L 4 RA 97/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 RA 97/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 97/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. März 1999 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 16.01.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.1997 verurteilt, dem Kläger ab 01.03.2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am ...1941 geborene Kläger erlangte im Juli 1959 den Facharbeiterabschluss als Mechaniker. In diesem Beruf war er bis 1961 tätig. Von 1961 bis 1964 absolvierte er ein Direktstudium an der Ingenieurschule für Feinwerktechnik J ... und erlangte den staatlichen Abschluss als Ingenieur. Nach seinen Angaben war er anschließend als Montageingenieur, Kundendienst-Ingenieur, Vertragsbearbeiter Absatz, Gruppenleiter Versand und zuletzt vom 01.06.1988 bis 31.12.1992 als Abteilungsleiter für den Versand tätig.

Seit dem 01.01.1993 ist der Kläger arbeitslos. Vom 23.01.1995 bis 10.10.1995 bezog er Krankengeld, für die Dauer einer Heilbehandlung vom 11.10.1995 bis 08.11.1995 Übergangsgeld und daran anschließend für die Zeit vom 09.11.1995 bis 02.01.1997 sowie vom 01.08.1997 bis 11.11.1997 erneut Krankengeld. Vom 01.01.1993 bis 21.01.1995, vom 03.01.1997 bis 07.08.1997 sowie ab 12.11.1997 bis 22.03.1998 erhielt der Kläger Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit.

Seit November 1995 hat das Versorgungsamt eine beim Kläger bestehende "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen" mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt (Bescheid vom 15.03.1996).

Am 07.08.1996 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

In der Zeit vom 11.01.1995 bis 08.11.1995 hielt sich der Kläger zu einer Heilbehandlung in der Fachklinik Bad F ... auf. Nach dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 14.11.1995 besteht bei ihm ein lokales Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen mit Wurzelreizung L 2/3/4 rechts, eine Coxarthrose II. Grades, rechts mehr als links mit mäßigen Funktionsstörungen, eine Rheumatoidarthritis ohne wesentliche Funktionsstörungen sowie Adipositas. Die bisherige Tätigkeit als Versandleiter könne er nur noch halb- bis unter vollschichtig ausüben. Für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne einseitige Körperhaltung, ohne Überkopfarbeit, ohne Bücken, Hocken und Knien sowie ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Ein ergonomisch optimaler Arbeitsplatz (Sitzmöbel) sei erforderlich.

Zur medizinischen Abklärung des Leistungsvermögens holte die Beklagte im Verwaltungsverfahren ein orthopädisches Gutachten, erstattet nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 04.12.1996 von der Fachärztin für Chirurgie Dr. H ..., ein. Die Sachverständige stellte als zusammenfassende Diagnosen - chronisches lumbales Pseudoradikulärsyndrom, - Coxarthrose rechts, beginnend links, - Adipositas fest. Die Leistungsfähigkeit im Arbeitsleben sei begrenzt und für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bleibend eingeschränkt. Dem Kläger seien noch leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen vollschichtig zumutbar.

Mit Bescheid vom 16.01.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab. Beim Kläger lägen zwar degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne schwerwiegende Funktionseinschränkungen, Hüftgelenksverschleiß mit mäßigen Funktionseinschränkungen sowie belastendes Übergewicht vor. Er sei aber noch in der Lage, eine Beschäftigung als leitender und aufsichtsführender Techniker im Innendienst vollschichtig auszuüben. Ferner bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes. Daher sei er weder berufs- noch erwerbsunfähig noch invalide.

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres berufskundlichen Dienstes vom 22.05.1997 ein und wies danach den Widerspruch mit Bescheid vom 31.07.1997 zurück. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit, die einen Rentenanspruch begründe, liege nicht vor. Der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig Tätigkeiten ohne monotone statische Belastungen des Achsenorgans auszuüben. Andauernde Zwangshaltungen, Hebebelastungen über 12 kg, gehäuftes Bücken sowie Nässe- und Kälteexpositionen seien zu vermeiden. Diesem Leistungsbild entspreche die Tätigkeit eines Versandleiters. Versandleiter seien in nahezu allen Branchen eingesetzt. Ihnen obliege die Leitung, Organisation und Überwachung der Versandabteilung, die Planung, Terminierung und Überwachung des damit zusammenhängenden Schriftwechsels, die Personalführung sowie die Organisation des Fuhrparks. In Großbetrieben gebe es eigenständige Versandabteilungen, in Kleinbetrieben sei der Arbeitsplatz eingegliedert in die Verkaufs-, Auftrags- oder Exportabteilung. Üblich sei auch ein kombinierter Arbeitsplatz als Versandleiter und Lagerleiter. Lediglich in kleinen Betrieben sei der Versandleiter auch körperlich mitarbeitend eingesetzt. In allen anderen Betrieben arbeite er verwaltend, disponierend, überwachend und kontrollierend und übe somit eine physisch nicht belastende Tätigkeit aus. Die Ausübung dieser Tätigkeit stehe dem Leistungsvermögen des Klägers nicht entgegen. Die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes falle in den Risikobereich der Arbeitsverwaltung.

Mit der am 29.08.1997 vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage führte der Kläger sein Begehren weiter. Die der Rentenablehnung zugrunde liegenden Gutachten seien unvollständig, ungenau und parteilich. Von der Gutachterin sei er nicht umfassend untersucht worden. Aufgrund seiner vorhandenen Ausfallerscheinung im rechten Bein sei er mehrmals gestürzt. Er könne die bisherige Tätigkeit als Versandleiter nicht mehr ausüben.

Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts zog das Sozialgericht ein Gutachten des Arbeitsamtes Z ... vom 18.04.1997 bei, wonach dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeit in wechselnder Körperhaltung, ohne Zeitdruck, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen sowie ohne schweres Heben und Tragen bescheinigt worden war. Das gesundheitliche Leistungsbild dürfte jedoch nicht mehr den Anforderungen an die letzte Tätigkeit als Versandleiter entsprechen. Ferner holte das Sozialgericht Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. M ... und des Chirurgen Dr. T ..., einen Arztbrief des Neurologen Dipl.-Med. M ... sowie Arbeitsunfähigkeitsgutachten des MDK Sachen vom 25.04.1995, vom 27.06.1995 und vom 04.11.1997 ein.

Das Sozialgericht gab ferner ein orthopädisches Gutachten, erstattet am 22.07.1998 von Prof. Dr. D ..., in Auftrag. Der Sachverständige stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers folgende Gesundheitsstörungen fest:
- Coxarthrose rechts,
- Osteoporose,
- polyradikuläres vertebragenes lumbales Schmerzsyndrom mit Teilparesen der rechten unteren Extremität bei schweren degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule,
- retropatellare Chondropathie links.

Zum Leistungsbild führte er aus, dem Kläger seien noch leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen und zeitweise im Gehen und Stehen, ohne Arbeiten in Rumpfzwangshaltungen sowie ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg vollschichtig zumutbar. Nach Auswertung einer Kernspintomographie vom 08.10.1998 bestätigte der Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 30.11.1998 diese Leistungseinschätzung. Danach sei der Kläger mit starker Einschränkung der Belastbarkeit prinzipiell als erwerbsfähig einzuschätzen.

Das Sozialgericht gab der Klage mit Urteil vom 25.03.1999 teilweise statt. Es hob den Bescheid vom 16.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.1997 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 01.08.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und für die Zeit vom 01.07.1998 bis 30.06.2001 eine befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Der Kläger sei seit 08.11.1995 berufsunfähig im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Dem Berufsschutz unterliege die letzte Tätigkeit des Klägers als Versandleiter. Diesen Beruf könne er nach den beigezogenen medizinischen Befunden nicht mehr vollschichtig ausüben. Bei der Tätigkeit eines Versandleiters handele es sich nicht um eine leichte körperliche Arbeit, die überwiegend im Sitzen verrichtet werde. Es könne vielmehr nicht ausgeschlossen werden, dass diese Tätigkeit zum Teil im Freien und zum Teil unter Gefährdung durch Zugluft auszuüben sei. Je nach Organisationsstruktur des jeweiligen Betriebes müsse der Versandleiter auch praktisch mitarbeiten, d. h. teilweise müssten schwere Lasten gehoben, getragen oder bewegt werden. Dies ergebe sich aus den berufskundlichen Informationen der Bundesanstalt für Arbeit (BO 701/1 und gabi 781 b). Aufgrund der orthopädischen Leistungseinschränkungen sei der Kläger jedoch nicht mehr in der Lage, derartige Tätigkeiten auszuüben. Hinsichtlich der sozial-medizinischen Einschätzung folgte das Sozialgericht dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 14.11.1995. Danach stünden beim Kläger die Wirbelsäulenbeschwerden und die Hüftgelenkserkrankung im Vordergrund. Aufgrund des lokalen Lumbalsyndroms sei der Kläger nur noch in der Lage, Tätigkeiten in geschlossenen Räumen auszuüben. Soweit er im Freien unter Gefährdung durch Kälte, Nässe und Zugluft arbeiten müsste, würde sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtern. Diese sozial-medizinische Einschätzung werde letztlich auch durch das orthopädische Gutachten der Dr. H ... vom 04.12.1996, das Gutachten des Arbeitsamtes Zwickau vom 18.04.1997 und das orthopädische Gutachten von Prof. Dr. D ... vom 22.07.1998 bestätigt. Da eine Tätigkeit, auf die der Kläger ausgehend von seinem beruflichen Werdegang und dem festgestellten medizinischen Leistungsbild noch zumutbar verwiesen werden könnte, weder von der Beklagten benannt worden, noch sonst ersichtlich sei, sei er seit der Entlassung aus der Heilbehandlung ab 08.11.1995 berufsunfähig.

Nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) zur Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit entwickelten Mehrstufenschema sei die Tätigkeit als Versandleiter der Gruppe mit dem Leitberuf des qualifizierten Angestellten zuzuordnen. Er könne daher sozial zumutbar nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, für die eine Ausbildungsdauer von mehr als zwei Jahren erforderlich sei. Ausgehend von diesem Grundsatz existiere keine Tätigkeit, auf die der Kläger zumutbar verwiesen werden könnte. Die von der Beklagten benannte Tätigkeit als leitender und aufsichtsführender Techniker im Innendienst könne der Kläger nach Ansicht des SG nicht innerhalb von drei Monaten vollwertig ausüben, da ihm sowohl die Vorkenntnisse fehlten und er eine entsprechende Ausbildung in einem anderen Wirtschaftssystem absolviert habe. Seine letzte Tätigkeit als Versandleiter habe er im Jahr 1992 aufgeben müssen. Somit habe er seit mehr als zwei Jahren entsprechenden Kenntnisse nicht mehr verwenden und vertiefen können. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit stehe ihm daher nach § 99 Abs. 1 SGB VI ab 01.08.1996 zu. Ferner bestehe ein Anspruch auf Gewährung einer befristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01.07.1998 bis 30.06.2001, denn der Kläger sei seit dem 12.12.1997 erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI. Seit diesem Zeitpunkt sei der Kläger nach dem medizinischen Leistungsbild nur noch in der Lage, untervollschichtig leichte Tätigkeiten zu verrichten. Diese Leistungseinschätzung ergebe sich aus dem orthopädischen Gutachten von Prof. Dr. D ... vom 22.07.1998 und dem Arztbrief des Neurologen Dipl.-Med. M ... vom 17.12.1997. Da der Kläger nur untervollschichtig leichte Tätigkeiten verrichten könne, liege im Sinne eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes Erwerbsunfähigkeit vor. Insoweit sei nach § 102 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nur eine Zeitrente zu gewähren.

Vor dem 12.12.1997 sei der Kläger nicht erwerbsunfähig gewesen, denn er habe leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten können. Dies ergebe sich letztlich aus dem Gutachten des Arbeitsamtes Zwickau vom 18.04.1997. Erstmals mit der neurologischen Untersuchung bei Dipl.-Med. M ... am 12.12.1997 habe ein Radikulärsyndrom mit der Folge einer untervollschichtigen Leistungsfähigkeit des Klägers objektiviert werden können.

Gegen das der Beklagten am 15.04.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.05.1999 eingelegte Berufung.

Die Beklagte trägt vor, dem Urteil könne weder aus medizinischer noch aus berufskundlicher Sicht gefolgt werden. Der Kläger sei grundsätzlich vollschichtig leistungsfähig und könne weiter in seinem Beruf arbeiten. Der Sachverständige Prof. Dr. D ... habe bei Gegenüberstellung der klinischen und der apparativ-technischen Befunde eine Diskrepanz festgestellt und ein MRT zum Ausschluss einer Nervenwurzelkompression durch einen Bandscheibenvorfall erstellen lassen. Er sei schließlich zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger eine quantitative Leistungseinschränkung nicht vorliege. Demgegenüber habe das Sozialgericht ohne eigene Sachkunde die vorliegenden medizinischen Befunde fehlerhaft als erhebliche neurologische Ausfälle gedeutet und daraus eine zeitliche Leistungsminderung auch für leichte Tätigkeiten angenommen. Zur fundierten Sachabklärung sei bei diesem Vorgehen aber eine neurologische Begutachtung zwingend erforderlich gewesen. Aber auch aus berufskundlicher Sicht sei der Beurteilung des SG nicht zu folgen. Einem Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit sei der Beruf eines Versandleiters zugrunde zu legen. Diese Tätigkeit entspreche nach dem Schreiben des Klägers vom 09.11.97 qualitativ der Gehaltsgruppe 6 des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie. Die genannte Gehaltsgruppe sei die zweithöchste im Gefüge des hier einschlägigen Tarifvertrages. Sie umfasse Tätigkeiten sehr schwieriger Art, die nach allgemeinen Richtlinien selbständig ausgeführt werden und in eigener Verantwortung Entscheidungen von erheblicher Bedeutung für den Betriebs- oder Geschäftsablauf in einem Arbeitsbereich einschließen und/oder Grundlagen für derartige Entscheidungen liefern sowie Meistertätigkeiten, die in großen vielseitigen oder mehreren Arbeitsbereichen in der Regel mit unterstellten Meistern nach allgemeinen Richtlinien selbständig ausgeführt werden, mit Führungsaufgaben und fachlicher Verantwortung für die unterstellten Arbeitnehmer und/oder Auszubildenden. Tätigkeiten der Gehaltsgruppe 6 erfordern neben einer abgeschlossenen mehr als zweijährigen Berufsausbildung zusätzliche umfangreiche Fach- und Spezialkenntnisse, wie sie z. B. durch eine einschlägige Hochschul-, Fachhochschulausbildung oder Meisterfortbildung sowie mehrjährige Berufserfahrung erworben werden.

Sofern die tarifliche Einstufung den qualitativen Wert der ausgeübten Tätigkeit widerspiegele, sei davon auszugehen, dass der Kläger eine hochqualifizierte Tätigkeit ausgeübt habe. Ihm sei daher ein Berufsschutz zuzubilligen, der im Rahmen einer Prüfung nach § 43 Abs. 2 SGB VI die Verweisung auf an- und ungelernte Tätigkeiten ausschließe. Das beratungsärztliche Votum habe dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen, jedoch auch zeitweise mit der Möglichkeit des Stehens und Gehens, ohne Arbeiten in Rumpfzwangshaltung oder Tätigkeiten, die mit Heben und Tragen von Gewichten über 5 kg einhergehen, attestiert. Dieses eingeschränkte Leistungsprofil habe zwar zur Folge, dass der Kläger die zuletzt langjährig ausgeübte Tätigkeit als Versandleiter, bei der er selbst mit Hand anzulegen hatte, nicht mehr verrichten könne. Daraus folge jedoch nicht, dass er generell nicht mehr in der Lage wäre, die Tätigkeit eines Versandleiters vollschichtig auszuüben. Vielmehr seien Versandleiter in nahezu allen Branchen zu finden. Lediglich in kleineren Betrieben sei der Versandleiter auch körperlich mitarbeitend eingesetzt. In allen anderen Betrieben, insbesondere in größeren Betrieben arbeite er verwaltend, disponierend, überwachend und kontrollierend. Dabei handele es sich, wie der Berufsinformationskarte BO 701/1 zu entnehmen ist, um körperlich leichte Arbeit in Büros, die überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen ausgeübt werde. Zugluft- und Witterungsexpositionen, die bei Arbeiten in Hallen und auf Verladerampen entstehen können, könnten arbeitsplatzabhängig auftreten, seien jedoch nicht berufstypisch. Da die besonderen Gegebenheiten eines bestimmten Arbeitsplatzes bei der Beurteilung eines BU-Rentenanspruchs unberücksichtigt bleiben müssten (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 4), sei der Kläger weiterhin fähig, eine Tätigkeit als Versandleiter auszuüben. Eine Erörterung von Verweisungstätigkeiten und deren soziale Zumutbarkeit erübrige sich daher (BSG vom 12.11.80 - 1 RA 91/79).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.03.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit vor dem 01.03.2000 begehrt wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat zur Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, erstattet am 06.02.2000 von Prof. Dr. R ..., eingeholt. Die körperliche und neurologische Untersuchung ergab außer einem lokalen Zervikal- und Lumbalsyndrom das Vollbild einer sensomotorischen symmetrischen Polyneuropathie. Die motorischen evozierten Potentiale wiesen dementsprechende deutliche Verzögerungen zu den Beinen auf. Psychisch lagen beim Kläger keine Störungen vor. Die Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Gefäße und das EEG waren ohne pathologischen Befund. Die psychologischen Tests ergaben bei deutlich überdurchschnittlicher Intelligenz keine Hinweise auf Hirnleistungsversagen. Der Sachverständige Prof. Dr. R ... stellte auf Grund der Untersuchung folgendeneurologisch-psychiatrische Diagnosen: - Sensomotorisch-vegetative distale symmetrische Polyneuro pathie, - lokales Zervikal- und Lumbalsyndrom, - radikuläres Syndrom S 1 rechts.

Die festgestellten Gesundheitsstörungen bestünden wahrscheinlich seit Rentenantragstellung, sicher aber seit Mitte 1998. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger keiner regelmäßigen täglichen Erwerbstätigkeit nachgehen, weder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, noch als Versandleiter oder im Bürobereich. Die glaubhaft vorgetragenen täglichen Dauerschmerzen seien teilweise durch die Wirbelsäulensyndrome und teilweise durch die Polyneuropathie bedingt. Letztere habe zu deutlichen Störungen der sensiblen, motorischen und vegetativen (sudomotorischen) Nervenfasern geführt. Der Kläger sei dringend behandlungsbedürftig. In absehbarer Zeit sei jedoch nach der Einschätzung des Sachverständigen eine sozialmedizinisch relevante Besserung nicht zu erreichen. Aus neurologischer Sicht sei der Kläger aber in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand und ohne übermäßige Anstrengung zurückzulegen. Der Neurologe geht davon aus, dass das Leistungsvermögen des Klägers um mindestens 2/3 desjenigen eines geistig und körperlich gesunden Versicherten gemindert sei. Der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 15.05.2000 zufolge, sei das vom Kläger glaubhaft beschriebenen Schmerzsyndrom allein ausreichend, um eine Erwerbsunfähigkeit zu begründen, unabhängig davon welcher Anteil der Polyneuropathie und welcher dem radikulären Syndrom zugerechnet werde.

Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. R ... in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2000 zur Erläuterung seines Gutachtens gehört. Wegen seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Nach Auswertung der Einlassungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit Schreiben vom 05.03.2001 im Wege eines Vergleichsvorschlages ein deutlich reduziertes Leistungsvermögen des Klägers seit Februar 2000 und damit einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.2000 auf Dauer anerkannt. Der Kläger hat dieses Vergleichsangebot nicht angenommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die dem Senat vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 [SGG]).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist einerseits ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.08.1996, und damit ab dem Monat der Rentenantragstellung (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Streitig ist aber auch, ob - wie vom Sozialgericht angenommen - aufgrund eines nur noch unter vollschichtigen Leistungsvermögens und eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes ab 12.12.1997 der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist und eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer befristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem siebenten Kalendermonat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit ab 01.07.1998 besteht (§ 101 Abs. 1, § 102 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). In diesem Umfang ist die Beklagte vom Sozialgericht - indessen hinsichtlich beider Zeitpunkte zu Unrecht - jeweils zur Leistungsgewährung verurteilt worden.

Im Ergebnis der vom Senat durchgeführten medizinischen Sachaufklärung war auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sich danach für den Kläger ein Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.08.1996 bis 28.02.2000 ergibt. Erst aufgrund der im Berufungsverfahren erfolgten neurologisch-psychiatrischen Begutachtung des Klägers hat sich ein derart deutlich reduziertes Leistungsvermögen des Klägers objektivieren lassen, dass daraus ab 01.03.2000 ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer resultiert. Seit 01.03.2000 war die Beklagte daher - wie von ihr mit dem Vergleich vom 05.03.2001 auch anerkannt - zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu verpflichten.

Der Bewertung des Sozialgerichts folgt der Senat nicht, denn der Kläger ist weder seit 01.08.1996 berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI noch bereits seit 12.12.1997 erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI.

Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung besteht, anders als vom SG angenommen, nicht. Der Kläger ist nach seinem medizinischen Leistungsbild und unter Zugrundelegung seiner beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten weiterhin bis März 2000 als Versandleiter, zumindest aber als gehobener Sachbearbeiter im kaufmännischen oder technischen Bereich vollschichtig einsatzfähig.

Zutreffend gehen die Beklagte und das Sozialgericht davon aus, dass als Beruf des Klägers seine zuletzt seit 1988 ausgeübte Tätigkeit als Abteilungsleiter Versand zugrunde zu legen ist. Diese Tätigkeit war qualitativ in die Gehaltsgruppe 6 des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie eingestuft und war damit der zweithöchsten Gehaltsgruppe im Gefüge des hier einschlägigen Tarifvertrages zugeordnet. Nach ihrem qualitativen Wert ist die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Abteilungsleiter Versand damit im Mehrstufenschema der Gruppe der Angestellten mit hoher beruflicher Qualität zuzuordnen. Sofern der Kläger nach seinem medizinischen Leistungsbild nicht mehr in der Lage ist, dem Anforderungsprofil im bisherigen Beruf gerecht zu werden, ist ihm im Rahmen einer Prüfung nach § 43 Abs. 2 SGB VI Berufsschutz dahin zuzubilligen, dass eine Verweisung auf an- und ungelernte Tätigkeiten ausgeschlossen ist. Der Kläger kann insoweit sozial zumutbar nur auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Stufe und damit auf Angestelltentätigkeiten, für die eine regelmäßige Ausbildung mehr als zwei Jahren erforderlich ist, verwiesen werden.

Die Frage einer zumutbaren Verweisungstätigkeit stellt sich allerdings nur, wenn - wovon das Sozialgericht ausgegangen ist - der Kläger aus medizinischer Sicht seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben könnte. Das ist nach Überzeugung des Senates unter Berücksichtigung der beigezogenen medizinischen Unterlagen und Gutachten für die vom Sozialgericht angegebene, oben genannte, vor dem 01.03.2000 liegende Zeit noch nicht der Fall.

Zur typisierenden Beschreibung des Arbeitsplatzes eines Versandleiters hat das Sozialgericht zwar zutreffend die berufskundlichen Unterlagen der Bundesanstalt für Arbeit (Berufsinformationskarte BO 701/1; gabi 781 b) herangezogen. Danach ist die Tätigkeit eines Versandleiters als körperlich leichte, überwiegend sitzende Arbeit in geheizten und klimatisierten Räumen, zeitweise in Werk- und Lagerhallen, mit der Möglichkeit zu gelegentlichem Gehen und Stehen anzusehen. Zwar können gelegentlich auch Arbeiten bei Zugluft und unter Witterungseinflüssen im Freien auszuüben sein. Derartige Tätigkeiten sind aber abhängig vom konkreten Arbeitsplatz, zum Beispiel, wenn in einem kleineren Betrieb die Tätigkeit eines Versandleiters mit der eines Lagerleiters verbunden ist.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts gehören derartige Einflüsse aber nicht zu den typischen Belastungssituationen im Berufsbild eines Versandleiters, auch wenn dies auf dem bisherigen Arbeitsplatz des Klägers bis 1992 der Fallgewesen sein sollte. Je nach den betrieblichen Gegebenheiten und der Organisationsstruktur ist der Versandleiter - wie sich aus der Berufsinformationskarte BO 701/1 und gabi 781 b ergibt - überwiegend verwaltend, disponierend, überwachend und kontrollierend tätig. Derartige körperlich leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen, jedoch auch zeitweise mit der Möglichkeit des Stehens und Gehens, ohne Arbeiten in Rumpfzwangshaltung und ohne Tätigkeiten, die mit Heben und Tragen von Gewichten über 5 kg einhergehen, kann der Kläger unter Zugrundelegung seines medizinischen Leistungsvermögens noch vollschichtig ausüben.

Diese Leistungseinschätzung ergibt sich nach Überzeugung des Senates sowohl aus dem orthopädischen Gutachten des Prof. Dr. D ... vom 22.07.1998 als auch aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Chirurgin Dr. H ... vom 04.12.1996 und den sozial-medizinischen Einschätzungen des Entlassungsberichts der Fachklinik Bad F ... vom 14.11.1995. Übereinstimmend stellen die medizinischen Sachverständigen fest, dass beim Kläger zwar bedingt durch die nachgewiesenen Beeinträchtigungen insbesondere am Stütz- und Bewegungsapparat eine Leistungseinschränkung für schwere bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten besteht. Der Kläger ist jedoch für körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig. Zwar weisen die Sachverständigen darauf hin, der Kläger könne seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr vollschichtig ausführen. Dies erstreckt sich aber allein auf die vom Kläger beschriebene, in der Vergangenheit als Abteilungsleiter Versand tatsächlich ausgeübte Tätigkeit bis 1992 an seinem letzten Arbeitsplatz. Denn der Kläger hat dargelegt, dass er mittelschwere und teilweise auch körperlich schwere Arbeiten habe erledigen müssen. Insoweit hat sich die Beklagte aber - bezogen auf die medizinischen Feststellungen - zweifelsfrei dahin eingelassen, dass derartige körperlich schwere Arbeiten vom Kläger nicht erwartet werden und dass diese auch dem typischen Berufsbild eines Versandleiters nicht entsprechen.

Unstreitig bestehen beim Kläger nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen schwere degenerative Veränderungen an der Lendenwirbelsäule, die Ursache für ständige Schmerzen der Lendenwirbelsäle mit Ausstrahlung in das rechte Bein sind. Während ein im Dezember 1997 diagnostiziertes Radikulärsyndrom der Wurzeln L 4 und L 5 zumindest die Muskelausfälle und Muskelschwächen des Fußhebers und des Musculus quadriceps erklären konnte, war die neurologische Diagnostik nicht abgeschlossen und blieben nach dem Gutachten von Prof. Dr. D ... vom Kläger geklagte neurologische Einschränkungen ungeklärt. Aufgrund dieser nicht ausreichenden diagnostischen Abklärung des bestehenden radikulären Schmerzsyndroms hielt der Sachverständige Prof. Dr. D ... den Kläger zwar nicht für "arbeitseinsatzfähig". Zur Abklärung der zunächst festgestellten Diskrepanz zwischen elektroneurographisch und neurologischem Befund, wurde im Oktober 1998 ein Magnetresonanztomogramm der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Nach Auswertung dieser Befunde schlussfolgert der Sachverständige, wie sich bereits aus dem Gutachten vom 22.07.1998 ergibt, dass beim Kläger wegen des Radikulärsyndroms zwar eine starke Einschränkung der Belastbarkeit besteht, er aber prinzipiell für körperlich leichte Tätigkeiten als erwerbsfähig einzuschätzen ist.

Diesen sachverständigen Bewertungen schließt sich der Senat an. Es besteht zwar beim Kläger auch eine Coxarthrose rechts, die für Gehen und Stehen limitierend wirkt. Diese bedingt jedoch keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte, vorwiegend im Sitzen zu realisierende Tätigkeiten.

Da der Kläger trotz seines eingeschränkten Leistungsbildes in seinem bisherigen Beruf zumindest bis zum Zeitpunkt eines weiteren Absenkens der Leistungsfähigkeit weiterhin vollschichtig tätig sein kann, ist er nach § 43 Abs. 2 SGB VI nicht bereits seit August 1996 berufsunfähig.

Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat der Kläger für die Zeit ab 01.03.2000, nicht dagegen bereits für die vom SG angenommene Zeit nach einem Leistungsfall vom 12.12.1997. Insoweit ist Erwerbsunfähigkeit erst mit dem dem Zeitpunkt der Untersuchung beim Sachverständigen Prof. Dr. R ... folgenden Monat, mithin dem 01.03.2000, nachgewiesen. Bis dahin war der Kläger - wie dargelegt - vollschichtig leistungsfähig. Damit scheidet aber bis dahin die Zuerkennung eines Rentenanspruchs wegen Erwerbsunfähigkeit aus. Denn nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI ist nicht erwerbsunfähig, wer eine Tätigkeit vollschichtig leistungsfähig ausüben kann.

Der Senat stützt sich dabei gerade auch auf die im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R ... vom 06.02.2000 und der weiteren Stellungnahme vom 15.05.2000 getroffenen Feststellungen. In der nachgereichten Stellungnahme vom 15.05.2000 führt der Sachverständige unzweideutig aus, dass die Diagnose "Polyneuropathie" bis zum Zeitpunkt der gutachtlichen Untersuchung nicht festgestellt worden ist. Insgesamt liegen genügende gesicherte Erkenntnisse für das Bestehen einer zur Erwerbsunfähigkeit führenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit nach Überzeugung des Senats zu einem früheren Zeitpunkt als dem der Begutachtung durch den Sachverständigen nicht vor.

Soweit der Sachverständige sowohl in seinem Gutachten als auch der nachgereichten Stellungnahme ausführt, es sei "wahrscheinlich, dass bereits zum Zeitpunkt der orthopädischen Untersuchung vom Juli 1998 ... die Kombination radikulärer und neuropathischer Faktoren zu erheblichen Leistungseinschränkungen im Sinne einer Erwerbsunfähigkeit führten" (vgl. Stellungnahme vom 15.05.2000, S. 22), rechtfertigt dies die Zubilligung des streitbefangenen Anspruchs zu einem früheren Zeitpunkt nicht. "Wahrscheinlichkeit" in dem vom Sachverständigen dargelegten Umfang bedeutet nicht die für die richterliche Überzeugung und damit den Vollbeweis maßgebliche, hier aber erforderliche, an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Anders ausgedrückt: für den Vollbeweis ist ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass kein vernünftiger Mensch noch Zweifel am Vorliegen der streitgegenständlichen Tatsache hat (vgl. nur BSG Breith. 1994, 46).

Der Sachverständige weist in seinem Gutachten und der nachgereichten Stellungnahme selbst darauf hin, dass es sich bei seinen Ausführungen hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts der den Rentenanspruch auslösenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit letztlich um eine Vermutung handelt: "Der Beginn der Erkrankung, die zur jetzigen (Untersuchungsdatum) Leistungsbeurteilung führt, ist sicher nachträglich schwer festzustellen" (so wiederum in der Stellungnahme vom 15.05.2000, S. 22). Damit stimmen die im Gutachten vom 06.02.2000 getroffenen Feststellungen vollinhaltlich überein. Denn im Gutachten ist wiederholt darauf hingewiesen, dass das zum Zeitpunkt der Untersuchung bestehende Leistungsbild "wahrscheinlich" seit Juli 1998 besteht. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens ist aber nicht, wie vom Sachverständigen insoweit ersichtlich angenommen, der Zeitpunkt des Krankheitsbeginns ausschlaggebend. Darauf kommt es nicht an. Maßgebend für die Zuerkennung eines Rentenanspruchs wegen Erwerbsunfähigkeit ist vielmehr allein der Nachweis des ist, dass eine Erwerbsfähigkeit objektiv nicht mehr besteht. Aus der Sicht der zeitlichen Entwicklung des Krankheitsverlaufs ist damit allein maßgebend, ob und seit welchem Zeitpunkt eine Erkrankung ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht mehr zulässt. Dies ist indessen im Fall des Klägers erstmals mit der Untersuchung beim Sachverständigen Prof. Dr. R ... nachgewiesen. Damit schied aber die Annahme von Erwerbsunfähigkeit vor dem 01.03.2000 aus.

Aus den genannten Gründen war auf die Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Kläger - unter Abweisung der Klage im Übrigen - Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.03.2000 zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Für die Kostenentscheidung, die nach billigem Ermessen zu treffen ist, war maßgebend, dass sich eine die Erwerbsunfähigkeit begründende Leistungseinschränkung erst im Berufungsverfahren herauskristallisiert hat und die Beklagte diesen gesundheitlichen Veränderungen letztlich mit dem Vergleichsangebot Rechnung getragen hatte.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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