S 22 EG 50/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 EG 50/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 17/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 11.06.12 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.12 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages von 300,- EUR monatlich für 12 Lebensmonate des am 17.01.2006 geborenen Sohnes C., ausgehend von dem Beschluss des OLG Köln zur Wirksamkeit der Adoption am 24.04.12 zu bewilligen.

Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung von Elterngeld im Hinblick auf die Frage, ob der Antrag nach einer Auslandsadoption im Iran verspätet gestellt wurde.

Die Klägerin ist 1965 im Iran geboren, 1989 in die BRD geflohen und hatte Asyl erhalten. Die Ehe mit dem deutschen Ehemann blieb kinderlos. Die Klägerin reiste in den Iran, um ein Kind aus ihrem Kulturkreis ohne Beteiligung deutscher Jugendämter zu adoptieren. Im deutschen Rechtskreis galt die Rechtslage als eindeutig: eine Adoption in der Islamischen Republik Iran sei dort aus Religionsgründen verboten. Nach islamischem Recht und Glauben könne nur eine Pflegekindschaft – sog. Kafala – begründet werden. Diese Auffassung entsprach auch einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.2010 – BVerwG 1 C 16.09 – hinsichtlich der Ablehnung eines Einreisevisums für marokkanisches Kind nach sog. "Kafala"-Pflegschaft.

Die Klägerin nahm das Kind nach iranischem Gerichtsbeschluss vom 31.01.2009 in ihren Haushalt in Teheran auf – und zwar den am xx.xx.2006 geborenen C. -. Mit Beschluss vom 31.01.2009 hatte das Amtsgericht zu Teheran den Eheleuten das provisorische Erziehungsrecht über C. zugesprochen und mit Beschluss vom 25.07.2009 gemäß beglaubigter Übersetzung eines Dolmetschers in Teheran vom 01.08.2009 ein entstandenes Eltern-Kind-Verhältnis nach 6-monatiger Probezeit bestätigt und den Eltern das endgültige Erziehungsrecht erteilt.

Vor dem Hintergrund der geltenden deutschen Rechtsauffassung lehnte die Deutsche Botschaft in Teheran die Erteilung einer Einreiseerlaubnis für C. in die BRD ab, da eine Adoption im Iran aus Religionsgründen ausgeschlossen sei. Es liege eine bloße Pflegekindschaft (sog. Kafala) vor.

Die Anerkennung der iranischen Gerichtsentscheidung als Adoption lehnte das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 29.04.2010 ab mit der Begründung, durch die Entscheidung des Gerichts in Teheran vom 25.07.2009 sei lediglich ein Pflegkindverhältnis nach islamischem Recht begründet worden. Die iranische Gerichtsentscheidung sei daher nicht als Adoptionsentscheidung nach § 2 des Gesetzes über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht – Adoptionswirkungsgesetz – (AdWirkG) anzuerkennen.

Verschiedene Versuche, eine Einreisemöglichkeit für C. zu erlangen, schlugen fehl. Im Jahr 2010 (wohl am 12.11.2010) reiste die Klägerin mit dem Kind über Zypern unerlaubt nach Deutschland ein, worauf die Ausländerbehörde unter dem 28.01.11 eine aufenthaltsrechtliche Duldung (Aussetzung der Abschiebung) für C. aussprach.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht – OLG – Köln erkannte dieses mit Beschluss vom 23.04.2012, erlassen am 24.04.2012 (Az.: 4 UF 185/10) die Annahme des Kindes C. aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Teheran vom 25.07.2009 an gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG. Das Gericht führte in den Gründen aus, die Entscheidung des Amtsgerichts Teheran vom 25.07.09 sei eine Adoptionsentscheidung, die in ihren Wirkungen einer schwachen Adoption nach deutschem Recht entspreche. Es handele sich nicht um die Begründung eines Pflegekindverhältnisses. Hinsichtlich der rechtlichen Qualifizierung der iranischen Entscheidung stützte sich der Senat im Rahmen seiner Begründung auf ein Rechtsgutachten zum Iranischen Recht durch die Sachverständige Dr. D.

Den am 30.04.12 – eingegangen am 03.05.12 – gestellten Antrag auf Bewilligung von Elterngeld für den 02. bis 13. Lebensmonat des am xx.xx.2006 in Teheran geborenen Kindes C. lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.06.2012 ab, da der Antrag auf einen Zeitpunkt zurückreiche, in welchem kein Elterngeld mehr zustehe. Bei Adoptivkindern oder Kinder in Adoptivpflege trete der Monat der Haushaltsaufnahme an die Stelle des Geburtsmonats. Das Elterngeld sei schriftlich zu beantragen und werde rückwirkend nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet, in welchem der Antrag eingehe (§ 7 Abs. 1 BEEG).

Die Klägerin erhob am 14.06.2012 Widerspruch und machte geltend, es sei auf den Wirkungszeitpunkt der Adoptionsanerkennung abzustellen, da erst mit der Entscheidung des OLG Köln im April 2012 ein Anspruch auf Elterngeld habe geltend gemacht werden können. Vorher habe keine Adoptionswirkung bestanden. Für die Berechnung der Antragsfrist trete der Beschlussfassungszeitpunkt des OLG Köln damit an die Stelle des Geburtsdatums.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2012 zurück aus den bereits genannten Gründen und unter Darlegung der Rechtsauffassung des Beklagten, dass bei Auslandsadoptionen in den Fällen, in denen das Kind im Ausland (etwa in einem Hotel) bereits in die Familie aufgenommen werde und nach Rückkehr der Familie nach Deutschland das Kind auch in den dortigen Haushalt aufgenommen werde, eine im Ausland vorweggenommene Aufnahme des Kindes in den gemeinsamen Haushalt auch in den Fällen anzunehmen sei, in denen noch keine rechtskräftige Adoption erfolgt sei. Bestehe ein Anspruch auf Elterngeld ab Aufnahme in den Haushalt, komme es auf den Zeitpunkt der späteren Wirksamkeit der Annahme nicht mehr an. Die Klägerin habe ihren Sohn C. bereits am 31.01.2009 mit dem Ziel der Adoption in Obhut genommen. Anstelle des Geburtsdatums trete somit der 31.01.2009. Die maximale Bezugsdauer für Elterngeld ende mit dem 14. Lebensmonat hier am 30.03.2010. Der am 03.05.2012 eingegangene Antrag wirke damit mit maximal 3 Monaten rückwirkend auf einen Zeitpunkt zurück, in dem kein Elterngeld mehr zustehe.

Mit der am 14.12.2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und weist unter Vertiefung ihrer bisherigen Begründung insbesondere darauf hin, dass Anspruch auf Elterngeld gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG nur Pflegeeltern hätten, die das Kind im Rahmen einer Adoptionspflege betreuten, welche sich nach den Voraussetzungen des AdVermiG richte. § 2 a Abs. 1 AdVermiG regele dabei alle Fälle, in denen das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland habe. Durch die Aufnahme des Kindes bei der Klägerin in Teheran sei jedoch keine Adoptionspflege im Sinne des genannten Gesetzes begründet worden, da es an den Voraussetzungen fehle; somit habe auch keine Berechtigung auf Elterngeld entstehen können. Die in § 2 AdVermiG abschließend genannten und einzuschaltenden deutschen Stellen seien zu keinem Zeitpunkt beteiligt worden, da von diesen eine Adoption im Iran rechtsirrig für ausgeschlossen gehalten worden sei. Es sei daher mangels anderer sachlicher Kriterien auf den Zeitpunkt abzustellen, zu welchem die iranische Adoptionsentscheidung im Bundesgebiet anerkannt worden sei.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 11.06.12 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.12 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Elterngeld für 12 Monate in Höhe des Mindestbetrages von monatlich 300,- EUR, ausgehend von dem Zeitpunkt des Beschlusses des Oberlandesgerichts Köln am 24.04.12 im gesetzlichen Umfang zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid und führt im Übrigen aus, es sei nicht Aufgabe der Elterngeldstelle, die Wirksamkeit einer ausländischen Adoption nach deutschem Recht zu prüfen. Eine im Ausland vorweggenommene Haushaltsaufnahme sei auch dann anzunehmen, wenn die Adoption noch nicht rechtskräftig gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und sachlich auch begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 11.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Diese hat Anspruch auf Bewilligung von Elterngeld für 12 Lebensmonate des am 17.01.2006 geborenen Kindes C. ausgehend von dem Beschluss des Oberlandesgerichts – OLG – Köln vom 24.04.2012 zur Wirksamkeit der im Iran vorgenommenen Kindesannahme. Ausgehend von diesem Datum ist der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Elterngeld, eingegangen bei dem Beklagten am 03.05.2012, rechtzeitig gestellt.

Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit – Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) – in der hier geltenden Fassung des Gesetzes vom 05.12.2006 (BGBl. I 2748), in Kraft getreten am 01.01.2007, hat Anspruch auf Elterngeld, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld abweichend von Absatz 1 Nr. 2 auch, wer mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat.

Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BEEG). Nach § 4 Abs. 1 BEEG kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person für die Dauer von bis zu 14 Monaten, längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

Vor diesem Hintergrund sind die gesetzlichen Vorgaben vorliegend unter gebotener Auslegung dahingehend anzuwenden, dass an die Stelle der Geburt des Kindes bzw. der faktischen Haushaltsaufnahme (im Kosovo) der Zeitpunkt der Anerkennung der Annahme als Kind nach deutschen Rechtsvorschriften durch den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.07.2011 (Az.: 470 F 16182/10 AD) tritt und der Klägerin ab diesem Zeitpunkt Elterngeld in Höhe des beantragten Mindestbetrages von 300,- EUR monatlich für 12 Monate zu gewähren ist. Ausgehend von diesem Datum und dem Beschluss des Amtsgerichts hat die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elterngeld erfüllt, denn sie hielt sich mit dem Kind dauerhaft mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland auf, lebt mit dem Kind in einem Haushalt, hat dieses nach den eigenen glaubhaften Angaben selbst betreut und erzogen und im folgenden Zwölfmonatszeitraum keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Gericht bei Auslegung der genannten Vorschriften zu der Überzeugung gelangt, dass der am 07.10.2011 in Deutschland gestellte Antrag auf Bewilligung von Elterngeld nicht verspätet gestellt wurde, obwohl das Kind am xx.xx.2008 geboren wurde und bereits gemäß Beschluss des "Zentrums für Sozialarbeit" in E-Stadt/Kosovo vom 02.02.2009 seit diesem Datum tatsächlich in den Haushalt der Klägerin im Kosovo zur "Voradoption" aufgenommen war. Dennoch unterfällt diese Haushaltsaufnahme nicht dem Tatbestand der Haushaltsaufnahme mit dem Ziel der Adoption gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG, da diese Haushaltsaufnahme im Kosovo nach deutschem Recht keine entsprechende Wirksamkeit entfaltet hat. Die in der genannten Norm vorgesehene Erleichterung der Anspruchsbegründung für Eltern im Rahmen der sog. Adoptionspflege, d.h. vor dem Zeitpunkt der rechtswirksamen Annahme/Adoption eines Kindes, soll den aufnehmenden und späteren Eltern die Möglichkeit geben, schon von Beginn der Betreuung an Elterngeld zu erhalten und damit dem Zweck des Elterngeldes hinsichtlich des Ausgleichs eines Einkommensverlustes im frühen Stadium der Erziehung und Betreuung eines Kindes gerecht zu werden. Voraussetzung ist jedoch eine Haushaltsaufnahme des Kindes mit dem Ziel der rechtlichen Verfestigung dieser Beziehung im Wege der Annahme als Kind gemäß §§ 1741 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -, woran § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG anknüpft.

Grundsätzlich ist nach dem BEEG anspruchsberechtigt, wer ein Kind erzieht – entweder ein eigenes (leibliches) oder ein angenommenes Kind. Ausnahmsweise ist anspruchsberechtigt auch noch, wer ein Kind mit dem Ziel der Adoption, d. h. im Rahmen der Adoptionspflege aufnimmt. Adoptionspflege bedeutet jedoch nicht jede Pflege oder Haushaltsaufnahme eines Kindes mit dem inneren Wunsch der Adoption. Dieser ist nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr die Manifestierung einer entsprechenden zielgerichteten Rechtsbeziehung, wie sie in § 7 ff. des Gesetzes über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern – Adoptionsvermittlungsgesetz – (AdVermG) durch das Verfahren der Einleitung der Adoption bzw. Adoptionspflege begründet wird unter Teilnahme der hierzu nach deutschem Recht vorgesehenen Vermittlungsbehörden und Prüfstellen bei einer Kindesaufnahme im Ausland. Eine Haushaltsaufnahme im Sinne § 4 Abs. 1 Satz 2 BEEG bzw. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BEEG erfordert nach Rechtsauffassung der Kammer nicht nur den Wunsch der Aufnahme mit dem Ziel der Adoption, sondern die Erfüllung der Voraussetzungen - auch der formalen Anforderungen – der Adoptionspflege gemäß § 7 ff. AdVermG und einem dieser genügenden Procedere (so im Ergebnis auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.02.2015 – L 11 EG 559 14 - sowie SG Detmold, Urteil vom 03.02.2010 - S 15 EG 20/08 und vom 26.03.2011 – S 15 EG 29/10 – m. w. N.; verfügbar in juris).

Der Beginn einer entsprechenden Adoptionspflege ist regelmäßig durch eine Bestätigung des Jugendamtes nachzuweisen und kann frühestens mit Abgabe der rechtswirksamen Willenserklärungen der Annehmenden bezüglich des Wunsches zur Adoption beginnen. Das dieser Art nach deutschem Recht vorgesehene rechtsförmliche Verfahren hat vorliegend nicht stattgefunden vor der Haushaltsaufnahme des Kindes im Kosovo.

Laut Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.07.2011 haben die Klägerin und ihr Ehemann mit notarieller Urkunde vom 28.09.2010 den Ausspruch der gemeinschaftlichen Annahme des Kindes beantragt. Frühestens zu diesem Zeitpunkt hätte danach eine Adoptionspflege nach deutschem Recht beginnen können. Allerdings war der Klägerin eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt mangels Ausstellung berechtigender Papiere und Visum durch deutsche Behören gar nicht möglich, sodass sie die Voraussetzung für eine Berechtigung auf Elterngeld gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 BEEG nicht erfüllen konnte. Sie war damit zu diesem Zeitpunkt tatsächlich keine berechtigte Person im Sinne des BEEG.

Folgt man dagegen der Rechtsauffassung des Beklagten im vorliegenden Fall, würde das Gesetz von der Klägerin eine Antragstellung auf Elterngeld zu einem Zeitpunkt verlangen, zu welchem jeder Antrag mangels Berechtigung aussichtslos wäre, da die Annahme des Kindes im Ausland im deutschen Rechtsraum keine Rechtswirkung entfaltet bis zu einer Anerkennung nach deutschem Recht. Umgekehrt würde damit die gesetzliche Regelung für Eltern, die Kinder annehmen und zu diesem Zweck aufnehmen, ihrem Zweck zuwider angewendet; denn diese Regelung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BEEG soll annehmenden Eltern ermöglichen, die Elterngeldleistung bereits ab Haushaltsaufnahme und nicht erst zum Zeitpunkt der Adoption zu erhalten. Im Falle der Klägerin würde sich diese Regelung wegen der erst viel später erfolgten Anerkennung der Kindesannahme nach deutschem Recht durch die Entscheidung des Familiengerichts Frankfurt am Main vom 18.07.2011, rechtskräftig hinsichtlich der Namensbestimmung des Kindes am 23.08.2011, in das Gegenteil verkehren und dem Prinzip folgen, eine Antragstellung zu einem Zeitpunkt zu fordern, in welchem kein Anspruch begründet sein kann, und im Fall der Anerkennung der Kindesannahme und damit der Begründung einer Eigenschaft als Berechtigter nach dem BEEG, diesen Antrag als verspätet zurückzuweisen, obwohl der Zeitpunkt und das Faktum der Anerkennung nach deutschem Recht nicht in der Hand der Antragstellerin liegt. Dies widerspricht dem Grundsatz des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens durch den Gesetzgeber, sodass es rechtsstaatlich geboten scheint, die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BEEG dahingehend auszulegen und anzuwenden, dass die Antragsfrist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BEEG erst beginnt mit dem Zeitpunkt der Wirksamkeitsentscheidung der Kindesannahme nach deutschem Recht.

Da die im Kosovo erfolgten Verfahrensschritte und Entscheidungen zur Kindesannahme erst durch den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.07.2011 (Az.: 470 F 16182/10 AD) nach deutschem Recht Rechtswirksamkeit erlangten, kommt die Anwendung von § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG im Hinblick auf die Haushaltsaufnahme des Kindes im Kosovo bzw. bis zum Beschluss des Familiengerichts nicht in Betracht. Anzuwenden ist vielmehr § 4 Abs. 1 Satz 2 BEEG mit der Maßgabe, dass für das hier angenommene Kind nicht die Aufnahme bei der berechtigten Person zum Beginn des Bezugszeitraumes führt, sondern die Entscheidung über die Berechtigung und Rechtswirksamkeit der im Kosovo erfolgten Annahme des Kindes erst mit Beschluss vom 18.07.2011.

Gemäß § 7 Abs. 1 BEEG ist das Elterngeld schriftlich zu beantragen. Es wird rückwirkend nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist. Die Klägerin hat den Antrag bei dem Beklagten am 07.10.2011 gestellt, der damit längstens bis 01.07.2011 zurückwirkt. Da Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt wird (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BEEG), die Tochter F. am xx.xx.2008 geboren ist, muss der Leistungszeitraum von 12 Monaten ausgehend von dem Beschluss des Familiengerichts vom 18.07.2011 den Zeitraum vom 09.08.2011 bis 07.08.2012 umfassen.

Der Klage war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG -.
Rechtskraft
Aus
Saved