L 3 AL 266/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 288/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 266/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 18.09.2001 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der klägerischen Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 01.07.1997, insbesondere jedoch über die Zulässigkeit der Berufung.

Der am ... geborene Kläger war nach dem erfolgreichen Abschluss eines Studiums an der Universität L ... als Diplom-Physiker bis 1988 in der Forschung und Entwicklung des Unternehmens G ... L ... versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 01.09.1989 bis 30.06.1997 bezog er eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.

Antragsgemäß bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 25.08.1997 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 22.01.1998, 18.02.1998 und 23.02.1998 in der Zeit vom 01.07.1997 bis 29.06.1998 Alhi nach einem Bemessungsentgelt (BE) von zunächst 840,00 DM, der Leistungsgruppe A sowie des allgemeinen Leistungssatzes in Höhe von 267,60 DM wöchentlich.

Gegen den Bescheid vom 25.08.1997 richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 23.09.1997. Er sei mit der Höhe des fiktiv ermittelten BE nicht einverstanden. Eine von ihm durchgeführte Marktrecherche habe ergeben, er könne ein Bruttoarbeitsentgelt von 4.745,00 DM erzielen. Dieses sei der Berechnung der Alhi zu Grunde zu legen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.1998 als unbegründet zurück. Da der letzte Tag des Bemessungszeitraumes bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurückliege, sei das BE fiktiv zu ermitteln. Hierbei sei der Kläger als Diplom-Physiker im Wirtschaftszweig Energie nach dem Tarifvertrag für Arbeitnehmer in den Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbandes der Energieunternehmen in den neuen Bundesländern vom 01.05.1997 in die Vergütungsgruppe LG 8 mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 4.134,00 DM einzuordnen. In diese Vergütungsgruppe seien Sachbearbeiter für meßtechnische Kontrolle sowie Energiekontrolle einzuordnen. Das wöchentliche BE betrage folglich 950,00 DM.

Gegen den am 02.04.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 29.04.1998 Klage zum Sozialgericht (SG) Leipzig erhoben. Er habe vor seiner Erwerbsunfähigkeit nicht als Sachbearbeiter sondern als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung eines Unternehmens gearbeitet.

Vom 02.06.1998 bis 31.05.1999 hat der Kläger eine Weiterbildung zum 3-D-Graphiker absolviert.

Am 13.09.1999 nahm er ein Beschäftigungsverhältnis als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Bauwesen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur L ... (H ...) auf. Er wurde in die Vergütungsgruppe II a des BAT-O eingestuft und erhielt ein Bruttoarbeitsentgelt von 5.836,04 DM.

Auf Nachfrage der Beklagten hat die H ... mit Schreiben vom 04.07.2000 erklärt, die Weiterbildung zum 3-D-Graphiker habe bei der Einstellung des Klägers eine entscheidende Rolle gespielt. Ohne diese Ausbildung wäre er nicht beschäftigt worden.

Mit Urteil vom 18.09.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Das BE sei nicht auf der Basis der Vergütungsgruppe II a BAT-O zu ermitteln. Nach Auskunft der H ... vom 04.07.2000 sei der Kläger zwar seit 13.09.1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter unter Zugrundelegung der genannten Vergütungsgruppe beschäftigt. Die Einstellung sei jedoch lediglich auf Grund der Weiterbildung zum 3-D-Graphiker erfolgt. Über diese Weiterbildung habe der Kläger jedoch im maßgeblichen Zeitraum nicht verfügt. Ein höheres BE ergebe sich auch nicht aus der Auskunft des Verbandes der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie vom 09.12.1998. Danach sei der Kläger in die Vergütungsgruppe 9 bzw. 10 des Vergütungstarifvertrages über die Arbeitnehmer des Tarifbereiches Geologie im Verband Bergbau, Geologie und Umwelt (gültig ab 01.04.1997) einzuordnen. Selbst bei Einordnung in die höchste Vergütungsgruppe 12 ergebe sich lediglich eine Grundvergütung von 3.994,00 DM. Folglich liege die Vergütung in den für den Kläger in Betracht kommenden Vergütungsgruppen unter der von der Beklagten bei der Berechnung der Alhi zu Grunde gelegten.

Gegen das an den Kläger am 02.10.2001 abgesandte und ihm nach eigenen Angaben am 04.10.2001 zugegangene Urteil hat dieser am 22.11.2001 Berufung beim SG Leipzig eingelegt. Er beanspruche ein BE auf der Grundlage der Vergütungsgruppe II a BAT-O.

Die Berufung habe er nicht fristgerecht einlegen können, weil er seit dem 01.10.2001 eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität L ... aufgenommen habe, die ihn täglich 11 bis 16 Stunden beanspruche. Zudem habe er die Rechtsbehelfsbelehrung des Urteils des SG Leipzig falsch verstanden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des SG Leipzig vom 18.09.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.08.1997 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 22.01.1998, 18.02.1998 und 23.02.1998 sowie des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1998 zu verurteilen, dem Kläger ab 01.07.1997 Alg unter Zugrundelegung eines Bruttoarbeitsentgeltes von 5.836,04 DM/Monat zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen.

Der Senat hat die Beteiligten zur Entscheidung durch Beschluss mit Schreiben vom 03.01.20002 angehört.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes hat das Gericht auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Verwerfung der Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 158 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Beteiligten wurden durch das gerichtliche Schreiben vom 03.01.2002 hierzu angehört.

Die statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist nicht zulässig, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Berufungsfrist eingelegt worden ist und Gründe für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung gegen ein Urteil oder einen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht einzulegen. Die Frist ist gemäß § 151 Abs. 2 SGG auch bei Einlegung beim Sozialgericht, dass das Urteil erlassen hat, gewahrt.

Das Urteil des SG Leipzig vom 18.09.2001 ging dem Kläger entsprechend seiner Einlassung am 04.10.2001 zu. Der Lauf der einmonatigen Berufungsfrist, über welche der Kläger in der dem Urteil beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung unterrichtet wurde, beginnt mit dem Tage nach der Zustellung (§§ 153 Abs. 1, 64 Monats, welcher nach seiner Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis fällt (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 64 Abs. 3 SGG). Gemäß § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. § 4 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz gilt bei der Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes dieser mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

Die Frist begann im vorliegenden Falle am dritten Tag nach Aufgabe des Urteils zur Post, mithin am 05.10.2001, und endete am Montag, dem 05.11.2001. Der Berufungsschriftsatz ging jedoch erst am 22.11.2001, mithin nach Ablauf der Frist, beim SG Leipzig ein.

Eine längere Frist zur Berufungseinlegung ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des Urteils den Zusatz enthält, die Berufung könne u.a. "mündlich" zur Niederschrift erhoben werden, weil dieser weder irreführend noch geeignet ist, die Einlegung der Berufung zu erschweren. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Nicht anders als "mündlich" kann die Berufung vorgetragen werden, die das Sächsische Landessozialgericht oder das SG aufnehmen soll. Hinzukommt, dass dieser Zusatz gerade zur Vermeidung von Unsicherheiten dient. Mit der Präzisierung "mündlich" wird einem möglichen Mißverständnis vorgebeugt, der Widerspruch könne auch fernmündlich zur Niederschrift erhoben werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.03.1997, Az: 23 A 1834/95). Ein nur telefonisch eingelegter Widerspruch ist nämlich selbst dann unwirksam, wenn der aufnehmende Behördenbedienstete hierüber einen vom 27.02.1976, Az: IV C 74/74; Beschluss vom 18.03.1991, Az: 1 DB 1/91; BVerwGE 93, 45, 48).

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 67 SGG liegen nicht vor. Nach den genannten Normen ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist - hier die Berufungsfrist - einzuhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs. 2 Satz 1 SGG). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG). Ein Beteiligter hat die Frist ohne Verschulden versäumt, wenn er diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zugemutet werden kann. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn das Versäumnis der Frist auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft und sachgemäß Prozessführenden nicht vermeidbar gewesen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, GrS vom 10.12.1974, Az: GS 2/73, in: SozR 3500 § 67 Nr. 1).

Einem gewissenhaft Prozessführenden ist es zuzumuten, die dem Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung zu lesen und entsprechend zu handeln. Dies gilt auch für einen juristischen Laien. Aus der Rechtsmittelbelehrung war klar zu ersehen, dass das Urteil mit der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung angefochten werden konnte. Ferner war hieraus zu erkennen, bei welchen Stellen die Berufungseinlegung zur erfolgen hatte. Dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum in einem 11 bis 16 Stunden täglich dauernden Beschäftigungsverhältnis stand, ist kein Wiedereinsetzungsgrund, denn er ist auf Grund dieser Situation nicht daran gehindert, die Berufungsfrist einzuhalten. Auch war es ihm hierdurch nicht verwehrt, einen Dritten mit der Einlegung der Berufung zu beauftragen.

Nach alledem war die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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