die Voraussetzungen der BK 1301 nicht erfüllt seien. Eine so genannte Risikoverdoppelung für die Personengruppe der Kfz-Mechaniker sei durch wissenschaftliche Studien hinsichtlich aromatischen Aminen bisher nicht bestätigt. Auch bestehe bei dem Kläger keine so genannte Wie-BK im Hinblick auf die Einwirkung von Benzol, da die DGUV auf Nachfrage bestätigt habe, dass neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse im Hinblick auf Benzol im Zusammenhang mit Urothelkarzinomen bei Kfz-Mechanikern nicht vorlägen.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 19.10.2010 Widerspruch ein, welchen er damit begründen ließ, dass er zeitlich in höherem Umfang schädigenden Stoffen ausgesetzt gewesen sei, als die Beklagte und auch der Gutachter angenommen hätten. Er sei auch bei der Berufsausübung häufig zu starken Rauchentwicklungen und häufiger Inhalation von Abgasen gekommen, wenn etwa Einstellarbeiten an laufenden Motoren durchgeführt worden seien. Es sei auch zu direktem Hautkontakt mit Motoröl sowie auch Kraftstoffen gekommen. Die aufgezeichneten Risikofaktoren wie auch die fehlenden außerberuflichen Risikofaktoren ließen ein beruflich bedingtes Harnblasenkarzinom nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich erscheinen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die BK 1301, erst auf die berufliche Belastung durch aromatische Amine an. Eine solche habe lediglich bis 1994 durch die Einfärbung von verbleitem Normal- und Superbenzin gestanden. Darüber hinaus sei ein beruflicher Kontakt mit aromatischen Aminen nicht ermittelt worden. Aufgrund der insgesamt nur sehr geringen Exposition gegenüber aromatischen Aminen könne der erforderliche ursächliche Zusammenhang dabei bei dem Kläger nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.

Hiergegen richtet sich die am 28.02.2011 zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage. Zur Begründung verwies der Kläger zunächst auf sein Vorbringen im Vorverfahren. Darüber hinaus ließ er vortragen, dass er täglich nicht nur Minuten, sondern mehrere Stunden mit Schadstoffen in Verbindung gekommen sei. Es habe unter anderem auch Hautkontakt mit Automatikölen sowie Kühlflüssigkeiten bestanden, wobei es keine Schutzmaßnahmen gegeben habe. Er sei zudem nicht ausreichend überprüft worden, ob Benzol sowie die anderen Gefahrstoffe, mit denen der Kläger Umgang gehabt habe, Blasenkarzinome verursachen könnten. Der Gutachter gehe zudem lediglich von statistischen Zahlen aus, wobei konkret auf den Kläger bezogen eine Risikoverdoppelung vorliege. Es gebe zudem auch in der Literatur Stimmen, die ein erhöhtes Risiko von Kfz-Mechanikern sehen, an Blasenkarzinomen zu erkranken. Schließlich sei der Kläger bereits im Alter von 38 Jahren erkrankte, wobei das mittlere Erkrankungsalter für Männer bei 70 Jahren liege. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger an einer BK leide. Dies werde auch durch die passende Latenzzeit und die fehlenden außerberuflichen Risikofaktoren gestützt.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV,
hilfsweise eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII vorliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides. Zudem führte sie an, dass der Kläger verkenne, dass es vorliegend in erster Linie um die Frage gehe, in welchem Umfang der Kläger beruflich gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen sei. Nicht alle vom Kläger verwendeten Arbeitsstoffe hätten solche aromatischen Amine enthalten. Dies habe der Präventionsdienst umfangreich dargelegt. Das Gutachten von Prof. G. sei schlüssig und weitere Ermittlungen weder notwendig noch möglich. Der Gutachter habe rechtmäßig eine Risikoverdoppelung durch Auswertung aktueller wissenschaftlicher Studien verneint. Der Gutachter habe zudem ein beruflich bedingtes Harnblasenkarzinom bei dem Kläger lediglich für möglich gehalten, nicht jedoch die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit bejaht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zu Recht hat die Beklagte bei dem Kläger das Vorliegen einer BK 1301 abgelehnt.

Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist § 9 Abs 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII), das hier gemäß § 212 SGB VII Anwendung findet, weil der Eintritt einer BK für die Zeit nach seinem Inkrafttreten am 1.1.1997 geltend gemacht wird. Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, jeweils RdNr 15; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff).

Von Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV werden Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine erfasst. Nach dem Tatbestand der BK 1301 muss also der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit Einwirkungen von aromatischen Aminen ausgesetzt gewesen sein. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine Erkrankung in Form von Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege entstanden sein. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen.

Unstreitig ist der Kläger vorliegend an einem von der BK 1301 erfassten Harnblasenkarzinom erkrankt. Streitig ist jedoch der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Verursachung der Erkrankung des Klägers durch berufliche Einwirkungen.

Vorliegend hat der Präventionsdienst der Beklagten bei seinen Ermittlungen festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Kfz-Mechaniker der Einwirkung von aromatischen Aminen ausgesetzt war. In seiner Stellungnahme vom 19.01.2010 führte der Präventionsdienst insoweit aus, dass aromatische Amine nach den Angaben der befragten Mineralölhersteller in Form von Farbstoffzusätzen in Ottokraftstoffen in geringem Umfang vorhanden gewesen seien. Von 1964-1994, bei anderen Herstellern teilweise auch nur bis 1983, sei verbleites Normal- und Superbenzin teilweise mit einem Azo-Farbstoff eingefärbt worden, welcher 4-Aminoazobenzol habe abspalten können, welches in der Liste der aromatischen Amine in Kategorie 2 falle. Dieselkraftstoffe seien nicht eingefärbt worden. Zum Reinigungspetroleum könnten keine Angaben über mögliche eingesetzte Farbstoffe gemacht werden. Die Schmierstoffe und Öle seien mit Farbstoffen gefärbt worden, die keine aromatischen Amine enthielten. Insgesamt ergebe sich somit eine Belastung durch aromatische Amine nur aus den Kraftstoffen, wobei der Anteil des Azo-Farbstoffs in den Kraftstoffen äußerst gering gewesen sei. Aufgrund der hohen Farbintensität habe der Gesamtanteil des Farbstoffs in der Konzentration bei lediglich maximal 1 ppm gelegen.

In einer weiteren Stellungnahme vom 15.06.2010 teilt der Präventionsdienst sodann noch mit, dass nach den derzeitigen Erkenntnissen und diversen Rückfragen aromatische Amine in Autoabgasen nicht bekannt seien. Das Gleiche gelte auch für Autolacke.

Im Ergebnis ist damit nachgewiesen, dass der Kläger durch den Kontakt mit Kraftstoffen bis 1994 aromatischen Aminen in geringem Umfang ausgesetzt war. Hinsichtlich der übrigen Arbeitsstoffe, mit denen der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit Umgang hatte, wie Kühl- oder Schmierstoffe, Motoröl oder Reinigungspetroleum ist dagegen eine Belastung mit aromatischen Aminen nicht belegt. Dies gilt auch für die Belastung durch Autoabgase und Autolacke. Der Kläger hat insoweit auch keinen substantiierten Vortrag gebracht, der die Ermittlungen des Präventionsdienstes widerlegen würde.

In seinem arbeitsmedizinischen Gutachten vom 05.08.2010 kommt Prof. G. sodann zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Kfz-Mechaniker, an einem Harnblasenkarzinom zu erkranken, in der Literatur kontrovers diskutiert werde. Für die Anerkennung einer BK fordere der Gesetzgeber jedoch bei der betroffenen Berufsgruppe gegenüber der übrigen Bevölkerung eine Gefährdung in erheblich höherem Grade, was einer Verdoppelung des Risikos entspreche. Eine solche Risikoverdoppelung sei in den ausgewerteten Studien hinsichtlich Blasenkarzinoms bei Kfz-Mechanikern nicht gesehen worden. Bei dem Kläger spreche für eine berufliche Genese der Erkrankung auf der anderen Seite das rezidivierende Auftreten des Karzinoms sowie auch das deutlich unter dem mittleren Erkrankungsalter für Harnblasenkarzinome liegende Erkrankungsalter des Klägers. Darüber hinaus fehlten außerberuflicher Risikofaktoren. Im Ergebnis sei der Kläger gegenüber aromatischen Aminen in geringer Konzentration exponiert gewesen, so dass ein beruflich bedingtes Harnblasenkarzinom bei ihm möglich erscheine. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten könne jedoch kein beruflich bedingtes Harnblasenkarzinom im Sinne der BK 1301 bei dem Kläger angenommen werden, da die Voraussetzungen der BK 1301 nicht erfüllt seien. Bei dem Kläger habe eine Exposition gegenüber Azofarbstoffen nur in geringer Konzentration von 1 ppm vorgelegen und einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos für Kfz-Mechaniker sei nach den aktuellen wissenschaftlichen Studien nicht belegt.

Dieser Einschätzung schließt die Kammer sich vollumfänglich an. Prof. G. hat in seinem Gutachten schlüssig und überzeugend dargelegt, weshalb die Voraussetzungen der BK 1301 bei dem Kläger nicht als erfüllt angesehen werden können. Der Gutachter führt dabei in seinem Gutachten durchaus auch Punkte an, die für eine berufliche Genese der Erkrankung des Klägers sprechen, nämlich das frühe Erkrankungsalter sowie die passende Latenzzeit und die fehlenden außerberuflichen Risikofaktoren. Im Ergebnis und in Abwägung aller Erkenntnisse kommt er sodann zu dem Ergebnis, dass eine berufliche Verursachung des Harnblasenkarzinoms bei dem Kläger möglich sei. Dies genügt für die Anerkennung einer BK jedoch grundsätzlich nicht. Vielmehr ist immer das Vorliegen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Verursachung der Erkrankung durch die beruflichen Einwirkungen zu fordern, da nur so der wesentliche Ursachenzusammenhang bejaht werden kann.

Zu Recht weist Prof. G. darauf hin, dass für den Nachweis eines rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der Erkrankung und der festgestellten beruflichen Einwirkung bei einer BK grundsätzlich der epidemiologische Nachweis einer so genannten Risikoverdoppelung für die spezifische Berufsgruppe in Bezug auf die fragliche Erkrankung erforderlich ist. Nur bei Vorliegen dieses Nachweises spricht statistisch eine mehr als 50-prozentige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die berufliche Exposition Ursache der Erkrankung ist, so dass die Definitionskriterien für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erfüllt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 68; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2012, L 3 U 289/09). Eine derartige Risikoverdoppelung hat Prof. G. dabei unter Auswertung der aktuell vorliegenden wissenschaftlichen Studien schlüssig verneint, so dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht bejaht werden könne.

Auch dieser Einschätzung des Gutachters schließt das Gericht sich an. Prof. G. hat schlüssig belegt, dass nach den derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen die erforderliche Risikoverdoppelung nicht angenommen werden kann. Damit fehlt es für Kfz-Mechaniker grundsätzlich an dem Nachweis der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für eine berufliche Genese eines Harnblasenkarzinoms im Zusammenhang mit aromatischen Aminen. Umstände des Einzelfalls können diese abstrakte Schlussfolgerung zwar grundsätzlich in Frage stellen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.), im vorliegenden Fall sieht die Kammer jedoch keine derartigen Umstände, die trotz der fehlenden Risikoverdoppelung den wesentlichen Ursachenzusammenhang belegen könnten.

Zwar ist eine schädliche Untergrenze für aromatische Amine nicht bekannt und eine Grenze, unterhalb der keine kanzerogene Wirkung der aromatischen Amine zu erwarten ist, findet sich auch nicht in dem Merkblatt zur BK 1301 (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2012, L 3 U 289/09). Jedoch war der Kläger vorliegend einer sehr geringen Konzentration von aromatischen Aminen in Höhe von maximal 1 ppm ausgesetzt und dies auch nur im Zusammenhang mit dem Kontakt zu Kraftstoffen und nicht bei Kontakt mit den übrigen vom Kläger aufgeführten Arbeitsmitteln. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Verursachung des Harnblasenkarzinoms durch aromatische Amine kann deshalb hieraus nicht abgeleitet werden. Zudem muss berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits mit Abschluss seiner Lehre 1980 zu einem (teilweise hälftigen) Teil seiner Arbeitszeit als Kundendienstberater und damit administrativ und ohne Einwirkung aromatischer Amine tätig war.

Auch die übrigen von Prof. G. in seinem Gutachten besprochenen und bereits oben dargelegten Punkte, die grundsätzlich eine berufliche Genese möglich erscheinen lassen, führen zur Überzeugung des Gerichts vorliegend nicht zu einer anderen Einschätzung. Der Kläger ist zwar deutlich vor dem mittleren Erkrankungsalter an einem Harnblasenkarzinom erkrankt, dies kann jedoch ebenso schicksalshaft sein und führt im Ergebnis bei Beachtung der angeführten und gewichtigen Argumenten gegen eine berufliche Verursachung (fehlende Risikoverdoppelung, sehr geringe Konzentration von aromatischen Aminen in Kraftstoffen und Tätigkeit im administrativen Bereich) nicht zu einer Überzeugung des Gerichts zu Gunsten eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs.

Schlussendlich kann sich die Kammer damit vom Vorliegen der Voraussetzungen einer BK 1301 bei dem Kläger nicht überzeugen, so dass die Ablehnung dieser BK durch die Beklagte rechtmäßig war.

Die Beklagte hat darüber hinaus auch rechtmäßig das Vorliegen einer so genannten Wie-BK abgelehnt. Eine solche kommt bei dem Kläger im Hinblick auf den Kontakt mit Benzol grundsätzlich infrage, da in Bezug auf Benzol mit der BK 1318 nur Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und lymphatischen Systems als Listen-BK anerkannt sind.

Nach der so genannten Öffnungsklausel des § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer "Wie"-BK bei einem Versicherten sind das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als "Wie"-BK im Einzelfall bei dem Versicherten. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung enthält diese Vorschrift keine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als "Wie"-BK anzuerkennen wäre (zu allem SG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 07.08.2012, S 40 U 315/10).

Vorliegend hat die DGUV auf Anfrage durch die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 12.01.2010 mitgeteilt, dass es keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII bzgl. Benzol im Zusammenhang mit Urothelkarzinomen gebe. Ohne derartige neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse kommt jedoch die Anerkennung einer Wie-BK im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII nach den gesetzlichen Vorgaben nicht in Betracht. Die Beklagte hat daher auch insoweit die Anerkennung zu Recht abgelehnt.

Im Ergebnis erweist sich damit der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2011 als rechtmäßig, so dass die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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