S 23 U 32/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 32/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 152/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 09.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2014 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte festgestellt hat, dass bei dem Kläger als Unfallfolge eine "vorübergehende Anpassungsstörung nach Banküberfall" vorliegt und eine "akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und depressiven Zügen" nicht Unfallfolge ist und die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger eine höhere Rente als nach einer MdE von 20 v. H. und über den 30.09.2012 hinaus eine Rente zu gewähren,
und es wird festgestellt, dass eine chronische PTBS (ICD-10: F43.1), vom 12.04.2012 bis 19.04.2015 eine mittelgradige depressive Störung (ICD-10: F33.1) und ab 20.04.2015 eine schwere depressive Episode mit kognitiven und regressiven Symptomen (ICD-10: F32.2) sowie ab 12.04.2012 eine Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10: F62.0) gesundheitliche Folgen des Versicherungsfalls vom 03.09.2010 sind und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 12.04.2012 bis 19.04.2015 eine Rente nach einer MdE von 30 v. H. und ab dem 20.04.2015 nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung von Unfallfolgen und die Gewährung einer höheren Rente als Dauerrente.

Der Kläger, ausgebildeter Groß- und Außenhandelskaufmann, wurde am 03.09.2010, im Alter von 53 Jahren, bei seiner Tätigkeit als Bankkaufmann (in der Kundenberatung) bei der Kreissparkasse A-Stadt Opfer einer schweren räuberischen Erpressung. Aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Hanau vom 11.04.2013 ergibt sich folgender Sachverhalt/Tatbestand (hierbei hat sich die erkennende Strafkammer, wie in den Entscheidungsgründen Seiten 9 bis 11 dargestellt, explizit den Bekundungen des als Zeugen vernommenen Klägers angeschlossen, weil dieser detailliert und widerspruchsfrei das von ihm erlebte Geschehen bekundet habe, die von ihm berichteten Details und Geschehensabläufe sich zwanglos ineinandergefügt und ein in sich stimmiges und überzeugendes Bild ergeben hätten. Der Kläger sei insbesondere aufgrund seines persönlichen Eindrucks auf die Mitglieder der erkennenden Kammer glaubwürdig gewesen: Als ein Mensch, der – sich seiner Verantwortung als Zeuge bewusst –, seine Aussage gleichermaßen abgewogen wie zurückhaltend dargeboten habe): "[ ...] Kurze Zeit später betrat der Angeklagte erneut die Sparkassen-Filiale. Er trug nunmehr einen Schal, welchen er sich vor dem Betreten der Filiale über seinen Mund gezogen hatte. Er war zudem mit einer dunklen Sonnenbrille sowie einem schwarzen Fahrradhelm [ ...] bekleidet. In einer umgehängten Gürteltasche führte der Angeklagte eine täuschend echt aussehende – ungeladene – Schreckschusspistole des Typs Walther P99 mit sich. [ ...] Er ging nunmehr auf die sich im Schalterbereich befindlichen Mitarbeiter der Sparkassen-Filiale C., D. und A. zu, äußerte diesen gegenüber laut und bestimmt "Überfall. Geld her!" und zog zur Einschüchterung der Mitarbeiter und um seine Forderung durchzusetzen die mitgeführte Schreckschusspistole aus der Gürteltasche und richtete diese auf den Bauchbereich des Mitarbeiters A. Der Zeuge A. begab sich beeindruckt von der Bedrohungssituation – in den Kassenbereich und holte von dort Bargeld in einer Gesamthöhe von 62.000 Euro [ ...]. Währenddessen hielt der Angeklagte mit der noch immer gezogenen Schreckschusspistole die Mitarbeiter C. und D. weiterhin in Schach. Nachdem der Zeuge A. mit dem Bargeld aus dem Kassenbereich zurückgekehrt war, hielt der Angeklagte eine mitgebrachte Plastiktüte auf, in welche der Zeuge A. das Geld – der Angeklagte hielt nunmehr wieder diesen mit gezogener und auf ihn gerichteter Schreckschusspistole in Schach – auf Anweisung des Angeklagten packte. [ ...] Daraufhin verließ der Angeklagte unverzüglich die Sparkassen-Filialen [ ...]. Die Folgen der Tat waren für den Zeugen A. gravierend. Der Zeuge ist seit dem Überfall aufgrund psychischer Probleme erwerbsunfähig und befindet sich seitdem auch durchgängig in psychologischer Behandlung. Er muss zudem aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigungen regelmäßig Medikamente einnehmen. Der Zeuge findet nachts maximal 2 bis 3 Stunden durchgängigen Schlaf, leidet unter Alpträumen, kann keine Sparkassengebäude mehr betreten und keine Kriminalfilme im Fernsehen mehr gucken. Er erwartet aktuell einen Rentenbescheid, nachdem er bereits einen Rentenantrag eingereicht hat. Pro Monat hat der Zeuge A. aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit ca. 450 Euro Gehaltseinbuße, da er lediglich Krankengeld erhält. [ ...]"

Etwas mehr als zwei Monate nach dem Überfall, am 17.11.2010, meldete sich Herr E., Diplom-Sozialpädagoge, Inhaber einer Praxis für Beratung und Krisenintervention nach traumatischen Ereignissen, bei der Beklagten wegen einer medizinischen Rehabilitation des Klägers. Herr E. legte seinen Bericht über die psychotherapeutische Beratung und Krisenintervention vom 18.10.2010 mit den drei von dem Überfall betroffenen Mitarbeitern der Bank vor. Den Kläger betreffend beschreibt Herr E. hierin, dass sich bei diesem beim Gruppengespräch am 16.09.2010 eine Vielzahl der häufig auftretenden Stressreaktionen auf deutlich erhöhtem Niveau gezeigt habe. Zu den Stressreaktionen hätten gezählt: häufiges Auftreten von Gedanken und Bildern in Bezug auf den erlebten Überfall, zeitweise verbunden mit dem Gefühl, alles noch einmal zu erleben; gesteigerte Wachsamkeit und erhöhtes Misstrauen gegenüber fremden Personen; stark erhöhte Schreckhaftigkeit und Geräuschempfindlichkeit; stark erhöhte Reizbarkeit; Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafstörungen, unruhiges, oberflächliches Schlafen); Konzentrationsprobleme; Verdrängungs- und Vermeidungsverhalten. Der Kläger habe berichtet, dass er erst an einen Spaß gedacht habe, als er aber dann die Waffe (tödliche Bedrohung) gesehen habe, sei ihm klar gewesen, dass er nun handeln müsse. Er sei in einen leichten Trancezustand gefallen und habe sich sehr beeilt, dass die Kollegen der Gefahr nicht zu lange ausgesetzt seien. Er habe einen großen Verantwortungsdruck gespürt, deshalb habe er möglichst viel Geld genommen, damit der Täter nicht noch mehr fordere, sondern sofort verschwinden könne. Dann habe er dem Täter das Geld gegeben und der sei sofort verschwunden. Wenn der Kläger jetzt einen Fahrradfahrer sehe, reagiere er sofort mit starker Anspannung und Schreckhaftigkeit. Die Erfahrungen zweier weiterer belastender lebensgeschichtlicher Ereignisse der letzten Jahre tauchten jetzt verstärkt wieder auf. In einem zweiten Beratungsgespräch am 07.10.2010 habe der Kläger berichtet, dass er seit dem Überfall verstärkt an einem vorbestehenden Bluthochdruck leide und deshalb in ärztlicher Behandlung sei. Immer wieder tauchten Bilder von dem Täter auf und der Kläger sei unsicher geworden, ob er sich richtig verhalten habe, da sowohl die Kripo als auch die Versicherung kritische Fragen gestellt hätten. Hier habe sich, so Herr E., eine deutlich sekundäre Schädigung durch Verhaltensfehler Dritter gezeigt, da dieses Verhalten die Auswirkungen einer zunehmenden Verunsicherung, von Selbstzweifeln und der Angst, Fehler zu machen, verstärkt habe. Im weiteren Verlauf des Gesprächs sei deutlich geworden, dass auch der Dauerstress am Arbeitsplatz ein Aspekt sei und dass das Thema Tod bei allen gemachten Erfahrungen eine wichtige Rolle spiele.

Am 25.11.2010 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige des Arbeitgebers ein. Beigefügt war ihr der Bericht des Arbeitgebers vom 03.09.2010 über "besondere Vorkommnisse", gerichtet an die "Akte Interne Revision". Dort wird das Überfallgeschehen (aus der Sicht der drei betroffenen Mitarbeiter) wiedergegeben. Zusätzlich zum oben zitierten Tatbestand des Strafurteil wird hierin in Bezug auf die im Kundenbereich der Bank verbliebenen beiden Kollegen des Klägers geschildert, dass der Täter einen von ihnen aufgefordert habe, die Schubladen der Stehberatung (an der alle drei Mitarbeiter standen, als der Täter die Bank betrat) zu öffnen in der Hoffnung, weiteres Geld zu erbeuten. Dem Täter sei eine gewisse Unsicherheit und Hektik anzumerken gewesen.

Auf Nachfrage der Beklagten legte der Kläger seinen, bei der Deutschen Rentenversicherung unter dem 18.10.2010 gestellten, Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vor. Hierin hatte der Kläger angegeben, dass folgende gesundheitliche Probleme derzeit im Vordergrund stünden: Bluthochdruck, Panikattacken aufgrund Banküberfalls an der Arbeit, Schulterbeschwerden rechts, Depression (Winterdepression), Gehörschaden, Tinnitus, Allergien. Er sei wegen des Banküberfalls nicht arbeitsfähig. Im beigefügten ärztlichen Befundbericht zum Rehabilitationsantrag der Rentenversicherung, der von dem Hausarzt des Klägers, Dr. F., am 21.10.2010 erstellt wurde, werden die Diagnosen Anpassungsstörung, psychophysische Erschöpfung, Panikattacken, arterielle Hypertonie sowie Cervicobrachialgie rechts genannt. Der Kläger leide unter Angstanfällen, Panikattacken, stark erhöhter Reizbarkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, erhöhtem Misstrauen gegenüber fremden Personen, depressiver Symptomatik mit Antriebsminderung und Stimmungstief seit dem Raubüberfall vom 03.09.2010. Ebenfalls beigefügt war (bei Leistungsablehnung durch die DRV) der "ärztliche Widerspruch" des Dr. F. vom November 2010. Hierin führte Dr. F. aus, dass die bestehende psychophysische Erschöpfung mit Angstanfällen und Panikattacken eindeutig durch das Erlebnis eines Sparkassenraubüberfalls mit tödlicher Bedrohung ausgelöst worden sei. In Übereinstimmung mit dem bereits behandelnden Psychologen sei der Arzt der festen Überzeugung, dass der massive Leidensdruck des Klägers nur durch ein intensives stationäres Behandlungsprogramm gebessert werden könne. Seine Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben (Publikumsverkehr der Sparkasse) sei sonst auf Dauer in Frage gestellt. Es bestehe noch fortlaufend Arbeitsunfähigkeit.

Die (nicht bezüglich der stationären Rehabilitation) in Vorleistung getretene Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) des Klägers machte gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend. In diesem Zusammenhang gelangte der vorläufige Arztbericht des Krankenhauses A-Stadt zu den Akten, in dem der Kläger bei den Diagnosen "Ausschluss akutes Koronarsyndrom, Anpassungsstörung nach Trauma, rezidivierende Panikattacken, arterielle Hypertonie" stationär vom 14.10.2010 bis 15.10.2010 in Behandlung gewesen war, sowie zu Lasten der GKV ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Folgebescheinigungen) des Dr. F. für den Zeitraum vom 15.10.2010 bis 08.11.2010 bei der Diagnose F41.0 G (gesicherte Panikstörung).

Die Beklagte gewährte dem Kläger nach alledem eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung (BGSW) in der Klinik am Rosengarten. Im Aufnahmebericht vom 11.12.2010 gaben die Ärzte der Klinik, der Facharzt für Nervenheilkunde Dr. Dr. G., der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, H., sowie die Stationsärztin J. als behandlungsrelevante, unfallabhängige Diagnose "Teilsymptomatik einer PTBS [posttraumatische Belastungsstörung] nach Raubüberfall vom 03.09.2010 an. Die aktuellen Beschwerden des Klägers werden in dem Bericht wie folgt wiedergegeben: Seit dem Überfall sei der Kläger ein anderer Mensch geworden. Er leide unter innerer Unruhe, Angstzuständen mit Herzrasen und Luftnot, Schlafstörungen mit Alpträumen, Todesängsten. Seit dem Überfall fühle er sich hilflos und sei depressiv, häufig müsse er an den Täter denken. In den Tagen nach dem Überfall sei es ihm sehr schlecht gegangen. Aufgrund einer Panikattacke, in welcher er erstmalig Schmerzen im HWS- und BWS-Bereich verspürt habe, sei eine stationäre Behandlung vom 14.10.2010 bis zum 15.10.2010 erfolgt. Seitdem habe er rezidivierende Panikattacken. Durch die ambulante Psychotherapie (hier können nur die Gespräche bei Herr E. gemeint sein, vgl. klinisch-psychologischer Abschlussbericht, s. u.) hätten sich seine Beschwerden gebessert. Es bestehe Vermeidungsverhalten. Der Kläger bringe Dinge durcheinander. Er versuche, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sparkassenangestellter auszuüben, könne sich nicht aufs Lesen konzentrieren, sei hektisch, habe zunehmend Konzentrationsschwierigkeiten. Auch habe er oftmals das Gefühl, noch einen Kloß im Hals zu haben, so dass es ihm schwerfalle, entspannt zu sein. Als Rehabilitationsziele hielten die Ärzte eine Reduktion der depressiven Symptomatik sowie der Angstsymptomatik sowie eine Stabilisierung der Emotionalität fest.

Im klinisch-psychologischen Abschlussbericht der Klinik vom 18.01.2011 gab der Diplom-Psychologe K. Folgendes an: Anlass der psychotherapeutischen Behandlung sei eine vordiagnostizierte PTBS in Folge des Überfalls gewesen [Woraus Herr K. diese Erkenntnis zieht, bleibt unklar. Aktenkundig ist zu diesem Zeitpunkt die Diagnose einer PTBS jedenfalls noch nicht; Anm. d. Verf.]. Im Aufnahmegespräch habe der Kläger berichtet, dass er seit dem Unfall sehr verunsichert und ängstlich sei. Wenn er Personen sehe, die Ähnlichkeiten mit dem Täter aufwiesen, einen Fahrradhelm oder Mütze trägen, werde er sofort panisch. Als er nach dem Überfall versucht habe, wieder zu arbeiten, sei er die ganze Zeit über auf der Hut gewesen und habe jeden Kunden, der die Sparkasse betreten habe, genau beobachtet. Bei jüngeren Personen sei das besonders schlimm gewesen und er habe sich in den hinteren Teil der Filiale zurückgezogen. Aufgrund seiner Ängste sei er bei der Arbeit sehr unkonzentriert und hektisch gewesen, habe immer befürchtet, Fehler zu machen. Seine Zahlen seien bereits vor dem Überfall nicht so gut gewesen. Da es auf der Arbeit nicht in allen Bereichen so gut gelaufen sei und er sich unter Druck gefühlt habe, habe er auch zunehmend seine Selbstsicherheit verloren. Er zweifle auch immer noch daran, ob er bei dem Überfall alles richtig gemacht habe. Insgesamt hätten die Ängste und der innere Druck dazu geführt, dass der berufliche Wiedereinstieg nach dem Überfall gescheitert sei. Der Kläger ziehe sich auch sehr von anderen zurück, was eigentlich nicht seine Art sei. Zum einen fehle ihm der Antrieb, zum anderen wolle er nicht ständig auf den Überfall angesprochen werden. Dabei komme dann wieder alles hoch und es gehe ihm schlecht. Sein Herz beginne zu rasen und der Blutdruck gehe hoch. Er sei insgesamt sehr unruhig, schnell gereizt und rege sich wegen jeder Kleinigkeit auf. Er schlafe schlecht und mitunter träten Alpträume vom Überfall auf, was mittlerweile jedoch immer seltener vorkomme. Er vermeide auch größere Menschenmengen, da er dort nicht alles im Blick habe. Wenn jemand eine Tasche bei sich trage, schaue er immer, was die Person dort heraushole. Überhaupt sei er anderen gegenüber sehr misstrauisch geworden. Bereits vor dem Überfall sei der Kläger psychisch belastet gewesen. 2009 sei seine Mutter gestorben. Deren Tod habe er immer noch nicht ganz überwunden. Als einziger Sohn sei er durch die vorherige Pflege seiner Mutter sehr eingebunden gewesen, worunter seine Leistung auf der Arbeit gelitten habe. Die zu erbringenden Zahlen hätten nicht so gestimmt, was sein berufliches Selbstvertrauen erschüttert habe. Seit dieser Zeit leide er an erhöhtem Blutdruck. In den Jahren 2002 und 2008 sei der Kläger als Ersthelfer bei der Freiwilligen Feuerwehr direkt mit dem Unfalltod zweier ihm bekannter Menschen konfrontiert worden. Diese Erfahrungen habe er auch nie ganz verarbeitet und die Erinnerungen träten insbesondere seit dem Überfall wieder vermehrt auf. Eine psychotherapeutische Behandlung sei bislang nicht erfolgt. Der Diplom-Psychologe K. hielt in dem o. g. Bericht folgenden psychischen Befund fest: "[ ...] Es bestehen keine Hinweise auf Merkfähigkeitsstörungen, die Konzentration ist stellenweise beeinträchtigt. Die Stimmungslage erscheint ängstlich-gedrückt, die affektive Schwingungsfähigkeit ist herabgesetzt. Der Antrieb erscheint regelrecht, psychomotorisch ist der Patient sehr unruhig. Im Selbstbericht werden depressive Symptome, eine generell erhöhte Unsicherheit und Ängstlichkeit, spezifische Ängste gegenüber überfall assoziierten Stimuli (insbesondere Personen mit Tätermerkmalen) sowie Symptome chronischer Übererregung benannt. Bei der Schilderung des Überfallereignisses zeigt sich ein Anstieg des psychovegetativen Erregungsniveaus. Die Persönlichkeitsstruktur zeigt akzentuiert zwanghafte Züge. [ ...]" Unter Einbeziehung einer testpsychologischen Diagnostik (nach Symptom-Checkliste 90 R Hinweis auf eine stark erhöhte psychische Belastung zum aktuellen Zeitpunkt; nach Impact of Event Scale – IES-R – Hinweis auf das Vorliegen posttraumatischer Symptome in Folge des erlebten Ereignisses, Schwerpunkt "Intrusion" und "Hyperarousal") und einer Exposition in vivo (Exposition in einer Sparkasse) stellte Herr K. die Diagnose "Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik und generell erhöhtem Angstniveau, phobischen Ängsten gegenüber überfallassoziierten Stimuli und chronischem Hyperarousal". Die im Rahmen der Anpassungsstörung bestehenden überfallbezogenen Ängste mit erhöhtem Bedrohungserleben seien, so Herr K., Folge des bewaffneten Raubüberfalls vom 03.09.2010. Die übrigen psychischen Beeinträchtigungen hätten zum Zeitpunkt des Überfalls bereits vorgelegen (depressive Erschöpfungs- und Trauerreaktion nach Pflege und Tod der Mutter, erhöhte Ängstlichkeit durch Konfrontation mit zwei tödlichen Unfällen von bekannten Personen, Überforderungserleben am Arbeitsplatz) und seien durch den Überfall noch weiter verstärkt worden. Hinweise auf das Vorliegen einer PTBS hätten sich aktuell nicht ergeben. Unter Therapie und Verlauf führte Herr K. aus, dass der Kläger trotz des günstigen Verlaufs (In-Gang-Bringen eines konstruktiven Verarbeitungsprozesses des Überfallereignisses und Verringerung der hiermit verbundenen psychischen Belastung) seine Ängste gegenüber Personen mit Tätermerkmalen nicht in ausreichendem Maße habe überwinden können. In diesem Zusammenhang müsse allerdings berücksichtigt werden, dass die diesbezügliche Motivation durch den Wunsch des Klägers, nicht nur aufgrund seiner Ängste, sondern auch wegen seines bereits vor dem Überfall bestehenden Überforderungserlebens nicht wieder in den Schalterdienst zurückkehren zu müssen, beeinflusst gewesen sei. Als Ergebnis hielt Herr K. u. a. fest, dass sich durch die psychotherapeutische Behandlung die psychische Störungssymptomatik als überwiegend rückläufig erwiesen habe, so dass sich der Kläger gegen Ende des stationären Aufenthalts in einem deutlich stabilisierten Zustand befunden habe. Aber der Kläger sehe sich nach dem oben Ausgeführten zur Bewältigung der im Schalterbereich gegebenen Anforderungen durch die zusätzliche, aus dem Überfall resultierende Stressbelastung nicht mehr in der Lage. Um die Arbeitsfähigkeit des Klägers langfristig zu gewähren, wäre daher aus klinisch-psychologischer Sicht eine innerbetriebliche Umsetzung (Tätigkeit ohne Kundenkontakt) empfehlenswert. Die Entlassungsdiagnose lautete: abklingende Anpassungsstörung mit jedoch noch verbliebener überfallbezogener Angstsymptomatik. Der "Ausführliche ärztliche Entlassungsbericht" der Klinik am Rosengarten wurde am 02.03.2011 erstellt und enthält neben dem hier in Auszügen wiedergegebenen klinisch-psychologischen Abschlussbericht keine weiteren erheblichen Erkenntnisse.

Wenige Tage nach der Entlassung aus stationärer Behandlung, am 25.01.2011, führten, auf Veranlassung der Beklagten (vgl. diesbezüglicher Gesprächsvermerk der Beklagten und E-Mail zwischen der Sachbearbeiterin L. und dem Reha-Fachberater Herr M.), der Kläger, begleitet von seinem Schwager Herr N., Herr M. und der Arbeitgeber des Klägers ein sog. Reha-Beratungsgespräch. Hierin wurde vereinbart, dass der Arbeitgeber entsprechend der o. g. ärztlichen Empfehlung eine Umsetzung des immer noch arbeitsunfähigen Kläger in den Fachbereich IT/Organisation prüft. Die Beklagte erklärte sich für den Fall von Gehaltseinbußen (Kläger verfüge für die dort ausgeschriebene Stelle nicht über die erforderliche fachliche Eignung) dazu bereit, Eingliederungshilfen zu gewähren und/oder erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen des Klägers durch Kostenerstattung zu unterstützen.

Ebenfalls nach der Entlassung aus der stationären Behandlung in der Klinik am Rosengarten hatte der Kläger bei Dr. O., Arzt für Neurologie, Psychiatrie/Psychotherapie, eine ambulante Behandlung begonnen. Im Bericht an die Beklagte vom 24.01.2011 bestätigte dieser die Entlassungsdiagnose der Klinik. Unter dem 10.02.2011 teilte der Arzt der Beklagten mit, dass eine stufenweise Wiedereingliederung gescheitert sei. Als (vorläufige) Diagnose benannte Dr. O. nun eine PTBS, verlängerte die Arbeitsunfähigkeitszeit und empfahl eine sozialmedizinische Begutachtung durch die Beklagte, um das weitere Vorgehen zu optimieren. Durch den Kläger erfuhr Herr M. am 14.02.2011 telefonisch, dass dieser von einem weiteren Gespräch mit seinem Arbeitgeber am 10.02.2011 sehr verunsichert sei. Der Arbeitgeber habe ihm keinen konkret beschriebenen Arbeitsplatz zugesichert, jedoch eine Einwilligung zu einer Gehaltsrückstufung verlangt. Als Ergebnis des Gesprächs habe der Arbeitgeber noch keine ausreichende Stabilität für eine auch nur probeweise im Rahmen einer Arbeits- und Belastungserprobung zu gestaltende Arbeitsplatzumsetzung angenommen und dem Kläger geraten, sich noch für einige Wochen krankschreiben zu lassen. Dem Kläger gehe es gesundheitlich wieder sehr schlecht und er habe deshalb bereits mit Herrn E. wieder Kontakt aufgenommen. Telefonisch wurde die Beklagte von diesem am 24.02.2011 darüber informiert, dass der Kläger kurz vor dem Zusammenbruch stehe, weil sein Termin bei der Fachärztin Dr. P., zu der er von Dr. O. wechseln wolle, erst im Mai stattfinde. Bezüglich der Arbeit würden sich die Fronten zunehmend verhärten, die dem Kläger signalisierten, keine Zukunft in der Bank zu haben.

Mit Bescheid vom 01.03.2011 erkannte die Beklagte "nach dem derzeitigen Ermittlungsstand" das Ereignis vom 03.09.2010 als Arbeitsunfall an. Die endgültige Entscheidung bleibe vorbehalten.

Bei einem Telefongespräch des Herrn M. mit dem Arbeitgeber am 03.03.2011 wurde ersterer darüber informiert, dass dem Kläger angeboten worden sei, seine Tätigkeit als Kundenberater wieder aufzunehmen, ggf. auch in einer anderen Bankfiliale oder ihm die freie Stelle im Fachbereich Organisation mit individueller Anpassung an sein Leistungsvermögen mit einer vorübergehenden Gehaltsabsenkung von monatlich 100 Euro zu übertragen. Hierzu sei der Kläger nicht bereit gewesen, weil er gerne als Hausmeister gearbeitet hätte, was aber nicht realisierbar sei.

In einem weiteren Telefonat des Herrn M. mit Herrn E. äußerte Letzterer, dass der Kläger massiv verunsichert und in einer instabilen psychischen Verfassung sei und das Vertrauen in seinen Arbeitgeber verloren habe. Ohne eine begleitende therapeutische Unterstützung sei an eine Arbeitsaufnahme nicht zu denken. Auf Anforderung der Beklagten erstattete Herr E. am 13.06.2011 einen Folgebericht über die psychotherapeutische Beratung und Krisenintervention des Klägers: Nachdem der Kläger sich nach dem Ende der stationären Rehabilitation in der Klinik am Rosengarten am 24.01.2011 sehr zufrieden gezeigt habe, habe er Anfang Februar über Probleme mit dem Arbeitgeber berichtet, die zu einer Zunahme der Stressreaktion auf stark erhöhtem Niveau geführt hätten: häufiges Auftreten von Gedanken und Bildern in Bezug auf den erlebten Überfall, zeitweise verbunden mit dem Gefühl, alles noch einmal zu erleben; gesteigerte Wachsamkeit und erhöhtes Misstrauen gegenüber Personen; starker soziales Rückzug; Ängste, erhöhte Reizbarkeit; ausgeprägte Schlafstörungen; massive Konzentrationsprobleme; starkes Verdrängungs- und Vermeidungsverhalten. Es hätten mittlerweile drei Gespräche mit den Vorgesetzten stattgefunden und der Kläger habe den Eindruck, dass man ihn loswerden wolle. Sein Chef habe ihm vorgeworfen, dass er in Begleitung seines Schwagers zu den Gesprächen gekommen sei. Dem Kläger sei keine adäquate Stelle angeboten worden. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er die Sparkasse 40.000 Euro im Jahr kosten würde und damit einen erheblichen Kostenfaktor darstelle. An diesem Punkt sei der Kläger, tief erschüttert, in einen Trancezustand gefallen und habe dem Gespräch nicht mehr folgen können. Dann habe er rausgehen müssen und am ganzen Körper gezittert. An diesem Punkt, so Herr E., habe sich eine massive sekundäre Schädigung gezeigt, die die Qualität einer existentiellen Bedrohung angenommen gehabt habe. Bisher habe der Kläger volles Vertrauen in seinen Arbeitgeber gehabt, was durch diese Äußerungen und Umgehensweisen zutiefst erschüttert worden sei. Am 25.02.2011 habe sich der Kläger wieder bei Herrn E. gemeldet und von einem etwaigen Stellenangebot im Bereich Organisation gesprochen. Diesbezüglich habe er sich aber am 11.03.2011 erneut gemeldet und berichtet, dass das Stellenangebot nichts Neues enthalte. Der Kläger habe gehört, dass es drei oder vier freie Stellen im Haus gebe. Die Personalchefin habe ihm zurückgemeldet, dass er für eine Beraterstelle im Backoffice nicht ausreichend qualifiziert sei, da er als Seiteneinsteiger kein gelernter Bankkaufmann sei. In einem weiteren Telefonat am 13.04.2011 habe der Kläger berichtet, dass ihm die Sparkasse die besagte Stelle ohne Rückgruppierung angeboten habe. Zwischenzeitlich habe der Kläger eine totale Krise gehabt und überlegt, ob er sein Leben beenden solle, habe aber gute Unterstützung von seinen Freunden. Wegen seines sehr starken Misstrauens gegenüber dem Arbeitgeber habe er Angst vor dem Beginn der Wiedereingliederung, da der Arbeitgeber versuchen könnte, ihn reinzulegen. Ihm fehle die Selbstsicherheit für den neuen Job. Der Kläger habe dem Arbeitgeber blind vertraut und sei zutiefst enttäuscht worden, jetzt könne er niemandem mehr vertrauen. Er habe Angst, es nicht zu schaffen, überfordert zu sein und Fehler zu machen.

Unter dem 30.08.2011 erstattete Frau Dr. P., Neurologin und Psychiaterin, und seit 24.05.2011 behandelnde Fachärztin des Klägers, auf Anfrage der Beklagten einen Behandlungsbericht. Sie diagnostizierte bei dem Kläger eine PTBS, beginnende Chronifizierung (F43.1 G) mit ausgeprägter depressiver Verstimmung, Ängsten sowie Flash-backs. Der Kläger habe ihr berichtet, dass er seit dem Überfall unter ausgeprägten Angstattacken, innerer Unruhe, Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen leide. Er könne sich kaum noch konzentrieren und traue sich nichts mehr zu. Immer wieder erlebe er die Situation, als der Täter hereingekommen sei und ihn mit einer Waffe bedroht habe. Der Kläger sei sehr misstrauisch geworden gegenüber fremden Personen. Er vermeide Situationen, in denen er in Gefahr kommen könne, z. B. abends allein rausgehen, alleine am EC-Schalter Geld holen etc. Manchmal habe er sogar das Gefühl, das Erlebte nochmals erleben zu müssen. Die Ärztin hielt im psychischen Befund fest: "[ ...] affektiv kaum schwingungsfähig, deutlich depressiv verstimmt, unruhig und ängstlich. Kein Anhalt für akute Suizidalität. Latente Suizidgedanken in der Vergangenheit werden jedoch angegeben. Ein Nichtsuizidvertrag kann jedoch mit dem Patienten für die Dauer der Behandlung geschlossen werden. Deutliche Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen." Obwohl sich der Kläger seit längerer Zeit in Behandlung bei Herrn E. befinde und intensiv motiviert an der Bewältigung des traumatischen Erlebnisses arbeite, sei dies jedoch bislang nur sehr bedingt gelungen. Obige Symptome seien bislang immer wieder erneut aufgetreten und in der Intensität nicht wesentlich geringfügiger geworden. Selbst unterhalbschichtig für leichte Tätigkeiten sei der Kläger daher derzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht arbeitsfähig. Er könne sich insbesondere nicht vorstellen, den alten Arbeitsplatz wieder aufzusuchen, da dann sofort die Bilder des Traumas wieder auftauchten. Selbst das Angebot, im Backoffice zu arbeiten, erzeuge massive Ängste. Mit einer Besserung sei trotz intensiver Behandlung in naher Zukunft nicht zu rechnen. Um einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes vorzubeugen, befürworte die Ärztin 25 psychotherapeutische Sitzungen zur Aufarbeitung der PTBS.

Am 21.09.2011 meldete sich der Schwager des Klägers bei Herrn M. und teilte diesem mit, dass es dem Kläger nach wie vor nicht gut gehe. Er leide darunter, nicht an seinen bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Nach Herrn N. Eindruck zeige der Kläger ein "stark verändertes Verhalten". Der Kläger werde jetzt, dem Vorschlag von Frau Dr. P. folgend, bei der Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Mittlerweile habe das Hessische Amt für Versorgung und Soziales seine Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt (GdB 50 wegen "Seelischen Störungen, Bluthochdruck, Allergie der Haut/Schleimhäute; Bescheid vom 19.09.2011).

Anlässlich eines Reha-Beratungsgesprächs des Herrn M. mit dem Kläger am 01.11.2011 führte der Rehafachberater in seinem Bericht aus, dass der Kläger im Vergleich zum Gespräch kurz nach der Entlassung aus der Klinik am Rosengarten am 25.01.2011 jetzt einen vermehrt verunsicherten und ängstlichen Eindruck mache. Er sei in einer "deutlich erkennbaren instabilen Verfassung angetroffen" worden.

Während Dr. P. ihre Behandlungen gegenüber der Beklagten zunächst unter der Diagnose PTBS in Rechnung gestellt hatte, wurden die Liquidation ab dem 21.12.2011 zusätzlich unter der Diagnose "F33.1G (Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode)" gestellt.

In einem weiteren Reha-Beratungsgespräch am 20.03.2012 traf Herr M. den Kläger weiterhin in verunsichertem und ängstlichen Zustand, einer deutlich erkennbaren instabilen Verfassung, an. Der Rehafachberater wurde vom Kläger bzw. dem ebenfalls anwesenden Herrn N. darüber informiert, dass der Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt worden und ein Widerspruch eingelegt wurde. Im Gespräch machten der Kläger und sein Schwager deutlich, dass der Kläger zur Finanzierung des Lebensunterhalts auf seinen Arbeitsverdienst angewiesen ist. Der Kläger mache sich deshalb große Sorgen, weil er seine bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Dem Kläger wurde durch Herrn M. der Bescheid vom 20.03.2012 über die Einstellung des Verletztengeldes ausgehändigt. Die Begründung des Bescheids lautet: "Auf Grund der Unfallfolgen ist nach den vorliegenden ärztlichen Befunden ein Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in Ihrem vor der letzten Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beruf nicht möglich. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen könnten, seien durch die Beklagte nicht zu erbringen. Hierzu wurde u. a. auf das mit dem Rehafachberater am 01.11.2011 durchgeführte ausführliche Beratungsgespräch verwiesen. In dem diesbezüglichen Bericht des Herrn M. findet sich indes keinerlei Hinweis darauf, dass an diesem Tag über Teilhabeleistungen gesprochen worden ist. Der Kläger übergab Herrn M. ein nervenärztliches Attest der Frau Dr. P. vom 23.02.2012 reagierend auf das Anhörungsverfahren betreffen die Einstellung des Verletztengeldes. Hierin befürwortete Frau Dr. P. aus nervenärztlicher Sicht die Weiterzahlung des Verletztengeldes. Der zwischenzeitlich eingeschaltete Klägervertreter erhob gegen den Bescheid vom 20.03.2012 Widerspruch, der nach der Aktenlage offenbar bis dato nicht beschieden ist. (Sollte sich der Zeitpunkt des Endes des Verletztengeldanspruchs nach bestandskräftigem Abschluss des Widerspruchsverfahrens nach hinten verschieben, wäre der "neue" Zeitpunkt des Endes des Verletztengeldanspruchs bei der tenorierten Rentengewährung zu berücksichtigen). Frau Dr. P. bescheinigte dem Kläger unter dem 21.05.2012, dass er aus nervenärztlicher Sicht für den allgemeinen Arbeitsmarkt selbst unterhalbschichtig unter drei Stunden täglich nicht einsatzfähig sei.

Unter dem 07.06.2012 gab Herr Dr. Q., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, im Auftrag der Beklagten nach Aktenlage und einer ausführlichen Befragung und Untersuchung des Klägers inklusive testpsychologischer Untersuchungen am 01.06.2012 ein neurologisches und psychiatrisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage ab. Bei der Hergangsschilderung des Überfalls 03.09.2010 gab der Kläger, wie schon zuvor, auch gegenüber dem Sachverständigen an, dass er wie in Trance gewesen sei, wie abgeschaltet, und nur den Gedanken gehabt habe, dass der Täter schnell wieder gehen solle. Die Kollegen sollten nicht länger der Angst ausgesetzt sein. Im weiteren Verlauf der Befragung äußerte der Kläger, dass er eine Wespengiftallergie habe und die vom Täter benutzte Gürteltasche ihn an diese Bedrohung erinnert habe, da er in einer ebensolchen Gürteltasche immer sein Behandlungs-Set bei Wespenstich mit sich getragen habe. In seiner "spontanen Beschwerdeschilderung" gab der Kläger an, dass er Angst habe, irgendetwas zu machen, weil er Angst habe, etwas falsch zu machen, er könne Kritik kaum ertragen, sei sehr gereizt, brauche manchmal zwei bis drei Stunden, um sich zu beruhigen, sei sehr unruhig, frage sehr viel nach, um sich zu vergewissern. Zweimal in der Nacht werde er wach, ihm dränge sich dann jede Erinnerung an den Unfall auf und er habe Träume mit Bedrohung. Meist werde er von vermummten Menschen bedroht und er träume so lebhaft, dass er sogar einmal aus dem Bett gefallen sei. Er meide Feiern, das er das Gefühl von Unsicherheit habe. Er gehe eigentlich nur unter Leute, wenn es wenige, vertraute Personen seien. Auch dann suche er in einem Lokal immer einen Platz in der Nähe der Tür. Er denke immer, die Leute meinten, er könne arbeiten, habe dies auch schon belauscht. Er habe Suizidgedanken, einmal sei es so schlimm gewesen, dass er seinen Arbeitsbereich in einer Scheune aufgeräumt habe, um keine Unordnung zu hinterlassen. Er habe oft Wortfindungsstörungen. Seine Höhenangst sei seit dem Überfall schlimmer geworden. Zur "speziellen Vorgeschichte" gab der Kläger an, dass die Gespräche nach dem Überfall mit der Polizei sehr schwierig und aufwühlend gewesen seien. An dem Wochenende nach dem Überfall (Freitag) sei es ihm dann besser gegangen, er habe sich abgelenkt, habe Nachfragen in der Familie abgewehrt, alles sei ihm zu viel gewesen. Er habe dann wieder am Montag gearbeitet, sei sehr unsicher gewesen. Junge Kunden oder Leute mit Brille oder Helm hätten ihn so verunsichert, dass er aus dem Kundenkontakt habe gehen müssen. Im stationären Heilverfahren seien die ersten zwei Wochen sehr schwierig gewesen, weil er erst den Tod der Mutter habe verwinden müssen, zu der er eine enge Bindung gehabt habe. Außerdem seien zwei Todesfälle Thema gewesen. Ab der dritten Woche sei es dann um den Unfall gegangen, dann sei der Umschwung gekommen. Er habe aber auch sehr schlecht geschlafen. In den letzten drei Wochen sei es zunehmend besser gewesen, er habe weniger geträumt und schon einzelne Nächte durchgeschlafen. Nach der stationären Behandlung sei es aber schon bald wieder schlechter gewesen, bei den Gesprächen mit seinem Vorgesetzten sei er sehr enttäuscht worden, da man ihm nur eine Stelle mit Gehaltsabschlag angeboten und ihm vorgeworfen habe, wie viel er der Sparkasse koste. Es sei alles so anders gewesen, als seine Meinung vom Arbeitgeber sonst gewesen sei: "Erst der Überfall, und dann das noch!" Inzwischen habe er Angst, in der Sparkasse etwas zur Unterschrift untergeschoben zu bekommen, er gehe sogar zum Geldholen nur an den Außenautomaten und lasse alles, was er schriftlich bekomme, vom Schwager kontrollieren. Die Psychotherapie bei Frau Dr. P. habe keine wesentliche Besserung gebracht, die Stunden würden ihn nur kurzfristig entlasten. Er profitiere aber vom Wandern gehen, alleine oder mit sehr vertrauten Freunden. Auch die Entspannungsübungen nach Jacobson würden ihm helfen. Die Arbeit traue er sich inzwischen nicht mehr zu, denn er müsse wegen seiner Unsicherheit ständig kontrollieren, ob er alles richtig mache und werde so mit seinen Dingen gar nicht fertig. Bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei der er im Vorstand und einige Jahre Kassierer gewesen sei, könne er nicht mehr aktiv sein, er traue sich manchmal in den Unterricht, gehe aber nicht zu Übungen und Versammlungen, es fehle ihm das Selbstvertrauen und auch die Sorge, etwas falsch zu machen, hindere ihn. Aus dem Sportverein sei er ausgetreten, gleichzeitig aus dem Alte-Herren-Verein. Zum psychischen Befund hielt der Sachverständige fest, dass der Kläger affektiv angespannt, erregt, wirke, eher negativ ausschwingend, was unter der Schilderung des Unfalls oder negativer Erlebnisse zunehme. Es bestünden Selbstmordgedanken, allerdings keine Selbstmordtendenzen. Der Kläger sei in seiner Konzentration deutlich gestört, verliere mehrfach den Faden, könne in einmal nur mit Mühe aufnehmen und es fehlten ihm immer wieder Begriffe, die er dann umschreibe. Er habe Schwierigkeiten mit dem Zeitgitter, könne dies nur an Lebensereignissen festmachen. Der Kläger sei bemüht, Veränderungen herbeizuführen, aber auch behindert durch sein schlechtes Selbstwertgefühl, mit der Angst, Fehler zu machen. Er wirke deutlich gekränkt durch den Arbeitgeber, von dem er entsprechend seiner eigenen Erziehung und anderen Vorerfahrungen Ehrlichkeit und Genauigkeit erwartet habe. Zu seiner Primärpersönlichkeit habe der Kläger berichtet, dass er ein lustiger Kerl gewesen sei, gerne unter Leuten, gerne in Vereinen. Er sei sehr genau bei der Arbeit gewesen, sei pflichtbewusst, habe immer schlecht nein sagen können, sei sehr hilfsbereit und habe oft spontan geholfen. Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Zusammenhangsgutachten bei dem Kläger eine partielle posttraumatische Belastungsstörung, eine Anpassungsstörung mit depressiven und ängstlichen Zügen und eine akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und depressiven Zügen. Diese Diagnostik erläuterte Dr. Q. wie folgt: Das A Kriterium für eine PTBS sei "nicht wirklich" erfüllt, weil der Kläger durchaus in der Lage gewesen sei zu handeln und damit die Gefahr zu beseitigen und damit nicht hilflos. Das B-Kriterium (Wiedererleben des Ereignisses in zwanghaft sich aufdrängender Art) sowie das C-Kriterium (Vermeidungsverhalten) seien nachweisbar. Das D-Kriterium mit übermäßiger Erregbarkeit, Schreckreaktionen, Einschränkung der Schlaf- und Konzentrationsfähigkeit sei erfüllt. Bei dem Kläger habe sich eine depressive Anpassungsstörung bzw. mittelschwere depressive Episode entwickelt; diese sei aus dem Konflikt abzuleiten, in dem der Kläger sich befinde: Er sei eine Persönlichkeit, die ihren Selbstwert durch Pflichterfüllung und Hilfsbereitschaft unterhalten und stabilisiere. Dies sei aufgrund der psychischen Verunsicherung durch den Überfall und durch die empfundene Kränkung durch den Arbeitgeber nicht mehr möglich und führe zu der depressiven Symptomatik. Schon vor dem Unfallzeitpunkt hätten psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme bestanden, noch nicht im Sinne einer psychiatrischen Diagnose aber als Risikofaktoren für die Entstehung einer PTBS und einer Anpassungsstörung. Der Banküberfall am 03.09.2010 sei wesentlich ursächlich für das Auftreten der Belastungsstörung gewesen, die Psyche des Klägers sei aufgrund des Miterlebens des Todes zweier Personen aus der Nachbarschaft vor dem Unfall nicht bereits so geschädigt gewesen, dass schon bei jedem anderen alltäglichen Ereignis eine PTBS hervorgerufen worden wäre. Da eine psychische Vorerkrankung vor dem Überfall nicht bestanden habe (leeres Vorerkrankungsverzeichnis) sei die partielle PTBS mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Die depressive Anpassungsstörung bzw. Episode könne durchaus solch einen Überfall als Auslösesituation haben, nicht aber als Ursache. Diese Erkrankung nehme ihren Anfang mit der Kränkung durch den Arbeitgeber nach dem stationären Heilverfahren. Die Einschränkungen hätten bis zum Ende des Heilverfahrens in einer quantitativen und qualitativen Einschränkung der Leistungsfähigkeit bestanden. Gestört gewesen seien Ausdauer, Konzentration und die Fähigkeit, Stress zu bewältigen. Der Umgang mit Kunden sei immer noch eingeschränkt. Besser geworden seien Konzentration und Ausdauer, wie die Situation bei der Testung auch gezeigt habe. Die weiteren Einschränkungen, die sich aus der Selbstwertproblematik ergäben, seien nicht Unfallfolgen. Die Anpassungsstörung mit depressiven und ängstlichen Symptomen sei unfallunabhängig im Sinne der Ursache, allerdings sei sie durch die weitere Entwicklung, insbesondere die Enttäuschung durch den Arbeitgeber, und somit indirekt auch durch die Folgen der partiellen PTBS entstanden. Dies schlage sich auch in der Bewertung der MdE nieder. Arbeitsunfähigkeit habe bis zum Abschluss des stationären Heilverfahrens bestanden. Unfallunabhängig bestehe aufgrund der Anpassungsstörung aber weiter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit. Eine wesentliche Besserung sei nicht zu erwarten. Die MdE habe bis zum Ende des stationären Heilverfahrens 70 v. H. betragen, seitdem 20 v. H.

Die Beklagte ließ sich zu dem Sachverständigengutachten des Dr. Q. von Dr. R., Neurologe und Psychiater, beraten. In seiner Stellungnahme vom 23.07.2012 teilte der Beratungsarzt die Feststellung des Sachverständigen, dass keine PTBS vorliege, weil das A-Kriterium nicht vorgelegen habe. In einem solchen Fall, wenn in Folge eines Ereignisses typische Symptome einer PTBS zwar vorlägen, aber das Trauma nicht schwer genug gewesen sei ("subsyndromale PTBS") werde üblicherweise aber die Kodifizierung der Anpassungsstörung gewählt, um damit auszudrücken, dass Persönlichkeitsfaktoren im Vergleich zu einer tatsächlichen PTBS gewichtiger seien und dass nach zwei Jahren mit einer Ausheilung des Syndroms gerechnet werden könne. Entstehungsgeschichte des Störungsbildes, mögliche Schweregrade und Prognose der von Dr. Q. diagnostizierten "partielle PTBS", die außerhalb der Kategorisierung der ICD oder des DSM stehe, habe der Sachverständige nicht genau begründet. Seine Abgrenzungsversuche zur Anpassungsstörung auf Symptomebene seien nicht überzeugend. Auch habe Dr. Q. seine Unsicherheit darüber ausgedrückt, inwieweit die partielle PTBS die Anpassungsstörung bei Kränkung durch den Arbeitgeber mitbewirkt haben könne. Dr. R. vertrat in seiner o. g. Stellungnahme die Ansicht, dass als unfallfremde Faktoren neben Schwierigkeiten der Verarbeitung des Todes seiner Mutter und vulnerabilisierender Persönlichkeitsfaktoren des Klägers die Kränkung durch den Arbeitgeber näher hätte untersucht werden müssen. Es liege nahe, folgenden Sachverhalt anzunehmen: Der Kläger habe nach dem Überfallereignis Schwierigkeiten gehabt, an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Er sei als Kassierer bei der Bank angestellt gewesen. Die Kasse sei aber wie in den meisten Banken durch Geldautomaten ersetzt worden. Kassierer würden also nicht mehr benötigt und die Banken bemühten sich im Allgemeinen um eine andere Verwendung der Kassierer. Es könne davon ausgegangen werden, dass es personalpolitisch der Bank entgegenkomme, wenn Kassierer frühzeitig in Rente gingen. Der Kläger habe im Weiteren eine Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt und scheine zumindest die Schwerbeschädigtenrente zum 60. Lebensjahr antreten zu wollen. Diese komplexe Gemengelage stelle einen sozialen Faktor dar, der unfallunabhängig sei. Es könne von einem Rentenbegehren als Lösungsversuch des sozialen Dilemmas ausgegangen werden, was eine erhebliche Störgröße in der Beurteilung der Kausalität darstellen könne und deshalb gutachterlich ausführlich diskutiert werden müsse. Nach den vorliegenden Aktendaten scheine es naheliegender – entgegen Dr. Q. – eine Anpassungsstörung zu diagnostizieren, die unmittelbar nach dem Ereignis unfallabhängig gewesen sei, im Sinne eines Wechsels der Wesensgrundlage aber im Weiteren wesentlich durch ein subjektives Kränkungserleben und wahrscheinlich auch durch ein Rentenbegehren unterhalten gewesen sei. Die MdE-Einschätzung des Sachverständigen Q. von 20 v. H. könne nur für die ersten beiden Jahre nach dem Unfall angenommen werden, entsprechend der zeitlichen Limitierung nach der ICD-10. Da dies in etwa mit dem Gutachtenstermin übereinstimme, empfehle Dr. R., über den Gutachtenstermin hinaus die beklagte psychische Symptomatik nicht mehr als unfallabhängig anzuerkennen.

Nachdem Herr N. Kenntnis von der Stellungnahme des Dr. R. erhalten hatte, äußerte er sich "aus der Sicht eines nahen Verwandten, der den Kläger nahezu täglich erlebe" mit E-Mail vom 19.08.2012 im Namen des Klägers wie folgt: Der Kläger könne aufgrund seines Alters eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach gegenwärtigem Recht erst zum 01.11.2017 (mit 10,8%igem Abschlag) bzw. 01.11.2020 (ohne Abschlag) erhalten. Alleinig Herr N. habe in einem Berufshelfergespräch mit dem Kläger und ihm seine Meinung kundgetan, dass die Bank offensichtlich kein großes Interesse an der Weiterbeschäftigung des Klägers habe, dies wohl aus seiner Erkenntnis nach einem vorweg geführten Gespräch mit dem Vorstand der Kreissparkasse A-Stadt, bei dem Herr N. weder zugegen noch überhaupt eingebunden gewesen sei. Erst weit nach diesem Gespräch habe der Kläger ihn, Herrn N., eingebunden, als es nämlich seitens des Arbeitgebers darum gegangen sei, den Kläger um mindestens 2 Gehaltsstufen herabzugruppieren. Hier habe Herr N. für den Kläger Sicherungsmechanismen eingebaut, nämlich die kurzfristige Beantragung und Durchsetzung seiner Schwerbehinderteneigenschaft wie auch die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber unter Hinweis auf seine Fürsorgepflicht iVm tariflichen Regelungen. Zu einer solchen Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber wäre der Kläger aufgrund seines Gesundheitszustandes alleine nicht in der Lage gewesen. Des Klägers Ziel sei es stets gewesen, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit gehe auf Frau Dr. P. zurück. Der Kläger sei mittlerweile Empfänger von Arbeitslosengeld nach dem SGB III, was seine persönliche Situation und die seiner Familie ganz erheblich beeinträchtige und zusätzlich belaste. Der Kläger bedürfe der dringenden Weiterbehandlung und Fürsorge. Sehr deutlich nehme Herr N. die Veränderungen in der Persönlichkeit des Klägers im Vergleich zu der Zeit vor dem Arbeitsunfall wahr.

Mit Bescheid vom 09.10.2012 stellte die Beklagte fest, dass der Unfall des Klägers vom 03.09.2010 ein Arbeitsunfall gewesen sei. Wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls habe er Anspruch auf Rente für zurückliegende Zeiten, nämlich vom 12.04.2012 (Tag, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet) bis 30.09.2012 nach einer MdE von 20 v. H. der vollen Erwerbsfähigkeit. Darüber hinaus werde die Gewährung einer Rente abgelehnt, weil der Arbeitsunfall keine rentenberechtigende MdE mehr zur Folge habe. (Das Renten-Enddatum geht offenbar auf die Aussage des Dr. R. aa0 zurück, wonach ein Rentenanspruch für die ersten beiden Jahre nach dem Überfall gegeben sei; Anm. d. Verf.). Als Folge des Arbeitsunfalls wurde in dem Bescheid eine "vorübergehende Anpassungsstörung nach Banküberfall" festgestellt. Als Folge des Arbeitsunfalls wurde nicht anerkannt: Akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und depressiven Zügen.

Mit Bescheid vom 23.05.2013 wurde dem Kläger seitens der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2011 bis 31.03.2014 bewilligt, die mit Bescheid vom 09.12.2013 auf unbestimmte Dauer verlängert wurde. Die Anspruchsvoraussetzungen seien seit dem 03.09.2010 erfüllt.

Die Beklagte hatte sich von der Staatsanwaltschaft Hanau die Ermittlungsakte vorlegen lassen; nach Verfahrensabschluss nahm sie zusätzlich das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Hanau vom 11.04.2013 zu den Akten. Der Angeklagte wurde hierin wegen schwerer räuberischer Erpressung (§§ 250 Abs. 1 Nr. 1b, 253, 255 StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

In dem gegen den Bescheid vom 09.10.2012 eingeleiteten Widerspruchsverfahren berief sich der Klägervertreter neben den Rentenbescheiden und dem Urteil des Landgerichts Hanau auf ein weiteres Attest von Frau Dr. P. (vom 20.11.2012), das sich auf den gesamten Behandlungszeitraum ab 24.05.2011 bis zur Vorstellung am 15.11.2012 bezog. Hierin wird dem Kläger bei den Diagnosen PTBS, beginnende Chronifizierung mit ausgeprägter depressiver Verstimmung, Ängsten sowie Flash-backs bescheinigt, dass er weiterhin unter häufigem Auftreten von Gedankenbildern in Bezug auf den erlebten Überfall leide, mit dem Gefühl, alles noch einmal zu erleben, dann mit massiven Ängsten. Er sei sehr misstrauisch und habe sich sozial sehr zurückgezogen. Lediglich in der Natur fühle er sich manchmal sicher, wenn er mit seinem Hund spazieren gehe. Er habe ständig Ängste, es könne etwas passieren, sei sehr reizbar, schlafe sehr schlecht ein und könne auch nicht durchschlafen und habe nachts oft Alpträume. Hieraus würden massive Konzentrationsprobleme resultieren. An seinem ehemaligen Arbeitsplatz fühle er sich diesbezüglich überhaupt nicht mehr verstanden. Er habe sein ganzes Selbstvertrauen verloren. Zum psychischen Befund teilte die Ärztin mit: Der Kläger sei affektiv kaum schwingungsfähig, deutlich depressiv verstimmt, unruhig und ängstlich. Kein Anhalt für akute Suizidalität. Deutliche Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen. Aus nervenärztlicher Sicht sei der Kläger trotz intensiver Psychotherapie, in der die Traumata immer wieder aufgearbeitet würden und Strategien entwickelt worden seien, weiterhin nicht in der Lage, selbst unterhalbschichtig leichte Tätigkeiten unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuführen.

Die Beklagte holte bei ihrem Beratungsarzt Dr. R. eine weitere Stellungnahme ein. Unter dem 02.01.2014 äußerte sich dieser wiederum dahingehend, dass eine PTBS nicht vorliege, weil eine Schreckreaktion des Klägers, wie sie nach DSM-IV gefordert werde, nicht dokumentiert sei. Vielmehr habe der Kläger seine Absicht, dem Täter möglichst rasch möglichst viel Geld auszuhändigen, um die Bedrohung für seine Kollegen und sich rasch abzuwenden, kompetent umgesetzt, so dass der Täter die Bank ohne weitere Bedrohungen, Geiselnahme oder Schusswaffengebrauch verlassen habe. Auch reiche eine subjektive Bedrohung nicht aus (unter Zitierung von H. Dilling/W. Mombour/M. H. Schmidt: Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V (F) – Hans Huber Verlag 2008), um eine PTBS zu diagnostizieren. Es sei nicht zu bezweifeln, dass der Kläger sich durch die Schusswaffe sehr bedroht gefühlt habe. Gefordert werde aber auch eine objektive Bedrohung. Auch habe der Kläger durch kompetentes Handeln die Gefahr abwenden können, so dass er dem Überfall nicht hilflos ausgeliefert gewesen sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Überfall nur kurz gewesen sei und der Täter über die Präsentation der Waffe hinaus offensichtlich nicht aggressiv gewesen sei und keine Tötungsabsichten ausgesprochen habe. Darüber hinaus sei der Kläger auch nicht körperlich verletzt worden. Das Trauma sei daher nicht als sehr schwerwiegend einzustufen, so dass die Diagnose PTBS weiterhin nicht gestellt werden könne. Diagnostisch hätte beim Kläger am ehesten von einer subsyndromalen PTBS gesprochen werden können, die als Anpassungsstörung zu verschlüsseln gewesen wäre und unter kompetenter Behandlung vollständig hätte überwunden werden können. Der von Frau Dr. P. geschilderte Krankheitsverlauf mit einer beginnenden Chronifizierung nach Februar 2012, wobei der Kläger trotz intensiver Psychotherapie weiterhin nicht in der Lage (gewesen) sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weise darauf hin, dass im Laufe des Jahres 2012 konkurrierende Faktoren (diesbezüglich verweist Dr. R. auf seine Stellungnahme vom 23.07.2012 und hebt insbesondere die "Konfliktsituation mit dem Arbeitgeber" und den "unfallunabhängigen Verlust des Arbeitsplatzes" hervor) als wesentliche Ursache hinzugetreten sein müssten. Der Überfall mit seiner geringen Schwere sei nicht geeignet, eine derartige Therapieresistenz zu begründen. Eine MdE bestehe nur bis zum Gutachtenstermin bei Dr. Q. am 07.06.2012. Weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 09.10.2012 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sich die Diagnose des nervenärztlichen Attestes der Frau Dr. P. vom 20.11.2012 (PTBS mit ausgeprägter depressiver Verstimmung und Ängsten) durch die vorliegenden ärztlichen Berichte und Gutachten nicht bestätigen lasse (insbesondere unter Verweis auf den klinisch-psychologischen Abschlussbericht der Klinik am Rosengarten vom 18.01.2011 mit der Diagnose "abklingende Anpassungsstörung mit noch verbliebener überzogener Angstsymptomatik"). Die Stellungnahme des Dr. R. vom 23.07.2012, wonach es naheliegender sei, eine Anpassungsstörung zu diagnostizieren, die unmittelbar nach dem Ereignis überwiegend unfallabhängig gewesen sei, im Sinne des Wechsels der Wesensgrundlage aber im Weiteren wesentlich durch ein subjektives Kränkungserleben unterhalten worden sei, decke sich im Wesentlichen auch mit der Diagnose im klinisch-psychologischen Abschlussbericht der Klinik am Rosengarten und der ICD-10-Klassifikation, nach der eine Anpassungsstörung auf 2 Jahre limitiert sei. Auch Dr. Q. gehe in seinem Gutachten vom 07.06.2012 letztlich davon aus, dass im Krankheitsverlauf eine Anpassungsstörung eingetreten sei, die ursächlich nicht auf das Unfallereignis, sondern auf das Kränkungserleben durch den Arbeitgeber entstanden sei. Gemäß einer weiteren Stellungnahme des Dr. R. vom 02.01.2014 sei auch nach der Tathergangsschilderung des Landgerichts Hanau das A-Kriterium zur Anerkennung einer PTBS nicht erfüllt. Hier referiert die Beklagte den Inhalt der soeben genannten Stellungnahme des Beratungsarztes (oben wiedergegeben). In Bezug auf das Kränkungserleben durch den Arbeitgeber verweist die Entscheidungsbegründung dann zusätzlich auf den Bericht des Herrn E. vom 27.09.2011, in dem sehr eindringlich geschildert werde, dass der Kläger von einem Gespräch mit seinem Vorgesetzten sehr tief erschüttert gewesen und in einen Trancezustand gefallen sei, dann das Zimmer verlassen und am ganzen Körper gezittert habe. Nach dem Bericht habe sich eine massive sekundäre Schädigung gezeigt, die die Qualität einer existenziellen Bedrohung angenommen habe. Dass der Kläger bereits vor dem Unfallereignis psychisch vorbelastet gewesen sei, ergebe sich aus dem Abschlussbericht der Klinik am Rosengarten. Die Bewältigung der Trauer um den Tod seiner Mutter sowie die Bewältigung der Konfrontation des Klägers mit dem Unfalltod zweier ihm bekannter Menschen habe er nie ganz verarbeitet und die Erinnerungen träten insbesondere seit dem Überfall wieder vermehrt auf. Zusammengefasst ergebe sich aus den Gutachten und Berichten eindeutig, dass eine PTBS nicht vorliege, sondern eine vorübergehende unfallbedingte Anpassungsstörung vorgelegen habe, die im Sinne eines Wechsels der Wesensgrundlage im Weiteren wesentlich durch ein subjektives Kränkungserleben unterhalten worden sei.

Der Kläger hat am 05.03.2014 durch seinen Prozessbevollmächtigen Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.

Der Klägervertreter beruft sich auf die Verurteilung des Täters wegen schwerer räuberischer Erpressung, womit nochmals deutlich geworden sei, dass der Überfall geeignet gewesen sei, eine PTBS zu verursachen.

Der Klägervertreter legt ein nervenärztliches Attest der Frau Dr. P. vom 24.02.2014 vor, berichtend über die Behandlung des Klägers vom 24.05.2011 bis 05.02.2014. Hierin stellt sie die Diagnose "Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung mit ausgeprägter depressiver Verstimmung, Ängsten sowie Flash-backs". In der Epikrise führt die Fachärztin aus, dass bei dem Kläger mittlerweile eine chronische PTBS mit Änderung von Wesenszügen und chronischen seelischen Defiziten vorliege. Entgegen der Stellungnahme des Dr. R. liege bei dem Kläger nach jetzt langjähriger Beurteilung eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0 nach ICD-10) vor. Der Kläger wäre in der Ausübung seines Berufs ständig wieder der Gefahr ausgesetzt, einen weiteren Überfall zu erleiden. Außerdem habe sich nach seiner Erkrankung die Situation am Arbeitsplatz für den Kläger dahingehend geändert, dass er nicht mehr belastbar gewesen sei und unter den Folgen, u. a. unter dem zunehmenden Misstrauen und dem Ankreiden mangelnden Leistungsvermögens durch den Arbeitgeber, zu leiden gehabt habe. Insofern sei das Trauma mit dem Überfall nicht abgeschlossen gewesen, sondern habe fortbestanden, zum Teil als "drohende Bedrohung", zum Teil als Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, die durch den Überfall und die nachfolgende Krankheit erst ausgelöst worden seien.

Der Klägervertreter beantragt,
den Bescheid vom 09.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2014 insoweit aufzuheben, als die Beklagte festgestellt hat, dass bei dem Kläger als Unfallfolge eine "vorübergehende Anpassungsstörung nach Banküberfall" vorliegt und eine "akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und depressiven Zügen" nicht Unfallfolge ist und insoweit, als die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger über den 30.09.2012 hinaus eine Rente zu gewähren, und festzustellen, dass eine chronische PTBS (ICD-10: F43.1), eine schwere depressive Episode mit kognitiven und regressiven Symptomen (ICD-10: F32.2) sowie eine Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10: F62.0) gesundheitliche Folgen des Versicherungsfalls vom 03.09.2010 sind und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 12.04.2012 eine Rente nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
ein neues Sachverständigengutachten auf psychiatrischem Fachgebiet einzuholen.

Die Beklagte hält ihre Entscheidung für rechtmäßig. Im Klageverfahren setzt sie sich eingehend tatsächlich und rechtlich mit dem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten der Frau Dr. S. (s. sogleich) auseinander, das sie letztlich für unverwertbar hält. Der besseren Nachvollziehbarkeit halber ist der diesbezügliche Beklagtenvortrag der Darstellung des Inhalts des Sachverständigengutachtens im Tatbestand nachgestellt.

Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakten der Beklagten zu dem Rechtsstreit beigezogen und hat Sachverständigenbeweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. Diese hat ihr fachpsychiatrisches Gutachten dem Gericht nach ambulanter psychiatrischer Untersuchung des Klägers am 20.04.2015 (bei der diesbezüglichen Datumsangabe der Sachverständigen "20.04.2014" handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler) unter dem 15.05.2015 (bzw. 30.06.2015 Abschriftdatum) vorgelegt. Zum aktuellen psychischen Befund am Untersuchungstag hält die Sachverständige fest, dass die Gesprächsführung deutlich erschwert gewesen sei. Der Kläger sei im Kontakt deutlich gehemmt, misstrauisch, verschlossen, freundlich bemüht, nicht auflockerbar gewesen. Der Rapport habe sich deutlich verlangsamt dargestellt, mit langen Gedankenpausen vor allem bei Fragen nach Daten und chronologischen Abläufen. Unsicherheit und Ängstlichkeit hätten die Untersuchungssituation durchzogen. Seine Stimmung sei deutlich gehemmt, gedrückt und hilflos-ratlos ausgelenkt gewesen. Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit seien deutlich eingeschränkt gewesen. Es hätten sich Hinweise für dissoziatives Erleben gezeigt in Form von Angaben von "neben sich stehen", "nicht da zu sein", "sich nicht wie früher erkennen zu können", "sich verändert zu haben". Diese Merkmale seien in ihrer Qualität von der Sachverständigen als Veränderungen des Wesens mit regressiver Symptomatik und dissoziativem Erleben gewertet worden. Die starken regressiven Anteile zeigten einen Verlust der Selbständigkeit und Autonomie. Es hätten durchgängig Selbstwertverlust und Insuffizienzgefühle im Vordergrund gestanden. Es habe eine deutliche Antriebsstörung bestanden mit Rückzugstendenzen und sozialer Isolation, Verlust der Lebensfreude, Ängsten vor Menschen und bestimmten Situationen, die den Kläger affektiv destabilisierten (z. B. Warteschlangen, Filme anschauen mit Thema Gewalt). Des Weiteren hätten Intrusionen (sich aufdrängende Bilder), Gedankenkreisen um das dem Kläger Geschehene, deutliche Übererregbarkeit mit innerer Unruhe (Hyperarousel) die gutachtliche Untersuchung durchzogen. Es hätten sich rasche Stimmungsschwankungen mit dysfunktionalem Ablauf gezeigt, Lebensüberdruss-Gedanken, und ein deutlicher Leidensdruck hätte bestanden sowie Ein- und vor allem Durchschlafstörungen. Der Kläger habe darüber hinaus somatische Beschwerden in Form von Brustdruck, Atemnotanfällen, Herzrasen mit starken Ängsten, begleitet von vegetativer Symptomatik, geschildert. Es habe auch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten bestanden in Bezug auf Themen und Gefühle, die der Kläger als belastend erlebe, und in Bezug auf bestimmte Orte, Personen und Geschichten (Nachrichten, Fernsehen), die emotional und real an das eigene Erleben und den eigenen Schmerz erinnerten. Eine deutliche Hemmung der Strukturierung des Alltages habe sich im weiteren Verlauf (regressiv) gezeigt und ein "Abgeben" der Autonomie an Dritte (Schwager, Frau, Familie), die in der Qualität des Befundes im Zusammenhang mit dem stark verunsicherten Selbstwertgefühl stünden. Auf dem Boden eines sich stark über funktionale Anteile im Selbstwert bestätigenden Menschen, der seine Anerkennung über seine Taten und vor allem seine Möglichkeiten schöpfe, sich als "richtig", "gut funktionierend" und "wertvoll" dadurch zu empfinden, dass er über und für Dritte Anerkennung schöpfe und auf dem Boden zwanghafter Strukturen hätten das Überfallgeschehen und die nachfolgend ungünstigen Bedingungen am Arbeitsplatz und in den Behandlungen eine psychische Symptomatik ausgelöst, die im weiteren Verlauf chronifiziert sei. Gegenüber der Sachverständigen gab der Kläger in Bezug auf seinen Arbeitgeber an, dass er diesen nicht als konstruktiv und empathisch erlebt habe. Für den Arbeitsunfall könne der Kläger nichts, für ihn habe es aber so ausgesehen, als ob er alleine gelassen worden sei und der Arbeitgeber ihm die Schuld gegeben habe. Vor allem nach der Reha-Maßnahme, als es ihm nicht an der Motivation gefehlt habe, wieder "der Alte" zu werden, obwohl es ihm noch sehr schlecht gegangen sei, habe er vom Arbeitgeber keine wirkliche Unterstützung bekommen. Der in der Untersuchungssituation teilweise anwesende Schwager des Klägers äußerte sich der Sachverständigen gegenüber wie folgt: Der Kläger sei nicht wiederzuerkennen. Er habe sich "dramatisch verändert". Er vergesse viel und müsse von außen angeleitet werden, weil er sich alleine nichts mehr zutraue und unwert fühle. Er sei immer nur zuhause, gehe nicht mehr raus, auch weil er Angst habe, nicht mehr zurückzufinden. Auch in Begleitung lege er keine langen Strecken mehr zurück. Zum Verstehen von Sachverhalten in Briefen brauche er wesentlich länger als früher und werde immer langsamer, verstehe teilweise nicht, was dort geschrieben stehe. In Beantwortung der Beweisfragen führt die Sachverständige aus, dass bei dem Kläger nach der Aktenlage und nach aktueller Untersuchung eine chronische PTBS, eine schwere depressive Episode mit kognitiven Einschränkungen und eine Persönlichkeitsänderung nach schwerer Belastung (nach chronischer PTBS) vorlägen, wobei aktuell die schwere depressive Symptomatik mit schwerer Regression und erheblichen kognitiven Einschränkungen die Symptome der PTBS, die trotzdem zu erkennen gewesen seien, deutlich überlagert hätten. Sämtliche Erkrankungen beruhten ursächlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf dem Unfallereignis vom 03.09.2010. Bis zum Zeitpunkt der Chronifizierung des Leidens, von der Sachverständigen auf Augst 2011 (entsprechend dem Bericht der Frau Dr. P.) festgelegt, habe die PTBS als Gesundheitsstörung im Vordergrund der Symptomatik gestanden. Zu diesem Zeitpunkt habe die MdE 30 v. H. betragen. Das Störungsbild sei stark ausgeprägt gewesen und habe bereits psychische und emotionale Instabilität, Ängste, Verzweiflung, Überaktivität und Vermeidungsverhalten gezeigt. Zudem seien erste depressive Symptome beschrieben worden. Ab August 2011 sei es zur Entwicklung einer ausgeprägten depressiven Verstimmung gekommen, die damals bereits als mittelschwer beurteilt worden sei. Kognitive Defizite seien bereits ab August 2011 bestätigt worden. Die MdE habe sich daher ab August 2011 auf 50 v.H. erhöht. Im weiteren Verlauf sei eine Persönlichkeitsänderung nach der Aktenlage, aus den Berichten des Rehafachberaters, den behandelnden Ärzten, des Schwagers des Klägers und auch bei der Untersuchung durch die Sachverständige deutlich geworden. Diese habe ab 2012 eingesetzt und halte aktuell an. Sie zeige sich durch typische Symptome von Misstrauen, sozialem Rückzug, chronischer Anspannung, des Gefühls des beständigen Bedrohtseins und des Gefühls der Entfremdung zu sich und seiner unmittelbaren Umgebung. Zum Untersuchungszeitpunkt sei eine MdE von 100 v. H. einzuschätzen. Ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Verletztengeldes (12.04.2012) habe die MdE 50 v. H. betragen. Die Sachverständige begründet das Gutachtensergebnis wie folgt: Sowohl nach ICD-10 als auch nach DSM-IV sei eine PTBS zu diagnostizieren (gewesen): Das A-Kriterium sei als umfänglich erfüllt anzusehen, denn das Trauma "Überfall" sei nach dem aktuellen Erkenntnisstand geeignet gewesen, eine PTBS auszulösen. Fühle der Betroffene sich in einer Situation bedroht, auch wenn es sich "nur" um eine Schreckschusspistole handele, dann laufe im psychischen Bereich genau die typische Verarbeitung und Regelhaftigkeit ab, als wäre diese Waffe keine Schreckschusspistole. Die konkret verwendete Waffe und die Überfallsituation als solche enthielten ausreichende Merkmale für eine Bedrohung durch tatsächlichen Tod oder Bedrohung mit ernsthaften Verletzungen und auch einer Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der eigenen Person, aus dem Erleben des Klägers heraus nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Kollegen. Der Kläger habe intensive Furcht gehabt, habe Dissoziationen erlebt. Dadurch habe er den erlebten Gefühlen von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein nicht nachgeben müssen, sondern sei handlungsfähig geblieben. Typisch für solche Situationen seien als Nachhall besonders intensive Gefühlserlebnisse, die sich – wie vom Kläger deutlich geschildert – am Wochenende eingestellt hätten mit Weinen, Unruhe, Angst und Ziffern und dem Aufsuchen frühzeitiger Hilfe. Auch die übrigen Diagnose-Kriterien (diese werden in den Entscheidungsgründen näher dargestellt; Anm. d.Verf.) seien erfüllt. Die Diagnose der PTBS sei von den ambulanten Behandlern des Klägers (Herrn E., Dr. O., Dr. P.) früh gestellt worden. Selbst in den Gesprächsnotizen des Rehabilitationsberaters fänden sich deutliche Hinweise auf eine Übererregbarkeit und Unsicherheit und psychische Destabilisierung, die auch im Arztbrief der Klinik am Rosengarten als "chronifiziertes Hyperarousal" beschrieben worden sei. Die Chronifizierungsgefahr sei anhand dessen und anhand des Befundes von Frau Dr. P. vom 30.08.2011 schon früh erkennbar gewesen. Auch während der stationären Behandlung in der Klinik am Rosengarten hätten sich Symptome einer PTBS nach den Klassifikationskriterien gefunden. In den psychischen Befund des Berichts der Klinik seien aber nicht alle erkennbaren und selbst im Text deutlich aufgeführten und beschriebenen Merkmale der PTBS aufgenommen worden, wodurch vom Befund abweichende Diagnosen gestellt worden seien, die zudem nicht den Klassifikationskriterien von ICD-10 und DSM-IV entsprochen hätten. Dass bei den beschriebenen Symptomen seitens der Klinik am Rosengarten auf die Diagnosestellung einer PTBS verzichtet worden sei und statt dessen eine "komplex-kombinierte" Anpassungsstörung verschlüsselt worden sei, die alle psychischen Symptome des Klägers als "Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik und generell erhöhtem Angstniveau, phobischen Ängsten gegenüber überfallassoziierten Stimuli und chronischem Hyperarousel nach F43.2" zusammenfasse, was keiner Diagnostik nach ICD-10 oder DSM-IV entspreche, sei nicht nachvollziehbar. Die PTBS habe sowohl nach den Befunden und dem Arztbrief der Klinik am Rosengarten als auch nach dem (in Teilen widersprüchlichen) Gutachten des Dr. Q. deutlich als Vollbild bestanden. Das Vorhandensein prädisponierender oder belastender Faktoren aus der Vorgeschichte alleine schließe die Diagnose einer PTBS nicht aus. Beim Kläger hätten auch keine psychischen Vorerkrankungen vorgelegen. Bestätigt worden seien auch bei der Untersuchung des Klägers durch die Sachverständige vulnerable Persönlichkeitsanteile (ängstlich-zwanghafte Anteile, unsicherer Selbstwert, Anerkennung und Stabilität hauptsächlich durch äußere Faktoren wie helfen können und funktionieren können), die auf eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten des Klägers hinwiesen. Sie hätten keine pathologische Bedeutung, sondern seien die Ausgangsstruktur, auf die das schädigende Ereignis treffe. Zeitlich rasch nach dem Unfallgeschehen habe sich neben der PTBS-Symptomatik eine zusätzliche depressive Symptomatik entwickelt, die aktuell als schwer zu bezeichnen sei, in der Aktenlage damals als mittelschwer bewertet worden sei. Es sei nie zur ausreichenden frühen, langen und adäquaten (d. h. traumaspezifische; Anm. d.Verf.) Therapie gekommen. Negative Lebensumstände (Existenzbedrohung, Triggerung der PTBS durch weiter bestehende Reize) am Arbeitsplatz hätten den Verlauf zusätzlich ungünstig beeinflusst und hätten die weitere Verarbeitung des Traumas bis aktuell dysfunktional gemacht. Aus vielen Untersuchungen in Bezug auf die PTBS und die Möglichkeit der Verarbeitung von Traumata wisse man, dass ungünstige Faktoren für eine solche Verarbeitung das ständige Sich-Beschäftigen mit diesem Thema und der Kampf um die Anerkennung und Wertschätzung seien. Diese beiden Faktoren führten dazu, dass sich beständig auch die Gefühle zum Trauma wiederholten und festgehalten würden, also auch die Gefühle des Ausgeliefertseins sich wiederholten. Eine eigentliche Bearbeitung könne nur in gesicherten Umständen stattfinden. Die Symptomatik habe sich unter diesen ungünstigen Faktoren rasch verfestigt und die Entwicklung einer depressiven Symptomatik mit Ausbildung von Angstattacken und schweren regressiven Symptome mit kognitiven Einschränkungen ausgelöst (bereits beschrieben im August 2011 von Frau Dr. P.), die jedoch im Sinne einer Verschlimmerung zu beurteilen seien und nicht die Kriterien für eine Änderung der Wesensgrundlage erfüllten. Gegen die Annahme einer Veränderung der Wesensgrundlage spreche auch, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen den psychischen Störungen und dem Ereignis bis aktuell nahtlos bestehe und psychodynamisch eingeordnet werden könne. Ein eigentlicher sekundärer Krankheitsgewinn habe von der Sachverständigen Dr. S. nicht bestätigt werden können.

Die Beklagte tritt dem Gerichtsgutachten der Frau Dr. S. entgegen und legt hierzu die Stellungnahme des Dr. R. vom 01.10.2015 vor. Dieser bekräftigt wiederum das Fehlen des A-Kriteriums mangels Hilflosigkeit. Nach dem Überfall habe der Kläger sich von der Polizei befragen lassen und sei anschließend mit dem eigenen Pkw nach Hause gefahren. Die Interpretation der Gerichtssachverständigen, dass eine Dissoziation vorgelegen habe, sei willkürlich und spekulativ. Zudem scheine es tatsächlich als unwesentlich, ob es sich um eine schussfähige Waffe oder lediglich um eine Schreckschusspistole gehandelt habe. Dass Frau Dr. S. diese Frage aber negieren wolle, beschädige den gutachterlichen Anspruch auf eine umfassende Aufklärung. Für das Maß der objektiven Gefahr durch das Trauma spiele es eine wesentliche Rolle, ob tatsächlich Todesgefahr bestanden habe oder nicht. Die Bedeutung der objektiven Schwere eines Traumas sei unabhängig davon, ob der Betroffene die Möglichkeit gehabt habe, diese zu erkennen. Dies habe einen guten Grund, da die Erkenntnismöglichkeiten des Opfers nicht ohne Weiteres festzustellen seien. Möglicherweise habe aber auch die Tatsache, dass es sich lediglich um eine Schreckschusspistole gehandelt habe, Einfluss auf das subjektive Erleben. Man dürfe unterstellen, dass Überfallopfer wissen, dass es sich um eine Attrappe handeln könnte. Zuletzt könnte man vermuten, dass auf einer unbewussten Ebene vom Opfer durch Verhaltensweisen des Täters erahnt werden könne, ob es sich um eine scharfe Pistole oder eine Attrappe handele. Der anschließende Arbeitsplatzverlust sei keine medizinische Folge des Überfalls; soziale Schäden würden nicht durch eine Erhöhung der MdE entschädigt und medizinische Folgen aus sozialen Schäden stünden demgemäß nicht mehr im kausalen Zusammenhang zu einer Unfallrente. Die Frage nach einem etwaigen Rentenbegehren müsse bei der Kausalitätsprüfung als konkurrierender Faktor unabdingbar subtil erörtert werden, was die Sachverständige unterlassen habe. Auch sei das vom Kläger erlittene Trauma nach der Klassifikation nicht geeignet, eine andauernde Persönlichkeitsänderung zu verursachen.

Das Gericht hat daraufhin bei der Sachverständigen Dr. S. eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme angefordert, die diese unter dem 03.01.2016 vorgelegt hat. Hierzu liegt eine weitere Stellungnahme des Herrn Dr. R., vom 17.05.2016, vor. Auf gerichtliche Anforderung hat die Beklagte zudem eine weitere Stellungnahme ihres Beratungsarztes vorgelegt zur Frage der Höhe der MdE, falls eine mittelgradige depressive Störung als Unfallfolge festzustellen wäre. Hierfür schätzt Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 19.09.2016 eine MdE von 40 v. H. an. Zuletzt hat das Gericht eine weitere ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. S. angefordert, die diese unter dem 09.08.2018 vorgelegt hat. Hierin hat sie angegeben, dass die Unfallfolgen PTBS mit einer Einzel-MdE von 30 v.H., schwere depressive Episode mit kognitiven und regressiven Symptomen mit einer Einzel-MdE von 30 v. H. sowie die Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung nach einer Einzel-MdE von 20 v. H. seit dem 12.04.2012 vorliegen. Die einzelnen psychischen Störungen überschnitten sich, wirkten ineinander und bedingten sich gegenseitig und sie ließen sich mit dem Begriff der komplexen Traumafolgestörung zusammenfassen. Sie seien die "Entwicklungsfolgen" eines Traumas, beginnend mit den typischen Symptomen einer PTBS ohne Rückbildung und Übergang in eine depressive Symptomatik und Veränderung der Persönlichkeit durch Chronifizierung und spezifische Merkmale des psychischen Befundes. Die Unfallfolgen hätten erheblichen Einfluss auf die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit des Klägers.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten, des Inhalts der gutachtlichen Äußerungen der Gerichtssachverständigen sowie der Äußerungen des Beratungsarztes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht Frankfurt eingegangen. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und unechte Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 1 Satz 1 erste Alt. und Abs. 4, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG).

Die Klage führt in der Sache größtenteils zum Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung gesundheitlicher Störungen als Folgen des Versicherungsfalls (Arbeitsunfalls nach § 8 SGB VII) vom 03.09.2010, sog. Unfallfolgen, und auf Gewährung einer Rente nach einer höheren MdE als 20 v. H. als Dauerrente (§ 56 SGB VII).

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, 15. 5. 2012, B 2 U 16/11 R, BSGE 111, S. 52 ff. Rz 19) sind unmittelbare Unfallfolgen Gesundheitsschäden, die wesentlich durch einen Gesundheitserstschaden verursacht wurden; mittelbare Unfallfolgen sind demgegenüber nur solche Folgen, die dem Versicherungsfall aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 zuzurechnen sind. Nach der o. g. BSG-Rechtsprechung sind damit auch Gesundheitsstörungen unmittelbare Unfallfolgen, die in früherer Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, 24. 2. 1988, 2 RU 11/87, SozR 2200 § 548 Nr. 89 = juris Rz 19) als mittelbare Unfallfolgen bezeichnet wurden. Ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Unfallfolge handelt, ist allerdings für den Anspruch des Versicherten im Ergebnis ohne Bedeutung. Unabhängig von der genannten Abgrenzung sind auch Folgen eines (weiteren) Unfallereignisses, zu dessen Zustandekommen oder Schweregrad ein Gesundheitserstschaden oder eine Folge des Versicherungsfalls wesentlich beigetragen hat, dem Arbeitsunfall zuzuordnen (nach der neuen Abgrenzung des BSG als unmittelbare Unfallfolgen). Beispiel: Sturz eines wegen des Arbeitsunfalls Beinamputierten aufgrund seiner Gangunsicherheit, der zu weiteren Gesundheitsschäden führt. Dass solche Gesundheitsstörungen in die Entschädigungspflicht wegen des Arbeitsunfalls fallen, ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt (vgl. schon BSG, 14. 10. 1955, 2 RU 16/54, BSGE 1, S. 254 ff.). Dem gegenüber ist eine Gesundheitsstörung, die nicht durch einen Gesundheitserstschaden oder eine Unfallfolge verursacht ist, sondern allein wesentlich auf Auswirkungen einer durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsstörung auf die Lebensumstände zurückgeht, nicht als Unfallfolge anzuerkennen (zur Problematik vgl. Feddern, MedSach 2010, S. 30 ff.; zu psychischen Reaktionen auf einen Strafprozess wegen der unmittelbaren Unfallfolgen vgl. SG Hamburg, 15. 4. 2005, S 40 U 517/03). Denn rechtlich relevante Glieder der Kausalkette sind, wie aus § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zu folgern ist, neben dem Versicherungsfall nur Gesundheitsschäden. Beispiel: Der Versicherte hat bei einem Arbeitsunfall schwere Beinverletzungen erlitten. Durch den Verlust seines Arbeitsplatzes als deren Folge - nicht durch die Beinverletzungen als solche - entwickelt sich bei ihm eine Depression. Diese Gesundheitsstörung ist keine Unfallfolge. Allerdings ist in solchen Fällen im Einzelfall kritisch zu prüfen, ob nicht auch die vorhandenen Gesundheitsschäden infolge des Unfallereignisses eine wesentliche Mitursache der weiteren Gesundheitsstörung sind. Alle Folgen des Unfallereignisses (verbliebene Gesundheitserstschäden, unmittelbare und mittelbare Unfallfolgen) sind entschädigungsrechtlich relevant (BSG, 22. 1. 1976, 2 RU 109/74, SozR 2200 § 555 Nr. 1). Erfüllt ein zweites Unfallereignis, das (bzw. dessen Folgen) durch den (ersten) Arbeitsunfall verursacht wurde, für sich genommen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls, so gilt: Haben die Folgen des ersten Unfallereignisses wesentlich zum Zustandekommen des zweiten Unfallereignisses beigetragen (Beispiel: Sturz eines infolge eines Arbeitsunfalls Beinamputierten bei seiner Arbeit wegen seiner Gangunsicherheit), wird durch dieses kein neuer Versicherungsfall ausgelöst (BSG, 13. 7. 1978, 8 RU 84/77, BSGE 47, S. 25 ff., 27; LSG BaWü., 28. 8. 1997, L 7 U 1/97, HVBG-Info 1998, S. 1101 ff.; a. A. Schulin in HS-UV, § 27 Rz 37). Hier besteht eine enge Verbindung zwischen dem ersten und zweiten Unfallereignis, weshalb die Entschädigung nach dem für den ersten Unfall maßgebenden Jahresarbeitsverdienst nicht unangemessen ist. Für eine einheitliche Entschädigung spricht, dass § 11 im Rahmen seines Anwendungsbereichs die Folgen des zweiten Unfallereignisses in die Entschädigung des Arbeitsunfalls einbezieht; im vorliegenden Zusammenhang ist entsprechend zu verfahren. Wenn das Zustandekommen des zweiten Unfallereignisses wesentlich auf den Folgen des ersten Unfallereignisses beruht, ist es auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention sachgerecht, dass der Unfallversicherungsträger zuständig ist, den die Entschädigungspflicht für das erste Unfallereignis trifft (sämtlich zitiert aus: Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 06/18, § 8 SGB VII, Rn. 307 bis 309 a).

Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge zuzurechnen ist, beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr 12; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten. Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden. Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 15 ff mwN). Für die Beweislast gilt: Die gesundheitliche Störung, die als Unfallfolge geltend gemacht wird, muss im Vollbeweis vorliegen. Die o. g. Kausalität zwischen Gesundheitserst- und Gesundheitsfolgeschaden muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (vgl. BSG, Urt. v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m.w.N.).

Dieselben Kausalitätsanforderungen wie oben dargestellt gelten für den Zusammenhang zwischen Versicherungsfall und Erwerbsminderung, denn nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge [Hervorh. d. Verf.] eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert sind, Anspruch auf Rente.

Die Bemessung der Verletztenrente folgt dem Prinzip der abstrakten Schadensbemessung, d.h. ohne konkrete Schadensfeststellung in Form eines tatsächlichen Minderverdienstes. Maßgeblich ist ausschließlich die anhand allgemeiner Erfahrungssätze zu bestimmende – durch die jeweiligen Funktionseinschränkungen verursachte – in Prozent bzw. vom Hundert (v. H.) ausgedrückte Verminderung der Möglichkeiten, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Lebensgrundlage in Form eines Erwerbs zu verschaffen (Scholz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 56 SGB VII, Rn. 17). Die Feststellung der durch einen Versicherungsfall bedingten MdE erfolgt durch Vergleich der unmittelbar vor dem Versicherungsfall bestehenden individuellen Erwerbsfähigkeit mit der Situation nach dem Versicherungsfall. Es kommt hierbei weder auf die bisher ausgeübte Tätigkeit des Versicherten und die sich hier eventuell ergebenden Aufstiegschancen noch auf die konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten des einzelnen Versicherten an. Vielmehr führen gleiche versicherungsfallbedingte gesundheitliche Funktionseinschränkungen bei allen Versicherten grundsätzlich zur gleichen Höhe der MdE. Zu beachten ist, dass nur die Schadensbemessung abstrakt erfolgt; der Ausgangspunkt der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, nämlich die Bestimmung der individuellen Erwerbsfähigkeit, erfolgt hingegen in Bezug auf den konkreten Versicherten (Scholz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 56 SGB VII, Rn. 49).

Für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in der gesetzlichen Unfallversicherung kommt den in Form von Rententabellen bzw. Empfehlungen in der unfallversicherungsrechtlichen und unfallversicherungsmedizinischen Literatur veröffentlichten MdE-Erfahrungswerten eine besondere Bedeutung zu. Sie gehen zumeist auf eine jahrzehntelange Entwicklung von Rechtsprechung sowie juristischem und medizinischem Schrifttum zurück und können daher wohl als allgemein anerkannt angesehen werden. Die MdE-Erfahrungswerte sind allerdings nicht schematisch anzuwenden, sondern unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls zur Einschätzung des Grades der MdE – durch den medizinischen Gutachter – heranzuziehen. Die MdE-Erfahrungswerte richten sich an den medizinischen Sachverständigen und dienen diesem als Hilfe, um die MdE des Versicherten in Bezug auf die Folgen eines konkreten Versicherungsfalls einzuschätzen und der Verwaltung bzw. dem Gericht einen Vorschlag für die MdE-Bemessung zu unterbreiten. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden. Verwaltung und Gerichte haben im Rahmen ihrer Entscheidungen zu überprüfen, ob der gehörte Sachverständige die einschlägigen Erfahrungswerte berücksichtigt hat (Scholz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 56 SGB VII, Rn. 59). Im hier zu entscheidenden Fall allerdings existieren, von dem soeben Ausgeführten abweichend, keine Erfahrungswerte, sondern lediglich der Orientierung dienende "Eckwerte" (s. u.).

Auf den Fall des Klägers gewendet, gilt, zunächst kurz zusammengefasst, Folgendes:

1. Die als Arbeitsunfall anerkannte räuberische Erpressung zu Lasten des Klägers hat entgegen dem angefochtenen Bescheid – keine "vorübergehende Anpassungsstörung" verursacht. Vielmehr ist Folge des Arbeitsunfalls vom 03.09.2010 eine PTBS, die im Erkrankungsverlauf chronifizierte.
2. Unfallfolgen sind auch die depressive Erkrankung sowie die Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Die unter Ziffer 2 genannten Unfallfolgen zählen nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG aus dem Jahr 2012 (aa0) zu den "unmittelbaren", gleichzeitig sind die aber auch mittelbare Unfallfolgen nach dem Spezialtatbestand des § 11 Abs. 2 SGB VII.
3. Der klägerische Anspruch umfasst neben der dementsprechenden Feststellung und Verpflichtung der Beklagten zur Rentengewährung, in höherem Umfang und dauerhaft, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auch insoweit, als dort Unfallfolgen anderweitig festgestellt bzw. nicht festgestellt wurden, einschließlich der Aufhebung der den Kläger belastenden impliziten Feststellung, dass bei ihm eine akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und depressiven Zügen besteht.

All dies ergibt sich nach Überzeugung des erkennenden Gerichts aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 15.05.2015 sowie der Aktenlage.

Im Einzelnen begründet das Gericht seine Entscheidung wie folgt:

In Deutschland werden, wie in allen anderen europäischen Ländern auch, alle psychischen und auch somatischen Erkrankungen nach dem Klassifikationssystem der WHO, der Internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen (englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems; ICD) eingeteilt. Die aktuell gültige Ausgabe ist die 10. Version und deshalb wird dieses Klassifikationssystem kurz als ICD-10 bezeichnet. Innerhalb dieser Einteilung wird die PTBS (ICD-10: F43.1) zu den Belastungs- und Anpassungsstörungen gezählt. Die ICD-10 gibt genaue Kriterien vor, die erfüllt sein müssen, damit die Diagnose einer PTBS gestellt werden darf. Diese diagnostischen Kriterien sind Folgende:
• traumatisches Ereignis von außergewöhnlicher Schwere
• Auftreten der Symptome innerhalb von 6 Monaten nach dem traumatischen Ereignis
• wiederholte unausweichliche Erinnerungen oder Wiederinszenierung des Ereignisses in Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen (sogenanntes Wiedererleben/Intrusionen)
• Vermeidung von Reizen, die eine Wiedererinnerung an das Trauma hervorrufen könnten (sogenanntes Vermeidungsverhalten) sowie Gefühlsabstumpfung (sogenanntes Numbing)
• vegetative Störung in Form von Übererregtheit (sogenanntes Hyperarousal)

(ICD-10, Dilling et al. 2011; zitiert nach M.J. Pausch, S.J. Matten, Trauma und Traumafolgestörung, In Medien, Management und Öffentlichkeit, 2018, XI, Kapitel 2, Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung, Ziffer 2.4; Internetrecherche der Kammervorsitzenden vom 06.08.2018 unter http://www.springer.com/978-3-658-17885 7).

Wiedererleben, Vermeidungsverhalten und Übererregung stellen also die drei Kernsymptome der PTBS dar.

Oder, mit dem Wortlaut der "Info" zu F43.1, http://www.icd-code.de/icd/code/F43.1.html; Internetrecherche der Kammervorsitzenden am 06.08.2018) ausgedrückt, "entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über."

In den Vereinigten Staaten von Amerika werden psychische Erkrankungen nach dem Klassifikationssystem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM; deutsch: "Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen"), herausgegeben von der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (American Psychiatric Association, APA), eingeteilt. 2013 wurde eine neu überarbeitete 5. Auflage (deshalb DSM-5) veröffentlicht. In der zuvor, seit 1994 gültigen Version, dem DSM-IV (DSM-IV-TR, Saß et al. 1996), war die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung den Angststörungen zugeordnet und es wurden folgende Kriterien gefordert:
• erleben oder beobachten eines traumatischen Ereignisses mit möglicher oder realer Todesgefahr, ernsthafter Verletzung, Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei sich oder anderen (sogenanntes A1-Kriterium, oder objektives Charakteristikum)
• Reaktion mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit, Schrecken auf dieses Ereignis (sogenanntes A2-Kriterium, oder subjektives Charakteristikum)
• Wiedererleben (mindestens 1 Symptom von Intrusionen, belastende (Alp-)Träume, Flashbacks, Belastung durch Auslöser, physiologische Reaktion auf Erinnerungen)
• Vermeidung (mindestens 3 Symptome von Vermeidung von bestimmten Gedanken/Gefühlen, Vermeidung von bestimmten Aktivitäten/Situationen, Amnesien, Vermeidung von bestimmten Interessen, Entfremdungsgefühl, eingeschränkter Affektspielraum)
• Übererregung (mindestens 2 Symptome von Ein-/Durchschlafstörungen, erhöhte Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, übergroße Schreckhaftigkeit)
• Zeitkriterium: Dauer der obigen Symptome für mindestens 4 Wochen
In der neuen Version, dem DSM-5 (jetzt mit arabischer und nicht mehr römischer Ziffer) von 2013, gab es einige kleine, aber wichtige Veränderungen. Erstens wurde die PTBS nicht mehr den Angststörungen zugeordnet, sondern es wurde eine eigene Gruppe für trauma- und stressbezogene Störungen geschaffen. In diese Gruppe gehören nun neben der posttraumatischen Belastungsstörung auch die akute Belastungsreaktion und die Anpassungsstörung. Die beiden Letztgenannten stellen Reaktionen auf schwere Belastungen dar, welche unterschiedliche Symptome (z. B. depressive Stimmung, Angst, Flashbacks) zeigen, die jedoch nach 1 Monat (akute Belastungsreaktion) bzw. nach 6 Monaten (Anpassungsstörung) wieder verschwinden. Zweitens wurde das A2-Kriterium, also die subjektive Reaktion mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken auf das traumatische Ereignis aufgegeben. Durch diese Entscheidung hat die amerikanische psychiatrische Gesellschaft als Herausgeber des DSM-5 die diagnostischen Kriterien der PTBS ein großes Stück der Realität der Betroffenen angepasst. Sehr häufig ist die traumatische Situation so überwältigend, dass es durch diese deutliche Überforderung eben nicht zu einer emotionalen Reaktion kommt. Die Psyche der Betroffenen ist derart überfordert, dass die potenziell erlebten Emotionen unaushaltbar wären und somit jegliche Emotion "abgestellt" wird. Man könnte sagen, dass das "Nicht-Gefühl" als Reaktion eine Steigerung der intensiven Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken darstellt (sämtlich zitiert nach M.J. Pausch, S.J. Matten, Trauma und Traumafolgestörung, aa0).

Der Kläger erfüllte und erfüllt infolge des Arbeitsunfall vom 03.09.2010 sämtliche Kriterien zur Diagnostizierung einer PTBS nach ICD-10 und DSM-5 (wobei es ausreicht, wenn die Diagnose auf eines der beiden Diagnosesysteme gestützt werden kann, vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Rz. 27 des juris-Dokuments), und die Erkrankung ist nach der im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätstheorie (s. o.) auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 03.09.2010 zurückzuführen. Diesbezüglich verweist das erkennende Gericht auf das nach Aktenauswertung und Untersuchung des Klägers zustande gekommene, in sich schlüssige und überzeugende Sachverständigengutachten der Frau Dr. S. vom 15.05.2015, im Wesentlichen dargestellt im Tatbestand, das es sich insoweit vollumfänglich zu Eigen macht. Von einer Wiederholung wird abgesehen.

Aus Gerichtssicht ist die überzeugende Darstellung der Sachverständigen wie folgt zu ergänzen bzw. zu untermauern: Dass die räuberische Erpressung zu Lasten des Klägers einen psychischen Erstschaden verursacht hat, ist unstreitig und bedürfte eigentlich keiner weiteren Darstellung. Allerdings ist es für den Erkrankungsverlauf wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger – nach dem Überfall am 03.09.2010, einem Freitag – am Wochenende in hausärztliche Behandlung begeben musste und ab 03.09.2010 krankgeschrieben war. Die Sachverständige Dr. S. nimmt in ihrem Gutachten vom 15.05.2015, Seite 16, erster Absatz, auf das Wochenende nach dem Banküberfall Bezug; aktenkundig ist das Vorgenannte durch die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs seitens der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten am 16.11.2010 in Bezug auf die Behandlung des Klägers durch den Hausarzt Dr. F. und die Gewährung von Krankengeld durch die Krankenkasse, laufend seit dem 03.09.2010. Die Krankenkasse des Klägers legte hierzu zwei Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Dr. F. mit der Diagnose Panikstörung, klassifiziert als F41.0 nach ICD-10, vor. Laut Gutachten des Dr. Q. vom 07.06.2012 (siehe Tatbestand) hat der Kläger dennoch am darauffolgenden Montag versucht, zu arbeiten, was scheiterte (siehe auch klinisch-psychologischer Abschlussbericht der Klinik am Rosengarten vom 18.01.2011, wiedergegeben im Tatbestand). Die erste aktenkundige Darstellung von Symptomen der PTBS finden sich im Bericht des Herrn E. über das Gespräch vom 16.09.2010, die erste explizite Diagnosestellung der PTBS erfolgte durch Dr. O. im Bericht vom 10.02.2011, allerdings als vorläufige Diagnose, weil nach seiner Ansicht nach dem Scheitern der stufenweisen Wiedereingliederung nach Entlassung aus der Klinik am Rosengarten zur Optimierung des weiteren Vorgehens eine sozialmedizinische Begutachtung erforderlich war. Mit der Sachverständigen Dr. S. kann das erkennende Gericht in den Berichten der Klinik am Rosengarten vom 11.12.2010 und 18.01.2011 (siehe Tatbestand) alle Symptome der PTBS sehen, bei gleichzeitig fehlender Klassifizierbarkeit der dort gestellten, anderweitigen, Diagnose, worauf auch Herr Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 23.07.2012 (siehe Tatbestand) zurecht hingewiesen hat.

Die Beklagte allerdings hat in der angefochtenen Entscheidung – der genannten Stellungnahme des Dr. R. folgend – keine PTBS festgestellt, obwohl sich dieser hierin widersprüchlich und entgegen der Aktenlage (hierauf wird weiter unten noch genauer eingegangen) geäußert hatte: Während der Beratungsarzt zunächst die Auffassung vertrat, dass "unfallfremde Faktoren" (Schwierigkeiten der Verarbeitung des Todes seiner Mutter und vulnerabilisierende Persönlichkeitsfaktoren des Klägers sowie die Kränkung durch den Arbeitgeber) näher untersucht werden müssten, unternahm er sodann eine abschließende Bewertung, der er seine ureigene Interpretation des Sachverhalts zugrunde legte, eingeleitet mit den Worten: "Es liegt nahe, folgenden Sachverhalt anzunehmen". Abgesehen davon, dass die Beklagte aufgrund dieser, lediglich aus Mutmaßungen bestehenden, Bewertung ihres Beratungsarztes (für unfallfremde, konkurrierende Faktoren ist sie mit dem Beweisgrad des Vollbeweises beweispflichtig!) gar keine Entscheidung hätte treffen dürfen, sondern im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht hätte weiter ermitteln müssen, sind auch die Ausführungen in der genannten Stellungnahme des Dr. R. zur Diagnosestellung der PTBS selbst unzutreffend:

Eine PTBS liege nicht vor, weil das A-Kriterium fehle und zwar in zweifacher Hinsicht: erstens sei das Ereignis nicht schwer genug, nicht gefährlich gewesen, weil der Kläger ja nur mit einer ungeladenen Schreckschusspistole bedroht worden sei – betrifft ("objektives") A1-Kriterium nach DSM-IV – und zweitens sei der Kläger nicht hilflos gewesen – betrifft ("subjektives") A2-Kriterium nach DSM-IV. Mit dem Fehlen des A2-Kriteriums begründet auch Dr. Q. in seinem Gutachten vom 07.06.2012 das Nichtvorliegen einer PTBS. Zunächst ist anzumerken, dass die Argumentation mit dem A2-Kriterium nach Veröffentlichung des DSM-5 im Jahr 2013, in dem dieses Kriterium nicht mehr enthalten ist (s. o.), jedenfalls zum Erlasszeitpunkt des Widerspruchsbescheids (am 13.02.2014) und durchgängig im Beklagtenvortrag im Klageverfahren nicht mehr dem Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis entsprach und entspricht. Soweit der Sachverständigen Dr. S. von der Beklagten (vgl. zuletzt Sitzungsniederschrift, die auf ausdrücklichen Wunsch des Beklagtenvertreters dessen Parteivortrag enthält) vorgeworfen wird, dass ihr Gutachten wegen Verwendung des DSM-IV unverwertbar sei, ist dies an den Beratungsarzt der Beklagten und damit an die Beklagte selbst zu adressieren. Anders als Dr. R. hat die Sachverständige, selbst wenn sie formal nicht das DSM-5 herangezogen hat, das Vorliegen der PTBS der Sache nach genau anhand des A-Kriteriums des DSM-5 geprüft und bejaht. Denn Frau Dr. S. hat dem sehr häufigen, und auch beim Kläger festzustellenden, Umstand (der ja der Grund dafür war, das A2-Kriterium des DSM-IV nicht in das DSM-5 zu überführen, M.J. Pausch, S.J. Matten, Trauma und Traumafolgestörung, aa0) Rechnung getragen, dass der Kläger, von dem traumatischen Erleben überwältigt, nur scheinbar und von außen betrachtet, "überlegt" gehandelt hat. Stattdessen befand sich der Kläger hierbei aber in einem dissoziierten Zustand. Soweit Herr Dr. R. (Stellungnahme vom 01.10.2015) die diesbezügliche Feststellung der Sachverständigen als "willkürlich und spekulativ" bezeichnet hat, ist dies ganz offensichtlich auf unzureichende Aktenkenntnis seinerseits zurückzuführen, denn die Dissoziation des Klägers bei dem Banküberfall wurde schon von Herrn E. im Bericht vom 18.10.2010 aufgrund des Gesprächs vom 16.09.2010 beschrieben. Hierin hatte der Kläger etwa zwei Wochen nach dem Arbeitsunfall angegeben, in einen "leichter Trancezustand" gefallen zu sein, als er die Waffe des Täters gesehen habe (siehe Tatbestand). Was das A-Kriterium bzw. Eingangskriterium des DSM-5 (nach DSM-IV: A1-Kriterium) und der ICD-10 betrifft, hat die Beklagte dieses mit ihrem Beratungsarzt sachwidrig zu Ungunsten des Klägers ausgelegt. Hier sei zunächst der Sachverhalt in Erinnerung gerufen: Der Täter richtete eine täuschend echt aussehende ungeladene Schreckschusspistole auf den Bauch des Klägers und der Kläger erfüllte die Geldforderung des Täters, weil er von der Bedrohungssituation beeindruckt war (Tatbestand Urteil des LG Hanau, siehe Tatbestand). Die Bedrohung mit der Schreckschusspistole gegenüber dem Kläger erfolgte zweimal, nämlich erstens direkt nach dem Eintreten des Täters in den Schalterbereich und zweitens bei der Herausgabe des Geldes an den Täter durch den Kläger. Darüber hinaus musste der Kläger miterleben, dass der räuberische Erpresser seine beiden Kollegen mit der Schreckschusspistole bedrohte, als er selbst, um dessen Geldforderung nachzukommen, den Schalterbereich verließ und den Kassenbereich aufsuchte. Das A-Kriterium bzw. Eingangskriteriums für die Diagnostizierung der PTBS wird hierdurch zweifelsfrei erfüllt, denn der Kläger war einem Ereignis mit möglicher Todesgefahr, ernsthafter Verletzung und Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei sich und anderen (Wortlaut DSM-5, s. o.) bzw. einem belastenden Ereignis kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung ausgesetzt, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (Wortlaut ICD-10, s. o.). Der Täter wurde wegen schwerer räuberischer Erpressung (§§ 250 Abs. 1 Nr. 1 b, 253, 255 StGB) u. a. zu Lasten des Klägers verurteilt, denn er hatte seine Geldforderung unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben durchgesetzt, strafverschärfend hierbei ein Werkzeug oder Mittel bei sich geführt, um den Widerstand des Klägers durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Hätte der Täter übrigens eine geladene Waffe bei sich geführt, hätte auch dies, genauso wie der vorliegende Tatbestand, die räuberische Erpressung zu einer "schweren" (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB) qualifiziert mit Strafandrohung in derselben Höhe (Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren). Dem gegenüber rein subjektiv unterstellt und vermutet ist die abwegige Darstellung des Dr. R. vom 01.10.2015, wonach Opfern bei einem Überfall bewusst sei, dass es sich um eine Attrappe handeln könne und dass vom Opfer auf einer unbewussten Ebene durch Verhaltensweisen des Täters erahnt werden könne, ob es sich um eine scharfe Pistole oder eine Attrappe handele.

Dass die PTBS beim Kläger chronisch ist (zur entsprechenden Diagnosestellung siehe Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, AWMF-Registernr. 051/029, erstellt zwischen April 2008 und März 2011, derzeit in Überprüfung befindlich, Seite 107 erster Absatz) hat nicht nur die Sachverständige Dr. S., sondern bereits Frau Dr. P. (in ihrem Bericht vom 30.08.2011, siehe Tatbestand) festgestellt.

Was das Gutachten des Dr. Q. vom 07.06.2012 anbetrifft, auf das sich die Entscheidung der Beklagten auch stützt, obwohl ihr Beratungsarzt dieses zu Recht kritisiert hat, konnte dieses keinesfalls überzeugen: Weder ist eine "partielle" PTBS klassifizierbar, noch kann diese Diagnose als "subsyndromale PTBS" verstanden und damit den Anpassungsstörungen zugeordnet werden (so allerdings Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 23.07.2012), weil dieses Erkrankungsbild das Vorliegen von Teilsymptomen voraussetzt, welche die Diagnose einer PTBS nach ICD oder DSM nicht erlauben (Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, aa0, Seite 108 unter Tabelle 7). Gerade so liegt der Fall des Klägers aber nicht: Selbst nach Dr. Q. und Dr. R. zeigte der Kläger alle Symptome der PTBS (enthalten im B-, C- und D-Kriterium), nur wird von Seiten der beiden Ärzte die unzutreffende (s. o.) Auffassung vertreten, dass das A-Kriterium fehle, so dass die Diagnostizierung der PTBS ausscheide. Abgesehen davon konnte das Gutachten des Dr. Q. schon deshalb nicht überzeugen, weil es in sich widersprüchlich ist (worauf auch Dr. R. aa0 hingewiesen hat): Die Anpassungsstörung bzw. depressive Symptomatik soll danach unfallunabhängig sein soll, aber dennoch indirekt durch die Folgen der partiellen PTBS entstanden sein und sie soll sich deswegen in der MdE-Bewertung niederschlagen. Dem Sachverständigengutachten der Frau Dr. S. aus eigener Überzeugung folgend, ist es für das erkennende Gericht hinreichend wahrscheinlich, dass die PTBS durch die Einwirkung auf den Kläger anlässlich des Arbeitsunfalls vom 03.09.2010 entstanden ist. Soweit seitens der Beklagten in diesem Zusammenhang konkurrierende Faktoren geltend gemacht wurden, sind diese schon nicht im Vollbeweis bewiesen (s. o.). Dies betrifft zuallererst die – auch im angefochtenen Bescheid enthaltene – Feststellung, dass der Kläger eine "akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und depressiven Zügen" sei, weshalb diese Feststellung auch der gerichtlichen Aufhebung anheimfällt. Der Psychologe Herr K. (Klinik am Rosengarten) hat in seinem klinisch-psychologischen Abschlussbericht vom 18.01.2011 (siehe Tatbestand) geschrieben, dass die Persönlichkeitsstruktur des Klägers akzentuiert zwanghafte Züge (von depressiven Zügen war hier nicht die Rede) zeige. Diese Aussage weist nicht auf eine Pathologie hin und ist schon gar keine Diagnose und als solche auch von Herrn K. nicht gestellt worden. Dem gegenüber hat Herr Dr. Q. in seinem Gutachten vom 07.06.2012 ausdrücklich eine akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und zusätzlich auch depressiven Zügen als "Diagnose" gestellt, ohne diese zu klassifizieren. Die "Akzentuierung von Persönlichkeitszügen" ist nach der ICD-10 als "Typ-A-Verhalten (Verhaltensmuster, das durch zügellosen Ehrgeiz, starkes Erfolgsstreben, Ungeduld, Konkurrenzdenken und Druckgefühl charakterisiert ist)" unter Z73 ("Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung"), hier mit der Unterziffer 1, also als Z73.1 zu verschlüsseln, was weder von Dr. Q. vorgenommen wurde, noch der Sache nach auf den Kläger zutreffen dürfte. Andererseits hat schon Dr. Q. in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass trotz der von ihm angenommenen "Vorschädigung" der Psyche des Klägers nicht schon jedes andere alltägliche Ereignis ausgereicht hätte, um die seiner Ansicht nach bestehende "partielle" PTBS hervorzurufen (sog. Gelegenheitsursache), m. a. W., dass die Erkrankung wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht sei. Die Sachverständige Dr. S. hat bei dem Kläger "vulnerable Persönlichkeitsanteile", nämlich ängstlich-zwanghafte Anteile, unsicheren Selbstwert, Anerkennung und Stabilität hauptsächlich durch äußere Faktoren (siehe Tatbestand) festgestellt und zu Recht darauf hingewiesen, dass diese keine pathologische Bedeutung haben (keine Diagnose, vgl. soeben) und dass der Kläger mit diesen vulnerablen Persönlichkeitsanteilen versichert war, als er Opfer der räuberischen Erpressung wurde. Völlig zutreffend hat sie in ihre Bewertung auch einbezogen, dass der Kläger nachweislich nicht psychiatrisch vorerkrankt war.

Wie der Psychologe K. (Abschlussbericht Klinik am Rosengarten, aaO, siehe auch Tatbestand) bei dem Kläger gar nachträglich eine zum Zeitpunkt des Überfalls bereits bestehende "depressive Erschöpfungs- und Trauerreaktion nach Pflege und Tod der Mutter", "erhöhte Ängstlichkeit durch Konfrontation mit zwei tödlichen Unfällen von bekannten Personen" sowie "Überforderungserleben am Arbeitsplatz" festgestellt haben will (abgesehen davon, dass es sich nicht um klassifizierbare Diagnosen handelt), legt er nicht offen und seine Annahme steht der Aktenlage (keine psychiatrische Vorerkrankung) entgegen. Und dass diese "Vorschädigungen" dann sogar noch mit dem angeblichen "Wunsch des Klägers, nicht nur aufgrund seiner Ängste, sondern auch wegen seines bereits vor dem Überfall bestehenden Überforderungserlebens, nicht wieder in den Schalterbereich zurückzukehren" derart ungünstig verbunden sein sollen, dass "trotz des günstigen Verlaufs" der Therapieerfolg behindert werden könnte, liegt zum einen schon neben der Sache, hatte der Kläger sich doch direkt nach dem Überfall wieder der Arbeitsplatzsituation (Schalterdienst) gestellt, was Herr K. sogar an anderer Stelle seines Berichts erwähnt, und zum anderen begibt sich der Psychologe mit seinen o. g. Angaben in gewissen Widerspruch zu seiner nachstehenden Empfehlung, den Kläger in eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt umzusetzen, eine abklingende Anpassungsstörung mit noch verbliebener überfallbezogener Angstsymptomatik diagnostizierend, die sich bei einer "Exposition in vivo" (begleiteter Aufenthalt des Klägers in einer Sparkassenfiliale, bei der der Kläger einen deutlichen Anstieg des Erregungsniveaus mit innerer Unruhe und erhöhter Wachsamkeit gezeigt hatte, als ein junger Mann mit dunkler Wollmütze die Sparkasse betrat; vgl. Abschlussbericht aa0) deutlich gezeigt hatte. Warum es bei dem Kläger "keine Hinweise auf das Vorliegen einer PTBS" gebe, wird von Herrn K. nicht begründet und ist angesichts der gegenteiligen Symptomschilderung (vgl. zutreffende Ausführungen der Sachverständigen Dr. S.) auch nicht nachvollziehbar. Dass der Kläger sich im stationären Behandlungsrahmen psychisch stabilisieren ließ bei der Bewältigung seiner Trauer um den Tod der Mutter und anschließend mit der Bearbeitung des Überfalls begonnen werden konnte, wie Herr K. in seinem Bericht anführt (der Kläger selbst schilderte gegenüber dem Sachverständigen Dr. Q. in diesem Zusammenhang, siehe Tatbestand, einen Zeitraum von nur zwei Wochen unter Einschluss der Bearbeitung der beiden Todesfälle in seinem sozialen Umfeld!), spricht im Übrigen schon rein faktisch dagegen, dass diese Lebensereignisse unfallfremd wesentlich zur Entwicklung der psychischen Gesundheitsstörungen beigetragen haben.

Der von Dr. R. angestellten Mutmaßung des Vorliegens eines Rentenbegehrens beim Kläger (Stellungnahme vom 23.07.2012, siehe Tatbestand) ist – wie dem von Herrn K. herausgestellten angeblichen Wunsch des Klägers, nicht wieder in den Schalterbereich zurückzukehren – jeglicher Anknüpfungspunkt schon dadurch entzogen, dass der Kläger sich seit der Entlassung aus stationärer Behandlung sehr intensiv um seine Wiedereingliederung bemühte. Darüber hinaus hat der Beratungsarzt der Beklagten seine Mutmaßung argumentativ auch noch mit einer falschen Tatsachendarstellung unterfüttert, wonach der Kläger als Kassierer tätig gewesen sei, den die Bank aus personalpolitischen Gründen habe loswerden wollen, obwohl der Akte klar zu entnehmen ist, dass der Kläger bereits seit 2002 als Kundenberater in der Bank beschäftigt war. Ergänzend dazu, dass auch die Sachverständige Dr. S. das Vorliegen eines sekundären Krankheitsgewinns verneint hat, wird auf die Mitteilung des Schwagers des Klägers gegenüber Herrn M. verwiesen, wonach der Kläger nicht eigeninitiativ, sondern auf den Vorschlag der Frau Dr. P. hin eine Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt hatte und er und sein Schwager sich der deutlichen finanziellen Einbuße bewusst waren, die in der Folge ja auch eintrat (Gesprächsvermerke vom 21.09.2011 und 20.03.2012 und E-Mail des Schwagers vom 19.08.2012).

Nach alledem hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung, dass die chronische PTBS Unfallfolge ist. Die ihn belastende Feststellung, dass lediglich eine "vorübergehende Anpassungsstörung nach Banküberfall" Unfallfolge ist, war daneben aufzuheben.

Dass sich neben der PTBS eine depressive Erkrankung und eine Persönlichkeitsänderung entwickelt haben, für die die Beklagte einstandspflichtig ist, ist für das erkennende Gericht ebenfalls bewiesen, zurückgehend auf die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. und unter Berücksichtigung der Aktenlage.

Was die Diagnosestellung selbst betrifft, ist die mittelgradigen depressiven Störung nach F33.1 G von Frau Dr. P. am 21.12.2011 gesichert worden (siehe Tatbestand). Auch die Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung findet sich sowohl im Gutachten der Sachverständigen Dr. S. als auch im Attest der Frau Dr. P. vom 24.02.2014, hier allerdings ohne Angabe des Entstehungszeitpunkts. Soweit das erkennende Gericht bei der Feststellung der depressiven Erkrankung als Unfallfolge für die Zeit vor der gutachtlichen Untersuchung des Klägers durch Frau Dr. S. nicht deren Diagnosestellung in der ergänzenden Stellungnahme vom 09.08.2012 ("schwere depressive Episode", F32.2, seit 12.04.2012) gefolgt ist, hat dies seinen Grund darin, dass die zeitnahe Diagnose der Fachärztin Dr. P. (mittelgradige depressive Störung, F33.1, seit 21.12.2011) besonderes Gewicht dadurch erhält, dass der Kläger bei ihr durchgehend seit Mai 2011 in Behandlung war und die Ärztin daher die Krankheitsentwicklung unmittelbar beobachten konnte, während die Gerichtssachverständige den Kläger erst am 20.04.2015 begutachtet hat und den Verlauf der depressiven Erkrankung nur nachträglich verfolgen konnte. Erst ab diesem Tag, dem 20.04.2015, ist für das Gericht das Vorliegen einer schweren depressiven Episode nachgewiesen, hervorgehend aus dem im Tatbestand wiedergegebenen psychischen Befund am Untersuchungstag durch die Sachverständige (siehe Tatbestand). Hinzu kommt, dass das erkennende Gericht dadurch, dass die Gerichtssachverständige in ihrem Gutachten vom 15.05.2015 und ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.08.2018 zum Zeitpunkt des Vorliegens der Diagnosen F33.1 und F32.2 widersprüchliche Angaben gemacht hat, ihrer ergänzenden Stellungnahme in diesem Punkt nicht folgen konnte. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass die Sachverständige ihrem Gutachten erst ab dem Untersuchungsdatum eine schwere depressive Episode zugrunde gelegt hat. Dass die Sachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme zu einem hiervon abweichenden Ergebnis kam, mag an deren Erstellungsdatum – mehr als drei Jahre nach der Begutachtung – liegen. Letztlich ist der Grund hierfür jedoch unerheblich, da die rückwirkende Diagnostizierung einer schweren depressiven Episode durch die Sachverständige nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts hinter der damals zeitnahen Diagnostizierung eines mittelschweren depressiven Krankheitsbildes durch Frau Dr. P. zurücktreten muss. Dass die Sachverständige Dr. S. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.08.2018 einerseits von einer "schweren depressiven Störung [Hervorhebung durch die Verf.]" und andererseits von einer "schweren depressiven Episode [dito]" spricht, schmälert ihre Diagnosestellung als solche übrigens nicht, denn maßgeblich ist die verwendete ICD-10-Verschlüsselung und diese lautet auch bei der insoweit unkorrekten Bezeichnung "schwere depressive Störung" auf F32.2 (=schwere depressive Episode).

Was die Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung anbetrifft, erfüllt der Kläger alle Kriterien für die Diagnostizierung des Krankheitsbildes (feindliche oder misstrauische Haltung der Welt gegenüber, sozialer Rückzug, Gefühl der Leere oder Hoffnungslosigkeit, Chronisches Gefühl von Nervosität wie bei ständigem Bedrohtsein, Entfremdungserlebnisse). Dies hat die Sachverständige Dr. S. in ihrem Gutachten vom 15.05.2015 überzeugend begründet und für ihre Diagnostik neben der Auswertung der Aktenlage und Untersuchung des Klägers auch den bei der Begutachtung anwesenden Schwager des Klägers befragt, der geäußert hat, dass der Kläger nicht wiederzuerkennen sei, dass er sich dramatisch verändert habe. Das Gericht weist, ergänzend zum überzeugenden Sachverständigengutachten der Frau Dr. S., auf die Gesprächsvermerke des Herrn M. vom 01.11.2011 und 20.03.2012 hin (siehe Tatbestand), aus denen die Massivität der Persönlichkeitsänderung des Klägers dadurch deutlich wird, dass Herr M., der den Kläger nur aus wenigen Gesprächen seit der Entlassung aus der stationären Behandlung kannte, dessen fortdauernde Verhaltensänderung feststellte; und auf die Angaben Herrn N. gegenüber Herrn M. (siehe Tatbestand), wonach der Kläger massiv verunsichert und in einer instabilen Verfassung sei und das Vertrauen in seinen Arbeitgeber verloren habe und ein stark verändertes Verhalten zeige, verbunden mit der Bitte, den Kläger einer adäquaten Hilfe zuzuführen. Von seinen sozialen Rückzug und seinem Entfremdungserleben berichtete der Kläger sehr eindrücklich gegenüber dem Sachverständigen Q. (Gutachten vom 07.06.2012). Daher konnte das Gericht in diesem Punkt auch der ergänzenden Stellungnahme der Frau Dr. S. vom 09.08.2018 folgen, dass die Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bereits zum 12.04.2012 zu diagnostizieren war.

Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die ICD-10 F62.0 die Auffassung vertritt, dass es ausgeschlossen sei, Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung und PTBS nebeneinander zu diagnostizieren, so wird im Nachfolgenden (zur Kausalität) aufgezeigt, dass für die Entstehung der Persönlichkeitsänderung nicht das einmalige Ereignis, der Banküberfall, sondern – hierauf aufbauend – die Fortsetzung der traumatischen Schädigung ursächlich war, so dass sich beide Diagnosen nicht ausschließen.

Die depressive Erkrankung und die Persönlichkeitsänderung des Klägers sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kausal auf die PTBS zurückzuführen. Das Gericht macht sich die diesbezüglichen vollständig überzeugenden Ausführungen der Gerichtssachverständigen zu Eigen und fügt noch Folgendes hinzu:

Als die stufenweise Wiedereingliederung des Klägers nach Entlassung aus der stationären Behandlung in der Klinik am Rosengarten gescheitert war, folgte die Beklagte der o. g. Empfehlung des Psychiaters Dr. O., zur Optimierung des weiteren Vorgehens eine sozialmedizinische Begutachtung durchzuführen, nicht, obwohl sogar der Kläger persönlich Herrn M. am 14.02.2011 darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass der Arbeitgeber ihm – entgegen der Vorabsprache am 25.01.2011 (siehe Tatbestand) – bei einem Gespräch am 10.02.2011 keinen konkret beschriebenen Arbeitsplatz zugesichert und sogar die Einwilligung zu einer Gehaltsrückstufung verlangt hatte und dem Kläger nach dessen Ablehnung geraten hatte, sich noch für einige Wochen krankschreiben zu lassen, weil er für eine Arbeits- und Belastungserprobung noch nicht ausreichend stabil sei. Dies ist verbrieft durch den Vermerk des Herrn M. über sein Gespräch mit Frau T., Personalabteilung des Arbeitgebers, vom 03.03.2011, wonach der Kläger sogar seine Tätigkeit als Kundenberater hätte wieder aufnehmen und andernfalls eine Gehaltsabsenkung hätte akzeptieren sollen, was ganz klar der Empfehlung des Herrn K. und der Vorabsprache vom 25.01.2011 entgegenstand. In seinen Gesprächsvermerk über das Gespräch mit dem Kläger nahm Herr M. auch auf, dass der Kläger nach dem Gespräch mit dem Arbeitgeber sehr verunsichert sei und es ihm gesundheitlich wieder sehr schlecht gehe (nach gewisser Stabilisierung bei Entlassung aus der Klinik am Rosengarten). Und trotz der Mitteilung des Herrn E. am 24.02.2011, dass der Kläger kurz vor dem Zusammenbruch stehe, verfolgte die Beklagte den Versuch der Wiedereingliederung weiter. Der Kläger – nicht belastbar durch die PTBS (mittlerweile diagnostiziert durch Dr. P., vgl. deren Bericht vom 30.08.2011, zurückgehend auf die Behandlung seit 24.05.2011) – war in weiteren Erörterungsgesprächen mit dem Arbeitgeber über die Wiedereingliederung einer "massiven sekundären Schädigung von der Qualität einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt" (Bericht E. vom 13.06.2011) oder mit den Worten von Frau Dr. P. gesprochen: "Das Trauma war mit dem Überfall nicht abgeschlossen, sondern bestand fort." (Attest vom 24.02.2014). Dass die eingetretene psychische Veränderung des Klägers ("vermehrt verunsichert und ängstlich, deutlich erkennbare instabile Verfassung") im Vergleich zu seinem Zustand nach der Entlassung aus der Klinik am Rosengarten auch danach weiter andauerte, ist eindrucksvoll dem Vermerk des Herrn M. zum Gespräch mit dem Kläger am 01.11.2011 zu entnehmen; auf das "stark veränderte Verhalten" des Klägers hatte schon der den Kläger eng betreuende Schwager Herr N. gegenüber dem Reha-Berater am 21.09.2011 hingewiesen. Ausgehend von der bei der Beklagten unverändert fortbestehenden Auffassung, dass beim Kläger keine PTBS vorliege, bereitete der von der Beklagten entgegen der fachärztlichen Empfehlung des Dr. O. durchgeführte Wiedereingliederungsversuch ohne vorherige Begutachtung einen "fruchtbaren" Boden für die Chronifizierung der PTBS, die Ausbildung der depressiven Erkrankung (erstmals diagnostiziert am 21.12.2011) sowie die Entstehung der Persönlichkeitsänderung.

Es kann dahinstehen, ob nicht die Einwirkung auf den Kläger seitens des Arbeitgebers im Gespräch vom 10.02.2011 selbst, bei der der Kläger – wie bereits beim Überfall – in einen Trancezustand fiel, und dann das Zimmer verlassen musste und am ganzen Körper zitterte (Bericht E. am 13.06.2011), einen weiteren Arbeitsunfall begründet, denn ein solcher wäre wegen der engen Bindung an den hier streitigen Arbeitsunfall vom 03.09.2010 diesem ohnehin zuzuordnen (s. o.). Auf jeden Fall sind die depressive Erkrankung und die Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung mittelbare Unfallfolgen nach dem Spezialtatbestand des § 11 Abs. 2 SGB VII, weil diese entstanden sind durch das wiederholte Aufsuchen des Arbeitgebers zur Erörterung von Eingliederungsmaßnahmen auf Aufforderung der Beklagten (vgl. Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 11 SGB VII, Rz. 16 mwN). Und deshalb geht auch der Hinweis des Beklagtenvertreters auf die Unmöglichkeit, eine Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung neben einer PTBS zu diagnostizieren, fehl, denn während der PTBS ein einmaliges Ereignis zugrunde liegt, sind Ursache der Persönlichkeitsänderung mehrere mit dem Arbeitgeber auf Aufforderung der Beklagten geführte "Reha-Beratungsgespräche". Auf diesen Kausalzusammenhang weist zu Recht Frau Dr. P. in ihrem Attest vom 24.02.2014 hin, wonach der nach dem Arbeitsunfall unbelastbare Kläger in fortdauernder Traumatisierung unter dem zunehmenden Misstrauen und dem Ankreiden von mangelndem Leistungsvermögen seitens des Arbeitgebers zu leiden gehabt habe. Die Sachverständige Dr. S. formuliert all das Vorgenannte auf Seite 36 letzter Absatz bis einschließlich Seite 38 dritter Absatz von oben (siehe auch Tatbestand). Hierbei hebt die Sachverständige zu Recht nicht nur die Existenzbedrohung und Triggerung der PTBS "am Arbeitsplatz" des Klägers, sondern auch die unzureichende, da nicht traumaspezifische Therapie des Klägers hervor. Denn tatsächlich fanden zwar Gespräche des Klägers mit Herrn E. statt, der allerdings kein Psychotherapeut ist, sondern Sozialpädagoge. Und der Kläger verfügte hierbei auch nicht über ein (bei einer Psychotherapie übliches) fest zugesagtes Stundenkontingent seitens der Beklagten, sondern musste sich seine Gespräche immer wieder von dieser genehmigen lassen (vgl. hierzu etwa Telefonnotiz der Sachbearbeiterin L. vom 01.03.2011). Und sowohl die Gespräche bei Herrn E. als auch die psychotherapeutischen Gespräche mit Frau Dr. P. waren geprägt durch die o. g. fortdauernden traumatischen Belastungen. Der Kläger befand sich hierdurch gerade nicht "in gesicherten Umständen", die die Bearbeitung des Ausgangstraumas (Banküberfall) ermöglicht hätten (Dr. S., Gutachten aa0).

Bei dem Kläger trat ein starkes Misstrauen gegenüber dem Arbeitgeber ein (eindrucksvoll geschildert durch Herrn E. in dem Telefonat mit Herrn M. und in seinem anschließenden Bericht vom 13.06.2011, siehe Tatbestand) sowie eine Angst vor einer Wiedereingliederung, aus dem Gefühl heraus, es nicht schaffen zu können, überfordert zu sein und Fehler zu machen. Diese Angst resultierte aus dem Umstand, dass der Kläger, wie oben ausgeführt, mit der sich beim Arbeitgeber darstellenden Situation maximal überfordert war, hierdurch – so Frau Dr. S. – "getriggert" wurde und sich damit die Traumatisierung nahtlos fortsetzte. Deshalb konnte auch das zuletzt erteilte Angebot des Arbeitgebers an den Kläger, ohne Gehaltseinbuße im Back-office zu arbeiten, nur noch Angst auslösen (vgl. Bericht Dr. P. vom 30.08.2011). Sein Schwager musste mittlerweile schon die gesamte Kommunikation mit Beklagter und Arbeitgeber übernehmen.

Die Bejahung des Kausalzusammenhangs zwischen PTBS und depressiver Erkrankung sowie Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung erfolgte seitens der Sachverständigen Dr. S. – entgegen der Darstellung der Beklagten – auf dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Zu Recht verweist Frau Dr. S. insoweit (in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 03.01.2016) auf die S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung. Trauma & Gewalt 3: 202-210 (AWMF-Register-Nr. 051/010). Die dortige Leitlinienempfehlung 2 lautet: "Es soll beachtet werden, dass komorbide Störungen bei der Posttraumatischen Belastungsstörung eher die Regel als die Ausnahme sind". In der Erläuterung hierzu wird darauf hingewiesen, dass u. a. insbesondere Depression und andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung komorbide auftreten können.

Was die gegen den Kausalzusammenhang zwischen Arbeitsunfall und depressiver Erkrankung sowie Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung seitens der Beklagten ins Feld geführten angeblichen konkurrierenden Faktoren betrifft, gilt das oben zum Kausalzusammenhang zwischen Arbeitsunfall und PTBS Ausgeführte. Soweit ein "subjektives Kränkungserleben" des Klägers einen "Wechsel der Wesensgrundlage" darstellen soll, verkennt diese Argumentation die traumatisierende Wirkung der beim Arbeitgeber geführten "Wiedereingliederungsgespräche" auf dem Boden der Erkrankung des Klägers an einer PTBS – wie oben ausführlich dargelegt –. Abgesehen davon ist die Beklagte den Beweis dafür schuldig geblieben, dass ein "Wechsel der Wesensgrundlage" eingetreten ist.

Was die Rentenhöhe anbetrifft, wurde seitens des Gerichts berücksichtigt, dass im Zeitraum zwischen dem 12.04.2012 und der Untersuchung des Klägers durch die Gerichtssachverständige am 20.04.2015 nach der Aktenlage lediglich eine mittelgradige depressive Störung nach F33.1 zu diagnostizieren war und die Diagnose der schwere depressive Episode nach F32.2 erst zum Untersuchungszeitpunkt durch Frau Dr. S. bewiesen ist (siehe oben), so dass die von Frau Dr. S. für das Vollbild der "komplexen Traumafolgestörung" eingeschätzte Gesamt-MdE von 50 v. H. für das Gericht erst ab dem Untersuchungstag nachvollziehbar war. Für den Zeitraum vom 12.04.2012 bis 19.04.2015 hat das Gericht eine MdE von 30 v. H. zugrunde gelegt, was der Einschätzung der Sachverständigen im Gutachten für den Zeitraum vor August 2011 entspricht. Die Erhöhung der Gesamt-MdE ab August 2011 auf 50 v. H. (somit auch zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt 12.04.2012 vorliegend), die Frau Dr. S. mit der Entwicklung der depressiven Erkrankung begründet hat, wobei sie gleichzeitig betont hat, dass diese damals als mittelschwer beurteilt worden ist, konnte nach dem oben Ausgeführten vom Gericht erst ab dem Nachweis der schwere depressiven Episode zum Untersuchungstag bei der Sachverständigen plausibel gemacht werden.

In diesem Zusammenhang sei zu betonen, dass die datumsmäßige Feststellung des Bestehens von Unfallfolgen im Tenor lediglich der besseren Nachvollziehbarkeit der tenorierte MdE-Höhe dient.

Soweit seitens der Beklagten unter Hinweis auf die "Richtwerte" in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 170, wonach "Beeinträchtigungen entsprechend dem Schweregrad einer schweren depressiven Episode, auch mit psychotischen Symptomen" mit einer MdE von 80 bis 100 v. H. bemessen sind, bemängelt wurde, dass die von Frau Dr. S. für die schwere depressive Episode eingeschätzte Einzel-MdE von 30 v. H. viel zu niedrig bemessen sei, was sich auch auf die Gesamt-MdE (50 v. H.) auswirke, ist bereits fraglich, ob die Beklagte durch eine zu niedrige MdE-Einschätzung, die das Gericht übernimmt, überhaupt beschwert wäre. Falls der Vortrag der Beklagten als Kritik an der Fachkompetenz von Frau Dr. S. verstanden werden soll, wird auf Seite 169 in Schönberger/Mehrtens/Valentin, aa0, verwiesen, wonach sich für psychische Störungen zwar Eckwerte für die MdE-Bewertung entwickelt haben, dass denen aber nicht die Qualität anerkannter "allgemeiner Erfahrungswerte" zukommt, da sie (noch) keine wiederkehrende Anwendung, Anerkennung bzw. Akzeptanz von Sachverständigen, Gerichten und Unfallversicherungsträgern erfahren haben. Die veröffentlichten MdE-Werte sind, so die Begutachtungsliteratur, als – ohne nähere Begründung nicht übernehmbare – Einzelmeinungen einzuordnen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung dessen, dass sich die Gesamt-MdE-Bildung der Sachverständigen daraus ableitet, dass sich die Unfallfolgen überschneiden, ineinanderwirken und sich gegenseitig bedingen (erg. Stellungnahme Dr. S. vom 09.08.2018), kann die Kritik der Beklagten hieran nicht verfangen, insbesondere kann sie kein Grund für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens sein, zumal der Kläger selbst keine Rente nach einer höheren MdE als 50 v. H. beantragt hat.

Nach alledem war antragsgemäß zu erkennen, mit einer kleinen Abweichung für den Zeitraum vom 12.04.2012 bis 19.04.2015, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war. Diesem Umstand trägt auch die Kostenentscheidung Rechnung.

Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.
Rechtskraft
Aus
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