Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 56/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 149/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, in welcher Höhe die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 gemindert ist, welche Folgen noch anzuerkennen sind und ob § 80a SGB VII verfassungswidrig ist.
Die 1970 geborene Klägerin, erlitt am 01.03.2008 gegen 10:40 Uhr einen Arbeitsunfall. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als selbstständige Pferdewirtin wurde die Klägerin beim Verladen eines Pferdes von diesem getreten und am Kopf- sowie Brustbereich getroffen. Sie verlor das Bewusstsein und konnte sich an den Vorgang und die Ereignisse danach nicht erinnern. Die Klägerin zog sich neben einer Handgelenksfraktur auch Verletzungen im Kopfbereich und eine Alveolarfortsatzfraktur im Bereich der Zähne 11 bis 24 zu. Zum 28.02.2011 gab die Klägerin ihren Betrieb ab. Zurzeit bezieht die Klägerin eine befristete Rente bis 02/2014 wegen voller Erwerbsminderung.
Aufgrund der Unfallanzeige vom 03.03.2008 ermittelte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt. Diese zog Berichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten bei. Als Erstdiagnosen wurden ein Schädelhirntrauma ersten Grades, eine große Riss-/Quetschwunde occipital, eine dislozierte MC-V-Köpfchenfraktur rechts, eine Thoraxprellung und Alveolarfortsatzfrakturen der Zähne 11 bis 24 gestellt.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erbrachte durch den Bescheid vom 19.12.2008 Verletztengeld vom 01.03.2008 bis zum 20.06.2008 sowie die zur Behandlung der Verletzungsfolgen notwendige Heilbehandlung.
Die Klägerin stellte am 11.05.2010 einen Antrag bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf Verletztenrente. Die Klägerin gab an, dass sie bei körperlicher Anstrengung Kopfschmerzen und Schwindelgefühle bekomme. Sie sei vergesslich geworden und könne sich nicht mehr konzentrieren. Sie könne ihre Arbeit mit den Pferden und Reitschülern nicht mehr ausüben. Die Klägerin gab weiter an, dass sie keine Schmerzmittel einnehme, sondern bei ihren Hausarzt seit 05/2008 eine Neuraltherapie absolviere. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zog Berichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten bei, aus denen sich ein schleppender Heilungsverlauf mit Kopfschmerzen, rezidivierenden Schwindelattacken, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Koordinations- und Bewegungsstörungen, Depressionen, Zukunftsangst, Kieferschmerzen, Kaustörungen und eine fehlende Belastbarkeit der Klägerin ergaben. Die gefertigte Computertomographie vom 08.05.2008 zeigte im Bereich des Schädels einen altersentsprechenden unauffälligen Befund, ebenso das MRT des Schädels vom 24.11.2010.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte die Begutachtung der Klägerin. Das neuropsychologische Zusatzgutachten von Diplom-Psychologin Adler vom 13.12.2010 stellte gewisse Verdeutlichungstendenzen der Klägerin bezüglich der geringen Belastbarkeit und herabgesetzten Konzentrationsleistungen heraus. Ein begründeter Simulationsverdacht bestünde nicht, aber die Äußerungen der Klägerin hätten teilweise im Widerspruch zur Verhaltensbeobachtung gestanden. Eine Einschränkung der visuellen Verarbeitung habe nicht nachgewiesen werden können. Der Nachweis einer exekutiven Störung gelinge eindeutig. Es hätten sich deutliche Schwierigkeiten bei einer komplexen Aufgabenstellung gezeigt. Es ließen sich auch Defizite in den korrespondierenden Aufmerksamkeitsbereichen feststellen, so dass eine exekutive Dysfunktion nicht auszuschließen sei. Die Auffälligkeiten in der Aufmerksamkeitsprüfung ließen sich am ehesten dadurch erklären, dass die Klägerin entsprechend ihrer eigenen Erwartungen, begründet durch die subjektiv wahrgenommene erheblich herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit und psychophysische Belastbarkeit in ihrem Alltag, deutlich verlangsamt reagiert habe.
Das klinisch-psychologische Zusatzgutachten von Diplom-Psychologin D. vom 23.11.2010 beschrieb bei der Klägerin eine somatoforme Störung.
Das nervenärztliche Gutachten von Dr. E. und Dr. Dr. F. vom 12.01.2011 beurteilte die somatoforme Störung der Klägerin als nicht unfallbedingt. Sie sei auf die äußeren Lebensumstände der Klägerin mit einer hohen Leistungsorientiertheit zurückzuführen. Die bis jetzt anhaltende hausärztliche Behandlung sei nicht auf das Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades zurückzuführen. Eine Kostenübernahme der Neuraltherapie könne nicht empfohlen werden. Ein Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn bei der Klägerin könne nicht ausgeschlossen werden.
Das von der Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte zahnärztliche Gutachten von Prof. Dr. Dr. G. und Dr. Dr. H. vom 13.04.2011 stellte bei der Klägerin eine craniomandibuläre Dysfunktion und druckschmerzhafte Verhärtungen der Kaumuskulatur aufgrund der nicht optimalen Verzahnung zwischen Ober- und Unterkiefer fest. Die Klägerin könne auf Aufforderung nicht die Zähne zusammen beißen und sofort eine sichere maximale Interkuspidation finden. Die Verzahnung im Unterkiefer sei nicht Folge des Unfalls. Die Narbe im Bereich des Vestibulums und der ehemaligen Alveolarfortsatzfraktur führe nach Angaben der Klägerin zu einer Störung der Oberlippenmotorik. Die Klägerin leide darunter, dass sie nur auf der rechten Seite kauen könne und Schmerzen ausstrahlend in Richtung Kopf aus der Kausmuskulaturregion des Unterkiefers links und rechts habe. Ab dem 31.08.2008 werde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. vorgeschlagen.
Das hno-fachärztliche Zusatzgutachten von Dr. J. und Dr. K. vom 24.06.2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form von einem Schwindelgefühl bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung nicht auf den Unfall zurückzuführen seien, da keine ohrnahe Verletzung vorgelegen habe. Obwohl sich in der klinischen Gleichgewichtsprüfung eine Fallneigung nach vorne rechts bei Augenschluss gezeigt habe, hätten die kalorische Gleichgewichtsprüfung und die Videookulographie keinen Anhalt für eine peripher vestibuläre Störung gezeigt. Eine deutliche Hyposmie oder Geschmacksverlust habe in der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Auch der Unfallhergang würde eine Hyposmie oder Hypgeusie nicht erklären. Aus hno-ärztlicher Sicht bestehe keine Funktionseinschränkung des Hör- oder Gleichgewichtsapparates sowie des Geruchs- oder Geschmacksvermögens der Klägerin.
Prof. Dr. Dr. G. benannte unter dem 15.08.2011 eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet. Die bestehende craniomandibuläre Dysfunktion sei mit einer teiladjustierbaren Schiene therapierbar.
Dieser Bewertung schloss sich der Beratungsarzt der Rechtsvorgängerin der Beklagten unter dem 06.10.2011 an.
Mit Bescheid vom 06.02.2012 erkannte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Ereignis vom 01.03.2008 als Arbeitsunfall an. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls, also dem 31.08.2008, nicht um wenigstens 30% gemindert sei. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 erkannte die Beklagte eine craniomandibuläre Dysfunktion mit druckschmerzhafter Verhärtungen der Kaumuskulatur und eingeschränkter Kaumöglichkeit nach Alveolarfortsatzfraktur um Bereich des Oberkiefers Regio 11 bis 24 an. Unabhängig von dem Arbeitsunfall lägen Kopfschmerzen, kognitive Leistungseinbußen, Schwindelgefühl, subjektive Geschmacks- und Geruchsänderung und eine somatoforme Störung vor.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 05.03.2012 Widerspruch ein und verwies auf die erfolgte physikalische Einwirkung auf den Kopf, so dass die erheblichen Beeinträchtigungen im Kopfbereich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. § 80a SGB VII sei verfassungsrechtlich bedenklich, da eine Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen werde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb für einen sehr kleinen Bereich der Gesamtheit der Unfallversicherten eine benachteiligende Regelung getroffen worden sei.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wies den klägerischen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2012 zurück. Die Unfallfolgen der Klägerin seien vollständig erfasst worden. Die objektiv feststellbaren Befunde zeigten keine unfallbedingten funktionellen Einschränkungen, die eine anderweitige Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zulassen würde. Die geklagten Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung ließen sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 01.03.2008 zurückführen, auch nicht im Sinne einer wesentlichen Teilursache für die genannten Beschwerden. Die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs genüge nicht als Beweis eines Kausalzusammenhanges im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierbei gingen nicht aufklärbare Unklarheiten über die Entstehung oder die Ursache einer Gesundheitsstörung stets zu Lasten des Versicherten. Ein höhergradiges Schädelhirntrauma sei ausgeschlossen worden. Des Weiteren hätte die hno-ärztliche Untersuchung keinen ursächlichen Zusammenhang der geklagten Schwindelgefühle oder der geklagten Geruchs- und Geschmacksstörung mit dem Versicherungsfall dokumentieren können. Es sei vielmehr von einer unfallunabhängigen somatoformen Störung bei der Klägerin auszugehen.
Am 06.07.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die die Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung auf dem Arbeitsunfall vom 01.03.2008 beruhen. Bei einer solchen physikalischen Einwirkung auf den Kopf sei es nicht nachvollziehbar, dass die Beschwerden nicht darauf beruhen. § 80a Abs. 1 SGB VII sei verfassungsrechtlich bedenklich, da hier eine Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen werde. Die Gesetzesbegründung könne nicht überzeugen. Für einen sehr kleinen Bereich der Gesamtheit der Unfallversicherten sei eine benachteiligende Regelung getroffen worden.
Die Klägerin beantragt über das Teilanerkenntnis hinaus,
den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr als Folgeschäden des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 die Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung und die somatoforme Störung festzustellen und eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v.H.,
hilfsweise
nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H., ab dem 11.05.2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht auf den angegriffenen Bescheid. § 80a SGB VII sei nach einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen, so dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden.
Im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht hat die Kammer Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte angefordert sowie die Schwerbehinderten- und Rentenakte, das amtsärztliche Gutachten des Main-Kinzig-Kreises und das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin beigezogen und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.
Aus dem Rentengutachten für die Alterssicherung der Landwirte vom 25.05.2011 geht hervor, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin vorübergehend aufgehoben sei.
Die Kammer hat Beweis über Art und Umfang der Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG erhoben. Dabei hat Dr. L. in seinem Gutachten auf neurologischem Gebiet vom 30.03.2013 festgestellt, dass organische Unfallfolgen bei der Klägerin auf neurologischem Gebiet eine Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des ersten Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des zweiten Trigeminusastes seien. Die Gefühlsstörung sei so begrenzt, wie es organisch bedingte Gefühlsstörungen seien. Auch die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers sei zwanglos als organische Unfallfolge zu erklären. Es handele sich sicher nicht um eine Trigeminusneuralgie. Die Sensibilitätsstörung bzw. die Überempfindlichkeit im Gesicht bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. Hier ergeben sich Überlappungen mit dem Zahn-Mund-Kiefer-chirurgischen Fachgebiet.
Unfallunabhängig liege bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung vor. Unfallunabhängig würden auch dissoziative Zustände auftreten. Ein unfallbedingtes hirnorganisches Psychosyndrom liege nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass diese auch bei anderen nicht zu vermeidenden Gelegenheiten in einer anderen Färbung aufgetreten wären.
Bei der neurologischen Untersuchung hätten sich zahlreiche Hinweise auf eine Ausgestaltung der Symptome gezeigt. Im Romberg-Stehversuch sei es zu einer völlig überraschenden Fallneigung nach vorne gekommen, so dass der Sachverständige zunächst instinktiv hinzugesprungen sei, um die Klägerin zu halten. Wenn er diese Hilfestellung unterlassen habe, mache die Klägerin einen Ausfallschritt nach vorne und falle nicht. Es handele sich um eine typische appellative Darstellung einer Gleichgewichtsstörung. Diese würde bei Ablenkung sofort nachlassen. Im Finger-Nase-Versuch habe die Klägerin ein groteskes konstantes Vorbeizeigen mit der rechten Hand auf die linke Seite gezeigt. Die Beinkraft sei von der Klägerin beidseits nicht angespannt worden und sei so gering, dass man eigentlich nicht erwarten könne, dass die Klägerin auf einem Bein hüpfen könne, was ihr jedoch gelinge. Eine Verschlechterung ihrer Kopfschmerzen habe sie während der Begutachtung nicht geklagt und es sei auch im Verhalten nicht erkennbar gewesen, dass das Hüpfen zu einem Kopfschmerz geführt habe.
Der Sachverständige sei nicht davon überzeugt, dass die Kopfschmerzen tatsächlich in dem beklagten Ausmaß bestünden. Eine zunehmende Verschlechterung der Kopfschmerzen zwei Jahre nach dem Unfall sei unfallbedingt nicht mehr erklärbar. Hier müssten sekundäre Mechanismen eine Rolle spielen, wie eine psychiatrische Störung oder das Streben nach einem sekundären Krankheitsgewinn. Für eine unfallbedingte psychiatrische Erkrankung fänden sich keine Brückensymptome. Nicht nur aufgrund des körperlichen und psychopathologischen Untersuchungsbefundes, sondern auch aufgrund der Anamnese sei der von der Klägerin behauptete Leidensdruck nur schwer nachvollziehbar.
Die Klägerin hat sich dem Ergebnis des Gutachtens nicht anschließen können. Es sei festzustellen, dass vor dem Unfall keinerlei Leistungseinschränkungen vorhanden gewesen seien.
Unter dem 29.06.2013 schlägt der Gerichtssachverständige eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 410). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Aufgrund der Neuorganisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zum 01.01.2013 ist die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau – Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen geworden. Diese Funktionsnachfolge stellt einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes dar. Die Beklagte muss sich das Handeln der Rechtsvorgängerin zurechnen lassen.
Der Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von mehr als 20 v.H., da die Primär- und Sekundärschäden des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 unter Berücksichtigung des von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses bereits zutreffend erfasst und bewertet sind und eine Verletztenrente nach § 80a Abs. 1 S. 1 SGB VII erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v.H. in Abweichung von § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII gewährt wird.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vom Hundert (v.H.) gemindert ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögen ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Diese Vorschrift wird durch § 80a Abs. 1 S. 1 SGB VII, mit Wirkung ab dem 01.01.2008 eingeführt, dergestalt modifiziert, als dass Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b nur Anspruch auf eine Rente haben, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 v.H. gemindert ist.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort "infolge" drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war.
Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung – versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden – eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Die Gesundheits- und Körperschäden müssen "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung.
Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht. Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen.
Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, also nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Ereignis vom 01.03.2008 ein Arbeitsunfall ist. Die Klägerin ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII als Unternehmerin eines landwirtschaftlichen Unternehmens zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls kraft Gesetzes bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin versichert gewesen. Streitig ist nach dem von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnis und dessen Annahme die Berücksichtigung der klägerischen Beschwerden in Form von Kopfschmerzen, kognitiven Leistungseinbußen, Schwindelgefühl, subjektiver Geschmacks- und Geruchsänderung und somatoformer Störung als Folgeschäden des Arbeitsunfalls.
Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis und einem Gesundheitsschaden besteht, ist in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung hat das Gericht alles Erforderliche im Sinne der §§ 103, 128 SGG zu tun, um diese Frage zu klären, wobei es sich des Urteils fachkundiger Sachverständiger zu bedienen hat, um mit deren Hilfe festzustellen, ob nach den einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen das angeschuldigte Ereignis die wahrscheinliche Ursache des bestehenden Gesundheitsschadens ist. Maßgebend ist hierfür grundsätzlich die herrschende medizinische Lehrmeinung, soweit sie sich auf gesicherte Erkenntnisse stützen kann. Andererseits ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sich mit voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen im Einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach Auswertung und Würdigung des erstatteten Gutachtens sowie der ergänzenden Stellungnahme ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. angemessen bewertet sind. Die Kammer schließt sich insofern dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. L. an. Dr. L. hat in seinem Gutachten auf neurologischem Gebiet vom 30.03.2013 festgestellt, dass organische Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet bei der Klägerin eine Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des ersten Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des zweiten Trigeminusastes sind. Die organische Gefühlsstörung ist seinen Ausführungen nach eng begrenzt. Auch die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers ist seines Erachtens zwanglos als organische Unfallfolge zu erklären, wobei eine Trigeminusneuralgie ausgeschlossen wird. Diese Sensibilitätsstörung bzw. die Überempfindlichkeit im Gesicht der Klägerin bedingt nach Einschätzung des Gerichtssachverständigen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. mit Überlappungen mit dem Zahn-Mund-Kiefer-chirurgischen Fachgebiet, so dass er insgesamt von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. ausgeht.
Der Gerichtssachverständige stuft die somatoforme Schmerzstörung der Klägerin als unfallunabhängig ein. Ebenso sind seiner Ansicht nach auch die dissoziativen Zustände unfallunabhängig. Ein unfallbedingtes hirnorganisches Psychosyndrom wird vom Sachverständigen verneint. Er geht davon aus, dass diese auch bei anderen nicht zu vermeidenden Gelegenheiten in einer anderen Färbung aufgetreten wären.
Der Sachverständige weist auf zahlreiche Hinweise auf eine Ausgestaltung der Symptome bei der neurologischen Untersuchung durch die Klägerin hin. Im Romberg-Stehversuch sei es zu einer völlig überraschenden Fallneigung nach vorne gekommen, so dass der Sachverständige zunächst instinktiv hinzu gesprungen sei, um die Klägerin zu halten. Wenn er diese Hilfestellung unterlassen habe, habe die Klägerin einen Ausfallschritt nach vorne gemacht und nicht gefallen. Der Sachverständige beurteilt dies als eine typische appellative Darstellung einer Gleichgewichtsstörung, welche bei Ablenkung sofort nachlassen würde. Im Finger-Nase-Versuch habe die Klägerin ein groteskes konstantes Vorbeizeigen mit der rechten Hand auf die linke Seite gezeigt. Die Beinkraft sei von der Klägerin beidseits nicht angespannt worden und so gering, dass man eigentlich nicht erwarten könne, dass die Klägerin auf einem Bein hüpfen könne, was ihr jedoch gelinge. Eine Verschlechterung ihrer Kopfschmerzen während der Begutachtung habe die Klägerin nicht geklagt und sei auch im Verhalten nicht erkennbar gewesen, dass das Hüpfen zu einem Kopfschmerz geführt habe. Der Sachverständige ist nicht davon überzeugt, dass die Kopfschmerzen tatsächlich in dem beklagten Ausmaß bestehen. Eine zunehmende Verschlechterung der Kopfschmerzen zwei Jahre nach dem Unfall ist seines Erachtens unfallbedingt nicht mehr erklärbar, so dass sekundäre Mechanismen eine Rolle spielen, wie eine psychiatrische Störung oder das Streben nach einem sekundären Krankheitsgewinn. Für eine unfallbedingte psychiatrische Erkrankung findet der Sachverständige keine Brückensymptome. Nicht nur aufgrund des körperlichen und psychopathologischen Untersuchungsbefundes, sondern auch aufgrund der Anamnese ist für den Gerichtssachverständigen der von der Klägerin behauptete Leidensdruck nur schwer nachvollziehbar.
Dieses Ergebnis wird durch die Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren bestätigt. Auch in dem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 13.12.2010 werden bei der Klägerin gewisse Verdeutlichungstendenzen bezüglich der geringen Belastbarkeit und einer herabgesetzten Konzentrationsleistungen festgestellt, wenn auch ohne begründeten Simulationsverdacht. Das klinisch-psychologische Zusatzgutachten vom 23.11.2010 hat bei der Klägerin eine somatoforme Störung beschrieben. Und das nervenärztliche Gutachten vom 12.01.2011 hat die somatoforme Störung als nicht unfallbedingt eingeschätzt, sondern auf die äußeren Lebensumstände der Klägerin zurückgeführt. Ein Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn konnte nicht ausgeschlossen werden.
Das zahnärztliche Gutachten vom 13.04.2011 stellt bei der Klägerin eine craniomandibuläre Dysfunktion und druckschmerzhafte Verhärtungen der Kaumuskulatur aufgrund der nicht optimalen Verzahnung zwischen Ober- und Unterkiefer fest, so dass die Klägerin nicht zusammen beißen und nur auf der nicht betroffenen Seite kauen kann. Aus der craniomandibulären Dysfunktion folgt die zuerkannte Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. Eine Behandlung mit einer Schiene ist mittlerweile zu Lasten der Beklagten erfolgt.
Das hno-fachärztliche Zusatzgutachten vom 24.06.2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form von einem Schwindelgefühl bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung nicht auf den Unfall zurückzuführen sind mangels ohrnaher Verletzungen. Auch hier hatte sich in der klinischen Gleichgewichtsprüfung eine Fallneigung nach vorne rechts bei Augenschluss gezeigt, wobei die kalorische Gleichgewichtsprüfung und die Videookulographie keinen Anhalt für eine peripher vestibuläre Störung ergeben haben. Weder ein Geschmacksverlust noch ein Geruchsverlust ist objektivierbar gewesen.
Prof. Dr. Dr. G. benannte unter dem 15.08.2011 eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet. Die bestehende craniomandibuläre Dysfunktion sei mit einer teiladjustierbaren Schiene therapierbar. Diese Einschätzung hat auch der Gerichtssachverständige.
Die Bewertung der craniomandibulären Dysfunktion als Unfallfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. entspricht den Erfahrungswerten.
§ 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII bestimmt, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bezeichnet. Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt. Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles.
Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die Minderung der Erwerbsfähigkeit einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Objektivierbar und nachweislich auf den Unfall zurückzuführen ist bei der Klägerin nur die craniomandibuläre Dysfunktion sowie die Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des ersten Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des zweiten Trigeminusastes – ohne Neuralgieschmerz – sowie eine Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers. Aus Mehrhoff, Meindl, Muhr, Unfallbegutachtung, ergeben sich für den betroffenen Bereich folgende Erfahrungswerte:
Ein Verlust der Geruchs- oder Geschmackswahrnehmung wäre jeweils mit 10 v.H. zu bewerten, ist aber bei der Klägerin zum einen nicht nachgewiesen und zum anderen nicht vollständig.
Für den Bereich der Mundhöhle und der Zähne sind folgende Werte vorgesehen:
• Lippendefekt mit Speichelfluss = 20
• Verengung der Mundöffnung oder Kieferklemme mit der Notwendigkeit nur flüssiger Ernährung = 30
• schwere Leistungsstörung der Zunge durch Lähmung, Gewebsverlust oder Narbenverziehung = 30
• schlaffe Falschgelenkbildung am Unterkiefer, Teilverlust desselben = 25
• Teilverlust des Oberkiefers mit Eröffnung von Nebenhöhlen und Nase, Verlust erheblicher Teile der Zahnleiste mit wesentlicher Leistungsstörung oder mit Verlust aller Zähne = 25
• Verlust des Gaumens = 30.
Vergleicht man die aufgeführten Erfahrungswerte mit den klägerischen Funktionseinschränkungen, ist die bei der Klägerin zuerkannte Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. keinesfalls am unteren Ende des Beurteilungsspielraumes anzusehen. Die Kammer hat hierbei insbesondere die Überlappungen zwischen zahnärztlichem und neurologischem Gebiet zu bedacht.
Das Gesamtbild aller Funktionseinschränkungen ist mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ganzen zu würdigen, wobei die einzelnen Werte nicht schematisch addiert werden. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Zunächst ist von der Funktionsstörung mit der höchsten Einzel-Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit weitere Funktionsstörungen das Ausmaß der Einschränkungen vergrößern.
Ausgangspunkt ist daher die Einzel-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. für die craniomandibuläre Dysfunktion mit druckschmerzhafter Verhärtungen der Kaumuskulatur und eingeschränkter Kaumöglichkeit nach Alveolarfortsatzfraktur um Bereich des Oberkiefers Regio 11 bis 24. Die Einzel-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. auf neurologischem Gebiet führt nicht zu einer gravierenden Erhöhung der Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf dem Gebiet des Erwerbslebens. Denn ausweislich des Vortrages sowie der Beschwerdeschilderung steht die unfallunabhängige somatoforme Störung im Vordergrund, welche jedoch nicht zu bewerten ist. Ausschlaggebend ist für die Kammer des Weiteren der Vergleich mit den Erfahrungswerten gewesen. So sehen diese die klageweise begehrte Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v.H. bei folgenden Funktionseinschränkungen vor: komplette Gesichtsnervenlähmung oder eine entstellende Kontraktur (30), Hirnschäden mit einer mittelschweren Leistungsbeeinträchtigung (30-50), Beckenbrüche mit groben Verschiebungen der Beckenhälften (30-40). Vergleicht die Kammer die klägerischen Funktionseinschränkungen mit den gerade genannten, sind diese zu Recht mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. bewertet worden und unter keinem tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt höher zu bewerten.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im unfallversicherungsrechtlichen Sinne auf den Unfall vom 01.03.2008 zurückzuführen sind, sondern sie hätten nach Auffassung der Kammer entsprechend den gutachterlichen Ergebnissen genauso gut durch jede andere physisch bzw. psychisch belastende Sensationen ausgelöst werden können. Es fehlt daher an der wesentlichen Mitwirkung des anerkannten Arbeitsunfalls.
Denn die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist nur gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, d. h. nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286). Wie bereits ausgeführt, ist das gerade nicht der Fall.
Eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. entsprechend des klägerischen Hilfsantrages kommt nach Ansicht der Kammer auch nicht mittels einer verfassungskonformen Auslegung von § 80a Abs. 1 S. 1 SGB VII in Betracht. Anders als das SG Fulda in seiner Entscheidung vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, kann die Kammer zumindest bei Unternehmern eines landwirtschaftlichen Unternehmens keine offensichtliche Verfassungswidrigkeit erkennen, so dass es auch keiner verfassungskonformen Auslegung dieser Norm bedarf.
Die Kammer ist grundsätzlich an das Gesetz gebunden, wie sich aus Art. 20 Abs. 3 GG und aus Art. 97 Abs. 1 GG ergibt. Dies gilt auch, wenn die Kammer Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung haben sollte. Eine Nichtbindung gilt nur für den Fall, in dem die Kammer das entscheidungserhebliche Gesetz für verfassungswidrig hält (Art. 100 Abs. 1 GG). Hierfür genügen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gerade nicht, sondern das Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt sein. Eine solche Überzeugung hat die Kammer auch nach Würdigung der klägerischen Argumente sowie der Entscheidung des SG Fulda vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, nicht gewinnen können.
Das SG Fulda hat in seiner Entscheidung vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, wie folgt argumentiert: "a) Der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet in seiner gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch den parlamentarischen Gesetzgeber bindenden Ausprägung als Rechtsetzungsgleichheit, wesentliche gleiche Sachverhalte einer Ungleichbehandlung zu unterwerfen, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorliegt. Einer solchen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf es dann, wenn verschiedene Personen oder Personengruppen rechtlich unterschiedlich behandelt werden und beide Gruppen unter einem gemeinsamen Oberbegriff (genus proximum) gefasst werden können (s. Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II – Grundrechte, 25. Aufl. 2009, Rn. 460, 463, 465 ff.).
aa) Vorliegend hat der Gesetzgeber aus dem Kreis aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen, die insoweit als Oberbegriff die – neben § 3 und 6 SGB VII – in den Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung Einbezogenen bilden, durch § 80a Abs. 1 SGB VII die in der Landwirtschaft Tätigen einer von allen übrigen Versicherten abweichenden Regelung unterworfen – beschränkt auf den Anspruch auf Verletztenrente. Diesen Versicherten steht ein Rentenanspruch im Falle einer unfallbedingten MdE zwischen 20 % und 30 % nicht (mehr) zu.
Dabei kommt unter rechtlichen Betrachtungen nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII Versicherten Personen als Oberbegriff in Betracht. Die Gesetzesbegründung in Bezug auf § 80a Abs. 1 SGB VII könnte hier zwar zunächst Anderes nahelegen. Diese Norm wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2984 [2985]) mit Wirkung vom 1. Januar 2008 in das SGB VII eingefügt. Sie war nicht Bestandteil des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 16/6520), sondern wurde im Rahmen der Ausschussberatungen erarbeitet und fand sodann Eingang in Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) vom 7. November 2007 (BT-Drs. 16/6984). Zur Begründung des Gesetzentwurfs wird hier ausgeführt (ebd., S. 15):
‚Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten.‘
Dies könnte dahin gehend interpretiert werden, dass neben der ‚herkömmlichen‘ gesetzlichen Unfallversicherung eine spezielle landwirtschaftliche Unfallversicherung existierte, die eigenen Regeln folgt und sich insofern systematisch wie inhaltlich als aliud darstellt, so dass die daran anknüpfenden Regelungen ihrerseits ebenfalls ein eigenes System bilden und daher im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf die übrigen Versicherten ohne Relevanz sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Richtig ist zwar, dass die gesetzliche Pflichtversicherung von Unternehmern und deren Ehegatten eine Besonderheit darstellt. Jedoch hat der Gesetzgeber im Übrigen daraus keine weiteren Konsequenzen gezogen, indem er etwa auch ein eigenes Leistungsrecht normiert oder der Unfallversicherung der Landwirte eine eigenes Gepräge gegeben hätte. Schon bei rein formaler Betrachtung wird dies durch die systematische Stellung der den Versicherungsschutz begründenden Norm deutlich: Sie ist als ‚einfache‘ Nr. 5 in die Liste der qua Gesetz angeordneten Tatbestände eingereiht, ohne dass hier eine besondere Norm, vergleichbar §§ 3 oder 6 SGB VII, geschaffen worden wäre. Bis zum Inkrafttreten des § 80a SGB VII hielt es der Gesetzgeber nicht für angezeigt, insoweit ein eigenes Gesetzesregime für Landwirte zu schaffen (anders als etwa im Bereich der Rentenversicherung). Daher sind auch landwirtschaftliche Unternehmer (und ihre Ehegatten) historisch nur eine Gruppe unter den der Gesetzlichen Unfallversicherung unterstehenden Personen. Daher kommt als verfassungsrechtlich relevanter Oberbegriff nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen in Betracht.
bb) Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt. Dabei sind an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Je intensiver die Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Hierzu hat das BVerfG (BVerfGE 107, 27 [46]) ausgeführt:
‚Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 5 (12); 88, 87 (96); 101, 54 (101); 103, 310 (318); 105, 73 (110 f.) - dort auch zum Folgenden). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, ‚wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt‘ (vgl. BVerfGE 1, 14 (52); aus der stRspr z.B. BVerfGE 89, 132 (141)). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 93, 386 (397)). Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 82, 126 (146); 88, 87 (96); 89, 15 (22 f.); 89, 69 (89); 90, 46 (56); 91, 346 (363); 95, 267 (316 f.); 97, 271 (290 f.); 98, 365 (389); 99, 367 (388); vgl. auch BVerfGE 99, 341 (355 f.)). Nähere Maßstäbe und Kriterien lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (stRspr des Zweiten Senats, z.B. BVerfGE 75, 108 (157); 93, 319 (348 f.); 93, 386 (397); 101, 275 (291); 103, 310 (318); 105, 73 (111); vgl. auch aus der Rechtsprechung des Ersten Senats BVerfGE 88, 5 (12 f.); 88, 87 (96 f.); 90, 226 (239)).‘
Dabei ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber zum Erhalt seiner Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anders als bei Freiheitsgrundrechten ein weiter Ermessensspielraum zugestanden werden muss und es daher insbesondere nicht verfassungsrechtlicher Prüfung unterliegt, ob die sachgerechteste Lösung gewählt worden ist (Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II Grundrechte, 20. Aufl. 2004, Rn. 478 f. m.w.Nw.).
Im vorliegenden Fall ist angesichts dieses Maßstabes zunächst zu beachten, dass es nicht um einen Fall der Eingriffs-, sondern der Leistungsverwaltung handelt. Der Kläger erleidet durch § 80a Abs. 1 SGB VII keinen Rechtseingriff, vielmehr wird ihm eine Leistung der Gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 bzw. 25 %, vorenthalten, die sonstigen Versicherten zuteilwird. Dies reduziert die ‚Eingriffs‘-Intensität der hier zu beurteilenden Ungleichbehandlung prima facie. Allerdings wird dies dadurch kompensiert, dass die gesetzliche Regelung in Fällen wie dem des Klägers an dessen Eigenschaft als Ehegatte einer Unternehmerin anknüpft und damit auch der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG berührt wird. Dies führt zu einer erhöhten Eingriffsintensität, die eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende Rechtfertigungspflicht auslöst. Der Gesetzgeber knüpft hier bezüglich der Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers an deren letztlich unverfügbares Merkmal der Eheschließung an, um eine Ungleichbehandlung zu deren Lasten vorzunehmen. Unabhängig von der Frage, ob dies mit Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Schutzgebot für die Ehe vereinbar ist, führt dies jedenfalls im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG dazu, dass der Gesetzgeber einer besonderen Rechtfertigungspflicht unterliegt. Es genügt daher nicht jeder sachliche Grund, den der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung heranzieht; vielmehr müssen sich die Gründe auch als verhältnismäßig im weiteren Sinne darstellen. Dem wird § 80a Abs. 1 SGB VII nicht gerecht.
Die Ausschussbegründung (s.o., BT-Drs. 16/6984, S. 15 f.) führt hierzu aus:
‚Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten.
Bei Verletzungen, die eine MdE von unter 30 v. H. nach sich ziehen, ist bei dem Personenkreis der landwirtschaftlichen Unternehmer, ihrer Ehegatten oder Lebenspartner und der mitarbeitenden Familienangehörigen regelmäßig davon auszugehen, dass kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt. Daher werden bei niedrigen Erwerbsminderungsstufen (MdE 20 Prozent und 25 Prozent) in der Regel ausschließlich immaterielle Schäden ausgeglichen. Die Verletztenrente hat in diesen Fällen eine dem Schmerzensgeld vergleichbare Funktion. Bei Unternehmern und deren Ehegatten oder Lebenspartnern sowie bei den im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen liegt dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung – anders als bei den versicherten Arbeitnehmern – aber keine Ablösung der Unternehmerhaftung zugrunde. Vielmehr handelt es sich um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe, die es nicht geboten sein lässt, im gleichen Umfang wie bei Arbeitnehmern auch immaterielle Schäden abzugelten.
Deshalb soll künftig der Rentenanspruch für Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner und die im Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert einsetzen. Eine Änderung für die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitnehmer ist dagegen nicht vorgesehen. Es handelt sich dabei um eine bedarfsgerechte Ausformung des geltenden Rechts für pflichtversicherte Unternehmer, die es in keinem anderen Bereich gibt. Mit dieser Änderung wird zudem ein Vorschlag des Berufsstandes aufgegriffen, um die Aufwendungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zu reduzieren und die Beitragszahler finanziell zu entlasten.
Die Ansprüche der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 versicherten Arbeitnehmer sowie der wie Arbeitnehmer tätig werdenden Personen bleiben davon unberührt, für sie entsteht wie bisher der Rentenanspruch bereits ab einer MdE von wenigstens 20 v. H.‘
Daraus ergeben sich nach Auffassung der Entwurfsverfasser vier Gründe für die normierte Ungleichbehandlung:
- Charakter der unternehmerischen Selbsthilfe im Rahmen einer Unternehmer-Pflichtversicherung,
- kein Erwerbsschaden durch Verletzungsfolgen,
- keine Ablösung der Unternehmerhaftung sowie
- Reduzierung der Beitragsbelastung.
Diese Gründe rechtfertigen jedoch die Ungleichbehandlung nicht.
(1) Die Erwägung einer eigenständigen Unternehmerpflichtversicherung im System der Gesetzlichen Unfallversicherung trifft faktisch zunächst als solches zu, vermag aber nicht unmittelbar zu begründen, warum dies auch Nachteile für Ehegatten der Unternehmer rechtfertigen soll. Freilich werden diese – anders als in allen anderen Versichertengruppen – aufgrund ‚bloßer‘ Eheschließung in den Kreis der Versicherten einbezogen und nehmen auf diese Weise an einer Art um Ehegatten erweiterter unternehmerischer Selbsthilfe teil, ohne dass es etwa wie in § 2 Abs. 2 SGB VII auf eine bestimmte Art oder Umfang der mithelfenden Tätigkeit ankäme. Allerdings bleiben auch hier die zuvor unter aa) dargelegten Umstände relevant: Eine selbstständige ‚Landwirtschaftliche Unfallversicherung‘ hat der Gesetzgeber gerade nicht errichtet, zumal, wie die Begründung selbst ausführt, die ‚Beschäftigten‘ in der Landwirtschaft weiterhin den allgemeinen Regeln unterliegen sollen. Sodann ist ein inhaltlicher Konnex zwischen dem Charakter als ‚genossenschaftlicher‘ Selbsthilfe und einer daraus folgenden Leistungseinschränkung nicht ersichtlich. Eine Rechtfertigung einer Andersbehandlung ergibt sich daraus nicht per se, zumal nicht auf der Rechtsfolgenseite. Denn die mit den Leistungen der Unfallversicherung verfolgte Kompensation von Unfallfolgen erhält nicht dadurch eine andere Gewichtung, dass es sich um eine Selbsthilfe der Versicherten (Unternehmer und Ehegatten) handelt.
(2) Das – unterstellte – Fehlen eines Erwerbsschadens kann die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen. Diese Erwägung ist nicht vereinbar mit dem Grundprinzip der Verletztenrente. Diese wird gem. § 56 Abs. 1 SGB VII allein nach dem Maßstab der durch den Versicherungsfall verursachten MdE geleistet und ist bei allen Versicherten völlig unabhängig von einer durch die Unfallfolgen etwaig eingetretenen tatsächlichen Erwerbsschadens. Richtig ist zwar, dass die Verletztenrente einen Schadensausgleich darstellt; doch wird dieser im Gegensatz zum konkreten Schadensersatzausgleich im Zivilrecht abstrakt berechnet und enthält insofern auch fiktive Anteile für materielle und immaterielle Schäden (Feddern in: jurisPK-SGB VII, § 80a SGB VII Rn. 8 [Stand: 1.1.2009]). Es bleibt jedoch dabei, dass die MdE-Bewertung keinerlei Bezug zu einem tatsächlichen, konkreten Schaden, sei er immateriell oder materiell, besitzt. Hierbei kommt es gem. § 56 Abs. 2 SGB VII allein auf die ‚sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens‘ an, ohne dass es für die Gewährung einer Verletztenrente erforderlich wäre, dass infolge eines Versicherungsfalles tatsächlich ein vermindertes Einkommen für einen Versicherten einträte. Umgekehrt besteht mit Ausnahme der engen Grenzen besonderer Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII auch kein Anspruch auf erhöhte Leistungen, wenn durch einen Versicherungsfall ein Arbeitsplatzverlust einträte und neue Erwerbsmöglichkeiten nur zu einem erheblich verminderten Entgelt bestünden. Wer also außerhalb des Anwendungsbereichs des § 80a Abs. 1 SGB VII eine unfallbedingte MdE von 20 % erleidet, erhält Verletztenrente auch dann, wenn er wie vor dem Versicherungsfall weiterbeschäftigt wird und gleiches Entgelt erhält.
Folglich dient die Leistung einer Verletztenrente ihrem Charakter nach allein der finanziellen Kompensation der Minderung abstrakter Erwerbsmöglichkeiten durch verminderte Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Diese (abstrakten) Erwerbsmöglichkeiten sind aber bei Versicherten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII aber in gleicher Weise eingeschränkt wie bei allen anderen Versicherten auch. Eine Sondersituation der landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Ehegatten im Hinblick auf einen – unterstellten – Ausfall eines Erwerbsschadens oder die Kompensation nur immaterieller Schäden besteht daher nicht und kann somit auch keine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Die Inkonsequenz der Regelung durch Schlechterstellung nur der Versicherten nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) u. b) auch gegenüber den insofern in derselben Situation befindlichen Unternehmern gem. lit. c) unterstreicht zusätzlich die fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (vgl. Ricke, in: KassKomm, § 80a SGB VII Rn. 2 [Stand: April 2009])
(3) Die regelmäßig fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich der Landwirtschaft rechtfertigt die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht. Insofern stellt sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs ab einer MdE von 30 % als widersprüchlich dar. Dies gilt hier erneut insoweit, als die Gesetzesbegründung auf – unterstellt – nur immaterielle Schäden Bezug nimmt, die für das System der Verletztenrente ohne Relevanz sind. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, warum die fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich einer MdE von 30 % oder höher keine Bedeutung mehr haben soll. Angesichts des Charakters der Verletztenrente, abstrakt unfallbedingt verlorene Erwerbsmöglichkeiten zu kompensieren, erweist sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs im Umfang des § 80a Abs. 1 SGB VII als systematisch widersprüchlich und damit nicht sachangemessen. Folglich kann die Ungleichbehandlung damit nicht gerechtfertigt werden.
(4) Letztlich kann auch eine Reduzierung der Beitragsbelastung die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Bei der durchzuführenden Abwägung ist einerseits auf die zuvor unter aa) bis cc) dargelegten Umstände zu verweisen. Die hier gegen eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sprechenden Umstände können durch die Erwägung einer bloßen Reduzierung der Beitragslast nicht kompensiert werden.
Hinzu kommt, dass insbesondere die geringen Rentenansprüche, die aus einer MdE von 20 % oder 25 % erwachsen, nicht geeignet erscheinen, zu einer weitgehenden Beitragsreduzierung zu führen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich und wird auch in der Gesetzesbegründung nicht näher belegt, dass und welche Beitragsreduzierung infolge der Leistungseinschränkung zu erwarten sein wird. Daher ist die Begründung insoweit ebenfalls nicht geeignet, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer zu rechtfertigen.
Somit erweist sich § 80a Abs. 1 SGB VII wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG zumindest im Hinblick auf versicherte Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer als verfassungswidrig."
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. Abs. 1 GG vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Gleichfalls wird eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem verboten, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die die Gleichbehandlung verbieten. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal wird ein unterschiedlich strenger Prüfungsmaßstab angelegt, zumal dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt ist (Urteil des BSG vom 20.12.2012, Az. B 10 EG 19/11 R, mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).
Greift die Kammer die vier Hauptgründe der divergierenden Regelung auf, nämlich
1. Charakter der unternehmerischen Selbsthilfe im Rahmen einer Unternehmer-Pflichtversicherung,
2. kein Erwerbsschaden durch Verletzungsfolgen,
3. keine Ablösung der Unternehmerhaftung sowie
4. Reduzierung der Beitragsbelastung
ist kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG festzustellen bzw. sachlich gerechtfertigt. Die Versicherung kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung ist für Unternehmer etwas Besonderes und Außergewöhnliches. Die der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterliegenden Pflichtmitglieder unterscheiden sich bereits strukturell sowie hinsichtlich Art und Umfang ihrer Tätigkeit von anderen Unternehmern. Ziele der zum 01.01.2008 eingeführten Gesetzesänderungen im Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind eine angemessene Beitragsbelastung und eine innerlandwirtschaftliche Beitragsgerechtigkeit gewesen (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 1). Weiter wird ausgeführt (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 2):
"Die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist kein eigenständiges System, sondern vielmehr Bestandteil der gesetzlichen Unfallversicherung (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII). Dieser Teil der agrarsozialen Sicherung ist also mit der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung eng verzahnt. Innerhalb dieses einheitlichen rechtlichen Rahmens gibt es nur wenige Sonderregelungen für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. Diese betreffen lediglich die – anders als im Bereich der gewerblichen Unfallversicherung – kraft Gesetzes versicherten Unternehmer sowie die Art der Beitragsbemessung.
Ein weiterer Unterschied zur allgemeinen Unfallversicherung besteht darin, dass die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften seit 1963 Bundeszuschüsse erhalten. Sie sind zweckgebunden und dienen dazu, die Beiträge der zuschussberechtigten land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer zu senken und zu einer Annäherung der Belastungsunterschiede zwischen den Regionen beizutragen. Ein weiteres finanzielles Engagement des Bundes muss jedoch die Belange der Haushaltskonsolidierung berücksichtigen. Eine Begrenzung des finanziellen Engagements des Bundes kann aber nur dann ohne Auswirkungen auf die Beitragszahler bleiben, wenn zügig neben einer Modernisierung der Verwaltungsstrukturen Maßnahmen zur Neuausrichtung der Ausgabenstruktur der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften in Angriff genommen werden."
Neben der Frage, ob die unfallversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer mit den anderen Versicherten kraft Gesetzes überhaupt gleich zu stellen sind, stellt sich weiter die Frage, ob dieser Verstoß nicht sachlich gerechtfertigt ist.
Betrachtet man sich den Kreis der Versicherten, die von § 80a SGB VII betroffen sind, sind es die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens, die im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten bzw. Lebenspartner und die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen. Ausgeschlossen von der Sonderregelung sind die in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig Tätigen sowie die ehrenamtlich in den Berufsverbänden und Unternehmen Tätigen. Strukturell werden daher die Familienbetriebe und Kleinstbetriebe sowie Nebenerwerbslandwirte von § 80a SGB VII erfasst. Genau diese werden aber von den zwangsweise erhobenen Beiträgen als Pflichtmitglieder oft unverhältnismäßig hinsichtlich Aufwand und Erlös eines kleinen landwirtschaftlichen Unternehmens betroffen, so dass ihnen die beabsichtigte Senkung der Beiträge auch besonders zu Gute kommt.
Aus dem Jahresbericht der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau 2011, Seite 26 ergibt sich Folgendes, insbesondere auch zum Selbstverständnis:
"Die Landwirtschaftliche Unfallversicherung ist ein besonderer Zweig der gesetzlichen Unfallversicherung. Die eigenständige Bedeutung der LUV hat der Gesetzgeber durch besondere Vorschriften im SGB VII unterstrichen und damit den spezifischen, von den gewerblichen Unternehmen abweichenden Strukturen der Landwirtschaft Rechnung getragen. Hieraus ergibt sich auch eine gegenüber der allgemeinen Unfallversicherung abweichende Zielsetzung der LUV. Während die allgemeine Unfallversicherung vorrangig den Unfallversicherungsschutz der Arbeitnehmer sicherstellt, zielt die LUV insbesondere auf den Versicherungsschutz der selbständigen landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Familienangehörigen ab. Demgemäß ist die LUV nicht nur von der Idee der Ablösung der Unternehmerhaftung, sondern auch vom Prinzip der genossenschaftlichen Eigenhilfe geprägt.
Dem übergeordneten Ziel der gesetzlichen UV (§ 1 SGB VII), mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten und nach deren Eintritt die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen, ist auch die LUV verpflichtet.
Die Ausgaben der LBGen werden im Wesentlichen durch Beiträge der versicherten Unternehmer sowie durch vom Bund gezahlte Mittel bestritten."
Aus dem Selbstverständnis der landwirtschaftlichen Unfallversicherung heraus handelt es sich um einen eigenständigen Zweig innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung, welche insbesondere den Versicherungsschutz der selbständigen landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Familienangehörigen bezweckt. Auch aus der Satzung ergeben sich Besonderheiten nach Eintritt des Leistungsfalls, nämlich eine Wartezeit bei dem Bezug von Verletztengeld und Rente sowie bei der Berechnung des Jahresarbeitsentgelts (§§ 26, 27, 28 der Satzung). Hierbei kann nach § 47 der Satzung eine Zusatzversicherung hinsichtlich des Jahresarbeitsverdienstes abgeschlossen werden, nicht aber hinsichtlich der Wartezeit bezüglich Verletztengeld und Rente. Es bestehen also innerhalb des SGB VII verschiedene Sonderregelungen und Sonderbestimmungen für den Bereich der Landwirtschaft. Diese sind durch die Interessenverbände an den Gesetzgeber herangetragen worden, um die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Struktur zu berücksichtigen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die versicherten Unternehmer kraft Gesetzes sowie ihre Familienangehörigen ansonsten schutzlos wären, wenn sie sich nicht freiwillig versichern würden. Diese Gruppe ist aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen kraft Gesetzes den eigentlich Beschäftigten gleichgestellt worden (Bundestagsdrucksache 16/6984, Seite 15). Gerade in landwirtschaftlichen Familienbetrieben ist eine Mitarbeit der Familienangehörigen, auch der Altenteiler, durchaus üblich und von einer in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versicherten Gefälligkeit gegenüber einer versicherten Arbeit von wirtschaftlichen Wert schwer abzugrenzen. Durch die nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a, b SGB VII hat man genau diesen Personenkreis pflichtversichert und damit die genannten Abgrenzungsprobleme umgangen (Bundestagsdrucksache 16/6984, Seite 15).
Insofern sieht die Kammer den Personenkreis der gesetzlich pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer als etwas wesentlich Ungleiches an, so dass eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Höhe der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht zwingend geboten ist. Darüber hinaus rechtfertigen die genannten strukturellen Unterschiede eine Ungleichbehandlung, welche von den tragenden Verbänden (Deutscher Bauernverband, IG BAU) der betroffenen Versicherten so auch gewollt gewesen ist (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 3). Mit einer Verringerung des Rentenaufwandes mit bis zu 100 Millionen Euro wird gerechnet (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 4). Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass mögliche Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (Feddern, jurisPK-SGB VII, § 80a SGB VII). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass bei dem Personenkreis der pflichtversicherten Unternehmer stets die Unternehmenssubstanz als wirtschaftlicher Rückhalt verbleibt, so dass nicht von sachwidrigen Erwägungen auszugehen ist, wenn sich diese Personengruppe im Rahmen der Selbstverwaltung diesen Regelungen unterwirft (BVerfG, Urteil vom 24.07.2002, 1 BvR 644/95). Eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG, Urteil vom 24.07.2002, 1 BvR 644/95). Die land- und forstwirtschaftlichen Lohnunternehmen stellen im Verhältnis zur Gesamtheit der land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen – wie aus der Stellungnahme des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Unfallversicherung hervorgeht – eine seltene Unternehmensart mit einem Anteil von etwa 1 % dar (BVerfG, Urteil vom 24.07.2002, 1 BvR 644/95).
Nach alledem ist die Klage abzuweisen gewesen. Die klägerischen Argumente haben nicht rechtserheblich durchgegriffen. Hinsichtlich der gerügten Verfassungsmäßigkeit von § 80a SGB VII wird darauf hingewiesen, dass es sich im hiesigen Fall im Vergleich zu der Entscheidung des SG Fulda vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, um einen anderen Sachverhalt gehandelt hat, da die Klägerin selbst Unternehmerin gewesen ist und es sich nicht um einen betroffenen Ehegatten gehandelt hat. Zudem hat die Kammer keine offensichtliche Verfassungswidrigkeit erkennen können, da keine wesentlich gleichen Personengruppen ungleich behandelt werden. Bezüglich der Unfallschäden wird unter Verweis auf die obigen Ausführungen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. für zutreffend erachtet und die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 01.03.2008 zurückzuführen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für die Klägerin gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
2) Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, in welcher Höhe die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 gemindert ist, welche Folgen noch anzuerkennen sind und ob § 80a SGB VII verfassungswidrig ist.
Die 1970 geborene Klägerin, erlitt am 01.03.2008 gegen 10:40 Uhr einen Arbeitsunfall. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als selbstständige Pferdewirtin wurde die Klägerin beim Verladen eines Pferdes von diesem getreten und am Kopf- sowie Brustbereich getroffen. Sie verlor das Bewusstsein und konnte sich an den Vorgang und die Ereignisse danach nicht erinnern. Die Klägerin zog sich neben einer Handgelenksfraktur auch Verletzungen im Kopfbereich und eine Alveolarfortsatzfraktur im Bereich der Zähne 11 bis 24 zu. Zum 28.02.2011 gab die Klägerin ihren Betrieb ab. Zurzeit bezieht die Klägerin eine befristete Rente bis 02/2014 wegen voller Erwerbsminderung.
Aufgrund der Unfallanzeige vom 03.03.2008 ermittelte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt. Diese zog Berichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten bei. Als Erstdiagnosen wurden ein Schädelhirntrauma ersten Grades, eine große Riss-/Quetschwunde occipital, eine dislozierte MC-V-Köpfchenfraktur rechts, eine Thoraxprellung und Alveolarfortsatzfrakturen der Zähne 11 bis 24 gestellt.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erbrachte durch den Bescheid vom 19.12.2008 Verletztengeld vom 01.03.2008 bis zum 20.06.2008 sowie die zur Behandlung der Verletzungsfolgen notwendige Heilbehandlung.
Die Klägerin stellte am 11.05.2010 einen Antrag bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf Verletztenrente. Die Klägerin gab an, dass sie bei körperlicher Anstrengung Kopfschmerzen und Schwindelgefühle bekomme. Sie sei vergesslich geworden und könne sich nicht mehr konzentrieren. Sie könne ihre Arbeit mit den Pferden und Reitschülern nicht mehr ausüben. Die Klägerin gab weiter an, dass sie keine Schmerzmittel einnehme, sondern bei ihren Hausarzt seit 05/2008 eine Neuraltherapie absolviere. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zog Berichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten bei, aus denen sich ein schleppender Heilungsverlauf mit Kopfschmerzen, rezidivierenden Schwindelattacken, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Koordinations- und Bewegungsstörungen, Depressionen, Zukunftsangst, Kieferschmerzen, Kaustörungen und eine fehlende Belastbarkeit der Klägerin ergaben. Die gefertigte Computertomographie vom 08.05.2008 zeigte im Bereich des Schädels einen altersentsprechenden unauffälligen Befund, ebenso das MRT des Schädels vom 24.11.2010.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte die Begutachtung der Klägerin. Das neuropsychologische Zusatzgutachten von Diplom-Psychologin Adler vom 13.12.2010 stellte gewisse Verdeutlichungstendenzen der Klägerin bezüglich der geringen Belastbarkeit und herabgesetzten Konzentrationsleistungen heraus. Ein begründeter Simulationsverdacht bestünde nicht, aber die Äußerungen der Klägerin hätten teilweise im Widerspruch zur Verhaltensbeobachtung gestanden. Eine Einschränkung der visuellen Verarbeitung habe nicht nachgewiesen werden können. Der Nachweis einer exekutiven Störung gelinge eindeutig. Es hätten sich deutliche Schwierigkeiten bei einer komplexen Aufgabenstellung gezeigt. Es ließen sich auch Defizite in den korrespondierenden Aufmerksamkeitsbereichen feststellen, so dass eine exekutive Dysfunktion nicht auszuschließen sei. Die Auffälligkeiten in der Aufmerksamkeitsprüfung ließen sich am ehesten dadurch erklären, dass die Klägerin entsprechend ihrer eigenen Erwartungen, begründet durch die subjektiv wahrgenommene erheblich herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit und psychophysische Belastbarkeit in ihrem Alltag, deutlich verlangsamt reagiert habe.
Das klinisch-psychologische Zusatzgutachten von Diplom-Psychologin D. vom 23.11.2010 beschrieb bei der Klägerin eine somatoforme Störung.
Das nervenärztliche Gutachten von Dr. E. und Dr. Dr. F. vom 12.01.2011 beurteilte die somatoforme Störung der Klägerin als nicht unfallbedingt. Sie sei auf die äußeren Lebensumstände der Klägerin mit einer hohen Leistungsorientiertheit zurückzuführen. Die bis jetzt anhaltende hausärztliche Behandlung sei nicht auf das Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades zurückzuführen. Eine Kostenübernahme der Neuraltherapie könne nicht empfohlen werden. Ein Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn bei der Klägerin könne nicht ausgeschlossen werden.
Das von der Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte zahnärztliche Gutachten von Prof. Dr. Dr. G. und Dr. Dr. H. vom 13.04.2011 stellte bei der Klägerin eine craniomandibuläre Dysfunktion und druckschmerzhafte Verhärtungen der Kaumuskulatur aufgrund der nicht optimalen Verzahnung zwischen Ober- und Unterkiefer fest. Die Klägerin könne auf Aufforderung nicht die Zähne zusammen beißen und sofort eine sichere maximale Interkuspidation finden. Die Verzahnung im Unterkiefer sei nicht Folge des Unfalls. Die Narbe im Bereich des Vestibulums und der ehemaligen Alveolarfortsatzfraktur führe nach Angaben der Klägerin zu einer Störung der Oberlippenmotorik. Die Klägerin leide darunter, dass sie nur auf der rechten Seite kauen könne und Schmerzen ausstrahlend in Richtung Kopf aus der Kausmuskulaturregion des Unterkiefers links und rechts habe. Ab dem 31.08.2008 werde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. vorgeschlagen.
Das hno-fachärztliche Zusatzgutachten von Dr. J. und Dr. K. vom 24.06.2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form von einem Schwindelgefühl bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung nicht auf den Unfall zurückzuführen seien, da keine ohrnahe Verletzung vorgelegen habe. Obwohl sich in der klinischen Gleichgewichtsprüfung eine Fallneigung nach vorne rechts bei Augenschluss gezeigt habe, hätten die kalorische Gleichgewichtsprüfung und die Videookulographie keinen Anhalt für eine peripher vestibuläre Störung gezeigt. Eine deutliche Hyposmie oder Geschmacksverlust habe in der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Auch der Unfallhergang würde eine Hyposmie oder Hypgeusie nicht erklären. Aus hno-ärztlicher Sicht bestehe keine Funktionseinschränkung des Hör- oder Gleichgewichtsapparates sowie des Geruchs- oder Geschmacksvermögens der Klägerin.
Prof. Dr. Dr. G. benannte unter dem 15.08.2011 eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet. Die bestehende craniomandibuläre Dysfunktion sei mit einer teiladjustierbaren Schiene therapierbar.
Dieser Bewertung schloss sich der Beratungsarzt der Rechtsvorgängerin der Beklagten unter dem 06.10.2011 an.
Mit Bescheid vom 06.02.2012 erkannte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Ereignis vom 01.03.2008 als Arbeitsunfall an. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls, also dem 31.08.2008, nicht um wenigstens 30% gemindert sei. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 erkannte die Beklagte eine craniomandibuläre Dysfunktion mit druckschmerzhafter Verhärtungen der Kaumuskulatur und eingeschränkter Kaumöglichkeit nach Alveolarfortsatzfraktur um Bereich des Oberkiefers Regio 11 bis 24 an. Unabhängig von dem Arbeitsunfall lägen Kopfschmerzen, kognitive Leistungseinbußen, Schwindelgefühl, subjektive Geschmacks- und Geruchsänderung und eine somatoforme Störung vor.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 05.03.2012 Widerspruch ein und verwies auf die erfolgte physikalische Einwirkung auf den Kopf, so dass die erheblichen Beeinträchtigungen im Kopfbereich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. § 80a SGB VII sei verfassungsrechtlich bedenklich, da eine Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen werde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb für einen sehr kleinen Bereich der Gesamtheit der Unfallversicherten eine benachteiligende Regelung getroffen worden sei.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wies den klägerischen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2012 zurück. Die Unfallfolgen der Klägerin seien vollständig erfasst worden. Die objektiv feststellbaren Befunde zeigten keine unfallbedingten funktionellen Einschränkungen, die eine anderweitige Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zulassen würde. Die geklagten Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung ließen sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 01.03.2008 zurückführen, auch nicht im Sinne einer wesentlichen Teilursache für die genannten Beschwerden. Die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs genüge nicht als Beweis eines Kausalzusammenhanges im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierbei gingen nicht aufklärbare Unklarheiten über die Entstehung oder die Ursache einer Gesundheitsstörung stets zu Lasten des Versicherten. Ein höhergradiges Schädelhirntrauma sei ausgeschlossen worden. Des Weiteren hätte die hno-ärztliche Untersuchung keinen ursächlichen Zusammenhang der geklagten Schwindelgefühle oder der geklagten Geruchs- und Geschmacksstörung mit dem Versicherungsfall dokumentieren können. Es sei vielmehr von einer unfallunabhängigen somatoformen Störung bei der Klägerin auszugehen.
Am 06.07.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die die Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung auf dem Arbeitsunfall vom 01.03.2008 beruhen. Bei einer solchen physikalischen Einwirkung auf den Kopf sei es nicht nachvollziehbar, dass die Beschwerden nicht darauf beruhen. § 80a Abs. 1 SGB VII sei verfassungsrechtlich bedenklich, da hier eine Einzelfallregelung für den Berufsstand der Landwirte getroffen werde. Die Gesetzesbegründung könne nicht überzeugen. Für einen sehr kleinen Bereich der Gesamtheit der Unfallversicherten sei eine benachteiligende Regelung getroffen worden.
Die Klägerin beantragt über das Teilanerkenntnis hinaus,
den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr als Folgeschäden des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 die Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung und die somatoforme Störung festzustellen und eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v.H.,
hilfsweise
nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H., ab dem 11.05.2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht auf den angegriffenen Bescheid. § 80a SGB VII sei nach einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen, so dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden.
Im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht hat die Kammer Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte angefordert sowie die Schwerbehinderten- und Rentenakte, das amtsärztliche Gutachten des Main-Kinzig-Kreises und das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin beigezogen und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.
Aus dem Rentengutachten für die Alterssicherung der Landwirte vom 25.05.2011 geht hervor, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin vorübergehend aufgehoben sei.
Die Kammer hat Beweis über Art und Umfang der Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG erhoben. Dabei hat Dr. L. in seinem Gutachten auf neurologischem Gebiet vom 30.03.2013 festgestellt, dass organische Unfallfolgen bei der Klägerin auf neurologischem Gebiet eine Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des ersten Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des zweiten Trigeminusastes seien. Die Gefühlsstörung sei so begrenzt, wie es organisch bedingte Gefühlsstörungen seien. Auch die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers sei zwanglos als organische Unfallfolge zu erklären. Es handele sich sicher nicht um eine Trigeminusneuralgie. Die Sensibilitätsstörung bzw. die Überempfindlichkeit im Gesicht bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. Hier ergeben sich Überlappungen mit dem Zahn-Mund-Kiefer-chirurgischen Fachgebiet.
Unfallunabhängig liege bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung vor. Unfallunabhängig würden auch dissoziative Zustände auftreten. Ein unfallbedingtes hirnorganisches Psychosyndrom liege nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass diese auch bei anderen nicht zu vermeidenden Gelegenheiten in einer anderen Färbung aufgetreten wären.
Bei der neurologischen Untersuchung hätten sich zahlreiche Hinweise auf eine Ausgestaltung der Symptome gezeigt. Im Romberg-Stehversuch sei es zu einer völlig überraschenden Fallneigung nach vorne gekommen, so dass der Sachverständige zunächst instinktiv hinzugesprungen sei, um die Klägerin zu halten. Wenn er diese Hilfestellung unterlassen habe, mache die Klägerin einen Ausfallschritt nach vorne und falle nicht. Es handele sich um eine typische appellative Darstellung einer Gleichgewichtsstörung. Diese würde bei Ablenkung sofort nachlassen. Im Finger-Nase-Versuch habe die Klägerin ein groteskes konstantes Vorbeizeigen mit der rechten Hand auf die linke Seite gezeigt. Die Beinkraft sei von der Klägerin beidseits nicht angespannt worden und sei so gering, dass man eigentlich nicht erwarten könne, dass die Klägerin auf einem Bein hüpfen könne, was ihr jedoch gelinge. Eine Verschlechterung ihrer Kopfschmerzen habe sie während der Begutachtung nicht geklagt und es sei auch im Verhalten nicht erkennbar gewesen, dass das Hüpfen zu einem Kopfschmerz geführt habe.
Der Sachverständige sei nicht davon überzeugt, dass die Kopfschmerzen tatsächlich in dem beklagten Ausmaß bestünden. Eine zunehmende Verschlechterung der Kopfschmerzen zwei Jahre nach dem Unfall sei unfallbedingt nicht mehr erklärbar. Hier müssten sekundäre Mechanismen eine Rolle spielen, wie eine psychiatrische Störung oder das Streben nach einem sekundären Krankheitsgewinn. Für eine unfallbedingte psychiatrische Erkrankung fänden sich keine Brückensymptome. Nicht nur aufgrund des körperlichen und psychopathologischen Untersuchungsbefundes, sondern auch aufgrund der Anamnese sei der von der Klägerin behauptete Leidensdruck nur schwer nachvollziehbar.
Die Klägerin hat sich dem Ergebnis des Gutachtens nicht anschließen können. Es sei festzustellen, dass vor dem Unfall keinerlei Leistungseinschränkungen vorhanden gewesen seien.
Unter dem 29.06.2013 schlägt der Gerichtssachverständige eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 410). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Aufgrund der Neuorganisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zum 01.01.2013 ist die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau – Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen geworden. Diese Funktionsnachfolge stellt einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes dar. Die Beklagte muss sich das Handeln der Rechtsvorgängerin zurechnen lassen.
Der Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von mehr als 20 v.H., da die Primär- und Sekundärschäden des Arbeitsunfalls vom 01.03.2008 unter Berücksichtigung des von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses bereits zutreffend erfasst und bewertet sind und eine Verletztenrente nach § 80a Abs. 1 S. 1 SGB VII erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v.H. in Abweichung von § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII gewährt wird.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vom Hundert (v.H.) gemindert ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögen ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Diese Vorschrift wird durch § 80a Abs. 1 S. 1 SGB VII, mit Wirkung ab dem 01.01.2008 eingeführt, dergestalt modifiziert, als dass Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b nur Anspruch auf eine Rente haben, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 v.H. gemindert ist.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort "infolge" drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war.
Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung – versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden – eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Die Gesundheits- und Körperschäden müssen "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung.
Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht. Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen.
Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, also nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Ereignis vom 01.03.2008 ein Arbeitsunfall ist. Die Klägerin ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII als Unternehmerin eines landwirtschaftlichen Unternehmens zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls kraft Gesetzes bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin versichert gewesen. Streitig ist nach dem von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnis und dessen Annahme die Berücksichtigung der klägerischen Beschwerden in Form von Kopfschmerzen, kognitiven Leistungseinbußen, Schwindelgefühl, subjektiver Geschmacks- und Geruchsänderung und somatoformer Störung als Folgeschäden des Arbeitsunfalls.
Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis und einem Gesundheitsschaden besteht, ist in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung hat das Gericht alles Erforderliche im Sinne der §§ 103, 128 SGG zu tun, um diese Frage zu klären, wobei es sich des Urteils fachkundiger Sachverständiger zu bedienen hat, um mit deren Hilfe festzustellen, ob nach den einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen das angeschuldigte Ereignis die wahrscheinliche Ursache des bestehenden Gesundheitsschadens ist. Maßgebend ist hierfür grundsätzlich die herrschende medizinische Lehrmeinung, soweit sie sich auf gesicherte Erkenntnisse stützen kann. Andererseits ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sich mit voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen im Einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach Auswertung und Würdigung des erstatteten Gutachtens sowie der ergänzenden Stellungnahme ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. angemessen bewertet sind. Die Kammer schließt sich insofern dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. L. an. Dr. L. hat in seinem Gutachten auf neurologischem Gebiet vom 30.03.2013 festgestellt, dass organische Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet bei der Klägerin eine Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des ersten Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des zweiten Trigeminusastes sind. Die organische Gefühlsstörung ist seinen Ausführungen nach eng begrenzt. Auch die Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers ist seines Erachtens zwanglos als organische Unfallfolge zu erklären, wobei eine Trigeminusneuralgie ausgeschlossen wird. Diese Sensibilitätsstörung bzw. die Überempfindlichkeit im Gesicht der Klägerin bedingt nach Einschätzung des Gerichtssachverständigen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. mit Überlappungen mit dem Zahn-Mund-Kiefer-chirurgischen Fachgebiet, so dass er insgesamt von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. ausgeht.
Der Gerichtssachverständige stuft die somatoforme Schmerzstörung der Klägerin als unfallunabhängig ein. Ebenso sind seiner Ansicht nach auch die dissoziativen Zustände unfallunabhängig. Ein unfallbedingtes hirnorganisches Psychosyndrom wird vom Sachverständigen verneint. Er geht davon aus, dass diese auch bei anderen nicht zu vermeidenden Gelegenheiten in einer anderen Färbung aufgetreten wären.
Der Sachverständige weist auf zahlreiche Hinweise auf eine Ausgestaltung der Symptome bei der neurologischen Untersuchung durch die Klägerin hin. Im Romberg-Stehversuch sei es zu einer völlig überraschenden Fallneigung nach vorne gekommen, so dass der Sachverständige zunächst instinktiv hinzu gesprungen sei, um die Klägerin zu halten. Wenn er diese Hilfestellung unterlassen habe, habe die Klägerin einen Ausfallschritt nach vorne gemacht und nicht gefallen. Der Sachverständige beurteilt dies als eine typische appellative Darstellung einer Gleichgewichtsstörung, welche bei Ablenkung sofort nachlassen würde. Im Finger-Nase-Versuch habe die Klägerin ein groteskes konstantes Vorbeizeigen mit der rechten Hand auf die linke Seite gezeigt. Die Beinkraft sei von der Klägerin beidseits nicht angespannt worden und so gering, dass man eigentlich nicht erwarten könne, dass die Klägerin auf einem Bein hüpfen könne, was ihr jedoch gelinge. Eine Verschlechterung ihrer Kopfschmerzen während der Begutachtung habe die Klägerin nicht geklagt und sei auch im Verhalten nicht erkennbar gewesen, dass das Hüpfen zu einem Kopfschmerz geführt habe. Der Sachverständige ist nicht davon überzeugt, dass die Kopfschmerzen tatsächlich in dem beklagten Ausmaß bestehen. Eine zunehmende Verschlechterung der Kopfschmerzen zwei Jahre nach dem Unfall ist seines Erachtens unfallbedingt nicht mehr erklärbar, so dass sekundäre Mechanismen eine Rolle spielen, wie eine psychiatrische Störung oder das Streben nach einem sekundären Krankheitsgewinn. Für eine unfallbedingte psychiatrische Erkrankung findet der Sachverständige keine Brückensymptome. Nicht nur aufgrund des körperlichen und psychopathologischen Untersuchungsbefundes, sondern auch aufgrund der Anamnese ist für den Gerichtssachverständigen der von der Klägerin behauptete Leidensdruck nur schwer nachvollziehbar.
Dieses Ergebnis wird durch die Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren bestätigt. Auch in dem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 13.12.2010 werden bei der Klägerin gewisse Verdeutlichungstendenzen bezüglich der geringen Belastbarkeit und einer herabgesetzten Konzentrationsleistungen festgestellt, wenn auch ohne begründeten Simulationsverdacht. Das klinisch-psychologische Zusatzgutachten vom 23.11.2010 hat bei der Klägerin eine somatoforme Störung beschrieben. Und das nervenärztliche Gutachten vom 12.01.2011 hat die somatoforme Störung als nicht unfallbedingt eingeschätzt, sondern auf die äußeren Lebensumstände der Klägerin zurückgeführt. Ein Einfluss durch einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn konnte nicht ausgeschlossen werden.
Das zahnärztliche Gutachten vom 13.04.2011 stellt bei der Klägerin eine craniomandibuläre Dysfunktion und druckschmerzhafte Verhärtungen der Kaumuskulatur aufgrund der nicht optimalen Verzahnung zwischen Ober- und Unterkiefer fest, so dass die Klägerin nicht zusammen beißen und nur auf der nicht betroffenen Seite kauen kann. Aus der craniomandibulären Dysfunktion folgt die zuerkannte Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. Eine Behandlung mit einer Schiene ist mittlerweile zu Lasten der Beklagten erfolgt.
Das hno-fachärztliche Zusatzgutachten vom 24.06.2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Form von einem Schwindelgefühl bei Anstrengung, Bücken und längerer Konzentration sowie einer Geruchs- und Geschmacksminderung nicht auf den Unfall zurückzuführen sind mangels ohrnaher Verletzungen. Auch hier hatte sich in der klinischen Gleichgewichtsprüfung eine Fallneigung nach vorne rechts bei Augenschluss gezeigt, wobei die kalorische Gleichgewichtsprüfung und die Videookulographie keinen Anhalt für eine peripher vestibuläre Störung ergeben haben. Weder ein Geschmacksverlust noch ein Geruchsverlust ist objektivierbar gewesen.
Prof. Dr. Dr. G. benannte unter dem 15.08.2011 eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Gebiet. Die bestehende craniomandibuläre Dysfunktion sei mit einer teiladjustierbaren Schiene therapierbar. Diese Einschätzung hat auch der Gerichtssachverständige.
Die Bewertung der craniomandibulären Dysfunktion als Unfallfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. entspricht den Erfahrungswerten.
§ 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII bestimmt, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bezeichnet. Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt. Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles.
Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die Minderung der Erwerbsfähigkeit einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Objektivierbar und nachweislich auf den Unfall zurückzuführen ist bei der Klägerin nur die craniomandibuläre Dysfunktion sowie die Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des ersten Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des zweiten Trigeminusastes – ohne Neuralgieschmerz – sowie eine Überempfindlichkeit des Gesichts im Bereich des Oberkiefers. Aus Mehrhoff, Meindl, Muhr, Unfallbegutachtung, ergeben sich für den betroffenen Bereich folgende Erfahrungswerte:
Ein Verlust der Geruchs- oder Geschmackswahrnehmung wäre jeweils mit 10 v.H. zu bewerten, ist aber bei der Klägerin zum einen nicht nachgewiesen und zum anderen nicht vollständig.
Für den Bereich der Mundhöhle und der Zähne sind folgende Werte vorgesehen:
• Lippendefekt mit Speichelfluss = 20
• Verengung der Mundöffnung oder Kieferklemme mit der Notwendigkeit nur flüssiger Ernährung = 30
• schwere Leistungsstörung der Zunge durch Lähmung, Gewebsverlust oder Narbenverziehung = 30
• schlaffe Falschgelenkbildung am Unterkiefer, Teilverlust desselben = 25
• Teilverlust des Oberkiefers mit Eröffnung von Nebenhöhlen und Nase, Verlust erheblicher Teile der Zahnleiste mit wesentlicher Leistungsstörung oder mit Verlust aller Zähne = 25
• Verlust des Gaumens = 30.
Vergleicht man die aufgeführten Erfahrungswerte mit den klägerischen Funktionseinschränkungen, ist die bei der Klägerin zuerkannte Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. keinesfalls am unteren Ende des Beurteilungsspielraumes anzusehen. Die Kammer hat hierbei insbesondere die Überlappungen zwischen zahnärztlichem und neurologischem Gebiet zu bedacht.
Das Gesamtbild aller Funktionseinschränkungen ist mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ganzen zu würdigen, wobei die einzelnen Werte nicht schematisch addiert werden. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Zunächst ist von der Funktionsstörung mit der höchsten Einzel-Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit weitere Funktionsstörungen das Ausmaß der Einschränkungen vergrößern.
Ausgangspunkt ist daher die Einzel-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. für die craniomandibuläre Dysfunktion mit druckschmerzhafter Verhärtungen der Kaumuskulatur und eingeschränkter Kaumöglichkeit nach Alveolarfortsatzfraktur um Bereich des Oberkiefers Regio 11 bis 24. Die Einzel-Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. auf neurologischem Gebiet führt nicht zu einer gravierenden Erhöhung der Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf dem Gebiet des Erwerbslebens. Denn ausweislich des Vortrages sowie der Beschwerdeschilderung steht die unfallunabhängige somatoforme Störung im Vordergrund, welche jedoch nicht zu bewerten ist. Ausschlaggebend ist für die Kammer des Weiteren der Vergleich mit den Erfahrungswerten gewesen. So sehen diese die klageweise begehrte Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v.H. bei folgenden Funktionseinschränkungen vor: komplette Gesichtsnervenlähmung oder eine entstellende Kontraktur (30), Hirnschäden mit einer mittelschweren Leistungsbeeinträchtigung (30-50), Beckenbrüche mit groben Verschiebungen der Beckenhälften (30-40). Vergleicht die Kammer die klägerischen Funktionseinschränkungen mit den gerade genannten, sind diese zu Recht mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. bewertet worden und unter keinem tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt höher zu bewerten.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Kopfschmerzen, die kognitiven Leistungseinbußen, das Schwindelgefühl, die subjektive Geschmacks- und Geruchsveränderung sowie die somatoforme Störung der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im unfallversicherungsrechtlichen Sinne auf den Unfall vom 01.03.2008 zurückzuführen sind, sondern sie hätten nach Auffassung der Kammer entsprechend den gutachterlichen Ergebnissen genauso gut durch jede andere physisch bzw. psychisch belastende Sensationen ausgelöst werden können. Es fehlt daher an der wesentlichen Mitwirkung des anerkannten Arbeitsunfalls.
Denn die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist nur gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, d. h. nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286). Wie bereits ausgeführt, ist das gerade nicht der Fall.
Eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. entsprechend des klägerischen Hilfsantrages kommt nach Ansicht der Kammer auch nicht mittels einer verfassungskonformen Auslegung von § 80a Abs. 1 S. 1 SGB VII in Betracht. Anders als das SG Fulda in seiner Entscheidung vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, kann die Kammer zumindest bei Unternehmern eines landwirtschaftlichen Unternehmens keine offensichtliche Verfassungswidrigkeit erkennen, so dass es auch keiner verfassungskonformen Auslegung dieser Norm bedarf.
Die Kammer ist grundsätzlich an das Gesetz gebunden, wie sich aus Art. 20 Abs. 3 GG und aus Art. 97 Abs. 1 GG ergibt. Dies gilt auch, wenn die Kammer Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung haben sollte. Eine Nichtbindung gilt nur für den Fall, in dem die Kammer das entscheidungserhebliche Gesetz für verfassungswidrig hält (Art. 100 Abs. 1 GG). Hierfür genügen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gerade nicht, sondern das Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt sein. Eine solche Überzeugung hat die Kammer auch nach Würdigung der klägerischen Argumente sowie der Entscheidung des SG Fulda vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, nicht gewinnen können.
Das SG Fulda hat in seiner Entscheidung vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, wie folgt argumentiert: "a) Der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet in seiner gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch den parlamentarischen Gesetzgeber bindenden Ausprägung als Rechtsetzungsgleichheit, wesentliche gleiche Sachverhalte einer Ungleichbehandlung zu unterwerfen, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorliegt. Einer solchen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf es dann, wenn verschiedene Personen oder Personengruppen rechtlich unterschiedlich behandelt werden und beide Gruppen unter einem gemeinsamen Oberbegriff (genus proximum) gefasst werden können (s. Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II – Grundrechte, 25. Aufl. 2009, Rn. 460, 463, 465 ff.).
aa) Vorliegend hat der Gesetzgeber aus dem Kreis aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen, die insoweit als Oberbegriff die – neben § 3 und 6 SGB VII – in den Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung Einbezogenen bilden, durch § 80a Abs. 1 SGB VII die in der Landwirtschaft Tätigen einer von allen übrigen Versicherten abweichenden Regelung unterworfen – beschränkt auf den Anspruch auf Verletztenrente. Diesen Versicherten steht ein Rentenanspruch im Falle einer unfallbedingten MdE zwischen 20 % und 30 % nicht (mehr) zu.
Dabei kommt unter rechtlichen Betrachtungen nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII Versicherten Personen als Oberbegriff in Betracht. Die Gesetzesbegründung in Bezug auf § 80a Abs. 1 SGB VII könnte hier zwar zunächst Anderes nahelegen. Diese Norm wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2984 [2985]) mit Wirkung vom 1. Januar 2008 in das SGB VII eingefügt. Sie war nicht Bestandteil des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 16/6520), sondern wurde im Rahmen der Ausschussberatungen erarbeitet und fand sodann Eingang in Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) vom 7. November 2007 (BT-Drs. 16/6984). Zur Begründung des Gesetzentwurfs wird hier ausgeführt (ebd., S. 15):
‚Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten.‘
Dies könnte dahin gehend interpretiert werden, dass neben der ‚herkömmlichen‘ gesetzlichen Unfallversicherung eine spezielle landwirtschaftliche Unfallversicherung existierte, die eigenen Regeln folgt und sich insofern systematisch wie inhaltlich als aliud darstellt, so dass die daran anknüpfenden Regelungen ihrerseits ebenfalls ein eigenes System bilden und daher im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf die übrigen Versicherten ohne Relevanz sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Richtig ist zwar, dass die gesetzliche Pflichtversicherung von Unternehmern und deren Ehegatten eine Besonderheit darstellt. Jedoch hat der Gesetzgeber im Übrigen daraus keine weiteren Konsequenzen gezogen, indem er etwa auch ein eigenes Leistungsrecht normiert oder der Unfallversicherung der Landwirte eine eigenes Gepräge gegeben hätte. Schon bei rein formaler Betrachtung wird dies durch die systematische Stellung der den Versicherungsschutz begründenden Norm deutlich: Sie ist als ‚einfache‘ Nr. 5 in die Liste der qua Gesetz angeordneten Tatbestände eingereiht, ohne dass hier eine besondere Norm, vergleichbar §§ 3 oder 6 SGB VII, geschaffen worden wäre. Bis zum Inkrafttreten des § 80a SGB VII hielt es der Gesetzgeber nicht für angezeigt, insoweit ein eigenes Gesetzesregime für Landwirte zu schaffen (anders als etwa im Bereich der Rentenversicherung). Daher sind auch landwirtschaftliche Unternehmer (und ihre Ehegatten) historisch nur eine Gruppe unter den der Gesetzlichen Unfallversicherung unterstehenden Personen. Daher kommt als verfassungsrechtlich relevanter Oberbegriff nur die Gesamtheit aller nach § 2 SGB VII versicherten Personen in Betracht.
bb) Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt. Dabei sind an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Je intensiver die Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Hierzu hat das BVerfG (BVerfGE 107, 27 [46]) ausgeführt:
‚Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 5 (12); 88, 87 (96); 101, 54 (101); 103, 310 (318); 105, 73 (110 f.) - dort auch zum Folgenden). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, ‚wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt‘ (vgl. BVerfGE 1, 14 (52); aus der stRspr z.B. BVerfGE 89, 132 (141)). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 93, 386 (397)). Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 82, 126 (146); 88, 87 (96); 89, 15 (22 f.); 89, 69 (89); 90, 46 (56); 91, 346 (363); 95, 267 (316 f.); 97, 271 (290 f.); 98, 365 (389); 99, 367 (388); vgl. auch BVerfGE 99, 341 (355 f.)). Nähere Maßstäbe und Kriterien lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (stRspr des Zweiten Senats, z.B. BVerfGE 75, 108 (157); 93, 319 (348 f.); 93, 386 (397); 101, 275 (291); 103, 310 (318); 105, 73 (111); vgl. auch aus der Rechtsprechung des Ersten Senats BVerfGE 88, 5 (12 f.); 88, 87 (96 f.); 90, 226 (239)).‘
Dabei ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber zum Erhalt seiner Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anders als bei Freiheitsgrundrechten ein weiter Ermessensspielraum zugestanden werden muss und es daher insbesondere nicht verfassungsrechtlicher Prüfung unterliegt, ob die sachgerechteste Lösung gewählt worden ist (Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II Grundrechte, 20. Aufl. 2004, Rn. 478 f. m.w.Nw.).
Im vorliegenden Fall ist angesichts dieses Maßstabes zunächst zu beachten, dass es nicht um einen Fall der Eingriffs-, sondern der Leistungsverwaltung handelt. Der Kläger erleidet durch § 80a Abs. 1 SGB VII keinen Rechtseingriff, vielmehr wird ihm eine Leistung der Gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 bzw. 25 %, vorenthalten, die sonstigen Versicherten zuteilwird. Dies reduziert die ‚Eingriffs‘-Intensität der hier zu beurteilenden Ungleichbehandlung prima facie. Allerdings wird dies dadurch kompensiert, dass die gesetzliche Regelung in Fällen wie dem des Klägers an dessen Eigenschaft als Ehegatte einer Unternehmerin anknüpft und damit auch der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG berührt wird. Dies führt zu einer erhöhten Eingriffsintensität, die eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende Rechtfertigungspflicht auslöst. Der Gesetzgeber knüpft hier bezüglich der Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers an deren letztlich unverfügbares Merkmal der Eheschließung an, um eine Ungleichbehandlung zu deren Lasten vorzunehmen. Unabhängig von der Frage, ob dies mit Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Schutzgebot für die Ehe vereinbar ist, führt dies jedenfalls im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG dazu, dass der Gesetzgeber einer besonderen Rechtfertigungspflicht unterliegt. Es genügt daher nicht jeder sachliche Grund, den der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung heranzieht; vielmehr müssen sich die Gründe auch als verhältnismäßig im weiteren Sinne darstellen. Dem wird § 80a Abs. 1 SGB VII nicht gerecht.
Die Ausschussbegründung (s.o., BT-Drs. 16/6984, S. 15 f.) führt hierzu aus:
‚Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten.
Bei Verletzungen, die eine MdE von unter 30 v. H. nach sich ziehen, ist bei dem Personenkreis der landwirtschaftlichen Unternehmer, ihrer Ehegatten oder Lebenspartner und der mitarbeitenden Familienangehörigen regelmäßig davon auszugehen, dass kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt. Daher werden bei niedrigen Erwerbsminderungsstufen (MdE 20 Prozent und 25 Prozent) in der Regel ausschließlich immaterielle Schäden ausgeglichen. Die Verletztenrente hat in diesen Fällen eine dem Schmerzensgeld vergleichbare Funktion. Bei Unternehmern und deren Ehegatten oder Lebenspartnern sowie bei den im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen liegt dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung – anders als bei den versicherten Arbeitnehmern – aber keine Ablösung der Unternehmerhaftung zugrunde. Vielmehr handelt es sich um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe, die es nicht geboten sein lässt, im gleichen Umfang wie bei Arbeitnehmern auch immaterielle Schäden abzugelten.
Deshalb soll künftig der Rentenanspruch für Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner und die im Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert einsetzen. Eine Änderung für die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitnehmer ist dagegen nicht vorgesehen. Es handelt sich dabei um eine bedarfsgerechte Ausformung des geltenden Rechts für pflichtversicherte Unternehmer, die es in keinem anderen Bereich gibt. Mit dieser Änderung wird zudem ein Vorschlag des Berufsstandes aufgegriffen, um die Aufwendungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zu reduzieren und die Beitragszahler finanziell zu entlasten.
Die Ansprüche der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 versicherten Arbeitnehmer sowie der wie Arbeitnehmer tätig werdenden Personen bleiben davon unberührt, für sie entsteht wie bisher der Rentenanspruch bereits ab einer MdE von wenigstens 20 v. H.‘
Daraus ergeben sich nach Auffassung der Entwurfsverfasser vier Gründe für die normierte Ungleichbehandlung:
- Charakter der unternehmerischen Selbsthilfe im Rahmen einer Unternehmer-Pflichtversicherung,
- kein Erwerbsschaden durch Verletzungsfolgen,
- keine Ablösung der Unternehmerhaftung sowie
- Reduzierung der Beitragsbelastung.
Diese Gründe rechtfertigen jedoch die Ungleichbehandlung nicht.
(1) Die Erwägung einer eigenständigen Unternehmerpflichtversicherung im System der Gesetzlichen Unfallversicherung trifft faktisch zunächst als solches zu, vermag aber nicht unmittelbar zu begründen, warum dies auch Nachteile für Ehegatten der Unternehmer rechtfertigen soll. Freilich werden diese – anders als in allen anderen Versichertengruppen – aufgrund ‚bloßer‘ Eheschließung in den Kreis der Versicherten einbezogen und nehmen auf diese Weise an einer Art um Ehegatten erweiterter unternehmerischer Selbsthilfe teil, ohne dass es etwa wie in § 2 Abs. 2 SGB VII auf eine bestimmte Art oder Umfang der mithelfenden Tätigkeit ankäme. Allerdings bleiben auch hier die zuvor unter aa) dargelegten Umstände relevant: Eine selbstständige ‚Landwirtschaftliche Unfallversicherung‘ hat der Gesetzgeber gerade nicht errichtet, zumal, wie die Begründung selbst ausführt, die ‚Beschäftigten‘ in der Landwirtschaft weiterhin den allgemeinen Regeln unterliegen sollen. Sodann ist ein inhaltlicher Konnex zwischen dem Charakter als ‚genossenschaftlicher‘ Selbsthilfe und einer daraus folgenden Leistungseinschränkung nicht ersichtlich. Eine Rechtfertigung einer Andersbehandlung ergibt sich daraus nicht per se, zumal nicht auf der Rechtsfolgenseite. Denn die mit den Leistungen der Unfallversicherung verfolgte Kompensation von Unfallfolgen erhält nicht dadurch eine andere Gewichtung, dass es sich um eine Selbsthilfe der Versicherten (Unternehmer und Ehegatten) handelt.
(2) Das – unterstellte – Fehlen eines Erwerbsschadens kann die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen. Diese Erwägung ist nicht vereinbar mit dem Grundprinzip der Verletztenrente. Diese wird gem. § 56 Abs. 1 SGB VII allein nach dem Maßstab der durch den Versicherungsfall verursachten MdE geleistet und ist bei allen Versicherten völlig unabhängig von einer durch die Unfallfolgen etwaig eingetretenen tatsächlichen Erwerbsschadens. Richtig ist zwar, dass die Verletztenrente einen Schadensausgleich darstellt; doch wird dieser im Gegensatz zum konkreten Schadensersatzausgleich im Zivilrecht abstrakt berechnet und enthält insofern auch fiktive Anteile für materielle und immaterielle Schäden (Feddern in: jurisPK-SGB VII, § 80a SGB VII Rn. 8 [Stand: 1.1.2009]). Es bleibt jedoch dabei, dass die MdE-Bewertung keinerlei Bezug zu einem tatsächlichen, konkreten Schaden, sei er immateriell oder materiell, besitzt. Hierbei kommt es gem. § 56 Abs. 2 SGB VII allein auf die ‚sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens‘ an, ohne dass es für die Gewährung einer Verletztenrente erforderlich wäre, dass infolge eines Versicherungsfalles tatsächlich ein vermindertes Einkommen für einen Versicherten einträte. Umgekehrt besteht mit Ausnahme der engen Grenzen besonderer Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII auch kein Anspruch auf erhöhte Leistungen, wenn durch einen Versicherungsfall ein Arbeitsplatzverlust einträte und neue Erwerbsmöglichkeiten nur zu einem erheblich verminderten Entgelt bestünden. Wer also außerhalb des Anwendungsbereichs des § 80a Abs. 1 SGB VII eine unfallbedingte MdE von 20 % erleidet, erhält Verletztenrente auch dann, wenn er wie vor dem Versicherungsfall weiterbeschäftigt wird und gleiches Entgelt erhält.
Folglich dient die Leistung einer Verletztenrente ihrem Charakter nach allein der finanziellen Kompensation der Minderung abstrakter Erwerbsmöglichkeiten durch verminderte Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Diese (abstrakten) Erwerbsmöglichkeiten sind aber bei Versicherten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII aber in gleicher Weise eingeschränkt wie bei allen anderen Versicherten auch. Eine Sondersituation der landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Ehegatten im Hinblick auf einen – unterstellten – Ausfall eines Erwerbsschadens oder die Kompensation nur immaterieller Schäden besteht daher nicht und kann somit auch keine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Die Inkonsequenz der Regelung durch Schlechterstellung nur der Versicherten nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) u. b) auch gegenüber den insofern in derselben Situation befindlichen Unternehmern gem. lit. c) unterstreicht zusätzlich die fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (vgl. Ricke, in: KassKomm, § 80a SGB VII Rn. 2 [Stand: April 2009])
(3) Die regelmäßig fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich der Landwirtschaft rechtfertigt die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht. Insofern stellt sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs ab einer MdE von 30 % als widersprüchlich dar. Dies gilt hier erneut insoweit, als die Gesetzesbegründung auf – unterstellt – nur immaterielle Schäden Bezug nimmt, die für das System der Verletztenrente ohne Relevanz sind. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, warum die fehlende Ablösung der Unternehmerhaftung im Bereich einer MdE von 30 % oder höher keine Bedeutung mehr haben soll. Angesichts des Charakters der Verletztenrente, abstrakt unfallbedingt verlorene Erwerbsmöglichkeiten zu kompensieren, erweist sich die Aufrechterhaltung des Rentenanspruchs im Umfang des § 80a Abs. 1 SGB VII als systematisch widersprüchlich und damit nicht sachangemessen. Folglich kann die Ungleichbehandlung damit nicht gerechtfertigt werden.
(4) Letztlich kann auch eine Reduzierung der Beitragsbelastung die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Bei der durchzuführenden Abwägung ist einerseits auf die zuvor unter aa) bis cc) dargelegten Umstände zu verweisen. Die hier gegen eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sprechenden Umstände können durch die Erwägung einer bloßen Reduzierung der Beitragslast nicht kompensiert werden.
Hinzu kommt, dass insbesondere die geringen Rentenansprüche, die aus einer MdE von 20 % oder 25 % erwachsen, nicht geeignet erscheinen, zu einer weitgehenden Beitragsreduzierung zu führen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich und wird auch in der Gesetzesbegründung nicht näher belegt, dass und welche Beitragsreduzierung infolge der Leistungseinschränkung zu erwarten sein wird. Daher ist die Begründung insoweit ebenfalls nicht geeignet, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer zu rechtfertigen.
Somit erweist sich § 80a Abs. 1 SGB VII wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG zumindest im Hinblick auf versicherte Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer als verfassungswidrig."
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. Abs. 1 GG vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Gleichfalls wird eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem verboten, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die die Gleichbehandlung verbieten. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal wird ein unterschiedlich strenger Prüfungsmaßstab angelegt, zumal dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt ist (Urteil des BSG vom 20.12.2012, Az. B 10 EG 19/11 R, mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).
Greift die Kammer die vier Hauptgründe der divergierenden Regelung auf, nämlich
1. Charakter der unternehmerischen Selbsthilfe im Rahmen einer Unternehmer-Pflichtversicherung,
2. kein Erwerbsschaden durch Verletzungsfolgen,
3. keine Ablösung der Unternehmerhaftung sowie
4. Reduzierung der Beitragsbelastung
ist kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG festzustellen bzw. sachlich gerechtfertigt. Die Versicherung kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung ist für Unternehmer etwas Besonderes und Außergewöhnliches. Die der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterliegenden Pflichtmitglieder unterscheiden sich bereits strukturell sowie hinsichtlich Art und Umfang ihrer Tätigkeit von anderen Unternehmern. Ziele der zum 01.01.2008 eingeführten Gesetzesänderungen im Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind eine angemessene Beitragsbelastung und eine innerlandwirtschaftliche Beitragsgerechtigkeit gewesen (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 1). Weiter wird ausgeführt (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 2):
"Die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist kein eigenständiges System, sondern vielmehr Bestandteil der gesetzlichen Unfallversicherung (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII). Dieser Teil der agrarsozialen Sicherung ist also mit der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung eng verzahnt. Innerhalb dieses einheitlichen rechtlichen Rahmens gibt es nur wenige Sonderregelungen für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. Diese betreffen lediglich die – anders als im Bereich der gewerblichen Unfallversicherung – kraft Gesetzes versicherten Unternehmer sowie die Art der Beitragsbemessung.
Ein weiterer Unterschied zur allgemeinen Unfallversicherung besteht darin, dass die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften seit 1963 Bundeszuschüsse erhalten. Sie sind zweckgebunden und dienen dazu, die Beiträge der zuschussberechtigten land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer zu senken und zu einer Annäherung der Belastungsunterschiede zwischen den Regionen beizutragen. Ein weiteres finanzielles Engagement des Bundes muss jedoch die Belange der Haushaltskonsolidierung berücksichtigen. Eine Begrenzung des finanziellen Engagements des Bundes kann aber nur dann ohne Auswirkungen auf die Beitragszahler bleiben, wenn zügig neben einer Modernisierung der Verwaltungsstrukturen Maßnahmen zur Neuausrichtung der Ausgabenstruktur der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften in Angriff genommen werden."
Neben der Frage, ob die unfallversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer mit den anderen Versicherten kraft Gesetzes überhaupt gleich zu stellen sind, stellt sich weiter die Frage, ob dieser Verstoß nicht sachlich gerechtfertigt ist.
Betrachtet man sich den Kreis der Versicherten, die von § 80a SGB VII betroffen sind, sind es die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens, die im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten bzw. Lebenspartner und die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen. Ausgeschlossen von der Sonderregelung sind die in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig Tätigen sowie die ehrenamtlich in den Berufsverbänden und Unternehmen Tätigen. Strukturell werden daher die Familienbetriebe und Kleinstbetriebe sowie Nebenerwerbslandwirte von § 80a SGB VII erfasst. Genau diese werden aber von den zwangsweise erhobenen Beiträgen als Pflichtmitglieder oft unverhältnismäßig hinsichtlich Aufwand und Erlös eines kleinen landwirtschaftlichen Unternehmens betroffen, so dass ihnen die beabsichtigte Senkung der Beiträge auch besonders zu Gute kommt.
Aus dem Jahresbericht der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau 2011, Seite 26 ergibt sich Folgendes, insbesondere auch zum Selbstverständnis:
"Die Landwirtschaftliche Unfallversicherung ist ein besonderer Zweig der gesetzlichen Unfallversicherung. Die eigenständige Bedeutung der LUV hat der Gesetzgeber durch besondere Vorschriften im SGB VII unterstrichen und damit den spezifischen, von den gewerblichen Unternehmen abweichenden Strukturen der Landwirtschaft Rechnung getragen. Hieraus ergibt sich auch eine gegenüber der allgemeinen Unfallversicherung abweichende Zielsetzung der LUV. Während die allgemeine Unfallversicherung vorrangig den Unfallversicherungsschutz der Arbeitnehmer sicherstellt, zielt die LUV insbesondere auf den Versicherungsschutz der selbständigen landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Familienangehörigen ab. Demgemäß ist die LUV nicht nur von der Idee der Ablösung der Unternehmerhaftung, sondern auch vom Prinzip der genossenschaftlichen Eigenhilfe geprägt.
Dem übergeordneten Ziel der gesetzlichen UV (§ 1 SGB VII), mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten und nach deren Eintritt die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen, ist auch die LUV verpflichtet.
Die Ausgaben der LBGen werden im Wesentlichen durch Beiträge der versicherten Unternehmer sowie durch vom Bund gezahlte Mittel bestritten."
Aus dem Selbstverständnis der landwirtschaftlichen Unfallversicherung heraus handelt es sich um einen eigenständigen Zweig innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung, welche insbesondere den Versicherungsschutz der selbständigen landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Familienangehörigen bezweckt. Auch aus der Satzung ergeben sich Besonderheiten nach Eintritt des Leistungsfalls, nämlich eine Wartezeit bei dem Bezug von Verletztengeld und Rente sowie bei der Berechnung des Jahresarbeitsentgelts (§§ 26, 27, 28 der Satzung). Hierbei kann nach § 47 der Satzung eine Zusatzversicherung hinsichtlich des Jahresarbeitsverdienstes abgeschlossen werden, nicht aber hinsichtlich der Wartezeit bezüglich Verletztengeld und Rente. Es bestehen also innerhalb des SGB VII verschiedene Sonderregelungen und Sonderbestimmungen für den Bereich der Landwirtschaft. Diese sind durch die Interessenverbände an den Gesetzgeber herangetragen worden, um die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Struktur zu berücksichtigen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die versicherten Unternehmer kraft Gesetzes sowie ihre Familienangehörigen ansonsten schutzlos wären, wenn sie sich nicht freiwillig versichern würden. Diese Gruppe ist aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen kraft Gesetzes den eigentlich Beschäftigten gleichgestellt worden (Bundestagsdrucksache 16/6984, Seite 15). Gerade in landwirtschaftlichen Familienbetrieben ist eine Mitarbeit der Familienangehörigen, auch der Altenteiler, durchaus üblich und von einer in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versicherten Gefälligkeit gegenüber einer versicherten Arbeit von wirtschaftlichen Wert schwer abzugrenzen. Durch die nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a, b SGB VII hat man genau diesen Personenkreis pflichtversichert und damit die genannten Abgrenzungsprobleme umgangen (Bundestagsdrucksache 16/6984, Seite 15).
Insofern sieht die Kammer den Personenkreis der gesetzlich pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer als etwas wesentlich Ungleiches an, so dass eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Höhe der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht zwingend geboten ist. Darüber hinaus rechtfertigen die genannten strukturellen Unterschiede eine Ungleichbehandlung, welche von den tragenden Verbänden (Deutscher Bauernverband, IG BAU) der betroffenen Versicherten so auch gewollt gewesen ist (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 3). Mit einer Verringerung des Rentenaufwandes mit bis zu 100 Millionen Euro wird gerechnet (Bundestagsdrucksache 16/6520, Seite 4). Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass mögliche Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (Feddern, jurisPK-SGB VII, § 80a SGB VII). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass bei dem Personenkreis der pflichtversicherten Unternehmer stets die Unternehmenssubstanz als wirtschaftlicher Rückhalt verbleibt, so dass nicht von sachwidrigen Erwägungen auszugehen ist, wenn sich diese Personengruppe im Rahmen der Selbstverwaltung diesen Regelungen unterwirft (BVerfG, Urteil vom 24.07.2002, 1 BvR 644/95). Eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG, Urteil vom 24.07.2002, 1 BvR 644/95). Die land- und forstwirtschaftlichen Lohnunternehmen stellen im Verhältnis zur Gesamtheit der land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen – wie aus der Stellungnahme des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Unfallversicherung hervorgeht – eine seltene Unternehmensart mit einem Anteil von etwa 1 % dar (BVerfG, Urteil vom 24.07.2002, 1 BvR 644/95).
Nach alledem ist die Klage abzuweisen gewesen. Die klägerischen Argumente haben nicht rechtserheblich durchgegriffen. Hinsichtlich der gerügten Verfassungsmäßigkeit von § 80a SGB VII wird darauf hingewiesen, dass es sich im hiesigen Fall im Vergleich zu der Entscheidung des SG Fulda vom 11.09.2012, Az. S 4 U 156/10, um einen anderen Sachverhalt gehandelt hat, da die Klägerin selbst Unternehmerin gewesen ist und es sich nicht um einen betroffenen Ehegatten gehandelt hat. Zudem hat die Kammer keine offensichtliche Verfassungswidrigkeit erkennen können, da keine wesentlich gleichen Personengruppen ungleich behandelt werden. Bezüglich der Unfallschäden wird unter Verweis auf die obigen Ausführungen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. für zutreffend erachtet und die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 01.03.2008 zurückzuführen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für die Klägerin gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
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