L 4 RA 25/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 RA 91/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 25/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Zeit einer Hochschulaspirantur als rentenrechtliche Zeit.

Der am ...1943 geborene Kläger beantragte am 15.02.1996 bei der Beklagten die Kontenklärung. Hierbei legte er die Unterlagen über seine Ausbildung vor. Danach besuchte er bis 31.08.1959 die Mittelschule. Bis 31.08.1962 absolvierte er eine Ausbildung zum Chemielaboranten, die er mit Facharbeiterzeugnis abschloss. Nach praktischer Tätigkeit studierte er vom 01.09.1966 bis 25.07.1969 an der Fachhochschule K ... -B ... Chemie. Das Studium schloss er mit dem Grad eines Chemie-Ingenieurs ab. Vom 01.09.1971 bis 26.07.1975 absolvierte der Kläger dann ein Hochschulstudium der Chemie, das er als Diplom-Chemiker abschloss. In der Zeit vom 01.09.1975 bis 31.10.1978 war er im Rahmen einer planmäßigen Aspirantur an der Martin-Luther-Universität in H ... tätig. Die Promotion schloss der Kläger erst am 20.04.1982 mit dem Titel eines Dr. rer. nat. ab. Während der Zeit der planmäßigen Aspirantur erhielt der Kläger nach Bescheinigung der Universität ein monatliches Stipendium von 600,00 Mark und war pflichtversichert.

Mit Bescheid vom 24.03.1998 stellte dann die Beklagte die rentenrechtlichen Daten, die länger als sechs Jahre zurücklagen, in dem beigefügten Versicherungsverlauf fest. Als Ausbildungsanrechnungszeit erkannte sie 35 Monate Fachschulausbildung und ein Monat Hochschulausbildung an mit dem Hinweis, dass nur bis zu einer Höchstdauer von drei Jahren die Ausbildung berücksichtigt werden könne. Die Zeit der Aspirantur vom 01.09.1975 bis 31.10.1978 erkannte sie nicht als rentenrechtliche Zeit an. Als Beitragszeit könne sie nicht anerkannt werden, weil es sich um eine Zeit der Hochschulausbildung handele. Eine Berücksichtigung als Anrechnungszeit scheide aus, da die Zeit nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden sei. Zu den weiteren Zeiten der Hochschulausbildung enthielt der Bescheid keine Ausführung.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 23.04.1998 Widerspruch ein. Die Zeit der Praxisaspirantur sei eine versicherungspflichtige Tätigkeit gewesen. In seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (SV-Ausweis) sei versicherungspflichtiges Einkommen eingetragen. Der Eintrag "Stip" bedeute, dass das Einkommen von dem damaligen VVB Agrochemie gezahlt worden sei. Gleichzeitig seien entsprechende Leistungen zur Sozialversicherung der DDR erfolgt. Es sei unverständlich, dass die Zeit der beruflichen Tätigkeit und gleichzeitigen Qualifizierung rentenrechtlich nicht berücksichtigt werde. Weitere Einwände wurden gegen die gleichzeitige Rentenauskunft erhoben, die später nicht weiter verfolgt wurden.

Mit Bescheid vom 20.11.1998 setzte die Beklagte den Betrag für die Nachzahlung freiwilliger Beiträge für Ausbildungszeiten auf insgesamt 11.750,00 DM fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.1999 wies sie dann den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, soweit er sich gegen die gleichzeitig erteilte Rentenauskunft richte. Im Übrigen sei er unbegründet. Planmäßige Aspiranten hätten ein monatliches Stipendium erhalten und seien der Versicherungspflicht in der Studentenversicherung unterlegen. Eine Anerkennung als Beitragszeit könne dabei nicht erfolgen.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.02.1999 Klage zum Sozialgericht (SG) Leipzig, mit der er sein Ziel weiterverfolgte. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12.10.2000 ab. Die Berücksichtigung der Zeit der Aspirantur als Beitragszeit sei ausgeschlossen. Nach § 248 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) stünden den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08.05.1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine planmäßige Aspirantur kein Arbeitsverhältnis und stelle keinen Erwerbstatbestand dar. Die Zeit sei Hochschulausbildung. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers seien Zeiten der Hochschulausbildung im Beitrittsgebiet keine Beitragszeiten, § 243 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI. Aus den Motiven des Gesetzgebers zu dieser Vorschrift folge, dass verhindert werden soll, dass eine in einem fremden System als versicherungspflichtiger Tatbestand anerkannte Hochschulausbildung zu Gunsten eines Teiles der heutigen Rentner Bewertungsvorteile bringt, die dem großen Teil der Rentner in den alten Bundesländern, aber auch den heute belasteten Beitragszahlern in ganz Deutschland von vornherein nicht zuwachsen können. Die Betroffenen selbst hätten auch für diese Zeit keine Beiträge entrichtet. Nach § 2 Abs. 2 Nr. e der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23.11.1979 (GBl. I S. 401) bestehe nur eine gesetzgeberische Fiktion, da die Zeit der Aspirantur als versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne dieser Verordnung galt. Die Nichtberücksichtigung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

Auch eine Berücksichtigung der Zeit als Anrechnungzeit sei ausgeschlossen. Als Anrechnungszeit gelten Zeiten, in denen ein Versicherter nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen hat, § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI. Als Anrechnungszeiten gelten weiterhin Zeiten, in denen ein Versicherter nach vollendetem 16. Lebensjahr eine Schule besucht oder eine Fachschule oder Hochschule besucht und abgeschlossen hat, § 252 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI. Berücksichtigungsfähig seien dabei Zeiten, die der Ausbildung dienen. Dies gelte für die Zeit der Aspirantur nicht. Die Ausbildung sei im Fall des Klägers mit der Ablegung der Diplomprüfung als Chemiker am 26.07.1975 beendet gewesen. Die Erreichung des ersten möglichen Abschlusses sei der Endzeitpunkt der anrechnungsfähigen Zeit. Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung des BSG nur, wenn das Hochschulstudium erst durch die Promotion abgeschlossen werde.

Gegen das mit Einschreiben vom 19.12.2000 zugestellte Urteil legte der Kläger am 11.01.2001 zur Niederschrift des SG Leipzig Berufung ein. Für die fragliche Zeit seien Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Er werde als Diplom-Chemiker nur eine geringe Rente enthalten. Die Behandlung seines Anlieges sei Siegerjustiz.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12.10.2000 aufzuheben und in Abänderung des Bescheides vom 24.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.1999 die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01.09.1975 bis 31.10.1978 als Beitragszeit vorzumerken, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und die Entscheidungsgründe des SG.

Der Senat hat dem Kläger Kopien der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30.08.2000 zur Aspirantur, NJ 2001, 28, und in anonymisierter Form Kopien der Entscheidungen des erkennenden Senats vom 19.09.2000 und 22.05.2001, L 4 RA 11/00 und L 4 RA 60/01, zur Verfügung gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.

In der Sache hat das Sozialgericht zutreffend die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 01.09.1975 bis 31.10.1978 weder als Beitragszeit noch als (Ausbildungs-)Anrechnungszeit zu.

Der geltend gemachte Vormerkungsanspruch beurteilt sich nach den Vorschriften des SGB VI (vgl. grundsätzlich zum anzuwendenden Recht in Vormerkungsfällen: BSG SozR 3-2600 § 58 Nrn. 3 und 9), die mit der Vereinheitlichung des Rentenrechts ab 01.01.1992 auch im Beitrittsgebiet gelten. Der Kläger erfüllt weder die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Vormerkung der strittigen Zeit als Tatbestand einer Beitragszeit nach § 149 Abs. 5 i.V.m. den §§ 55, 248 Abs. 3 SGB VI noch als (Ausbildungs-)Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b SGB VI.

Nach § 149 Abs. 5 SGB VI ist der Versicherungsträger verpflichtet und befugt, durch schriftlichen, feststellenden Verwaltungsakt (sog. Vormerkungsbescheid) die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Jahre zurückliegen, verbindlich festzustellen (vgl. hierzu nur BSG SozR 3-2200 § 1325 Nr. 3, SozR 3-2600 § 58 Nr. 3). Soweit diese Daten mögliche Relevanz für den Tatbestand rentenrechtlicher Zeiten i.S. des § 54 SGB VI haben, wird "beweissichernd" für den später vielleicht eintretenden Leistungsfall für die im Bescheid aufgeführten Zeiten verbindlich geklärt, dass sie den Tatbestand der jeweiligen rentenrechtlichen Zeit nach den im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen materiell-rechtlichen Regelungen erfüllen oder nicht erfüllen. Über die Anrechnung und Bewertung der vorgemerkten Tatbestände (Beitragszeit oder Anrechnungszeit) darf der Versicherungsträger erst im Leistungsfall entscheiden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Das hat die Beklagte im vorliegenden Fall getan (Begrenzung auf 36 Monate). Dies greift der Kläger aber nicht an. Er erleidet auch keinen Rechtsnachteil, denn bei Änderung von Vorschriften ist ein bestehender Feststellungsbescheid aufzuheben und neu in einem Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid zu entscheiden, § 149 Abs. 5 SGB VI.

Soweit der Vormerkungsbescheid angefochten ist, genügt er den Anforderungen der hier maßgeblichen Normen des SGB VI. Eine Vormerkung der Zeit der planmäßigen wissenschaftlichen Aspirantur als Tatbestand einer Beitragszeit i.S. von § 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI scheidet von vornherein aus, denn nach Bundesrecht hat der Kläger während der strittigen Zeit weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge gezahlt. Es handelt sich auch nicht um eine Zeit, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften (z.B. Kindererziehungszeiten) als gezahlt gelten.

Eine Vormerkung als Tatbestand einer gleichgestellten Beitragszeit i.S. von § 248 Abs. 3 SGB VI kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Regelung stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht solche Zeiten nach dem 08.05.1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen RV nach Vorschriften gezahlt worden sind, die - dort - vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht gegolten haben. Die im streitigen Zeitraum vom Kläger zurückgelegte planmäßige wissenschaftliche Aspirantur an der Martin-Luther-Universität H ... erfüllt jedoch keinen Erwerbstatbestand für eine rentenrechtliche Zeit i.S. des SGB VI. Der Kläger unterlag während der Zeit der planmäßigen wissenschaftlichen Aspirantur der pauschalen Studentenversicherung der DDR.

Die Ausbildung des Klägers in der hier streitigen Zeit war nicht in ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis integriert, so dass er kein Arbeitsentgelt mit der Folge einer Beitragsabführung zur Sozialversicherung der DDR erhalten hat. Er bezog vielmehr, wie sich aus den einschlägigen Regelungen der Aspi- rantur im Recht der DDR ergibt, ein Stipendium, welches nicht der Beitragspflicht unterlag. Nach den vom 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits im Urteil vom 24.06.1993 (SozR 3-4100 § 134 Nr. 11 = SGb 1994 S. 246 ff.) festgestellten generellen Tatsachen über die DDR-rechtlichen Gegebenheiten der früheren wissenschaftlichen Aspirantur, denen sich der Senat anschließt, handelte es sich bei der planmäßigen wissenschaftlichen Aspirantur um ein durch ein Stipendium abgesichertes Ausbildungsverhältnis an einer Hochschule. Die planmäßige wissenschaftliche Aspirantur war eine Form der Qualifizierung" nach abgeschlossenem Studium ("Diplom eines Wissenschaftszweiges") mit dem Ziel, den akademischen Grad "Doktor eines Wissenschaftszweiges" zu erwerben (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2; § 4 Abs. 1 Anordnung über die wissenschaftliche Aspirantur - AspirantenO - vom 22.09.1972 - GBl. II S. 648). Es handelte sich um ein grundsätzlich auf drei Jahre befristetes Ausbildungsverhältnis in wissenschaftlichen Einrichtungen (§§ 2, 11 Abs. 1 AspirantenO). Während der Dauer der Ausbildung waren Aspiranten Angehörige der Ausbildungseinrich- tung (§ 11 Abs. 4 AspirantenO) und einem Hochschullehrer oder erfahrenen Wissenschaftler als Betreuer zugeordnet, der für die Qualität der Ausbildung verantwortlich war und zu sichern hatte, dass der Aspirant einen von ihm selbst ausgearbeiteten Arbeitsplan (§ 11 Abs. 2 AspirantenO) erfüllte und in die For- schung einbezogen wurde (§ 8 Abs. 1 und 2 AspirantenO). Über die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit hatte der Aspirant regelmäßig dem Betreuer und dem Leiter des Arbeitskollektivs zu berichten (§ 11 Abs. 2 Satz 2 AspirantenO). Eine über eine Lehrtätigkeit von zwei Wochenstunden hinausgehende Belastung bedurfte der Zustimmung des Leiters (§ 11 Abs. 3 AspirantenO). Nach § 14 der VO über die wissenschaftliche Aspirantur an den Universitäten und Hochschulen der DDR vom 15.11.1951 (GBI 1091) konnten planmäßige Aspiranten ohne Genehmigung des Staatssekretärs für Hochschulwesen oder eines Vertreters von keiner Stelle zu einer nicht in ihrem individuellen Arbeitsplan vorgesehenen Arbeit herangezogen werden.

Ein Arbeitsverhältnis zwischen der Ausbildungseinrichtung und dem Aspiranten bestand nicht. Aspiranten waren nicht in den Kreis der wissenschaftlichen Mitarbeiter einbezogen (§ 2 der VO über die wissenschaftlichen Mitarbeiter an den wissenschaftlichen Hochschulen - MitarbeiterVO [MVO] vom 06.11.1968 - GBl. II S. 1007), für die Arbeitsverhältnisse zu begründen waren (§ 10 Abs. 3 MVO). Das Arbeitsverhältnis zwischen einem delegierenden Betrieb und dem Aspiranten ruhte für die Dauer der Aspirantur (§ 10 Abs. 1 AspirantenO). Aspiranten erhielten unter im einzelnen geregelten Voraussetzungen "ein monatliches Stipendium in Höhe von 80 % des durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienstes während der letzten Monate vor Aufnahme der Aspirantur" (§ 1 Abs. 1 S. 1 Anordnung Nr. 2 über die wissenschaftliche Aspirantur Finanzielle Regelungen - vom 29.04.1974 - GBl. I S. 279). Zur sozialen Sicherung bei Krankheit, Mutterschaft und Invalidität waren Aspiranten wie Studenten bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten pflichtversichert (§ 1 Abs. 1 VO über die Pflichtversicherung der Studenten und Aspiranten bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 15.03.1962 - GBl. II Nr. 15 S. 126). Die Sozialversicherung der Aspiranten war zunächst beitragsfrei, nach § 5 der VO vom 15.03.1962 hatte die Ausbildungseinrichtung für Aspiranten wie für Studenten einen monatlichen Beitrag zu zahlen. Gerade die sozialversicherungsrechtliche Sonderregelung macht deutlich, dass Aspiranten nicht in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Andernfalls wären sie nach den allgemeinen Vorschriften ohnehin sozialversichert gewesen. Die Versicherungspflicht für Werktätige knüpfte nach § 14 Abs. 1 der VO über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 21.12.1961 (GBl. II S. 533) an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und einen bestimmten Mindestverdienst an. Lehrlinge waren ohne Rücksicht auf die Höhe ihres während der Berufsausbildung erzielten Lehrlingsentgelts versichert (§ 14 Abs. 2 SVO). Die Bezüge von Aspiranten wiesen die Merkmale eines Arbeitsentgelts nicht auf, denn es handelte sich nach den erörterten Regelungen nicht um Einnahmen aus einem bestehenden Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis. Die rechtliche Einordnung der Bezüge von Aspiranten als Stipendien zeigt, dass die Aspirantur auch nicht als "betriebliches Ausbildungsverhältnis" im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses angesehen wurde.

Die vorstehende Darstellung der DDR-rechtlichen Regelungen zur wissenschaftlichen Aspirantur belegt, dass für die Zeit der wissenschaftlichen Aspirantur kein Beschäftigungsverhältnis mit der Folge einer Versicherungspflicht bestand, sondern dass der umstrittene Zeitraum ausschließlich als "Hochschulausbildung" i.S. von § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI zu bewerten ist, für den im Rahmen der sog. Studentenversicherung Pflichtbeiträge von der Ausbildungsstätte entrichtet wurden. Eine Vormerkung dieser Zeit als Tatbestand einer gleichgestellten Beitragszeit scheitert an der Ausschlussregelung des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI. Danach sind Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nicht Zeiten der Hochschulausbildung. Unter "Hochschulausbildung" ist in diesem Zusammenhang jeder (in der DDR als beitragspflichtige Versicherungszeit anerkannte) Tatbestand zu verstehen, soweit es sich dabei inhaltlich um eine Ausbildung an einer Hochschule der DDR für einen Beruf gehandelt hat. § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI soll ab Einführung eines einheitlichen Rentenrechts in Deutschland eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Beitragszahler gegenüber den Rentenbeziehern verhindern. Es soll ausgeschlossen werden, dass eine in einem fremden System als versicherungspflichtiger Tatbestand anerkannte Hochschulausbildung zugunsten eines Teils der (heutigen) Rentner Bewertungsvorteile bringt, die dem großen Teil der Rentner (nämlich in den alten Bundesländern), aber auch den heute belasteten Beitragszahlern in den alten wie den neuen Bundesländern von vornherein nicht zuwachsen können (BT-Drucks 11/4124 S. 217).

Das SGB VI erkennt Zeiten einer erstmaligen oder berufsqualifizierenden Ausbildung, die außerhalb eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses oder eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses zurückgelegt worden sind, nicht als Beitragszeiten an, sondern - nur teilweise und unter einschränkenden Voraussetzungen - als Anrechnungszeiten. Eine Hochschulausbildung ist danach schlechthin kein Erwerbstatbestand für Beitragszeiten (stRspr des BSG - vgl. Urteil vom 24.10.1996 = SozR 3-2600 § 248 Nr. 1 m.w.N.; die Parallelentscheidungen vom selben Tage in den Verfahren 4 RA 24/96 und 4 RA 83/95; BSG, Urteil vom 25.03.1997 - 4 RA 48/96 -; BSG, Urteile vom 31.07.1997 - 4 RA 76/96 und 4 RA 22/96 -; BSG, Urteil vom 23.03.1999 = SozR 3-2600 § 248 Nr. 4). Danach ist es nur konsequent, wenn § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI im Hinblick auf die ab 01.01.1992 vorzunehmende einheitliche bundesrechtliche Bewertung es ausdrücklich ausschließt, Zeiten der Hochschulausbildung als Beitragszeiten zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wie diese Zeiten in dem früheren Rentensystem der DDR bewertet worden waren.

Der Vormerkung eines Zeitraums als SGB VI-Beitragszeit steht § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI dann nicht entgegen, wenn die Ausbildung in ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis integriert war oder wenn neben der Ausbildung eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt oder ein anderer Tatbestand erfüllt war, der eine Beitragszeit begründete. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Kläger hat im strittigen Zeitraum ausschließlich eine Hochschulausbildung i.S. von § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI absolviert. Es handelt sich im Fall des Klägers um ein durch ein Stipendium abgesichertes universitäres Ausbildungsverhältnis, ohne dass dieses in ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis integriert war. Dieser Beurteilung stehen auch die Eintragungen im Sozialversicherungs-Ausweis des Klägers nicht entgegen, denn die Tätigkeit des Klägers ist ausdrücklich mit "Praxisaspirant" bezeichnet. Die Eintragungen in der Spalte "Beitragspflichtiger Gesamtarbeitsverdienst" belegen hingegen nicht, dass er neben der Tätigkeit als Aspirant, für die die sog. Studentenversicherung ohne eigene Beitragszahlung bestand, auch in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Universität gestanden hat und diese eingetragenen Entgelte neben einem Stipendium gezahlt worden wären. Vielmehr schließt der Senat aus der genauen Bezeichnung der Tätigkeit und der Eintragung "Stip." in der Spalte "Lohngruppe", dass es sich bei den Eintragungen in der Spalte "Beitragspflichtiger Gesamtarbeitsverdienst" um die entsprechende Summe des dem Kläger von der Ausbildungseinrichtung im Einklang mit den vorstehend ausgeführten gesetzlichen Regelungen gewährten Stipendiums handelt. Neben der Aspirantur hat der Kläger weder zugleich anderweitig in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis noch in einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis gestanden. Derartige Eintragungen sind dem Sozialversicherungs-Ausweis nicht zu entnehmen; Eintragslücken sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat zum Beleg des Bestehens eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch keine Arbeitsverträge oder Lohn-/Gehaltsabrechnungen für den streitigen Zeitraum vorgelegt.

Da der noch streitige Zeitraum ausschließlich als "Hochschulausbildung" i.S. von § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI zu bewerten ist, scheidet eine Vormerkung dieser Zeit als Tatbestand einer gleichgestellten Beitragszeit aus. Dass Zeiten der Hochschulausbildung, zu denen auch die Zeit der planmäßigen wissenschaftlichen Aspirantur in der DDR gehört, keine Beitragszeiten im Beitrittsgebiet sind, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.08.2000 - 1 BvR 319/98).

Der umstrittene Zeitraum ist aber auch nicht als Anrechnungszeittatbestand vorzumerken. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten - unabhängig von den seit 01.01.1997 erfolgten Änderungen des Gesetzestextes - Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 16. (17.) Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht (und abgeschlossen) hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (stellvertretend SozR 3-2200 § 1259 Nr. 9; SozR 2200 § 1259 Nr. 100; SozR 3-2600 § 248 Nr. 1; jeweils m.w.N.) ist der Anrechnungszeittatbestand wegen Hochschulausbildung nur erfüllt, wenn ein immatrikulierter Student an einer Hochschule durch Teilnahme an den universitätsspezifischen Lehrveranstaltungen sich die Inhalte seines Studienfaches aneignet und dieses Studium durch das vorgeschriebene oder übliche Examen oder - soweit ein solches weder vorgeschrieben noch üblich ist - durch eine gleichgestellte Leistung erfolgreich in dem Sinne abschließt, dass ihm regelmäßig der Weg in einen seiner bisherigen Ausbildung entsprechenden Beruf eröffnet ist. Diese Rechtsprechung gilt auch für das am 01.01.1992 in Deutschland in Kraft getretene SGB VI. Der Gesamtheit der Regelungen des SGB VI ist kein Hinweis zu entnehmen, § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sei anders als im Sinne der bisherigen Rechtsprechung auszulegen.

Der streitige Zeitraum erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen an eine Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung nicht. Der Kläger war kein immatrikulierter Student, er hat sich die für das Studium vorgesehenen Inhalte seines Faches nicht in dieser Zeit und nicht durch Teilnahme an den für Studenten gedachten Veranstaltungen erstmalig angeeignet; er hat ferner durch die Promotion nicht den Abschluss erreicht, der ihm eine dem Studium entsprechende Berufstätigkeit erstmals ermöglicht hätte. Den Tatbestand einer Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung hat er vielmehr in der Zeit vom 01.09.1971 bis 26.07.1975 erfüllt, als er sein Studium mit dem akademischen Grad eines Diplom-Chemikers beendete. Die Beklagte hat ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 09.11.1998 diesen Zeitraum als Anrechnungszeittatbestand behandelt. Im streitigen Zeitraum hat sich der Kläger vielmehr im Wege einer durch ein Stipendium abgesicherten wissenschaftlichen Aspirantur auf seine Promotion vorbereitet. Ein solcher Lebenssachverhalt ist im Anwendungsbereich des SGB VI kein Erwerbstatbestand für eine Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung.

Soweit der Kläger rügt, eine durch diese Bewertung auftretende Lücke im Versicherungsschutz mit der Folge einer zu niedrigen Rente habe er nicht zu vertreten, weil diese Zeiten nach den früheren Rechtsvorschriften der DDR als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt worden seien und für ihn keine Notwendigkeit einer anderen Absicherung bestanden habe, verkennt er, dass es nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung auch schon vor dem SGB VI keinen rentenversicherungsrechtlichen Grundsatz gab, akademische Ausbildungszeiten müssten "lückenlos" anerkannt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (stellvertretend SozR 2200 § 1259 Nr. 102 S. 276 m.w.N.) berücksichtigt das SGB VI nur bestimmte typische Ausbildungszeiten, wobei es "nicht das jeweils für den im Einzelfall vom Versicherten gewünschten Beruf Erforderliche, sondern lediglich ausgleichsweise das Vertretbare begünstigen will". Die nur in den engen Grenzen des sozialen Ausgleichs zwischen den Beitragszahlern mit dem Versicherungsprinzip zu vereinbarende Berücksichtigung von Ausfallzeiten der Hochschulausbildung als Zeiten ohne Beitragsleistung ist eine auf typisierte Fallgruppen zugeschnittene Solidarleistung der Versichertengemeinschaft, die auf staatlicher Anordnung beruht und nur teilweise aus Steuermitteln bezahlt wird. Eine derartige gesetzliche Typisierung der als Ausfallzeiten zu berücksichtigenden Ausbildungsgänge ist verfassungsgemäß (BVerfG SozR 2200 § 1259 Nr. 46 m.w.N.). Eine entsprechende oder ausdehnende Anwendung des Gesetzes auf dort nicht genannte Ausbildungsgänge ist nicht möglich; nur eine einzige Hochschulausbildung ist als Ausbildungsanrechnungszeittatbestand zu berücksichtigen (vgl. auch BSG, SozR 3-2600 § 248 Nr. 1).

Eine vom Kläger gerügte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) liegt nicht vor. Sowohl § 248 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI als auch § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI gewährleisten gerade die Gleichbehandlung aller nach dem SGB VI Versicherten und aller nach diesem Gesetzbuch mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belasteten Personen (vgl. auch insoweit BSG, SozR 3-2600 § 248 Nr. 1). Eine Privilegierung der planmäßigen Aspiranten der früheren DDR wäre mit den zukunftsgerichtet auf Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte ausgerichteten Vorschriften des SGB VI sachlich nicht zu vereinbaren. Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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