Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 22 R 264/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 487/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 16.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2015 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin für die Tätigkeit als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 01.07.2003 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht aufgrund ihrer Tätigkeit als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.07.2003.
Die Klägerin ist approbierte Zahnärztin. Sie ist seit dem 01.07.2003 Mitglied der Landeszahnärztekammer Hessen. Zudem ist sie seit dem 01.12.2002 (erst Pflicht-, dann freiwilliges) Mitglied der Beigeladenen zu 2). Die Klägerin ist mit Bescheid vom 19.05.2000 aufgrund ihrer klinischen Tätigkeit als Zahnärztin von der Rentenversicherungspflicht befreit worden.
Seit dem 01.07.2003 ist die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) als Associate Clinical Operations Manager in der Abteilung für klinische Forschung tätig. Sie ist verantwortlich für die Projektleitung von klinischen Prüfungen der Phasen I bis IV sowie nichtinterventioneller Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz.
Auf Nachfrage der Klägerin bestätigte die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 24.06.2003, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch nach dem Tätigkeitswechsel der Klägerin weiter wirksam bleibe. Weiter heißt es, dass sie nach der Verlegung der Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) die Teilnahme freiwillig fortsetze. Erst auf Bitte der Beigeladenen zu 1) stellte die Klägerin zum 22.08.2014 einen erneuten Befreiungsantrag über die Beigeladene zu 2) bei der Beklagten.
Ausweislich der Stellenausschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 31.08.2013 wurden lokale Projektleitungen im Rahmen internationaler klinischer Arzneimittelstudien der Phasen I bis IV sowie nicht-interventioneller Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln in unterschiedlichen medizinischen Indikationsbereichen gesucht. Neben der Projektleitung sollten Aufgaben der Koordination und Management der klinischen Studien in der Start-Up Phase, Projektdurchführung sowie deren Abschluss unter Einhaltung aller Qualitätsstandards (AMG, ICH-GCP) und Zeitvorgaben übernommen werden. Zudem umfasst der Aufgabenbereich die lokale Planung und Durchführung der klinischen Studien, das Management der Studienzentren, das Training des ärztlichen und weiteren medizinischen Personals an den Studienzentren, die Überwachung der Studiendurchführung, Validierung der erhobenen Daten, die Überprüfung der Patientensicherheit, die Wahrung der Patientenrechte und der Sicherstellung, das geltende Gesetze und Richtlinien eingehalten werden. Schließlich umfasst die Stelle die Kontrolle und Genehmigung der Arzneimittelkennzeichnungsentwürfe nach dem AMG. Die Projektleiter sollen Ansprechpartner hinsichtlich medizinischer und studienrelevanter Fragen sein und ein Team von 0 bis 6 Mitarbeitern führen, an internationalen Studienarzttreffen teilnehmen und eng mit den anderen Abteilungen zusammenarbeiten sowie schließlich die Themengebiete auf internen Studienmeetings präsentieren. Als Minimalanforderung heißt es in der Stellenausschreibung, dass ein Hochschulabschluss, ein medizinisch-wissenschaftlicher oder Hochschulabschluss der Krankenpflegewissenschaft vorliegen muss.
Mit Bescheid vom 16.09.2014 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit der Klägerin nicht um eine berufsspezifische Tätigkeit als Zahnärztin handele (Bl. 41 Gerichtsakte). Insbesondere beruft sich die Beklagte dabei auf die Anforderungen nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde. Zudem sei die Klägerin nur freiwilliges Mitglied der Beigeladenen zu 2).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit Widerspruch vom 13.10.2014, welchen sie mit Schreiben vom 23.10.2014 begründet. Eine wesentliche Anforderung an die Tätigkeit der Klägerin sei die Anwendung ärztlicher Kenntnisse. Maßgeblich sei das im Rahmen des Studiums erworbene pharmazeutischen Wissen sowie die medizinischen Grundlagen in Allgemeiner Pathologie, pathologischer Anatomie, Pharmakologie, Hygiene, medizinischer Mikrobiologie und Gesundheitsfürsorge, Innere Medizin, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Chirurgie. Die Änderung der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige bei der Beigeladenen zu 2) sei allein dadurch begründet worden, weil die Klägerin ihre Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der örtlichen Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) verlegt hatte. Des Weiteren gelte die Stellenausschreibung für alle Associate Clinical Operations Manager. Sie verlange die unmittelbar enge Verknüpfung mit originär ärztlichen Tätigkeiten und die Anwendung ärztlicher Kenntnisse. Allerdings unterscheiden sich die Anforderungen tatsächlich regional. Daher sind die ärztlichen Kenntnisse im Einzelfall je nach Einsatzort und konkreter Aufgabe zu bestimmen. Soweit in der Stellenbeschreibung auch biologische und pharmakologische Bereiche benannt sind, werden damit verschiedene Fachrichtungen angesprochen. Je nach Spezialisierung und fachlicher Ausrichtung übernehmen die Angestellten schwerpunktmäßig entsprechende Aufgaben. Die Klägerin sei danach ausdrücklich als Zahnärztin eingestellt worden, um die vielfältigen mit der Tätigkeit einhergehenden medizinischärztlichen Teilbereiche und Aufgaben verantwortungsvoll zu betreuen. Die Anwendung ärztlicher Kenntnisse nehme einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ein. Die individuelle Tätigkeit bestehe aus Organisation, Betreuung und Durchführung von klinischen Arzneimittelstudien. Zusätzlich betreue die Klägerin nicht-interventionelle Prüfungen. Ergänzend weist die Klägerin darauf hin, dass die Definitionshoheit, was eine ärztliche Tätigkeit sei, als Selbstverwaltungsaufgabe bei den Kammern liege.
Dennoch weist die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2015 den Widerspruch zurück. Zur Befreiung würden nur Tätigkeiten berechtigen, für deren Ausübung gesetzlich eine Mitgliedschaft in einer Ärztekammer und einer berufsspezifischen Versorgungseinrichtung für Ärzte vorgeschrieben sei. Auch handele es sich nicht um eine approbationspflichtige Tätigkeit. Zwar sei medizinisches Fachwissen erforderlich. Allerdings sei die Tätigkeit von dem Berufsbild des Zahnarztes dahingehend zu unterscheiden, als die Klägerin keine Heilbehandlungen oder vergleichbare Maßnahmen vornehme. Maßgeblich sei das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde.
Dagegen richtet sich die Klage vom 01.07.2015 vor dem Sozialgericht Wiesbaden.
Die Klägerin behauptet, sie übe eine ärztliche Tätigkeit aus, die nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sei. Dabei wiederholt sie im Wesentlichen, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente.
Die Beigeladene zu 1) bestätigt, dass wesentlicher Kernaspekt der klinischen Arzneimittelforschung nach den Regelwerken zur Guten Klinischen Praxis die Gewährleistung der Patientensicherheit und Sicherung der Datenvalidität und –qualität sei. Hierfür sei es unabdingbar, dass die Abteilung für klinische Forschung interdisziplinär besetzt sei. Dies umfasse unter anderem die Berufsgruppen Biologen, Biochemiker, medizinische Dokumentare, Pharmazeuten und Ärzte. Den ärztlichen Aspekt innerhalb der klinischen Forschung erfülle die Klägerin. Die Klägerin sei aufgrund ihrer ärztlichen Ausbildung und Fachkenntnisse als Projektleiterin für klinische Studien eingestellt worden. Sie wende ihre ärztlichen Kenntnisse in ihrer täglichen Arbeit an. Diese bilden einen wesentlichen Bestandteil ihrer Tätigkeit.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 16.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin für ihre Tätigkeit als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 01.07.2003 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin keine berufsspezifische, d.h. zahnärztliche Tätigkeit ausübe. Dabei stützt sie sich im Wesentlichen auf den Vortrag im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30.06.2016 erhalten die Beteiligten die Möglichkeit, ergänzend Stellung zu nehmen. Dabei betont die Klägerin, dass sie ihre Tätigkeit als Zahnärztin vornehmlich im medizinischen Bereich sehe und dass im Unterschied zu den Ärzten noch der handwerkliche Aspekt hinzutrete. Hinsichtlich der weiteren Erläuterungen zu ihrer Tätigkeit und die Inhalte des Studiums wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung (Bl. 141 ff. Gerichtsakte) Bezug genommen.
Im Übrigen teilt sie mit, dass sie sich bereits vor der Aufnahme der Tätigkeit mit Schreiben vom 23.06.2003, von dem sie dem Gericht und der Beklagten eine Kopie in der mündlichen Verhandlung überreicht, bei der Beigeladenen zu 2) darüber informiert hat, ob ihre Mitgliedschaft fortbestehe.
Ergänzend wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Daher sind diese Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) mit Wirkung zum 01.07.2003 als Zahnärztin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
1. Rechtsgrundlage für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist § 6 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI werden Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
a) Nach der Auffassung des Gerichts ist die Klägerin von der Versicherungspflicht zu befreien, da die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt sind. Vorliegend streiten die Beteiligten vornehmlich darüber, ob der Kläger eine Beschäftigung ausübt, wegen der er aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer ist. Die weiteren – zuvor als a) bis c) benannten – Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI liegen unstreitig vor.
Soweit sich die Beklagte im Vorverfahren noch darauf berufen hat, dass die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) lediglich eine freiwillige und keine Pflichtmitgliedschaft ist, geht das Gericht davon aus, dass sich die Beklagte allein vor dem Hintergrund, dass gerade keine berufsspezifische Tätigkeit ausgeübt wird, auf diesen Mitgliedschaftsstatus beruft. Nach dem Verständnis des Gerichts und ungeachtet der Frage, ob die Tätigkeit berufsspezifisch ist, handelt es sich vorliegend jedoch nur um eine freiwillige Mitgliedschaft, weil die Klägerin außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs der Beigeladenen zu 2) tätig wird. Nach Auffassung steht dies einer Befreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht entgegen.
Ausweislich § 7 Baden-Württembergische Gesetz über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte nehmen grundsätzlich an der Versorgungsanstalt diejenigen Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Dentisten teil, die die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Heilberufe-Kammergesetzes genannten Voraussetzungen erfüllen und im Land ihren Beruf ausüben. Damit erlischt die Pflichtteilnahme mit Ablauf des Monats in dem die Voraussetzungen, wie unter anderem die Ausübung der Tätigkeit im Land Baden-Württemberg wegfällt (§ 7 Abs. 2). Allerdings besteht die Möglichkeit der freiwilligen Fortsetzung der Mitgliedschaft, soweit dies in der Satzung der Versorgungsanstalt bestimmt ist (§ 7 Abs. 3). Diese Möglichkeit statuiert in Baden-Württemberg § 20 der Satzung der BadenWürttembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte. Danach können Berufsangehörige, die Teilnahme freiwillig fortsetzen, wenn die Pflichtmitgliedschaft erloschen ist.
Wie sich bereits aus dem Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 24.06.2003 ergibt, beruht die fortgesetzte freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin auf der Aufnahme einer Tätigkeit außerhalb des Zuständigkeitsgebiets Baden-Württemberg. Hätte die Klägerin mit dem Tätigkeitswechsel nach Hessen nicht nur die Kammerzugehörigkeit gewechselt, sondern eine Mitgliedschaft zur Zahnärzteversorgung der Landeszahnärztekammer Hessen begründet, wäre diese – wenn es sich weiterhin um eine berufsspezifische Tätigkeit handelt – als Pflichtmitgliedschaft begründet worden.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gericht zudem davon überzeugt, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) auch die verbleibende streitige Voraussetzung erfüllt: Die Klägerin ist gerade wegen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) Pflichtmitglied der Landeszahnärztekammer Hessen und zudem Mitglied bei der Beigeladenen zu 2). Maßgeblich für eine berufsspezifische Tätigkeit der Klägerin spricht ihr tatsächlich wahrgenommener Aufgabebereich bei der Beigeladenen zu 1). Zu Recht geht die Beklagte zwar davon aus, dass die Möglichkeit der Befreiung insoweit tätigkeits- und nicht personenbezogen ist (SG Aachen, Urteil vom 17.10.2014, S 21 R 907/12 - juris Rn. 11). Abweichend von der Beklagten ist das Gericht indes überzeugt, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) berufsspezifisch als Zahnärztin tätig ist.
Berufsspezifisch ist eine Tätigkeit, die dem typischen, durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägtem Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Betreffenden entspricht (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2009 - L 4 R 738/06 – juris Rn. 29, Urteil vom 08.10.2010 – L 4 KR 5196/98 und Urteil vom 23.01.2013 – L 5 R 497/19). Dabei kommt es nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich ist vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az. B 12 R 3/11 R - juris, Rn. 34). Ob ein Beschäftigter oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw. Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständigen Kammer ist, ist anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 06.02.2014 - L1 KR 8/13 – Rn. 53).
aa) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Heilberufsgesetz (in der Fassung vom 25.02.2003, GVBl. I 2003, S. 66) in Verbindung mit § 2 Nr. 1 Satzung der Landeszahnärztekammer Hessen gehören der Landeszahnärztekammer aller Zahnärztinnen und Zahnärzte an, die in Hessen ihren Beruf ausüben. Gemäß § 1 Nr. 2 der Berufsordnung für hessische Zahnärztinnen und Zahnärzte ist unter zahnärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit eines Zahnarztes zu verstehen, bei der zahnärztliche Fachkenntnisse eingesetzt und mit verwendet werden können. Dies können neben kurativen Tätigkeiten auch nicht kurative Tätigkeiten sein. Nach § 2 Berufsordnung ist der Zahnarzt zum Dienst an der Gesundheit der einzelnen Menschen und der Allgemeinheit berufen. Damit übernimmt die hessische Landeszahnärztekammer den Wortlaut der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer. In der Kommentierung zu dieser (Bundeszahnärztekammer, Stand 1. August 2015) heißt es, dass nicht kurative Tätigkeiten solche in Lehre, in Forschung, in Wirtschaft und Industrie sein können. Die fachlichen Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs ergeben sich aus dem Zahnheilkundegesetz und der auf dessen Grundlage erlassenen Approbationsordnung. Der zeitliche Umfang des Studiums der Zahnmedizin ergibt sich auch aus der EU-Berufsqualifikations-Richtlinie 2005/36. Nach § 1 Abs. 1 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde, darf die Bezeichnung "Zahnarzt" führen, wer als Zahnarzt approbiert oder entsprechend befugt ist. Dies wiederum setzt nach § 2 ein Studium der Zahnheilkunde voraus, dessen Inhalt näher in der Approbationsordnung für Zahnärzte (ZÄPrO) geregelt ist und sich nach § 2 Nr. 2 aus einer naturwissenschaftlichen Vorprüfung, einer zahnärztlichen Vorprüfung sowie einer zahnärztlichen Prüfung zusammensetzt. Dabei sind bis zur Zahnärztlichen Prüfung neben Vorlesungen über Zoologie, Biologie, Physik und Chemie (§ ZÄPrO), Histologie, Physiologie, Physiologische Chemie und Anatomie (§ 26 ZÄPrO) insbesondere auch Vorlesungen über allgemeine Pathologie, spezielle Pathologie, allgemeine Chirurgie, Hygiene, medizinische Mikrobiologie oder Innere Medizin zu hören, die auch Prüfungsbestandteil sind. Hinzu kommen selbstverständlich, die typischen zahnärztlichen Anforderungen.
Die Tätigkeit der Klägerin hat ihren Schwerpunkt im ärztlichen Bereich. Das Arzneimittelgesetz (AMG) definiert zunächst unter § 4 Nr. 23 AMG den Begriff der klinischen Prüfungen bei Menschen. Darunter fällt jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen und nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen. Dies gilt nicht für Untersuchungen, die eine nicht-interventionelle Prüfung ist. Nicht-interventionelle Prüfungen sind Untersuchungen, in deren Rahmen Erkenntnisse aus der Behandlung von Personen mit Arzneimitteln anhand epidemiologischer Methoden analysiert werden; dabei folgt die Behandlung einschließlich der Diagnose und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis. Des Weiteren verlangt § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 9 AMG, dass für die medizinische Versorgung der betroffenen Personen, die an klinischen Prüfungen teilnehmen, ein Arzt oder für zahnmedizinische Behandlungen ein Zahnarzt verantwortlich ist. Des Weiteren ist nach § 40 Abs. 2 AMG die betroffene Person durch einen Prüfer, der Arzt oder, bei zahnmedizinischen Prüfung, Zahnarzt ist, oder durch ein Mitglied der Prüfgruppe, das Arzt oder, bei zahnmedizinischer Prüfung, Zahnarzt ist, über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite der klinischen Prüfung sowie über ihr Recht aufzuklären, die Teilnahme an der klinischen Prüfung jederzeit zu beenden. Dabei ist dieser Person eine allgemein verständliche Aufklärungsunterlage auszuhändigen. Schließlich ist der betroffenen Person Gelegenheit zu einem Beratungsgespräch mit einem Prüfer oder einem Mitglied der Prüfgruppe, das Arzt oder, bei zahnmedizinischer Prüfung, Zahnarzt ist, über sonstige Bedingungen der Durchführung der klinischen Prüfung zu geben.
Damit setzt die Durchführung klinischer Studien, wie sie auch von der Beigeladenen zu 1) durchgeführt werden, zwingend die Teilnahme eines Arztes oder Zahnarztes voraus, wobei selbst bei nicht-interventionellen Prüfungen per Definition die "ärztliche Praxis" und damit medizinisches Fachwissen vorausgesetzt wird. Dabei steht nach Auffassung des Gerichts die Tatsache, dass die Klägerin als Zahnärztin zum Teil mit allgemeinen medizinischen Tätigkeiten befasst ist, der in § 40 AMG vorgenommenen Aufteilung zwischen Arzt und Zahnarzt nicht entgegen. Da auch beim zahnmedizinischen Studium allgemeine medizinische Fachkenntnisse erworben werden, die einer verantwortungsvollen Übernahme der ärztlichen Tätigkeiten bei der Leitung und Betreuung der klinischen Studien gerecht werden, ist § 40 AMG so zu verstehen, dass allein bei zahnmedizinischen Studien die speziellen Fachkenntnisse eines Zahnarztes vorausgesetzt werden, im Übrigen jedoch keine besondere Spezialisierung an den die Studie betreuenden Arzt gestellt werden. Um die entsprechenden Aufgaben der beruflichen Tätigkeit der Klägerin verantwortlich wahrnehmen zu können, sind Fachkenntnisse erforderlich, die im Rahmen eines human- oder zahnärztlichen Studiums erworben werden.
Dabei ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin gerade auch die Tätigkeiten ausübt, für die nach § 40 AMG ärztliche Fachkenntnisse vorausgesetzt werden. So beschreibt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie insbesondere medizinische Aspekte begutachtet sowie beispielsweise die Einwilligungserklärungen im Hinblick auf die Risiken für die Patienten beurteilt.
Die Tätigkeit der Klägerin entspricht zwar nicht dem typischen Berufsbild eines Zahnarztes. Der Zahnarzt ist jedoch nicht nur zum Dienst an der Gesundheit berufen, vielmehr ist er auch verpflichtet unerwünschte Arzneimittelwirkungen mitzuteilen (§ 2 Nr. 6 Berufsordnung). Die Klägerin setzt ihre konkreten Fachkenntnisse ein, um im Rahmen einer nicht-kurativen Tätigkeit bei der Herstellung von Arzneimitteln mitzuwirken. Wie in § 4 Nr. 23 AMG bestimmt ist, sollen durch klinische Studien klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln erforscht und nachgewiesen oder Nebenwirkungen festgestellt oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung untersucht werden. Ziel ist es, die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sicherzustellen. Damit ist es nicht erforderlich, dass die Klägerin als niedergelassene Zahnärztin oder als Beschäftigte in einer Zahnarztpraxis tätig wird. Vielmehr eröffnet das Berufsrecht in Verbindung mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts die Möglichkeit die Tätigkeit und die erworbenen Fachkenntnisse auch im nicht-kurativen Bereich, wie in der Pharmaindustrie einzusetzen.
bb) Ob auch andere naturwissenschaftliche Akademiker wie Humanmediziner, Pharmazeuten, Biologen oder Gesundheitswissenschaftler die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) ausüben könnten, ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht entscheidungserheblich. Nach Ansicht der Beklagten ist eine Befreiung nicht zu erteilen, weil die Qualifikation auch auf andere Weise nachgewiesen werden kann und die Approbation als Zahnärztin nicht zwingend vorausgesetzt wird. Eine entsprechende Begrenzung ist den maßgeblichen Vorschriften nicht zu entnehmen. Spätestens nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 31.10.2012 ist nicht mehr davon auszugehen, dass es sich bei der Approbation um eine zwingende Voraussetzung für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht handelt (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2010 – B 12 R 3/11 R – juris Rn. 34). Danach kommt es - wie oben bereits ausgeführt - nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich ist vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012 – B 12 R 3/11 R – juris Rn. 34). Dementsprechend ist im Anschluss an das Sozialgericht München sowie das Sozialgericht Berlin davon auszugehen, dass die Approbation gerade keine zwingende Tatbestandsvoraussetzung für die Befreiung von gesetzlichen Rentenversicherungspflicht darstellt (Sozialgericht München, Urteil vom 05.02.2015 – S 15 R 928/14, Sozialgericht Berlin, Urteil vom 19.11.2014 – S 30 R 4653/11 und Urteil vom 25.01.2016 – S 10 R 3345/15 – beide bezüglich Apotheker).
cc) Vor diesem Hintergrund ist es zudem nicht maßgeblich, was in der Stellenausschreibung der Beigeladenen zu 1) gefordert wird. Der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht steht es nicht entgegen, wenn die ursprüngliche Stellenausschreibung nicht auf solche Personen beschränkt gewesen ist, die in einem Versorgungswerk versichert werden können, soweit jedenfalls die spätere tatsächliche Tätigkeit dem Berufsbild entspricht, das einen Zugang zu einer berufsständischen Kammer für freie Berufe und damit zu einem Versorgungswerk eröffnet (SG Duisburg, Urteil vom 18.01.2013 – S 13 R 777/11, SG München, Urteil vom 05.02.2015 – S 15 R 928/14 – juris Rn. 32). Der Stellenausschreibung kommt insoweit allenfalls eine Indizwirkung zu. Für die Entscheidung kommt es maßgeblich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an. Insoweit trägt auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend vor, dass sich ihr Team aus Personen verschiedener Fachrichtungen zusammensetzt. Beispielsweise sind auch Apotheker bei der Beigeladenen zu 1) beschäftigt, die sich nicht mit den medizinischen Risiken und Wirkungen auf den Probanden, sondern mit der Beurteilung der eingesetzten Wirkstoffe befassen.
Im Ergebnis ist das Gericht daher zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) eine berufsspezifische Tätigkeit wahrnimmt.
c) Für diese berufsspezifische Tätigkeit ist schließlich auch eine Befreiung bereits ab dem 01.07.2003 zu erteilen.
Nach § 6 Abs. 4 S. 1 SGB VI wirkt eine Befreiung grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn die Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit beantragt wird, anderenfalls erst ab dem Eingang des Antrags.
Die ursprüngliche Befreiungsentscheidung im Bescheid vom 19.05.2000 wurde für die klinische Tätigkeit der Klägerin als Zahnärztin erteilt. Sie umfasst damit nicht die spätere Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1). Grundsätzlich ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI). Die fortgesetzte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht setzt daher einen neuen Antrag des Versicherten voraus (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012 – B 12 R 3/11 R – juris Rn. 16 ff.).
aa) Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu Recht einwendet, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht in Betracht. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Eine Wiedereinsetzung kommt indes nur in Betracht, wenn sich nicht aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass diese ausgeschlossen ist (§ 27 Abs. 5 SGB X). Um eine solche ausgeschlossene – materiell-rechtliche - Frist handelt es sich bei § 6 Abs. 4 S. 1 SGB VI, weil diese eine zeitliche Begrenzung für die Ausübung eines Rechts vorsieht, das an aktuelle Rechtsverhältnisse anknüpft (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.04.2016, L 1 KR 347/15 – juris Rn. 115). Da die Befreiung von der Versicherungspflicht den Status des Versicherten betrifft, besteht ein besonderes Bedürfnis nach Rechtsklarheit und eindeutiger Festlegung, wer ab welchem Zeitpunkt zum Kreis der Befreiten gehört und wer nicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 2005 - B 12 RA 9/03 R - juris Rn. 19). Allein die tatsächliche Unkenntnis solcher Rechte, die das Gesetz selbst ausdrücklich regelt, kann eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (Bundessozialgericht, a.a.O., m.w.N.).
bb) Vorliegend kann sich die Klägerin jedoch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Bei diesem Anspruch handelt es sich um ein von der Rechtsprechung im Wege der Fortbildung des geschriebenen Rechts entwickeltes Rechtsinstitut im System des öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs. Dabei muss unter anderem ein pflichtwidriges Verhalten eines Leistungsträgers, hier die Verletzung einer Beratungs- oder Auskunftspflicht, vorliegen (Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.1994 – 4 RA 66/93 – juris Rn. 28). Zwar ist der Herstellungsanspruch grundsätzlich enger als die Wiedereinsetzung, weil er nur Fristversäumnisse erfasst, die auf Behördenfehlern beruhen (Bundessozialgericht, Urteil vom 02.02.2006 – B 10 EG 9/05 R – juris Rn. 21). Andererseits ist er weiter, weil er nicht fristgebunden und unabhängig jedenfalls von fahrlässigem Mitverschulden des Leistungsberechtigten ist (vgl. dazu Bundessozialgericht, a.a.O. m.w.N.).
Vorliegend hat sich die Klägerin vor dem Antritt der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) darüber informiert, ob das Versicherungsverhältnis trotz des Tätigkeitswechsels fortbesteht. Die Beigeladene zu 2) bestätigte mit Schreiben vom 24.06.2003 der Klägerin gegenüber nicht nur, dass nach der Verlegung der Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) diese die Teilnahme freiwillig fortsetze. Vielmehr bestätigte sie ausdrücklich, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach dem Tätigkeitswechsel der Klägerin weiter wirksam bleibe.
Diese vor dem Hintergrund des § 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI fehlerhafte Auskunft hat nach dem überzeugenden Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dazu geführt, dass die Klägerin keinen Anlass sah, einen erneuten Antrag auf Befreiung zu stellen bzw. bei der Beklagten selbst die Aussage der Beigeladenen zu 2) zu hinterfragen. Vielmehr durfte die Klägerin auf die Aussage der Beigeladenen zu 2) vertrauen. Insoweit muss sich die Beklagte das fehlerhafte Verhalten der Beigeladenen zu 2) zurechnen lassen.
Einem Versicherungsträger ist das Verhalten eines anderen zuzurechnen, wenn dieser andere Leistungsträger oder eine andere Behörde/Stelle in den Verwaltungsablauf derjenigen Behörde arbeitsteilig eingeschaltet ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.1994, 4 RA 66/93 - juris Rn. 31, Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 4. Auflage, § 8 Rn. 52). Letztendlich ist zwar für die Entscheidung über den Befreiungsantrag lediglich die Beklagte zuständig (§ 6 Abs. 3 SGB VI). Im Rahmen des Antragsverfahrens werden nach gängiger und anerkannter Verwaltungspraxis neben den in § 16 Abs. 1 SGB I genannten Stellen als empfangsberechtigte Stellen die berufsständischen Versorgungseinrichtungen in das Verfahren einbezogen. Bereits die Antragsformulare lassen für den Außenstehenden allein den Schluss zu, dass der Befreiungsantrag stets über die zuständige Versorgungseinrichtung zu stellen ist. Nach Bestätigung auf ebenfalls diesem Antrag, dass der Antragsteller aufgrund seiner berufsspezifischen Tätigkeit Pflichtmitglied ist, wird der Antrag von der Versorgungseinrichtung an die Beklagte zur endgültigen Entscheidung weitergeleitet. Damit ist aufgrund der praktischen Verfahrensweise davon auszugehen, dass die berufsständischen Versorgungseinrichtungen in das Antragsverfahren arbeitsteilig einbezogen werden. Für den Antragsteller ist zunächst die Versorgungseinrichtung Anlaufstelle.
Wenn nun diese den Antrag annehmende Stelle die unmissverständliche Aussage trifft, dass ein weiteres Handeln nicht erforderlich ist, muss das Mitglied bzw. der Versicherte auf diese Aussage vertrauen dürfen. Zumal teilweise vertreten wird, dass soweit ein sozialversicherungspflichtig Beschäftigter aufgrund seiner Berufsausübung in eine berufsständische Kammer für freie Berufe aufgenommen und in einem Versorgungswerk versichert wurde, diesem Umstand bei der Beurteilung eines Anspruchs auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung eine erhebliche Indizwirkung beizumessen sei (SG Duisburg, Urteil v. 18.01.2013 – S 37 R 777/11 – juris Rn. 30). Das gilt erst recht, wenn der betroffene Beschäftigte neben seinem Beschäftigungsverhältnis keiner weiteren freiberuflichen oder sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht, die zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer berechtigt (SG Duisburg, a.a.O.).
Vorliegend bestand auch für die Klägerin kein Anlass, an der Aussage der Beigeladenen zu 2) im Schreiben vom 24.06.2003 zu zweifeln. Die Beigeladene zu 2) hat darin unmissverständlich mitgeteilt, dass die Befreiung wirksam bleibt und die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) fortgesetzt wird. Ohne einen solchen Hinweis hätte die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts bereits 2003 ausdrücklich einen erneuten Antrag gestellt. Dieser wäre, da sich die Klägerin noch vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit an die Beigeladene zu 2) gewandt hatte, aller Voraussicht nach rechtzeitig erfolgt.
Erst auf Bitte der Beigeladenen zu 1) wurde das Vertrauen der Klägerin erschüttert. Diese stellte sodann zum 22.08.2014 einen neuen Befreiungsantrag über die Beigeladene zu 2), welcher zu der hier streitgegenständlichen Entscheidung führte.
Im Ergebnis ist die Klägerin aufgrund der fehlerhaften Auskunft der Beigeladenen zu 2) im Jahr 2003 so zu stellen, als sei der Antrag bereits 2003 gestellt worden. Die Klägerin ist ab dem 01.07.2003 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Da der Kläger vorliegend obsiegt hat, hat die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht aufgrund ihrer Tätigkeit als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.07.2003.
Die Klägerin ist approbierte Zahnärztin. Sie ist seit dem 01.07.2003 Mitglied der Landeszahnärztekammer Hessen. Zudem ist sie seit dem 01.12.2002 (erst Pflicht-, dann freiwilliges) Mitglied der Beigeladenen zu 2). Die Klägerin ist mit Bescheid vom 19.05.2000 aufgrund ihrer klinischen Tätigkeit als Zahnärztin von der Rentenversicherungspflicht befreit worden.
Seit dem 01.07.2003 ist die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) als Associate Clinical Operations Manager in der Abteilung für klinische Forschung tätig. Sie ist verantwortlich für die Projektleitung von klinischen Prüfungen der Phasen I bis IV sowie nichtinterventioneller Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz.
Auf Nachfrage der Klägerin bestätigte die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 24.06.2003, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch nach dem Tätigkeitswechsel der Klägerin weiter wirksam bleibe. Weiter heißt es, dass sie nach der Verlegung der Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) die Teilnahme freiwillig fortsetze. Erst auf Bitte der Beigeladenen zu 1) stellte die Klägerin zum 22.08.2014 einen erneuten Befreiungsantrag über die Beigeladene zu 2) bei der Beklagten.
Ausweislich der Stellenausschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 31.08.2013 wurden lokale Projektleitungen im Rahmen internationaler klinischer Arzneimittelstudien der Phasen I bis IV sowie nicht-interventioneller Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln in unterschiedlichen medizinischen Indikationsbereichen gesucht. Neben der Projektleitung sollten Aufgaben der Koordination und Management der klinischen Studien in der Start-Up Phase, Projektdurchführung sowie deren Abschluss unter Einhaltung aller Qualitätsstandards (AMG, ICH-GCP) und Zeitvorgaben übernommen werden. Zudem umfasst der Aufgabenbereich die lokale Planung und Durchführung der klinischen Studien, das Management der Studienzentren, das Training des ärztlichen und weiteren medizinischen Personals an den Studienzentren, die Überwachung der Studiendurchführung, Validierung der erhobenen Daten, die Überprüfung der Patientensicherheit, die Wahrung der Patientenrechte und der Sicherstellung, das geltende Gesetze und Richtlinien eingehalten werden. Schließlich umfasst die Stelle die Kontrolle und Genehmigung der Arzneimittelkennzeichnungsentwürfe nach dem AMG. Die Projektleiter sollen Ansprechpartner hinsichtlich medizinischer und studienrelevanter Fragen sein und ein Team von 0 bis 6 Mitarbeitern führen, an internationalen Studienarzttreffen teilnehmen und eng mit den anderen Abteilungen zusammenarbeiten sowie schließlich die Themengebiete auf internen Studienmeetings präsentieren. Als Minimalanforderung heißt es in der Stellenausschreibung, dass ein Hochschulabschluss, ein medizinisch-wissenschaftlicher oder Hochschulabschluss der Krankenpflegewissenschaft vorliegen muss.
Mit Bescheid vom 16.09.2014 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit der Klägerin nicht um eine berufsspezifische Tätigkeit als Zahnärztin handele (Bl. 41 Gerichtsakte). Insbesondere beruft sich die Beklagte dabei auf die Anforderungen nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde. Zudem sei die Klägerin nur freiwilliges Mitglied der Beigeladenen zu 2).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit Widerspruch vom 13.10.2014, welchen sie mit Schreiben vom 23.10.2014 begründet. Eine wesentliche Anforderung an die Tätigkeit der Klägerin sei die Anwendung ärztlicher Kenntnisse. Maßgeblich sei das im Rahmen des Studiums erworbene pharmazeutischen Wissen sowie die medizinischen Grundlagen in Allgemeiner Pathologie, pathologischer Anatomie, Pharmakologie, Hygiene, medizinischer Mikrobiologie und Gesundheitsfürsorge, Innere Medizin, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Chirurgie. Die Änderung der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige bei der Beigeladenen zu 2) sei allein dadurch begründet worden, weil die Klägerin ihre Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der örtlichen Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) verlegt hatte. Des Weiteren gelte die Stellenausschreibung für alle Associate Clinical Operations Manager. Sie verlange die unmittelbar enge Verknüpfung mit originär ärztlichen Tätigkeiten und die Anwendung ärztlicher Kenntnisse. Allerdings unterscheiden sich die Anforderungen tatsächlich regional. Daher sind die ärztlichen Kenntnisse im Einzelfall je nach Einsatzort und konkreter Aufgabe zu bestimmen. Soweit in der Stellenbeschreibung auch biologische und pharmakologische Bereiche benannt sind, werden damit verschiedene Fachrichtungen angesprochen. Je nach Spezialisierung und fachlicher Ausrichtung übernehmen die Angestellten schwerpunktmäßig entsprechende Aufgaben. Die Klägerin sei danach ausdrücklich als Zahnärztin eingestellt worden, um die vielfältigen mit der Tätigkeit einhergehenden medizinischärztlichen Teilbereiche und Aufgaben verantwortungsvoll zu betreuen. Die Anwendung ärztlicher Kenntnisse nehme einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ein. Die individuelle Tätigkeit bestehe aus Organisation, Betreuung und Durchführung von klinischen Arzneimittelstudien. Zusätzlich betreue die Klägerin nicht-interventionelle Prüfungen. Ergänzend weist die Klägerin darauf hin, dass die Definitionshoheit, was eine ärztliche Tätigkeit sei, als Selbstverwaltungsaufgabe bei den Kammern liege.
Dennoch weist die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2015 den Widerspruch zurück. Zur Befreiung würden nur Tätigkeiten berechtigen, für deren Ausübung gesetzlich eine Mitgliedschaft in einer Ärztekammer und einer berufsspezifischen Versorgungseinrichtung für Ärzte vorgeschrieben sei. Auch handele es sich nicht um eine approbationspflichtige Tätigkeit. Zwar sei medizinisches Fachwissen erforderlich. Allerdings sei die Tätigkeit von dem Berufsbild des Zahnarztes dahingehend zu unterscheiden, als die Klägerin keine Heilbehandlungen oder vergleichbare Maßnahmen vornehme. Maßgeblich sei das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde.
Dagegen richtet sich die Klage vom 01.07.2015 vor dem Sozialgericht Wiesbaden.
Die Klägerin behauptet, sie übe eine ärztliche Tätigkeit aus, die nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sei. Dabei wiederholt sie im Wesentlichen, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente.
Die Beigeladene zu 1) bestätigt, dass wesentlicher Kernaspekt der klinischen Arzneimittelforschung nach den Regelwerken zur Guten Klinischen Praxis die Gewährleistung der Patientensicherheit und Sicherung der Datenvalidität und –qualität sei. Hierfür sei es unabdingbar, dass die Abteilung für klinische Forschung interdisziplinär besetzt sei. Dies umfasse unter anderem die Berufsgruppen Biologen, Biochemiker, medizinische Dokumentare, Pharmazeuten und Ärzte. Den ärztlichen Aspekt innerhalb der klinischen Forschung erfülle die Klägerin. Die Klägerin sei aufgrund ihrer ärztlichen Ausbildung und Fachkenntnisse als Projektleiterin für klinische Studien eingestellt worden. Sie wende ihre ärztlichen Kenntnisse in ihrer täglichen Arbeit an. Diese bilden einen wesentlichen Bestandteil ihrer Tätigkeit.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 16.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin für ihre Tätigkeit als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 01.07.2003 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin keine berufsspezifische, d.h. zahnärztliche Tätigkeit ausübe. Dabei stützt sie sich im Wesentlichen auf den Vortrag im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30.06.2016 erhalten die Beteiligten die Möglichkeit, ergänzend Stellung zu nehmen. Dabei betont die Klägerin, dass sie ihre Tätigkeit als Zahnärztin vornehmlich im medizinischen Bereich sehe und dass im Unterschied zu den Ärzten noch der handwerkliche Aspekt hinzutrete. Hinsichtlich der weiteren Erläuterungen zu ihrer Tätigkeit und die Inhalte des Studiums wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung (Bl. 141 ff. Gerichtsakte) Bezug genommen.
Im Übrigen teilt sie mit, dass sie sich bereits vor der Aufnahme der Tätigkeit mit Schreiben vom 23.06.2003, von dem sie dem Gericht und der Beklagten eine Kopie in der mündlichen Verhandlung überreicht, bei der Beigeladenen zu 2) darüber informiert hat, ob ihre Mitgliedschaft fortbestehe.
Ergänzend wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Daher sind diese Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) mit Wirkung zum 01.07.2003 als Zahnärztin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
1. Rechtsgrundlage für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist § 6 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI werden Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
a) Nach der Auffassung des Gerichts ist die Klägerin von der Versicherungspflicht zu befreien, da die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt sind. Vorliegend streiten die Beteiligten vornehmlich darüber, ob der Kläger eine Beschäftigung ausübt, wegen der er aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer ist. Die weiteren – zuvor als a) bis c) benannten – Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI liegen unstreitig vor.
Soweit sich die Beklagte im Vorverfahren noch darauf berufen hat, dass die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) lediglich eine freiwillige und keine Pflichtmitgliedschaft ist, geht das Gericht davon aus, dass sich die Beklagte allein vor dem Hintergrund, dass gerade keine berufsspezifische Tätigkeit ausgeübt wird, auf diesen Mitgliedschaftsstatus beruft. Nach dem Verständnis des Gerichts und ungeachtet der Frage, ob die Tätigkeit berufsspezifisch ist, handelt es sich vorliegend jedoch nur um eine freiwillige Mitgliedschaft, weil die Klägerin außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs der Beigeladenen zu 2) tätig wird. Nach Auffassung steht dies einer Befreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht entgegen.
Ausweislich § 7 Baden-Württembergische Gesetz über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte nehmen grundsätzlich an der Versorgungsanstalt diejenigen Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Dentisten teil, die die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Heilberufe-Kammergesetzes genannten Voraussetzungen erfüllen und im Land ihren Beruf ausüben. Damit erlischt die Pflichtteilnahme mit Ablauf des Monats in dem die Voraussetzungen, wie unter anderem die Ausübung der Tätigkeit im Land Baden-Württemberg wegfällt (§ 7 Abs. 2). Allerdings besteht die Möglichkeit der freiwilligen Fortsetzung der Mitgliedschaft, soweit dies in der Satzung der Versorgungsanstalt bestimmt ist (§ 7 Abs. 3). Diese Möglichkeit statuiert in Baden-Württemberg § 20 der Satzung der BadenWürttembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte. Danach können Berufsangehörige, die Teilnahme freiwillig fortsetzen, wenn die Pflichtmitgliedschaft erloschen ist.
Wie sich bereits aus dem Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 24.06.2003 ergibt, beruht die fortgesetzte freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin auf der Aufnahme einer Tätigkeit außerhalb des Zuständigkeitsgebiets Baden-Württemberg. Hätte die Klägerin mit dem Tätigkeitswechsel nach Hessen nicht nur die Kammerzugehörigkeit gewechselt, sondern eine Mitgliedschaft zur Zahnärzteversorgung der Landeszahnärztekammer Hessen begründet, wäre diese – wenn es sich weiterhin um eine berufsspezifische Tätigkeit handelt – als Pflichtmitgliedschaft begründet worden.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gericht zudem davon überzeugt, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) auch die verbleibende streitige Voraussetzung erfüllt: Die Klägerin ist gerade wegen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) Pflichtmitglied der Landeszahnärztekammer Hessen und zudem Mitglied bei der Beigeladenen zu 2). Maßgeblich für eine berufsspezifische Tätigkeit der Klägerin spricht ihr tatsächlich wahrgenommener Aufgabebereich bei der Beigeladenen zu 1). Zu Recht geht die Beklagte zwar davon aus, dass die Möglichkeit der Befreiung insoweit tätigkeits- und nicht personenbezogen ist (SG Aachen, Urteil vom 17.10.2014, S 21 R 907/12 - juris Rn. 11). Abweichend von der Beklagten ist das Gericht indes überzeugt, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) berufsspezifisch als Zahnärztin tätig ist.
Berufsspezifisch ist eine Tätigkeit, die dem typischen, durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägtem Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Betreffenden entspricht (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2009 - L 4 R 738/06 – juris Rn. 29, Urteil vom 08.10.2010 – L 4 KR 5196/98 und Urteil vom 23.01.2013 – L 5 R 497/19). Dabei kommt es nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich ist vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az. B 12 R 3/11 R - juris, Rn. 34). Ob ein Beschäftigter oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw. Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständigen Kammer ist, ist anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 06.02.2014 - L1 KR 8/13 – Rn. 53).
aa) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Heilberufsgesetz (in der Fassung vom 25.02.2003, GVBl. I 2003, S. 66) in Verbindung mit § 2 Nr. 1 Satzung der Landeszahnärztekammer Hessen gehören der Landeszahnärztekammer aller Zahnärztinnen und Zahnärzte an, die in Hessen ihren Beruf ausüben. Gemäß § 1 Nr. 2 der Berufsordnung für hessische Zahnärztinnen und Zahnärzte ist unter zahnärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit eines Zahnarztes zu verstehen, bei der zahnärztliche Fachkenntnisse eingesetzt und mit verwendet werden können. Dies können neben kurativen Tätigkeiten auch nicht kurative Tätigkeiten sein. Nach § 2 Berufsordnung ist der Zahnarzt zum Dienst an der Gesundheit der einzelnen Menschen und der Allgemeinheit berufen. Damit übernimmt die hessische Landeszahnärztekammer den Wortlaut der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer. In der Kommentierung zu dieser (Bundeszahnärztekammer, Stand 1. August 2015) heißt es, dass nicht kurative Tätigkeiten solche in Lehre, in Forschung, in Wirtschaft und Industrie sein können. Die fachlichen Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs ergeben sich aus dem Zahnheilkundegesetz und der auf dessen Grundlage erlassenen Approbationsordnung. Der zeitliche Umfang des Studiums der Zahnmedizin ergibt sich auch aus der EU-Berufsqualifikations-Richtlinie 2005/36. Nach § 1 Abs. 1 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde, darf die Bezeichnung "Zahnarzt" führen, wer als Zahnarzt approbiert oder entsprechend befugt ist. Dies wiederum setzt nach § 2 ein Studium der Zahnheilkunde voraus, dessen Inhalt näher in der Approbationsordnung für Zahnärzte (ZÄPrO) geregelt ist und sich nach § 2 Nr. 2 aus einer naturwissenschaftlichen Vorprüfung, einer zahnärztlichen Vorprüfung sowie einer zahnärztlichen Prüfung zusammensetzt. Dabei sind bis zur Zahnärztlichen Prüfung neben Vorlesungen über Zoologie, Biologie, Physik und Chemie (§ ZÄPrO), Histologie, Physiologie, Physiologische Chemie und Anatomie (§ 26 ZÄPrO) insbesondere auch Vorlesungen über allgemeine Pathologie, spezielle Pathologie, allgemeine Chirurgie, Hygiene, medizinische Mikrobiologie oder Innere Medizin zu hören, die auch Prüfungsbestandteil sind. Hinzu kommen selbstverständlich, die typischen zahnärztlichen Anforderungen.
Die Tätigkeit der Klägerin hat ihren Schwerpunkt im ärztlichen Bereich. Das Arzneimittelgesetz (AMG) definiert zunächst unter § 4 Nr. 23 AMG den Begriff der klinischen Prüfungen bei Menschen. Darunter fällt jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen und nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen. Dies gilt nicht für Untersuchungen, die eine nicht-interventionelle Prüfung ist. Nicht-interventionelle Prüfungen sind Untersuchungen, in deren Rahmen Erkenntnisse aus der Behandlung von Personen mit Arzneimitteln anhand epidemiologischer Methoden analysiert werden; dabei folgt die Behandlung einschließlich der Diagnose und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis. Des Weiteren verlangt § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 9 AMG, dass für die medizinische Versorgung der betroffenen Personen, die an klinischen Prüfungen teilnehmen, ein Arzt oder für zahnmedizinische Behandlungen ein Zahnarzt verantwortlich ist. Des Weiteren ist nach § 40 Abs. 2 AMG die betroffene Person durch einen Prüfer, der Arzt oder, bei zahnmedizinischen Prüfung, Zahnarzt ist, oder durch ein Mitglied der Prüfgruppe, das Arzt oder, bei zahnmedizinischer Prüfung, Zahnarzt ist, über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite der klinischen Prüfung sowie über ihr Recht aufzuklären, die Teilnahme an der klinischen Prüfung jederzeit zu beenden. Dabei ist dieser Person eine allgemein verständliche Aufklärungsunterlage auszuhändigen. Schließlich ist der betroffenen Person Gelegenheit zu einem Beratungsgespräch mit einem Prüfer oder einem Mitglied der Prüfgruppe, das Arzt oder, bei zahnmedizinischer Prüfung, Zahnarzt ist, über sonstige Bedingungen der Durchführung der klinischen Prüfung zu geben.
Damit setzt die Durchführung klinischer Studien, wie sie auch von der Beigeladenen zu 1) durchgeführt werden, zwingend die Teilnahme eines Arztes oder Zahnarztes voraus, wobei selbst bei nicht-interventionellen Prüfungen per Definition die "ärztliche Praxis" und damit medizinisches Fachwissen vorausgesetzt wird. Dabei steht nach Auffassung des Gerichts die Tatsache, dass die Klägerin als Zahnärztin zum Teil mit allgemeinen medizinischen Tätigkeiten befasst ist, der in § 40 AMG vorgenommenen Aufteilung zwischen Arzt und Zahnarzt nicht entgegen. Da auch beim zahnmedizinischen Studium allgemeine medizinische Fachkenntnisse erworben werden, die einer verantwortungsvollen Übernahme der ärztlichen Tätigkeiten bei der Leitung und Betreuung der klinischen Studien gerecht werden, ist § 40 AMG so zu verstehen, dass allein bei zahnmedizinischen Studien die speziellen Fachkenntnisse eines Zahnarztes vorausgesetzt werden, im Übrigen jedoch keine besondere Spezialisierung an den die Studie betreuenden Arzt gestellt werden. Um die entsprechenden Aufgaben der beruflichen Tätigkeit der Klägerin verantwortlich wahrnehmen zu können, sind Fachkenntnisse erforderlich, die im Rahmen eines human- oder zahnärztlichen Studiums erworben werden.
Dabei ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin gerade auch die Tätigkeiten ausübt, für die nach § 40 AMG ärztliche Fachkenntnisse vorausgesetzt werden. So beschreibt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie insbesondere medizinische Aspekte begutachtet sowie beispielsweise die Einwilligungserklärungen im Hinblick auf die Risiken für die Patienten beurteilt.
Die Tätigkeit der Klägerin entspricht zwar nicht dem typischen Berufsbild eines Zahnarztes. Der Zahnarzt ist jedoch nicht nur zum Dienst an der Gesundheit berufen, vielmehr ist er auch verpflichtet unerwünschte Arzneimittelwirkungen mitzuteilen (§ 2 Nr. 6 Berufsordnung). Die Klägerin setzt ihre konkreten Fachkenntnisse ein, um im Rahmen einer nicht-kurativen Tätigkeit bei der Herstellung von Arzneimitteln mitzuwirken. Wie in § 4 Nr. 23 AMG bestimmt ist, sollen durch klinische Studien klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln erforscht und nachgewiesen oder Nebenwirkungen festgestellt oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung untersucht werden. Ziel ist es, die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sicherzustellen. Damit ist es nicht erforderlich, dass die Klägerin als niedergelassene Zahnärztin oder als Beschäftigte in einer Zahnarztpraxis tätig wird. Vielmehr eröffnet das Berufsrecht in Verbindung mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts die Möglichkeit die Tätigkeit und die erworbenen Fachkenntnisse auch im nicht-kurativen Bereich, wie in der Pharmaindustrie einzusetzen.
bb) Ob auch andere naturwissenschaftliche Akademiker wie Humanmediziner, Pharmazeuten, Biologen oder Gesundheitswissenschaftler die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) ausüben könnten, ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht entscheidungserheblich. Nach Ansicht der Beklagten ist eine Befreiung nicht zu erteilen, weil die Qualifikation auch auf andere Weise nachgewiesen werden kann und die Approbation als Zahnärztin nicht zwingend vorausgesetzt wird. Eine entsprechende Begrenzung ist den maßgeblichen Vorschriften nicht zu entnehmen. Spätestens nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 31.10.2012 ist nicht mehr davon auszugehen, dass es sich bei der Approbation um eine zwingende Voraussetzung für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht handelt (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2010 – B 12 R 3/11 R – juris Rn. 34). Danach kommt es - wie oben bereits ausgeführt - nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich ist vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012 – B 12 R 3/11 R – juris Rn. 34). Dementsprechend ist im Anschluss an das Sozialgericht München sowie das Sozialgericht Berlin davon auszugehen, dass die Approbation gerade keine zwingende Tatbestandsvoraussetzung für die Befreiung von gesetzlichen Rentenversicherungspflicht darstellt (Sozialgericht München, Urteil vom 05.02.2015 – S 15 R 928/14, Sozialgericht Berlin, Urteil vom 19.11.2014 – S 30 R 4653/11 und Urteil vom 25.01.2016 – S 10 R 3345/15 – beide bezüglich Apotheker).
cc) Vor diesem Hintergrund ist es zudem nicht maßgeblich, was in der Stellenausschreibung der Beigeladenen zu 1) gefordert wird. Der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht steht es nicht entgegen, wenn die ursprüngliche Stellenausschreibung nicht auf solche Personen beschränkt gewesen ist, die in einem Versorgungswerk versichert werden können, soweit jedenfalls die spätere tatsächliche Tätigkeit dem Berufsbild entspricht, das einen Zugang zu einer berufsständischen Kammer für freie Berufe und damit zu einem Versorgungswerk eröffnet (SG Duisburg, Urteil vom 18.01.2013 – S 13 R 777/11, SG München, Urteil vom 05.02.2015 – S 15 R 928/14 – juris Rn. 32). Der Stellenausschreibung kommt insoweit allenfalls eine Indizwirkung zu. Für die Entscheidung kommt es maßgeblich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an. Insoweit trägt auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend vor, dass sich ihr Team aus Personen verschiedener Fachrichtungen zusammensetzt. Beispielsweise sind auch Apotheker bei der Beigeladenen zu 1) beschäftigt, die sich nicht mit den medizinischen Risiken und Wirkungen auf den Probanden, sondern mit der Beurteilung der eingesetzten Wirkstoffe befassen.
Im Ergebnis ist das Gericht daher zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) eine berufsspezifische Tätigkeit wahrnimmt.
c) Für diese berufsspezifische Tätigkeit ist schließlich auch eine Befreiung bereits ab dem 01.07.2003 zu erteilen.
Nach § 6 Abs. 4 S. 1 SGB VI wirkt eine Befreiung grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn die Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit beantragt wird, anderenfalls erst ab dem Eingang des Antrags.
Die ursprüngliche Befreiungsentscheidung im Bescheid vom 19.05.2000 wurde für die klinische Tätigkeit der Klägerin als Zahnärztin erteilt. Sie umfasst damit nicht die spätere Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1). Grundsätzlich ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI). Die fortgesetzte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht setzt daher einen neuen Antrag des Versicherten voraus (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012 – B 12 R 3/11 R – juris Rn. 16 ff.).
aa) Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu Recht einwendet, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht in Betracht. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Eine Wiedereinsetzung kommt indes nur in Betracht, wenn sich nicht aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass diese ausgeschlossen ist (§ 27 Abs. 5 SGB X). Um eine solche ausgeschlossene – materiell-rechtliche - Frist handelt es sich bei § 6 Abs. 4 S. 1 SGB VI, weil diese eine zeitliche Begrenzung für die Ausübung eines Rechts vorsieht, das an aktuelle Rechtsverhältnisse anknüpft (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.04.2016, L 1 KR 347/15 – juris Rn. 115). Da die Befreiung von der Versicherungspflicht den Status des Versicherten betrifft, besteht ein besonderes Bedürfnis nach Rechtsklarheit und eindeutiger Festlegung, wer ab welchem Zeitpunkt zum Kreis der Befreiten gehört und wer nicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 2005 - B 12 RA 9/03 R - juris Rn. 19). Allein die tatsächliche Unkenntnis solcher Rechte, die das Gesetz selbst ausdrücklich regelt, kann eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (Bundessozialgericht, a.a.O., m.w.N.).
bb) Vorliegend kann sich die Klägerin jedoch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Bei diesem Anspruch handelt es sich um ein von der Rechtsprechung im Wege der Fortbildung des geschriebenen Rechts entwickeltes Rechtsinstitut im System des öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs. Dabei muss unter anderem ein pflichtwidriges Verhalten eines Leistungsträgers, hier die Verletzung einer Beratungs- oder Auskunftspflicht, vorliegen (Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.1994 – 4 RA 66/93 – juris Rn. 28). Zwar ist der Herstellungsanspruch grundsätzlich enger als die Wiedereinsetzung, weil er nur Fristversäumnisse erfasst, die auf Behördenfehlern beruhen (Bundessozialgericht, Urteil vom 02.02.2006 – B 10 EG 9/05 R – juris Rn. 21). Andererseits ist er weiter, weil er nicht fristgebunden und unabhängig jedenfalls von fahrlässigem Mitverschulden des Leistungsberechtigten ist (vgl. dazu Bundessozialgericht, a.a.O. m.w.N.).
Vorliegend hat sich die Klägerin vor dem Antritt der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) darüber informiert, ob das Versicherungsverhältnis trotz des Tätigkeitswechsels fortbesteht. Die Beigeladene zu 2) bestätigte mit Schreiben vom 24.06.2003 der Klägerin gegenüber nicht nur, dass nach der Verlegung der Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) diese die Teilnahme freiwillig fortsetze. Vielmehr bestätigte sie ausdrücklich, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach dem Tätigkeitswechsel der Klägerin weiter wirksam bleibe.
Diese vor dem Hintergrund des § 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI fehlerhafte Auskunft hat nach dem überzeugenden Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dazu geführt, dass die Klägerin keinen Anlass sah, einen erneuten Antrag auf Befreiung zu stellen bzw. bei der Beklagten selbst die Aussage der Beigeladenen zu 2) zu hinterfragen. Vielmehr durfte die Klägerin auf die Aussage der Beigeladenen zu 2) vertrauen. Insoweit muss sich die Beklagte das fehlerhafte Verhalten der Beigeladenen zu 2) zurechnen lassen.
Einem Versicherungsträger ist das Verhalten eines anderen zuzurechnen, wenn dieser andere Leistungsträger oder eine andere Behörde/Stelle in den Verwaltungsablauf derjenigen Behörde arbeitsteilig eingeschaltet ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.1994, 4 RA 66/93 - juris Rn. 31, Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 4. Auflage, § 8 Rn. 52). Letztendlich ist zwar für die Entscheidung über den Befreiungsantrag lediglich die Beklagte zuständig (§ 6 Abs. 3 SGB VI). Im Rahmen des Antragsverfahrens werden nach gängiger und anerkannter Verwaltungspraxis neben den in § 16 Abs. 1 SGB I genannten Stellen als empfangsberechtigte Stellen die berufsständischen Versorgungseinrichtungen in das Verfahren einbezogen. Bereits die Antragsformulare lassen für den Außenstehenden allein den Schluss zu, dass der Befreiungsantrag stets über die zuständige Versorgungseinrichtung zu stellen ist. Nach Bestätigung auf ebenfalls diesem Antrag, dass der Antragsteller aufgrund seiner berufsspezifischen Tätigkeit Pflichtmitglied ist, wird der Antrag von der Versorgungseinrichtung an die Beklagte zur endgültigen Entscheidung weitergeleitet. Damit ist aufgrund der praktischen Verfahrensweise davon auszugehen, dass die berufsständischen Versorgungseinrichtungen in das Antragsverfahren arbeitsteilig einbezogen werden. Für den Antragsteller ist zunächst die Versorgungseinrichtung Anlaufstelle.
Wenn nun diese den Antrag annehmende Stelle die unmissverständliche Aussage trifft, dass ein weiteres Handeln nicht erforderlich ist, muss das Mitglied bzw. der Versicherte auf diese Aussage vertrauen dürfen. Zumal teilweise vertreten wird, dass soweit ein sozialversicherungspflichtig Beschäftigter aufgrund seiner Berufsausübung in eine berufsständische Kammer für freie Berufe aufgenommen und in einem Versorgungswerk versichert wurde, diesem Umstand bei der Beurteilung eines Anspruchs auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung eine erhebliche Indizwirkung beizumessen sei (SG Duisburg, Urteil v. 18.01.2013 – S 37 R 777/11 – juris Rn. 30). Das gilt erst recht, wenn der betroffene Beschäftigte neben seinem Beschäftigungsverhältnis keiner weiteren freiberuflichen oder sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht, die zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer berechtigt (SG Duisburg, a.a.O.).
Vorliegend bestand auch für die Klägerin kein Anlass, an der Aussage der Beigeladenen zu 2) im Schreiben vom 24.06.2003 zu zweifeln. Die Beigeladene zu 2) hat darin unmissverständlich mitgeteilt, dass die Befreiung wirksam bleibt und die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) fortgesetzt wird. Ohne einen solchen Hinweis hätte die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts bereits 2003 ausdrücklich einen erneuten Antrag gestellt. Dieser wäre, da sich die Klägerin noch vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit an die Beigeladene zu 2) gewandt hatte, aller Voraussicht nach rechtzeitig erfolgt.
Erst auf Bitte der Beigeladenen zu 1) wurde das Vertrauen der Klägerin erschüttert. Diese stellte sodann zum 22.08.2014 einen neuen Befreiungsantrag über die Beigeladene zu 2), welcher zu der hier streitgegenständlichen Entscheidung führte.
Im Ergebnis ist die Klägerin aufgrund der fehlerhaften Auskunft der Beigeladenen zu 2) im Jahr 2003 so zu stellen, als sei der Antrag bereits 2003 gestellt worden. Die Klägerin ist ab dem 01.07.2003 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Da der Kläger vorliegend obsiegt hat, hat die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
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