S 6 EG 12/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 6 EG 12/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 10/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Elterngeld.

Der Kläger stellte nach der Geburt seiner 2016 in den USA geborenen Tochter einen Antrag auf Elterngeld Plus für die ersten 24 Lebensmonate seiner Tochter. Die Ehefrau des Klägers ist US-Amerikanerin; sie arbeitet bei der US Armee. Auch der Kläger hält sich seit Juni 2014 in den USA auf. Sein inländisches Beschäftigungsverhältnis bei der C. besteht weiterhin; der Kläger ist seit dem 29.08.2014 (bis voraussichtlich 13.05.2019) in Elternzeit. Zum 01.09.2015 hat er eine befristete Teilzeitbeschäftigung während seiner Elternzeit beim deutschen Generalkonsulat in A-Stadt, Texas, aufgenommen; eine Genehmigung seines deutschen Arbeitgebers liegt vor. Der Kläger war vor seiner Ausreise in die USA zuletzt in D-Stadt wohnhaft und ist dort weiterhin gemeldet. Sein Hausstand ist bei einer Bekannten in E-Stadt untergebracht. Bei dieser Bekannten möchte der Kläger mit seiner Familie bei einer Rückkehr auch einstweilen unterkommen.

Mit Bescheid vom 29.09.2016 wurde der Antrag auf Elterngeld mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger weder seinen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Dies sei jedoch Voraussetzung für einen Anspruch auf Elterngeld.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 07.10.2016 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die C. seiner Tätigkeit im Ausland nach dem deutschen Beamtengesetz zugestimmt habe. Er sei deutscher Staatsangehöriger, in Elternzeit und arbeite vorübergehend in einer zwischen- oder überstaatlichen Institution für die deutsche Regierung. Seine Tätigkeit beim deutschen Generalkonsulat in A Stadt liege im öffentlichen Interesse.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2016 mit der Begründung zurückgewiesen, dass keine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Arbeitsverhältnisses für eine im Voraus begrenzte Zeit vorliege. Der Kläger sei bei seinem Hauptarbeitgeber, der C., in Elternzeit und habe in dieser Zeit eine neue Teilzeitbeschäftigung beim Generalkonsulat in A-Stadt begründet.

Am 27.11.2016 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, dass er deutscher Staatsangehöriger sei und nachgewiesenermaßen vorübergehend und befristet beim Deutschen Generalkonsulat tätig sei. Hierbei handele es sich um eine zwischenstaatliche Einrichtung unter Beteiligung der USA, dem US-Bundesstaat Texas und der Bundesrepublik Deutschland. Die Situation sei mit derjenigen eines beurlaubten Beamten mit einer befristeten Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vergleichbar.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 29.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Elterngeld Plus für die ersten 24 Lebensmonate seiner 2016 geborenen Tochter in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die von ihm getroffene Entscheidung mit der Argumentation, dass Elterngeld bei einem Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands nur dann gewährt werde, wenn es sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Arbeitsverhältnisses für eine im Voraus begrenzte Zeit handle. Dies sei nicht der Fall; es liege auch keine Beurlaubung nach den Entsenderichtlinien des Bundes vor.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die beide Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 01.11.2018 gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 29.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2016 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld.

§ 1 Abs. 1 BEEG sieht vor, dass Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr. 4).

Der Kläger hält sich seit Juni 2014 in den USA auf, weshalb der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt – unstreitig - nicht in Deutschland hat. Ein Wohnsitz in Deutschland besteht ebenso wenig, weil hierfür weder ausreicht, dass der Kläger weiterhin in der Gemeinde D-Stadt gemeldet ist noch dass er seinen Hausstand bei einer Bekannten in E-Stadt untergebracht hat, wo er mit seiner Familie einstweilen auch unterkommen möchte, wenn er mit seiner Familie nach Deutschland zurückkehrt. Zur Auslegung des Begriffs des Wohnsitzes ist die Definition aus § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) heranzuziehen, wobei gemäß § 37 S. 1 i.V.m. § 68 Nr. 15 SGB I die Besonderheiten des BEEG zu berücksichtigen sind (Teilurteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.09.2010 – B 10 EG 9/09 R): Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Der Kläger trägt zwar vor, dass er bereits bei Geburt seiner Tochter plante und bis heute plant, nach Deutschland zurückzukehren. Bei der Prüfung des Wohnsitzes sind jedoch die objektiven Verhältnisse entscheidend; subjektive Elemente wie Absichten oder Vorstellungen des Berechtigten bleiben unberücksichtigt. Es kommt darauf an, ob ein an den objektiven Verhältnissen zu messender realisierender Wille vorhanden ist, an einem bestimmten Ort zu wohnen (siehe beispielsweise Urteile des BSG vom 12.12.1985 – 10 RKg 14/85 – und vom 03.12.2009 – B 10 EG 6/08 R). Zwar kommt grundsätzlich auch die Beibehaltung eines Wohnsitzes im Inland auch bei einem längeren Auslandsaufenthalt in Betracht, aber hierfür muss nach Ansicht des Bundessozialgerichts die Wohnung im Inland mit der Absicht der Rückkehr beibehalten bleiben und der Rückkehr dürfen keine tatsächlichen Hinderungsgründe entgegen stehen, die Wohnung muss also jederzeit zur Verfügung stehen (Urteil des BSG vom 26.07.1979 – 8b RKg 12/78).

Der Kläger hat die von ihm zuletzt bewohnte Wohnung in D-Stadt bei seiner Ausreise in die USA aufgegeben und seinen Hausstand in der Wohnung einer Bekannten in E-Stadt untergebracht. Über eine eigene Wohnung, die für ihn und seine Familie jederzeit bereit steht, verfügt er nicht. Das Unterkommen in der Wohnung einer Bekannten für eine Übergangszeit ist nicht ausreichend, um einen Wohnsitz des Klägers im Inland zu begründen. Bereits zum Zeitpunkt seiner Ausreise in die USA war demnach ein möglicherweise tatsächlich vorhandener Rückkehrwille nicht an objektiven Gegebenheiten erkennbar.

Auch die Anspruchserweiterung gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 für Elterngeldberechtigte, die keinen inländischen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, greift vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Elterngeld auch, wer, ohne die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 zu erfüllen, nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist (Nummer 1), Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und –gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e.V., des Deutschen katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist (Nummer 2) oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt (Nummer 3).

Alle drei Anspruchserweiterungen liegen vorliegend aber nicht vor. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BEEG scheitert daran, dass der Kläger nicht auf Weisung seines Arbeitgebers des im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, also nicht auf Weisung der C., im Ausland tätig ist, was für alle drei Varianten der Nummer 1 jedoch Voraussetzung ist. Der Kläger ist aus privaten Gründen in die USA ausgereist und hat sich dort eine Teilzeitbeschäftigung gesucht, die er mit Genehmigung der C. während der Elternzeit ausübt. Eine Arbeitsaufnahme auf Weisung des deutschen Arbeitgebers, der ihn zu diesem Zweck ins Ausland entsandte, liegt eindeutig nicht vor.

§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BEEG ist unstreitig nicht gegeben, weil der Kläger nicht als Missionar im Ausland ist.

Schließlich ist auch § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BEEG nicht einschlägig. Der Kläger besitzt zwar die deutsche Staatsnagehörigkeit, er ist aber nicht bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig. Zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen sind internationale und supranationale Einrichtungen wie z.B. die Vereinten Nationen (UN) oder die Europäische Union (EU). Sie sind im Anhang der Entsenderichtlinien des Bundes im Verzeichnis der öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen aufgezählt, wobei das Verzeichnis nicht abschließend ist. Das Generalkonsulat in A-Stadt, Texas, USA, ist hier ebenso wenig aufgezählt wie andere Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland. Solche Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland, also die deutschen Botschaften als diplomatische Vertretungen und Generalkonsulate als deren Außenstellen, haben nach Ansicht des Gerichts auch gerade nicht den in Nummer 3 geforderten zwischenstaatlichen bzw. überstaatlichen Bezug. Zwischen- und überstaatliche Einrichtungen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass verschiedene Staaten daran beteiligt sind und ihre rechtlichen Zuständigen entweder auf eine höhere Ebene verlagern oder gemeinsam handeln. Dies ist nach Ansicht des Gerichts beim Generalkonsulat A-Stadt und anderen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland gerade nicht der Fall, weil hier – zwar auf exterritorialem Gebiet, aber – allein deutsche Behörden (auf diplomatischem und konsularischem Gebiet) handeln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der Streitwert die dort genannten 750 Euro übersteigt.
Rechtskraft
Aus
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