S 7 AY 2/18 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 7 AY 2/18 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AY 9/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die notwendigen Kosten für eine antivirale Therapie der Hepatitis C Erkrankung des Antragstellers zu übernehmen.

2. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten einer antiviralen Hepatitis C-Therapie nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).

Der 1964 geborene Antragsteller reiste Anfang Dezember 2015 gemeinsam mit seiner Ehefrau aus den Niederlanden kommend und ohne im Besitz eines Passes, Passersatzes oder Aufenthaltstitels zu sein, nach Deutschland ein. Am 09.12.2015 wandten sich der Antragsteller und seine Ehefrau an das Sozialamt in Warendorf und beantragten dort die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Weiterhin beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau bei der Ausländerbehörde Warendorf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus humanitären Gründen. Zur Begründung führten Sie an, dass sie aus Aserbaidschan stammten und staatenlos seien. Der Antragsteller und seine Ehefrau bestätigten insoweit in einem Beratungs- und Fragebogen des Kreises Warendorf (Bl. 41 ff. der Leistungsakte) ausdrücklich, in der Bundesrepublik Deutschland nur humanitäre Hilfe aus gesundheitlichen Gründen zu suchen (Bl. 43). Weiterhin führte der Antragsteller in dem vorgenannten Fragebogen (Bl. 45) an, an Hepatitis C sowie an Darmkrebs zu leiden. Seine Ehefrau führte an derselben Stelle des Fragebogens an, an einem psychischen Trauma zu leiden sowie, dass sie in den Niederlanden nicht habe behandelt werden können, da sie und der Antragsteller dort kein Aufenthaltsrecht gehabt hätten. Der vorgenannte Fragebogen wurde dem Antragsteller und seiner Ehefrau von einem Dolmetscher übersetzt und von beiden durch eigenhändige Unterschrift am 29.01.2016 als wahrheitsgemäß und vollständig bestätigt. Dass die Behandlung der Erkrankungen des Antragstellers und seiner Ehefrau deren prägendes Motiv zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland war, wurde sodann nochmals in zwei Widerspruchsschreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 15.09.2016 (Bl. 3 der Widerspruchsakte) und vom 05.06.2017 (Bl. 20 der Widerspruchsakte) bestätigt.

Nachdem der Antragsteller und seine Ehefrau mit Verteilungsbescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 13.05.2016 der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen zugewiesen wurden und sodann mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt zum 18.07.2016 dem Landkreis Fulda zugewiesen wurden, beantragten beide dort die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG, welche daraufhin gewährt wurden. Dem Antragsteller und seine Ehefrau, welche über keinen eigenen Krankenversicherungsschutz verfügen, wurden und werden insoweit auch Leistungen nach § 4 AsylbLG gewährt. Die Ausländerbehörde des Landkreises Fulda erteilte dem Antragsteller und seiner Ehefrau fortan befristete Duldungen, welche jeweils verlängert wurden. Aktuell wurde die Abschiebung des Antragstellers und seiner Ehefrau bis zum 06.09.2018 ausgesetzt und erneut entsprechende Duldungen erteilt (Bl. 48 der Gerichtsakte).

Mit Bescheid vom 05.12.2016 (Bl. 43 der Krankenhilfeakte, Teil 1) lehnte der Antragsgegner nach vorheriger Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme seines Gesundheitsamtes einen Antrag des Antragstellers vom Oktober 2016 mit dem Begehren der Kostenübernahme für die Durchführung einer Therapie der chronischen Hepatitis C-Erkrankung mit der Begründung ab, dass weder die Voraussetzungen des § 4 AsylbLG noch die Voraussetzungen des § 6 AsylbLG erfüllt seien. Der hiergegen am 04.01.2017 durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers erhobene Widerspruch (Bl. 13 der Widerspruchsakte) wurde durch die zuständige Widerspruchsbehörde, das Regierungspräsidium Kassel, noch nicht beschieden.

Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 04.09.2017 (Krankenhilfeakte, Teil 2) ließ der Antragsteller eine fachärztliche Bescheinigung seines behandelnden Hausarztes und Internisten vom 31.07.2017 vorlegen. In dieser Bescheinigung wird - nach einem zunächst vorzunehmenden Tumorstaging betreffend die bei dem Antragsteller im Jahr 2013 diagnostizierte bösartige Krebserkrankung - die Durchführung einer Hepatitis C-Behandlung befürwortet. Die Kosten für die Hepatitis C-Behandlung wurden mit etwa 70.000-100.000 EUR, je nach verwendeten Präparat, veranschlagt. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers ersuchte den Antragsgegner mit dem vorgenannten Schreiben vom 04.09.2017 dementsprechend um umgehende Berücksichtigung der besagten ärztlichen Bescheinigung und um rechtsmittelfähige Bescheidung. Der Antragsgegner wertete das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 04.09.2017 daraufhin als Neuantrag und wandte sich zunächst wieder an sein Gesundheitsamt mit der Bitte um Stellungnahme zu den eingereichten ärztlichen Unterlagen. Nachdem das Kreisgesundheitsamt sodann mit Schreiben vom 06.11.2017 (Bl. 114 der Krankenhilfeakte, Teil 2) mitteilte, dass zur Abschätzung einer akuten Behandlungsbedürftigkeit der Hepatitis C-Erkrankung des Antragstellers eine Zusatzbegutachtung durch den Chefarzt der Inneren Medizin des Herz-Jesu-Krankenhaus in Fulda, Herrn Prof. Dr. med. C., angeregt werde, ersuchte der Antragsgegner diesen daraufhin mit Schreiben vom 24.11.2017 (Bl. 108 der Krankenhilfeakte, Teil 2) um Begutachtung des Antragstellers zur Beurteilung der Frage, ob gegenwärtig die Behandlungsbedürftigkeit der chronischen Hepatitis C-Erkrankung für die Gesundheit des Antragstellers unerlässlich sei oder ein Abwarten hinsichtlich der Behandlung bis zum Abschluss des Asylverfahrens vertretbar sei bzw. eine Kontraindikation unter Berücksichtigung des in 2013 festgestellten Rektumkarzinoms bestehe. Der Antragsteller wurde am 19.02.2018 in der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie der Herz-Jesu-Krankenhauses Fulda gGmbH untersucht. In seinem Gutachten vom 20.02.2018, welches aus für das Gericht nicht nachvollziehbaren Gründen zunächst nicht zur Akte des Antragsgegners gelangte, führte Herr Prof. Dr. C. unter anderem aus, dass bei dem Antragsteller eine chronische Hepatitis C-Infektion Genotyp 3A vorliege. Sichere Zirrhosezeichen fänden sich sonographisch nicht. Elastographisch zeige sich eine Verminderung der Elastizität, was in dem Bereich einer F1-F2 Fibrose liege. Der maximal gemessene Wert liege im Bereich einer F3 Fibrose. Auch hier lasse sich die Zirrhose nicht bestätigen. Der Antragsteller habe keine weitere Leberbegleiterkrankung. Weiterhin habe der Antragsteller einen Zustand nach Rektumkarzinom. Der Antragsteller sei 06/2013 in den Niederlanden operiert worden. Postoperativ habe der Antragsteller ein Stadium 2, was einer 5-Jahresüberlebensrate von 60 % bis 80 % entspreche. Der Antragsteller sei jedoch im Januar 2014 an Lymphknotenmetastasen nachoperiert worden. Das initiale Tumorstadium liege dabei bei 3, was einer 5Jahresüberlebensrate von 30 % bis 50 % entspreche. Im aktuellen Staging fänden sich keine Hinweise auf ein Rektumkarzinomrezidiv; das Risiko eines Tumorrezidivs sei jedoch als erhöht einzustufen. Regelmäßige Verlaufsuntersuchungen, Restaging-Untersuchungen erschienen notwendig. Grundsätzlich bestehe bei einer chronischen Hepatitis C eine Indikation zur antiviralen Therapie mit dem Ziel einer Viruseradiaktion. Eine rechtzeitige antivirale Therapie könne die Folgen der chronischen Hepatitis C deutlich verbessern. Das Risiko einer unbehandelten Erkrankung bestehe in der Entwicklung einer Leberzirrhose und eines hepatozellulären Karzinoms. Der mutmaßliche Infektionszeitpunkt des Antragstellers sei 1983. Aufgrund dieser langen Erkrankungsdauer weise der Antragsteller ein erhöhtes Zirrhose- und HCC-Risiko auf. Der aktuell gemessene Wert liege deutlich unter der Zirrhoseschwelle, zeige aber eine signifikante Fibrose an. Aufgrund der entzündlichen Aktivität und der Progression der Fibrose erscheine eine antivirale Therapie angebracht. Laut der aktuellen Hepatitis C-Leitlinie der DGVS bestehe allerdings erst eine dringliche Behandlungsindikation bei einer F3-Fibrose oder einer vorliegenden Zirrhose. Aufgrund der erniedrigten Thrombozyten und der grenzwertig vergrößerten Milz sei jedoch davon auszugehen, dass das tatsächliche Fibrose-Stadium über dem in der Elastographie bestimmten Wert liege. Aus gesundheitlichen Gründen wäre daher eine zeitnahe antivirale Therapie anzuraten. Weiterhin gelte es abzuwägen, wie die Gesamtprognose des Antragstellers sei. Auch das Rektumkarzinom habe eine eher ungünstige Prognose, weil der Antragsteller ein erhöhtes Rezidivrisiko habe. Es sei daher damit zu rechnen, dass der Antragsteller Folgeeingriffe benötige. Insbesondere erscheine es möglich, dass der Antragsteller bei einer metastasierten Erkrankung eine palliative Chemotherapie benötigen werde. Eine Chemotherapie gehe mit einer Immunsupression einher und könne den Verlauf der chronischen Hepatitis C verschlechtern. Eine gleichzeitig bestehende Hepatitis C könne auch dazu führen, dass die mögliche Chemotherapie nicht in voller wirksamer Dosis durchgeführt werden könne. Zusammenfassend bestehe bei dem Antragsteller aus medizinischer Sicht eine klare Indikation zu einer antiviralen Therapie. Die Therapieindikation ergebe sich aus der offensichtlich erhöhten entzündlichen Aktivität und der progredienten Leberfibrose sowie den Begleiterkrankungen. Die Therapie sollte durchgeführt werden, bevor es zu weiteren gesundheitlichen Schädigungen komme und die Leber einen größeren Schaden nehme. Aus medizinischer Sicht sei daher eine zeitnahe antivirale Therapie sinnvoll. Mit den neuen antiviralen Medikamenten bestehe eine Chance der Heilung von über 90 %.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.04.2018 wandte sich der Antragsteller mit dem vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes an das Sozialgericht Fulda und legte das vorgenannte Gutachten des Herrn Prof. Dr. C. vom 20.02.2018 vor. Weiterhin ließ der Antragsteller vortragen, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Er müsse dringend behandelt werden, wofür die Übernahme der Behandlungskosten erforderlich sei.

Der Antragsteller beantragt (wörtlich),
den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig die Kosten der notwendigen Behandlung (antiretrovirale Behandlung) gemäß dem beiliegenden Schreiben der Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda GmbH vorläufig zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes rückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass der geltend gemachte Anspruch weder aus § 4 AsylbLG noch aus § 6 AsylbLG hergeleitet werden könne. Es wird insoweit auf die ausführliche Antragserwiderung vom 11.05.2018 verwiesen.

Für das sonstige Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig und begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 dieser Bestimmung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein. Es muss daher eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (HessLSG, Beschluss vom 18.06.2008, Az.: L 6 AS 41/08 B ER m.w.N.). Eine solche Notlage ist vor allem bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86 b, Rn. 28). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (HessLSG, a. a. O.; Keller a. a. O., Rn. 27 u. 29 m.w.N.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (HessLSG, a. a. O.). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Soweit existenzsichernde Leistungen im Streit stehen und schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern muss abschließend geprüft werden. Ist dem Gericht in derartigen Fällen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist ebenfalls anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei allerdings die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, NVwZ 2005, 927-929).

Gemessen an diesen Anforderungen hat der Antragsteller sowohl das Bestehen eines Anordnungsanspruchs als auch das Bestehen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Der Antragsteller, welcher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt nach diesem Gesetz ist, hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer antiviralen Therapie seiner chronischen Hepatitis C-Erkrankung durch den Antragsgegner.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Antragsgegner zu Recht ausführt, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die streitgegenständliche Hepatitis C-Therapie aus § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG herleiten kann. Danach sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Ein Anspruch aus § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG scheitert daran, dass es sich bei der Hepatitis C-Erkrankung des Antragstellers nicht um eine akute Erkrankung im vorgenannten Sinne handelt. Unter dem im Gesetz nicht definierten Begriff der akuten Erkrankung ist eine plötzlich auftretende, schnell und heftig verlaufende Erkrankung zu verstehen, die aus medizinischen Gründen der ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung bedarf und die von chronischen – also langsam sich entwickelnden oder langsam verlaufenden – Erkrankungen, welche grundsätzlich nicht unter § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG fallen, abzugrenzen ist (Wahrendorf, AsylbLG, § 4, Rn. 26; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 38). Zwar können auch mit chronischen Erkrankungen akute, konkret behandlungsbedürftige Krankheitszustände einhergehen, deren Behandlung der Betroffene nach § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG beanspruchen kann, und gegebenenfalls kann in Ausnahmefällen auch die Behandlung der chronischen Erkrankung selbst gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG beansprucht werden, wenn die Behandlung der akuten Erkrankung untrennbar eine Therapie des Grundleidens voraussetzt (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 39 m.w.N.). Ein solcher akuter Erkrankungszustand des Antragstellers ist indes nach dem von dem Antragsteller vorgelegten Gutachten des Herrn Prof. Dr. C. vom 20.02.2018, an dessen inhaltlicher Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, noch nicht eingetreten.

Das Bestehen eines Anordnungsanspruchs folgt allerdings aus § 6 Abs. 1 AsylbLG.

Nach § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. § 6 AsylbLG stellt einerseits eine leistungsrechtliche Auffangvorschrift und andererseits eine Öffnungsklausel dar, um im Einzelfall dem Anspruch des Leistungsberechtigten auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums gerecht zu werden (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 6 AsylbLG, Rn. 10; Wahrendorf, AsylbLG, § 6, Rn. 1). Als beliebige Öffnungsklausel zur Ausweitung der an sich beschränkten Grundleistungen des § 3 AsylbLG bzw. zur Annäherung an die Leistungen nach dem SGB XII kann die Vorschrift hingegen nicht genutzt werden. § 6 AsylbLG ist dementsprechend restriktiv auszulegen, wobei gleichwohl Leistungsentscheidungen zu ermöglichen sind, sofern ansonsten die Menschenwürde eines sich in Deutschland aufhaltenden nach § 1 AsylbLG Berechtigten maßgeblich beeinträchtigt würde (Wahrendorf, AsylbLG, § 6, Rn. 2).

Soweit der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 11.05.2018 ausführt, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch aus § 6 AsylbLG herleiten könne, da vorliegend die Unerlässlichkeit der begehrten Therapie zur Sicherung der Gesundheit des Antragstellers nicht erkennbar sei, ist diesem zuzugeben, dass das vorliegende Gutachten des Herrn Prof. Dr. C. vom 20.02.2018 Zweifel daran aufkommen lässt, dass die begehrte Therapie aus medizinischer Sicht aktuell unbedingt erforderlich ist (vergleiche zur Definition des Begriffs der Unerlässlichkeit im vorgenannten Sinne auch: Wahrendorf, AsylbLG, § 6, Rn. 18). Andererseits könnte aber auch vertreten werden, dass bereits nach den in der Literatur zum Teil herangezogenen Kriterien zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "unerlässlich" (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB XII, 2. Aufl. 2014, § 6 AsylbLG, Rn. 41, 64) im vorliegenden Fall die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG erfüllt sind. Letztlich entschieden werden muss dies jedoch nicht, da der Antragsgegner bei seiner Argumentation die grundrechtliche Relevanz des vorliegenden Leistungsbegehrens außer Acht lässt, indem eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 4 und 6 AsylbLG, welche im Ergebnis den geltend gemachten Anspruch begründet, unterbleibt. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich sind, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Grenzen werden der verfassungskonformen Auslegung durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck gezogen. Ein Normverständnis, das mit dem Wortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes treten würde. Denn anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren. Das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92 –, juris, Rn. 130; Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 –, juris, Rn. 86, jeweils m.w.N.).

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Leistungen für Berechtigte nach § 1 AsylbLG und damit auch die Leistungen der Gesundheitsvorsorge eingeschränkt werden, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sich die Leistungsberechtigten voraussichtlich nur für kurze Dauer in der Bundesrepublik aufhalten (Bundestagsdrucksache 12/4451 S. 5, 6, 9). Nicht eindeutig medizinisch indizierte Behandlungen oder solche langfristiger Natur, die wegen der voraussichtlich kurzen Dauer des Aufenthalts nicht abgeschlossen werden können, sollen keine Leistungspflicht auslösen (Bundestagsdrucksache 12/4451 S. 9). Das aus dem Asylkompromiss 1992 hervorgegangene Leistungssystem des AsylbLG regelt damit eine auf das Notwendige eingeschränkte Grundversorgung für Ausländer ohne rechtlich anerkannte Bleibeperspektive in Deutschland. Dadurch sollen keine Anreize für die Einreise allein aus wirtschaftlichen Gründen bzw. für den weiteren Verbleib im Bundesgebiet geboten werden (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 19). In der Kommentarliteratur wird hierzu vertreten, dass der Gesetzgeber insoweit einer Einschätzung unterliege, welche mit der sozialen Wirklichkeit inzwischen wenig gemein habe. Möge zu Beginn der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes der Gedanke, dass die Einschränkung von Leistungen Menschen davon abhalten könnte, in die Bundesrepublik einzureisen, bestanden haben, habe sich die Situation inzwischen durch die Vielzahl der geduldeten und faktisch nicht abschiebbaren Ausländer grundlegend geändert. Damit stoße die Vorschrift des § 4 AsylbLG an die Grenze des noch verfassungsrechtlich Vertretbaren. Normzweck sei die deutliche Schlechterstellung in der medizinischen Versorgung im Verhältnis zu den nach dem SGB XII Leistungsberechtigten. Damit greife die Vorschrift in das Menschenrecht auf Grundsicherung ein und verlange in der Einzelentscheidung eine an diesem Grundrecht orientierte verfassungskonforme Auslegung. Auch wenn es kein Grundrecht auf Gesundheit gebe, seien die gewünschten Leistungen am Grundrecht der Menschenwürde zu messen und zu beurteilen. Die Differenzierung zwischen akuten und chronischen Erkrankungen, welche getroffen werde, lasse sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nur damit erklären, dass der Gesetzgeber in § 1 AsylbLG immer noch meine, es handele sich durchgängig um einen Personenkreis, der sich nur vorläufig in Deutschland aufhalte, so dass sich die Regelung noch im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens halte (Wahrendorf, AsylbLG, § 4, Rn. 1). Ob die einfachgesetzlichen Vorgaben der medizinischen Versorgung auf niedrigem Niveau nach § 4 Abs. 1 AsylbLG für Ausländer in Deutschland ohne rechtlich anerkannte Bleibeperspektive mit dem Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) vereinbar sei, stehe aber spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18.07.2012 zu den Leistungen nach § 3 AsylbLG auf dem Prüfstand. Auch wenn sich die Entscheidung des BVerfG zu den Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht auf die Gesundheitsleistungen nach § 4 AsylbLG erstrecke, werde der Gesetzgeber nicht umhinkommen, auch die medizinische Versorgung nach § 4 AsylbLG nach den prozeduralen Vorgaben zur Feststellung des menschenwürdigen Existenzminimums auszugestalten. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung komme deswegen im Hinblick auf die Gesundheit des Grundrechtsträgers der Öffnungsklausel des § 6 AsylbLG eine herausragende Bedeutung zu. Nach dieser Norm könnten im Einzelfall sonstige Leistungen gewährt werden. Erweise sich die medizinische Versorgung nach § 4 AsylbLG, insbesondere die Akutversorgung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, als unzureichend und drohe eine Grundrechtsverletzung, bestehe zwingend ein Anspruch gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG auf sonstige Leistungen, die zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich seien. Nach der – für die Fachgerichte nicht bindenden – Auslegung des § 6 AsylbLG durch das BVerfG biete diese Norm wegen des erkennbar entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers zwar keinen Ausgleich struktureller Defizite bei der Leistungshöhe nach § 3 Abs. 2 AsylbLG. Gleichwohl könne bei der Gewährung von Gesundheitsleistungen eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG die tatsächliche Aufenthaltsdauer des Ausländers in Deutschland in besonderer Weise in den Blick nehmen. Sei aufgrund der faktischen Verhältnisse schon nicht mehr von einem Kurzaufenthalt des Ausländers in Deutschland auszugehen, solle § 6 Abs. 1 Alt. 2 AsylbLG – nach a.A. § 4 AsylbLG – dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass das Niveau der Gesundheitsleistungen weitgehend dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V entspreche. Dies könne nach einem Aufenthalt von zwei Jahren unterstellt werden. Selbst wenn eine Leistungsberechtigung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG aus anderen Gründen scheitere, sei es angesichts der Bedeutung der Gesundheit als Grundlage aller anderen Grundrechte jedenfalls nach einem Aufenthalt in Deutschland von zwei Jahren nicht gerechtfertigt, Leistungsberechtigte nach den §§ 1, 3 AsylbLG auf eine elementare Notversorgung nach § 4 AsylbLG zu verweisen (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB XII, 2. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG, Rn. 21, 23, 24).

Das Gericht schließt sich dieser Auffassung nach eigener Prüfung in vollem Umfang an.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 18.07.2012 zu dem Aktenzeichen 1 BvL 10/10 (juris) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 09. Februar 2010 zu dem Aktenzeichen 1 BvL 1/09 (juris) nochmals herausgestellt, dass Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiere. Weiterhin wurde klargestellt, dass Art. 1 Abs. 1 GG diesen Anspruch als Menschenrecht begründe, welcher sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben garantiere und ferner, dass dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zustehe (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 –, juris, Ls 2, Rn. 62 ff.). Daneben führt das Gericht in seiner Entscheidung vom 18.07.2012 (a.a.O., Rn. 66) aus, dass der Leistungsanspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG dem Grunde nach zwar von der Verfassung vorgegeben sei, sein Umfang jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden könne. Er hänge von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation der Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Weiterhin wird klargestellt (a.a.O., Rn. 74, 75), dass der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit befristetem Aufenthaltsrecht nur dann abweichend vom Regelbedarf gesetzlich bestimmt werden könne, wenn nachvollziehbar festgestellt werden könne, dass infolge eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht bestehen. Sei dies der Fall und wolle der Gesetzgeber daher Leistungen für eine Personengruppe gesondert bestimmen, so müsse er hinreichend sicherstellen, dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe tatsächlich nur diejenigen erfasse, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhielten. Eine Beschränkung auf ein durch etwaige Minderbedarfe für Kurzaufenthalte geprägtes Existenzminimum sei allerdings unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus und ohne Rücksicht auf die Berechtigung einer ursprünglich gegenteiligen Prognose jedenfalls dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der tatsächliche Aufenthalt die Spanne eines Kurzaufenthalts deutlich überschritten habe. Für diese Fälle sei ein zeitnaher, an den Gründen des unterschiedlichen Bedarfs orientierter Übergang von den existenzsichernden Leistungen für Kurzaufenthalte zu den Normalfällen im Gesetz vorzusehen (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 –, juris, Rn. 76).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass in den Fällen, in denen sich die einer Einschränkung der Leistungen der Gesundheitsfürsorge zu Grunde liegende Annahme des Gesetzgebers, die Berechtigten nach § 1 AsylbLG werden sich nur kurzzeitig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, nicht bewahrheitet, § 6 Abs. 1 AsylbLG grundsätzlich dahingehend verfassungskonform auszulegen ist, dass das Niveau der Gesundheitsleistungen bei deutlichem Überschreiten der Spanne der Kurzzeitigkeit des Aufenthalts dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V entspricht. Denn die Annahme, dass sich der Bedarf an Gesundheitsleistungen von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG bei einem längerfristigen Aufenthalt in Deutschland signifikant von dem anderer Bedürftiger unterscheidet, entbehrt jeder Grundlage (Greiser/Frerichs, Ansprüche von Flüchtlingen, SGb 04.18, S. 218, 219). Ob die Spanne der Kurzzeitigkeit im vorgenannten Sinne, wie in der Literatur (siehe oben) vertreten, erst bei einem Aufenthalt von zwei Jahren oder aber bereits früher überschritten wird (der Gesetzgeber geht in § 2 Abs. 1 AsylbLG offensichtlich davon aus, dass ein kurzzeitiger Aufenthalt bereits nach 15 Monaten nicht mehr bestehen kann), kann vorliegend dahinstehen, da sich der Antragsteller mittlerweile seit zweieinhalb Jahren tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Dass der Antragsteller die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland insoweit gegebenenfalls rechtsmissbräuchlich selbst (mit) beeinflusst hat, ist unerheblich. Denn auch aus einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG lässt sich nicht ableiten, dass der Bedarf dieser Personen an Gesundheitsleistungen (typisierend) von demjenigen anderer Bedürftiger signifikant abweicht (Greiser/Frerichs, Ansprüche von Flüchtlingen, SGb 04.18, S. 219). Das Bundesverfassungsgericht führt zudem in seinem Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10 –, juris, Rn. 95) aus, dass migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen können. In Anbetracht dessen kann es erst recht nicht gerechtfertigt sein, Berechtigte nach § 1 AsylbLG, die sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und deren Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werden kann, durch ein dauerhaftes Absenken des Niveaus von Leistungen der Gesundheitsfürsorge auf andere Weise dazu zu bewegen, die Bundesrepublik gezwungenermaßen wieder zu verlassen. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Berechtigte - wie im vorliegenden Fall – schwer erkrankt ist und die Erkrankung noch nicht akut ist im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG, andererseits aber eine akute Erkrankung mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und ein weiteres Zuwarten die Gefahr einer Grundrechtsverletzung begründet. Der von dem Antragsgegner beauftragte Chefarzt der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie in dem Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda gGmbH, Herr Prof. Dr. C., führt in seinem Gutachten vom 20.02.2018 aus, dass das Risiko eines Tumorrezidivs der Krebserkrankung des Antragstellers als erhöht einzustufen sei. Weiterhin führt Herr Prof. Dr. C. aus, dass das Rektumkarzinom eine eher ungünstige Prognose habe und damit zu rechnen sei, dass der Antragsteller Folgeeingriffe benötige. Insbesondere erscheine es möglich, dass der Antragsteller bei einer metastasierten Erkrankung eine palliative Chemotherapie benötigen werde. Eine solche Chemotherapie könne den Verlauf der chronischen Hepatitis C verschlechtern. Eine gleichzeitig bestehende Hepatitis C könne auch dazu führen, dass die mögliche Chemotherapie nicht in voller wirksamer Dosis durchgeführt werden könne. Angesichts dieser fachärztlichen Prognose im Hinblick auf das Risiko eines Tumorrezidiv und angesichts der Einschätzung des Herr Prof. Dr. C., wonach aus medizinischer Sicht eine klare Indikation zu einer antiviralen Therapie bestehe, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass diese Therapie aktuell erforderlich ist und ein weiteres Zuwarten dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann. Denn ein weiteres Zuwarten und Nichtbehandeln der Hepatitis C-Erkrankung würde zum einen das Risiko, dass eine Chemotherapie eines Tumorrezidiv, mit welchem angesichts der ungünstigen Prognose der Krebserkrankung zu rechnen ist, nicht erfolgreich verläuft, nur weiter vergrößern. Zum anderen besteht nach den Ausführungen des Herrn Prof. Dr. C. im Falle einer unbehandelten Hepatitis C das Risiko der Entwicklung einer Leberzirrhose und eines hepatozellulären Karzinoms. Die Behandlung der chronischen Hepatitis C-Erkrankung des Antragstellers, deren Erfolg Herr Prof. Dr. C. auf über 90 % einschätzt, ist daher nicht lediglich isoliert zu betrachten, sondern gerade im Hinblick auf die Krebserkrankung des Antragstellers aktuell indiziert. Soweit der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 11.05.2018 hierzu ausführt, dass das Risiko bestehe, dass sich die gewünschte Therapie negativ auf die Krebserkrankung des Antragstellers auswirke bzw. Unklarheit bestehe, inwiefern die vom Antragsteller gewünschte Therapie überhaupt durchgeführt bzw. erfolgreich sein könne, vermag das Gericht diese Argumentation nicht nachzuvollziehen. Denn Herr Prof. Dr. C. führt in seinem Gutachten vom 20.02.2018, wie bereits erwähnt, doch im Gegensatz hierzu aus, dass gerade im Falle auftretender Metastasen der Krebserkrankung des Antragstellers eine erforderliche Chemotherapie zum einen den Verlauf der chronischen Hepatitis C verschlechtern könne und zum anderen die gleichzeitig bestehende Hepatitis C auch dazu führen könne, dass die mögliche Chemotherapie nicht wirksam durchgeführt werden könne. Diese Ausführungen stützen gerade die Einschätzung, dass mit der aus medizinischer Sicht klar indizierten antiviralen Therapie der Hepatitis C-Erkrankung des Antragstellers so schnell wie möglich begonnen werden sollte, um die Heilungschancen der Krebserkrankung im Falle des Wiederauftretens nicht weiter zu verschlechtern. Dass sich die begehrte Therapie der Hepatitis C-Erkrankung auf die Krebserkrankung des Antragstellers negativ auswirkt, vermag das Gericht hingegen nicht zu erkennen. Ebenso vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit die Therapie im vorliegenden Fall nicht durchgeführt werden bzw. erfolgreich sein könnte. Denn zum einen führt Herr Prof. Dr. C., wie bereits erwähnt, aus, dass mit den neuen antiviralen Medikamenten eine Heilungschance von mehr als 90 % bestehe. Zum anderen ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar bevorsteht, so dass kein Grund zu der Annahme besteht, dass die vorliegend indizierte Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann.

Das Gericht hat nach alledem keine Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruchs. § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG ist zwar als Ermessensnorm ausgestaltet. Nach den obigen Ausführungen kommt zur Überzeugung des Gerichts allerdings keine andere Entscheidung des Antragsgegners im Betracht als eine Kostenübernahme für die hier begehrte und angezeigte antivirale Therapie, so dass insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.

Der Antragsteller hat daneben auch das Bestehen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Dies folgt zur Überzeugung des Gerichts bereits aus der Glaubhaftmachung des Bestehens eines Anordnungsanspruchs, dessen tatbestandliche Voraussetzungen in dem hier zu entscheidenden Fall das Vorliegen einer Eilbedürftigkeit indizieren. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache ist dem Antragsteller angesichts der Schwere seiner Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit nicht zuzumuten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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