S 19 AL 494/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 19 AL 494/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 35/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.

Die Klägerin absolvierte nach Abschluss ihres Fachhochschulstudiums der Sozialpädagogik vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2008 das hieran anschließende Anerkennungspraktikum im Bereich des Staatlichen Schulamts für den Landkreis Groß-Gerau und den Main-Taunus-Kreis. Zum Inhalt des Praktikantenvertrages vom 16.05.2007 wird auf Blatt 24 f. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Am 07.08.2008 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, ohne sich zuvor arbeitsuchend gemeldet zu haben. Im Rahmen der Anhörung zum Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung erklärte die Klägerin, diese Verpflichtung habe für sie nicht gegolten, weil ihr Berufspraktikumsverhältnis ein "betriebliches Arbeitsverhältnis" gewesen sei und nach § 3 des Ausbildungsvertrages das Berufsbildungsgesetz (BBiG) gelte.

Mit Bescheid vom 18.08.2008 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.08.2008 bis zum 07.08.2008 fest, weil die Klägerin ihrer Verpflichtung nach § 37b Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), sich drei Monate vor Beendigung des Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsverhältnisses persönlich oder telefonisch bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, mit der persönlichen Meldung vom 07.08.2008 nicht nachgekommen sei. Mit Bewilligungsbescheid vom 18.08.2008 wurde der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 17,47 Euro täglich für den Zeitraum 08.08.2008 bis 29.01.2009 bewilligt.

Gegen den Sperrzeitbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, weil nach § 37b Satz 5 SGB III die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung für betriebliche Ausbildungsverhältnisse entfalle und als solches auch das Berufspraktikumsverhältnis gelte. Auch in ihrem Vertrag mit dem Land Hessen sei ausdrücklich das BBiG für anwendbar erklärt worden. Außerdem verwies sie auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27.01.1999 (17 Ca 8284/98, Blatt 26 ff. Leistungsakte), in dem u. a. ausgeführt worden war, dass auf ein vergleichbares Praktikantenverhältnis gemäß § 19 BBiG das BBiG Anwendung finde. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2008, zu dessen vollständigem Inhalt auf Blatt 38 ff. der Leistungsakte Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde u. a. unter Darlegung der gesetzlichen Regelungen der §§ 144 und 37b SGB III ausgeführt, der Überlegung des Gesetzgebers, die Meldepflicht nach § 37b SGB III nicht auf betriebliche Ausbildungsverhältnisse anzuwenden, liege die Annahme zugrunde, dass bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis in der Regel (bei bestandener Abschlussprüfung) eine Übernahme im Ausbildungsbetrieb erfolge. Bei der Ausbildung zur Sozialpädagogin handele es sich jedoch nicht um ein betriebliches Ausbildungsverhältnis. Das so genannte Anerkennungsjahr werde auch nicht zum Zwecke der Übernahme danach eingegangen, sondern sei lediglich zur Vervollständigung der Ausbildung notwendig. Die Klägerin habe daher zu dem Personenkreis gehört, der unter die Meldepflicht des § 37b SGB III falle.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.09.2008 Klage erhoben und zur Begründung ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft sowie Unterlagen über die ihrer Ausbildung zugrunde liegenden rechtlichen Vorschriften vorgelegt. Hierzu wird auf Blatt 12 bis 41 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Klägerin weist darauf hin, dass der Gesetzgeber nirgends das "betriebliche Ausbildungsverhältnis" definiert habe. Selbst wenn er damit die so genannte duale Ausbildung gemeint haben sollte, sei auch das von der Klägerin absolvierte Berufspraktikum eine solche duale Ausbildung. Hierunter verstehe man die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Hier trete an die Stelle der Berufsschule der Studientag in der Fachhochschule. Auch Berufspraktikantinnen könnten von der Ausbildungsstelle übernommen werden. Mit der in der gesetzlichen Regelung des § 37b Satz 5 SGB III vorgesehenen Formulierung "bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis" liege erkennbar keine Einschränkung auf bestimmte betriebliche Ausbildungsverhältnisse vor. Auch unter Berücksichtigung der Motive des Gesetzgebers ergebe sich kein Grund, das Anerkennungsjahr anders und damit schlechter zu behandeln als andere betriebliche Ausbildungsverhältnisse.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 18.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2008 aufzuheben,
hilfsweise
die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und den Inhalt ihrer Leistungsakte. Sie trägt vor, die Klägerin habe nicht in einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis mit Berufsausbildungsvertrag oder nach der Ausbildungsordnung gestanden, sondern sei nach absolviertem Studium im Anerkennungsjahr gewesen. Das Anerkennungsjahr sei zwar Bestandteil der Ausbildung, gehöre aber bereits zur Berufspraxis und beginne nach bestandener Diplomabschlussprüfung. Dass mit Satz 5 des § 37b SGB III betriebliche Ausbildungsverhältnisse im Sinne der dualen Ausbildung gemeint seien, ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Ds. 15/25, Seite 27). Die Klägerin sei nach erlangtem Diplomabschluss von vornherein befristet für das Anerkennungsjahr beschäftigt gewesen. Sie sei vom Staatlichen Schulamt weder zur Ausbildung beschäftigt gewesen noch habe sie dort eine Abschlussprüfung zu absolvieren gehabt, sondern lediglich von der so genannten Praxisstelle eine Beurteilung für die staatliche Anerkennung erhalten. Bereits die Überschrift des Praktikantenvertrages zeige, dass es sich nicht um einen Ausbildungsvertrag gehandelt habe.

Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten, der jeweils auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG –) zulässig. Eines auf die Zahlung von Arbeitslosengeld gerichteten Leistungsantrags bedurfte es nicht, weil die Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung für den Fall der Klagestattgabe ausdrücklich bereit erklärt hat, der Klägerin die hieraus folgenden Leistungen in gesetzlichem Umfang nachzuzahlen.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 18.08.2008 ist auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 09.09.2008 erhalten hat (§ 95 SGG), von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat zu Recht mit dem Bescheid vom 18.08.2008 den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.08.2008 bis zum 07.08.2008 und eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für sieben Tage festgestellt. Die Klägerin hat sich entgegen ihrer Verpflichtung aus § 37b SGB III (hier in der Fassung, die die Regelung durch das Beschäftigungschancenverbesserungsgesetz vom 19.04.2007 (BGBl. I, Seite 538) mit Wirkung zum 01.05.2007 erhalten hat) nicht spätestens drei Monate vor Ende des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses arbeitsuchend gemeldet.

Bei dieser Entscheidung folgt das Gericht der zutreffenden Begründung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2008, sodass von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit abgesehen wird (§ 136 Abs. 3 SGG).

Zu ergänzen ist, dass das befristete Praktikumsverhältnis der Klägerin auch unter Berücksichtigung ihres Vortrags und der von ihr vorgelegten Unterlagen nicht als betriebliches Ausbildungsverhältnis anzusehen ist und die Regelung des § 37b Satz 5 SGB III auf das Praktikumsverhältnis auch nicht entsprechend anzuwenden ist.

Soweit die Klägerin auf die Regelung des § 19 BBiG (jetzt § 26 BBiG) Bezug nimmt, wonach dann, wenn kein Arbeitsverhältnis vereinbart ist und es sich nicht um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt, die §§ 3 bis 18 mit der Maßgabe gelten sollen, dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt, auf die Vertragsniederschrift verzichtet und bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit abweichend von § 16 Abs. 1 Satz 1 Schadensersatz nicht verlangt werden kann, so zeigt bereits der Inhalt der §§ 3 bis 18 und der in § 19 genannten Ausnahmen, dass es sich hierbei um eine Regelung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts handelt. Anknüpfungspunkte dafür, dass diese Regelung zu einer entsprechenden Anwendung auf die sozialrechtliche Regelung des § 37b SGB III führen könnte, sind dem BBiG nicht zu entnehmen. Mit der Ausnahmeregelung des § 37b Satz 5 SGB III wird vielmehr den Besonderheiten im Falle einer betrieblichen Ausbildung Rechnung getragen, die insbesondere darin liegen, dass die Beendigung des Versicherungsverhältnisses davon abhängt, dass die oder der Auszubildende die Abschlussprüfung erfolgreich absolviert (Winkler in Gagel, SGB III, Stand April 2012, § 38 Rn. 47). Auch das Datum der Abschlussprüfung und damit das Ende des Versicherungspflichtverhältnisses bei Bestehen der Prüfung stehen nicht von vornherein fest. Demgegenüber war das Praktikantenverhältnis der Klägerin von Anfang an eindeutig befristet bis zum 31.07.2008 und das Praktikum endete, ohne dass noch eine Prüfung absolviert werden musste. Auf die Ausführungen der Klägerin über die Übernahmequote nach Abschluss des Anerkennungsjahres kommt es daher nicht an. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Verkürzung des Anerkennungspraktikums, wie sie im Dritten Abschnitt der Verordnung vom 19.07.2005 (Blatt 14 ff. Gerichtsakte) über die Anrechnung sozialpraktischer Tätigkeiten geregelt ist. Hierbei handelt es sich um die öffentlich-rechtlichen Regelungen über die Verkürzung des Berufspraktikums aufgrund einschlägiger Vortätigkeiten. Eine zuerkannte Verkürzung kann zu einem in der Laufzeit kürzeren Praktikumsvertrag oder zu dessen vertraglicher Anpassung auf eine kürzere Befristung führen, was aber nicht vergleichbar ist mit dem zunächst unbekannten Ende eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hat keine Veranlassung gesehen, die Berufung, die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung bedürfte, zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere vermochte die Kammer der streitigen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen, weil nicht erkennbar ist, dass die hier streitige Frage eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende allgemeine Bedeutung hat, zumal es diplomierten Studentinnen und Studenten im Anerkennungsjahr bei kalendermäßig befristetem Praktikumsvertrag ohne weiteres möglich und zumutbar ist, sich spätestens drei Monate vor Vertragsende bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden.
Rechtskraft
Aus
Saved