S 5 AL 5337/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 5337/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei einer Klage wegen Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung handelt es sich nicht um eine Streitigkeit, für die gemäß § 51 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist. Es handelt sich auch nicht um sonstige Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 SGG).
2. Die Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung durch den Arbeitgeber dient nicht der Durchführung der Sozialversicherung, sondern der ordnungsgemäßen Besteuerung des Arbeitnehmers.
3. Fehlt - wie vorliegend - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung, so entscheidet sich die Frage, ob eine arbeitsrechtliche oder finanzrechtliche Streitigkeit vorliegt, nach der Rechtsnatur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem dem Klageantrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (hier: Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten).
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Köln verwiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger, der in M. wohnt, begehrt mit seiner am 19.10.2018 beim Sozialgericht Stuttgart eingereichten Klage die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung der Beklagten, die ihren Sitz in Köln hat.

In seiner Klageschrift hat der Kläger als Klagegrund angegeben: "Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung für 10.04.18 bis 14.08.18". Zur Begründung hat er ausgeführt, in der Lohnsteuerbescheinigung stehe ein falscher Lohnbetrag. Sein Lohn belaufe sich auf 9692,13 EUR. In der Lohnsteuerbescheinigung stehe nur ein Betrag von 8645,25 EUR. Dies sei falsch. Er hat seiner Klageschrift den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2018, die Abrechnungen der Brutto/Netto-Bezüge für die Monate April bis August 2018 sowie die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung vom 10.09.2018 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 24.10.2018 hat das Gericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Kläger zur Zeit der Klageerhebung nicht im Bezirk des Sozialgerichts Stuttgart (Kreise Stuttgart, Böblingen, Esslingen und Rems-Murr) gewohnt habe. Der Kläger wurde deshalb gebeten mitzuteilen, ob er im Zeitpunkt der Klageerhebung im Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Stuttgart beschäftigt gewesen sei. Darüber hinaus wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass auch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegen die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung nicht eröffnet sei. Je nach Klagegrund sei das Arbeitsgericht oder das Finanzgericht zuständig. Die Klagebegründung enthalte Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit handele, so dass eine Verweisung an das Arbeitsgericht Köln beabsichtigt sei, da die Arbeitgeberin, von der die Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung begehrt werde, ihren Sitz in Köln habe. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Arbeitgeberin eine Niederlassung in M. oder Umgebung oder der Arbeitsort im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Pforzheim gewesen sei.

Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme, eine Äußerung ist jedoch nicht erfolgt.

II.

Der vom Kläger beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist unzulässig.

Bei der beim Sozialgericht Stuttgart erhobenen Klage wegen Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2018 handelt es sich nicht um eine Streitigkeit, für die gemäß § 51 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist. Es handelt sich auch nicht um sonstige Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 SGG). Die Auffangregelung des § 51 Abs. 1 Nr. 5 SGG soll öffentlich-rechtliche Streitigkeiten erfassen, die nicht einzelnen Versicherungszweigen zugeordnet werden können (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 51 RdNr. 30). Öffentlich-rechtlich Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung sind alle öffentlich-rechtlichen Rechtstreitigkeiten, die der Durchführung der Sozialversicherung dienen (Keller, a.a.O., RdNr. 31). Die Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung durch den Arbeitgeber dient nicht der Durchführung der Sozialversicherung, sondern der ordnungsgemäßen Besteuerung des Arbeitnehmers. Die Lohnsteuerbescheinigung, zu deren Erstellung der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 41b des Einkommensteuergesetzes verpflichtet ist, ist eine Urkunde, die dem leichteren Nachweis steuerlicher Verhältnisse bei der Einkommensteuerveranlagung dient (vgl. BFH, Urteil vom 13.12.2007 - VI R 57/04 = juris).

Einen Antrag auf Berichtigung der Meldebescheinigung gemäß § 25 Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (DEÜV) hat der Kläger nicht gestellt (vgl. hierzu LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.02.2011 - 18 Ta 2/11 = juris). Ein solcher Antrag lässt sich auch weder aus dem vom Kläger angegebenen Klagegrund noch aus seiner Begründung entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus seiner Klageschrift, dass er sich allein gegen die Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2018 richtet. Dies folgt bereits daraus, dass er bei dem Betreff "Datum des Bescheides", gegen den sich die Klage richtet, "Lohnsteuerbescheinigung für 2018" angegeben hat. Auch aus der Klagebegründung folgt, dass er sich allein gegen die Eintragung seines Lohnes in der Lohnsteuerbescheinigung durch die Beklagte wendet.

Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Beteiligten, die hier erfolgt ist, von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs (§ 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges ist vor der örtlichen Zuständigkeit zu prüfen. Auch ein örtlich unzuständiges Sozialgericht muss einen Rechtsstreit, für den der Rechtsweg der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben ist, an das Gericht der zuständigen Gerichtsbarkeit verweisen (BSG, Urteil vom 27.11.1964 - 9 RV 686/64 = SozR Nr. 4 zu § 52 SGG). Vor diesem Hintergrund musste der Rechtsstreit nicht zunächst an das (im Hinblick auf den Wohnort des Klägers in M. und dem nicht geltend gemachten Beschäftigungsverhältnis im Bezirk des Sozialgerichts Stuttgart) für Sozialrechtsstreitigkeiten örtlich zuständige Sozialgericht Karlsruhe verwiesen werden.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig u.a. für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis (Nr. 3 Buchst. a), über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses (Nr. 3 Buchst. b), aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen (Nr. 3 Buchst. c) und über Arbeitspapiere (Nr. 3 Buchst. e).

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. Unter Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten zu verstehen (§ 33 Abs. 2 FGO).

Fehlt - wie vorliegend - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung, so entscheidet sich die Frage, ob eine arbeitsrechtliche oder finanzrechtliche Streitigkeit vorliegt, nach der Rechtsnatur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem dem Klageantrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (BFH, Beschluss vom 04.09.2008 - VI B 108/07 = juris RdNr. 6). Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (BAG, Beschluss vom 07.05.2013 - 10 AZB 8/13 =juris RdNr. 7; BFH, a.a.O. RdNr. 5 m.w.N).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend um eine bürgerliche-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG. Denn aus der Klageschrift lässt sich entnehmen, dass der Kläger der Beklagten vorwirft, seinen Lohn in der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2018 in unzutreffender Höhe bescheinigt zu haben. Wenn - wie hier - fraglich ist, ob und in welcher Höhe arbeitsrechtliche (Lohn-)Ansprüche bestehen und in welcher Höhe diese zu bescheinigen sind, dann handelt es sich nach dem sachlichen Gehalt des Klagebegehrens um einen Rechtsstreit, bei dem es im Kern um arbeitsrechtliche Fragen geht (BFH, Beschluss vom 04.09.2008 - VI B 108/07 = juris RdNr. 8). Eine steuerrechtliche Frage lässt sich dem Klageschriftsatz nicht entnehmen (vgl. allgemein hierzu BAG, Beschluss vom 07.05.2013 - 10 AZB 8/13 =juris RdNr. 9, 11). Vorliegend ist daher der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.

Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Köln ergibt sich aus § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), da die Beklagte ihren Sitz in Köln hat. Anhaltspunkte dafür, dass ein besonderer Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO) gegeben ist, bestehen aufgrund der fehlenden Angaben der Beteiligten nicht.

Der Rechtsstreit war daher nach § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 und 4 GVG ohne mündliche Verhandlung an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht Köln zu verweisen.
Rechtskraft
Aus
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