L 5 RJ 128/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 RJ 292/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 128/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. April 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am ... 1946 geborene Klägerin war von 1960 bis 1967 als Gütekontrolleurin und Montiererin beschäftigt, erlernte in der Zeit von 1967 bis 1969 den Beruf einer Elektromechanikerin und erwarb am 28. November 1969 das entsprechende Facharbeiterzeugnis. Nachfolgend arbeitete sie bis zum 30. Juni 1993 als Sachbearbeiterin, Reparaturmechanikerin und Disponentin und vom 05. Juli 1993 bis zum 30. September 1995 als gewerbliche Mitarbeiterin/Montagearbeiterin. Vom 04. Oktober 1995 bis zum 03. Oktober 1996 absolvierte die Klägerin ein Arbeitsplatztraining für Schwerbehinderte. Seitdem ist sie arbeitslos und bezieht Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Krankengeld.

Den am 03. Februar 1997 gestellten Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit begründete sie mit Augen-, Rücken-, Wirbelsäulen-, Knie-, Lungen- und Gefäßbeschwerden sowie mit Migräne.

Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor:

- Befundberichte von Dr. W ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 04. Februar 1997, Dr. T ..., Facharzt für Innere Medizin/Lungenkrankheiten, vom 08. April 1997 und Dr. J ..., Facharzt für Chirurgie, vom 20. Mai 1997,

- der Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses W ... vom 21. April 1997,

- das internistische Gutachten des Dr. T ... vom 19. August 1997, in welchem der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen als Disponentin, Sachbearbeiterin und gewerbliche Mitarbeiterin sowie für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne besonderen Zeitdruck (z. B. Akkord, Fließband), ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel), ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken sowie ohne häufiges Klettern und Steigen und ohne Gefährdung durch Zugluft und inhalative Reizstoffe, bescheinigt wurde.

Mit Bescheid vom 04. September 1997 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. In dem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 16. September 1997 vertrat die Klägerin die Auffassung, aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage zu sein, einen Beruf auszuüben. Zudem bestünden eine starke Kurzsichtigkeit, eine Migräne sowie starke Rückenschmerzen. Nach Einholung eines Befundberichtes der Dr. B ..., Fachärztin für Augenkrankheiten, vom 15. Dezember 1997, in welchem ein Visus von rechts 1.0 und links 1/50 ohne Änderung in den letzten zwölf Monaten angegeben wurde, wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 23. März 1998 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar in ihrem bisherigen Beruf als Bandarbeiterin, welcher der Berufsgruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen sei, nicht mehr tätig werden, sei jedoch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Klettern oder Steigen und ohne Gefährdung durch Zugluft und inhalative Reizstoffe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

In der am 16. April 1998 bei dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage führte die Klägerin an, auf Grund ihrer Erkrankungen auf pulmologischem, orthopädischem und psychischem Gebiet sowie der angeborenen Sehminderung und unwillkürlichem Harnabgang sei es ihr nicht mehr möglich, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Seit April 1997 sei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 Prozent zuerkannt worden. Die von 1969 bis 1993 ausgeübten Tätigkeiten als Sachbearbeiterin, Reparaturmechanikerin und Disponentin stellten Facharbeitertätigkeiten, zumindest Tätigkeiten im Bereich der angelernten Arbeitskräfte dar. Die nachfolgende Aufnahme der Tätigkeit als Montagearbeiterin sei nur auf Grund der Arbeitslosigkeit aufgenommen und über 26 Monate ausgeübt worden.

Das Sozialgericht hat medizinische Unterlagen aus der Akte des Amtes für Familie und Soziales C ..., das Gutachten des Arbeitsamtes C ... vom 09. September 1997, in welchem ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten, im Wechsel der Körperhaltungen unter Beachtung weiterer Funktionseinschränkungen attestiert wurde, Befundberichte der Dres. W ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 12. Juni 1998, Sch ..., Fachärztin für Urologie, vom 14. Mai 1998, D ..., Facharzt für Hautkrankheiten, vom 13. Juni 1998, B ..., Fachärztin für Augenheilkunde, vom 07. Juli 1998, H ..., Facharzt für Neurologie/Psychiatrie, vom 17. Juli 1998 und R ..., Facharzt für Orthopädie, vom 15. Dezember 1998, eingeholt. Des Weiteren hat es eine Arbeitgeberauskunft der FER Fahrzeugelektrik GmbH C ... vom 30. Juli 1998, wonach die Klägerin vom 05. Juli 1993 bis zur betriebsbedingten Kündigung am 30. September 1995 eine Tätigkeit als Montagearbeiterin (montieren von Scheinwerfern und Leuchten), welche auch von ungelernten Arbeitern nach einer Einarbeitungszeit von einem Vierteljahr verrichtet werden können, ausgeübt hat und nach der Lohngruppe L 3 des Tarifvertrages für die Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen entlohnt worden ist, eingeholt.

Mit Urteil vom 08. April 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Als bisheriger Beruf sei die Tätigkeit als gewerbliche Mitarbeiterin/Montagearbeiterin zugrunde zu legen. Von der vorangegangenen Tätigkeit als Sachbearbeiterin, Reparaturmechanikerin und Disponentin habe sich die Klägerin nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst. Die Tätigkeit als gewerbliche Mitarbeiterin/Montagearbeiterin könne sie wegen der damit verbundenen mittelschweren Arbeiten nicht mehr verrichten. Als angelernte Arbeiterin im unteren Bereich sei sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Das Sozialgericht ist dem Gutachten des Dr. T ... gefolgt und hat ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten sowie ohne Zwangshaltungen angenommen. Unabhängig davon, ob bei der Klägerin eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, sei sie mit den bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen in der Lage, vollschichtig als Mitarbeiterin in einer Poststelle tätig zu werden.

Die Klägerin bekundet in der am 21. Mai 1999 bei dem Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung, ihre Entlohnung habe nach der Arbeitgeberauskunft einem Facharbeiter entsprochen, zumindest müsse nach dem Bruttoentgelt von der Lohngruppe 5 ausgegangen werden. Das Vorliegen mehr als nur unerheblicher Gesundheitsbeeinträchtigungen werde durch den GdB von 80 bestätigt. Bereits nach dem Einzel-GdB von 60 für die Lungenbeeinträchtigungen liege eine das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei alltäglicher leichter Belastung und nach dem Kurentlassungsbericht auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. April 1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1998 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil und führt an, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten werde in dem Rehabilitationsentlassungsbericht vom 06. September 1999 bestätigt.

Dem Senat hat der Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Seebad Ahlbeck vom 06. September 1999 über einen stationären Aufenthalt vom 04. August bis zum 01. September 1999 vorgelegen. Danach wurde die Klägerin für die Tätigkeit als Montagearbeiterin/Fließband mit einem zweistündigen bis unter halbschichtigen Leistungsvermögen und mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, ohne besondere Stressbelastungen und besondere Anforderungen an das Sehvermögen sowie unter Vermeidung von Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ständigen Überkopfarbeiten oder Tätigkeit in hockender oder kniender Position und ohne ständigen Einfluss von Kälte, Nässe, Zugluft, extremen Temperaturschwankungen, Staub, Rauch und Reizgasen, entlassen. Des Weiteren hat der Senat auf Antrag der Klägerin ein arbeitsmedizinisches Gutachten von Dr. F ... und von Amts wegen ein augenfachärztliches Gutachten von Dipl.-Med. W ... erstellen lassen. In dem Gutachten vom 13. Juni 2000 wurden nach ambulanter Untersuchung am 04. Mai 2000 von Dr. F ... folgende Diagnosen erhoben:

- chronische Bronchitis und Zustand nach Thoraktomie links wegen bronchioloalveolärem Karzinom ohne Anhalt für Rezidiv und ohne wesentliche Einschränkung der Lungenfunktion unter anti-asthmatischer Therapie
- anamnestisch anhaltende Belastungsdyspnoe,
- rezidivierendes lokales zervikales und lumbales Schmerzsyndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkung,
- Migräne,
- funktionelle Einäugigkeit bei malignem Myopathie-Syndrom links,
- chronisch-venöse Insuffizienz mit Zustand nach Varizen-Operation beiderseits
- ohne Stauungszeichen,
- Zustand nach plastischer Mamma-Operation beiderseits,
- psychosomatisches Syndrom mit Körperakzeptanz-Problemen,
- rezidivierende Beschwerden im Schulter-Arm-Bereich,
- Harninkontinenz bei Husten/Niesen,
- Chondropathie des linken Kniegelenkes ohne wesentliche Beweglichkeitseinschränkung,
- Hallux valgus beiderseits,
- laborchemischer Hinweis auf diskrete Anämie unklarer Genese.

Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass seit der letzten Untersuchung im September 1999 keine wesentlichen Veränderungen im Gesundheitszustand mit nachhaltiger Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin zu verzeichnen seien. Mit den bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen sei die Klägerin in der Lage, körperlich leichte Arbeiten, ohne permanentes Stehen und Gehen, ohne ununterbrochenes Sitzen, vorzugsweise in geschlossenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck sowie im Akkord oder am Fließband, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten, Überkopfarbeiten, Hocken oder Knien und ohne Arbeiten mit besonderem Absturzrisiko, ohne Gefährdung durch atemwegsirritierende Reizstoffe, Stäube, Gase, Rauch oder Dämpfe sowie Nässe, Kälte oder Zugluft und nicht mit Publikumsverkehr, vollschichtig zu verrichten. Mit der vorhandenen Brille seien Arbeiten an Bildschirmgeräten nicht für die Dauer einer vollen Schicht zumutbar. Die Klägerin sei trotz ihrer Gesundheitsstörungen in der Lage, einen einzelnen Fußweg viermal täglich von mehr als 500 Meter zurückzulegen. Für die Wegstrecke von 500 Meter würden auch beim Einlegen kleinerer Pausen maximal 15 Minuten benötigt. Die zeitliche Einsatzfähigkeit der Klägerin als Montagearbeiterin sei aufgrund der Gesamtheit der Gesundheitsstörungen auf weniger als vier Stunden täglich begrenzt. Unter der Voraussetzung, dass für den Nahbereich eine bessere Visuskorrektur erzielt werden könne, sei der Klägerin ein vollschichtiger Einsatz als Mitarbeiterin in einer Poststelle zumutbar. Der beschriebene Zustand bestehe in seinen wesentlichen Zügen seit 1997. In der ergänzenden Stellungnahme vom 05. Dezember 2000 bekundete Dr. F ..., nach dem augenärztlichen Attest der Frau Dr. B ... vom 03. Oktober 2000 sei wegen des verbesserten Visus von 0,9 auf dem besseren Auge von einem vollschichtigen Leistungsvermögen als Mitarbeiterin einer Poststelle auszugehen.

Dipl.-Med. W ... erhob nach ambulanter Untersuchung am 27. Februar 2001 in seinem Gutachten vom 08. März 2001 die Diagnose Myopie, Astigmatismus, Presbyopie, LA Anisometropie und Amblyopie. Das rechte Auge sei mittelgradig kurz- und alterssichtig und benötige verschiedene optische Korrekturen. Das linke Auge sei hochgradig kurzsichtig und eine optische Korrektur brächte keine nennenswerte Besserung. Außerdem bestehe eine geringfügige Gesichtsfeldeinschränkung. Die gemessene Sehschärfe für Ferne und Nähe auf dem gut sehenden rechten Auge sei mit gleicher Brille besser als im Vorgutachten des Dr. F ... Gesundheitseinschränkungen, welche die Erwerbsfähigkeit in der Tätigkeit als Sachbearbeiterin bzw. Mitarbeiterin in der Poststelle beeinträchtigten, lägen seitens der Augen nicht vor. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Klägerin seitens der Augen leicht eingeschränkt. Besonders hohe Anforderungen an die Sehleistung, vor allem für die räumliche Sehwahrnehmung, würden nicht erfüllt. Das vorhandene Sehvermögen beeinträchtige in keiner Weise das Arbeiten mit Publikumsverkehr. Mit dem vorliegenden Augenbefund erfülle die Klägerin die berufsgenossenschaftlichen Grundsätze G 37 für Bildschirmtauglichkeit und wäre fahrtauglich für PKW.

Der Senat hat den Beteiligten das berufskundliche Gutachten der Diplom-Verwaltungswirtin S ... H ... vom 31. Mai 1996 (in anderer Sache für das Sozialgericht Chemnitz) sowie vom 13. April und 16. Juni 2000 (in anderer Sache für das Sächsische Landessozialgericht) zu den Tätigkeitsanforderungen einer Mitarbeiterin in der Poststelle und die Berufsinformationskarte BO 781 der Bundesanstalt für Arbeit (Bürofachkräfte) zur Kenntnisnahme übermittelt.

Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Leistungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten beider Instanzen und die Leistungsakte des Arbeitsamtes C ... zur StNr. 073A129948. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Chemnitz (SG) die Klage abgewiesen, weil der Klägerin ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.

Die Klägerin ist weder berufs-, noch erwerbsunfähig (§§ 43 Abs. 2 Satz 1, 44 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung [a. F.]).

Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. liegt nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung noch nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst sie in einer Tätigkeit erzielen kann, auf die sie nach ihrem Gesundheitszustand und nach ihrem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO -). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).

Letzte Beschäftigung in diesem Sinne ist die Tätigkeit als gewerbliche Mitarbeiterin. Diese hat die Klägerin von Juli 1993 bis September 1995 (betriebsbedingte Kündigung) vollwertig bewusst und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt. Auf die von 1969 bis Juni 1993 verrichteten Tätigkeiten als Sachbearbeiterin, Reparaturmechanikerin und Disponentin kann nicht abgestellt werden. Eine rentenrelevante gesundheitsbedingte Lösung hat die Klägerin insoweit nicht behauptet. Sofern eine Versicherte eine neue Tätigkeit nur aufnimmt, um Zeiten der Arbeitslosigkeit zu überbrücken, handelt es sich lediglich um eine vorläufige, nicht auf Dauer ausgerichtete Berufsausübung, die versicherungsrechtlich unerheblich ist und einen bisherigen Berufsschutz grundsätzlich nicht entfallen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 1988, Az.: 8/5a RKn 9/96). Dennoch kann auch eine zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit aufgenommene Tätigkeit insbesondere dann auf Dauer ausgerichtet sein, wenn sich die Versicherte damit abgefunden hat, dass eine Rückkehr zum früheren Beruf nicht möglich ist und die Ausübung des neuen Berufes zwangsläufig auf Dauer gerichtet sein muss. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Zwangsläufigkeit dem Willen der Versicherten entspricht. Der Rückkehrwille ist nur insoweit bedeutsam, als er auch realisierbar ist, das heisst, solange die Versicherte eine reelle Chance hat und sie zu nutzen versucht (vgl. BSG a. a. O.). Die Klägerin hat nicht dargelegt, sich seit Juli 1993 dauerhaft um eine erneute Anstellung als Sachbearbeiterin, Reparaturmechanikerin oder Disponentin auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt beworben zu haben. Vielmehr hat sie die Tätigkeit als gewerbliche Mitarbeiterin/ Montagearbeiterin fast 28 Monate, also über einen mehr als nur vorübergehenden Zeitraum, ausgeübt. Im Wege der vorzunehmenden ex post - Prognose ergibt sich hieraus die Resignation zur Rückkehr in den früheren und das Abfinden mit dem gegenwärtigen Beruf unter dem Druck des Arbeitsmarktes. Es kann mangels entsprechender medizinischer Unterlagen bzw. Atteste auch nicht festgestellt werden, dass das Leistungsvermögen der Klägerin zum Zeitpunkt der betriebsbedingten Kündigung zum 30. Juni 1993 für die ausgeübte Tätigkeit als Sachbearbeiterin, Reparaturmechanikerin und Disponentin auf ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen abgesunken gewesen war.

Den Beruf als Montagearbeiterin kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Hiervon geht auch die Beklagte aus. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen mittelschweren Arbeiten sind mit ihrem Gesundheitszustand nicht mehr vereinbar. Die zeitliche Einsatzfähigkeit der Klägerin als Montagearbeiterin ist aufgrund der Gesamtheit der Gesundheitsstörungen auf weniger als vier Stunden täglich begrenzt.

Dennoch liegt Berufsunfähigkeit nicht vor. Die Klägerin ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen sie mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.

Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten eine leistungsgeminderte Versicherte zumutbar verwiesen werden kann, hat das Bundessozialgericht ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1972 - 5 RJ 105/72 - SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Später hat das Bundessozialgericht zu diesen drei Gruppen noch eine weitere Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" hinzugefügt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76 - BSGE 43, 243), zu welcher auch "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1978 - 4 RJ 81/77 - BSGE 45, 276). Diesem Schema ist eigentümlich, dass jeder Versicherte auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden kann, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf als Montagearbeiterin der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im unteren oder, wegen des erzielten Bruttogehaltes und einer etwaigen Zuordnung in die Lohngruppe 5 des Tarifvertrages für die Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen, im oberen Bereich zuzuordnen ist. Denn selbst angelernte Arbeitnehmer im oberen Bereich sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m. w. N.) auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die sich durch Qualitätsmerkmale, wie etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, verweisbar. Als solche kommen für die Klägerin eine Tätigkeit als Mitarbeiterin in der Poststelle oder als Sachbearbeiterin in Betracht. Nach den beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Diplom-Verwaltungswirtin S ... H ... vom 31. Mai 1996 und vom 13. April 2000, mit der Ergänzung vom 16. Juni 2000, handelt es sich bei der Mitarbeiterin in der Poststelle generell um eine körperlich leichte, geistig einfache und routinemäßige (nach Anweisung schematisch ablaufende) Büroarbeit, welche im Wechsel der Körperhaltungen zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt wird, so dass Zwangshaltungen vermieden werden können. Diese Arbeit bedingt kein schweres Heben oder Tragen von Lasten, da die zu transportierenden Schriftstücke mittels fahrbarer Wagen befördert werden. Die Anforderungen an die Kommunikation sind sehr gering, da nur interne Telefonate anfallen und aufgabenbezogen nur eine sehr eingeschränkte Kommunikation mit anderen Mitarbeitern erforderlich ist. Für die vorbenannte Tätigkeit wird grundsätzlich kein anerkannter Ausbildungsabschluss oder eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt. Eine Anlernung/ Einarbeitungszeit ist indes üblich. Tätigkeiten dieser Art können auch von Berufsfremden innerhalb einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeführt werden. Die Entlohnung erfolgt im öffentlichen Dienst nach den Vergütungsgruppen BAT VIII/X, in der privaten Wirtschaft in den Gehaltsgruppen 1 oder 2 des jeweiligen Tarifvertrages und ist der Klägerin nach ihrer beruflichen Qualifikation sozial zumutbar. Arbeitsplätze dieser Art stehen trotz rückläufiger Tendenzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in genügender Anzahl zur Verfügung. Es handelt sich hierbei nicht ausschließlich um Schonarbeitsplätze. Für diese Tätigkeit besteht ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Die Klägerin ist in der Lage, körperlich leichte Arbeiten, ohne permanentes Stehen und Gehen sowie ohne ununterbrochenes Sitzen, vorzugsweise in geschlossenen Räumen, ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen (insbesondere für die räumliche Sehwahrnehmung), ohne besonderen Zeitdruck sowie im Akkord oder am Fließband, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten, Überkopfarbeiten, Hocken oder Knien und ohne Arbeiten mit besonderem Absturzrisiko, ohne Gefährdung durch atemwegsirritierende Reizstoffe, Staub, Gas, Rauch oder Dämpfe sowie Nässe, Kälte oder Zugluft und nicht mit Publikumsverkehr, vollschichtig zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen ergibt sich nach den in den Gutachten der Dres. T ... und F ... sowie in dem Entlassungsbericht der Rehaklinik Seebad Ahlbeck erhobenen Befunden. Die jeweiligen Befunde stimmen im Wesentlichen überein und belegen ein vollschichtiges Leistungsvermögen für mindestens leichte körperliche Tätigkeiten über einen Zeitraum von drei Jahren. Dr. F ... hat, in Kenntnis der Arbeitsanforderungen einer Mitarbeiterin in der Poststelle gemäß den beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Diplom-Verwaltungswirtin S ... H ..., ein vollschichtiges Leistungsvermögen für diese Tätigkeit bescheinigt. Die Klägerin verfügt, trotz der funktionellen Einäugigkeit, mit der vorhandenen Gleitsichtbrille auch über ein für diesen Arbeitsbereich ausreichendes Sehvermögen. Einschränkungen, welche die Erwerbsfähigkeit in der Tätigkeit als Sachbearbeiterin bzw. Mitarbeiterin in der Poststelle beeinträchtigen, sind von Dipl.-Med. W ... auf augenärztlichem Gebiet nachvollziehbar verneint worden. Denn mit dem vorliegende Augenbefund erfüllt die Klägerin die Anforderungen für eine Bildschirmtätigkeit gemäß den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen (G 37). Damit ist ihr auch eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin vollschichtig möglich. Sachbearbeitertätigkeiten gehören, wie sich aus den Arbeitsbedingungen gemäß Ziffer 10 der BO 781 der Bundesanstalt für Arbeit ergibt, zu den körperlichen leichten Tätigkeiten in der Arbeitswelt. Einem vollschichtigen Leistungsvermögen in diesem Bereich steht das Erfordernis der überwiegend sitzenden Ausübung nicht entgegen. Denn bei einer Sachbearbeitertätigkeit besteht regelmäßig die Möglichkeit zum Aufstehen und Umhergehen (z. B. Aktenholung und -ablage, Anfertigung von Kopien). Da die Klägerin bereits längerfristig als Sachbearbeiterin und Disponentin tätig gewesen ist, verfügt sie auch über entspreche berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten, um sich in eine derartige Tätigkeit auf angelerntem Niveau innerhalb von drei Monaten einarbeiten zu können. Dass bei der Klägerin eine leistungslimitierende verminderte Konzentrationsfähigkeit, eine eingeschränkte Reaktions- und Übersichtsfähigkeit oder eine reduzierte Anpassungsfähigkeit oder geistige Beweglichkeit vorliegt, ist ärztlich nicht festgestellt worden. Trotz ihrer Gesundheitsstörungen ist sie in der Lage, einen einzelnen Fußweg viermal täglich von mehr als 500 Meter zurückzulegen. Für die Wegstrecke von 500 Meter werden auch beim Einlegen kleinerer Pausen maximal 15 Minuten benötigt. Über die funktionelle Einäugigkeit hinaus liegen weitere schwerwiegende Behinderungen, die es der Klägerin auch bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit unmöglich machen, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen, so genannte "Katalogfälle" (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 - 4a RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 137) nicht vor. Insbesondere ist sie nicht am Zurücklegen des Arbeitsweges, also des Weges von ihrer Wohnung bis zu einer etwaigen Arbeitsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 43/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10), gehindert. Betriebsunübliche Pausen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1984 5a RKn 18/83 SozR 2200 § 1247 RVO Nr. 43) muss sie während der Arbeitszeit nicht einhalten.

Der Umstand, dass es in einer Zeit angespannter Arbeitsmarktlage schwierig ist, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, und die Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu einer derartigen Vermittlung nicht in der Lage ist, ist kein Grund zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Denn bei vollschichtiger Einsatzmöglichkeit ist der Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen, und es kommt auf die Zahl der vorhandenen, nicht auf die Zahl der gerade freien Arbeitsplätze an (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80,24 -).

Nachdem die Klägerin nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. ist, hat sie erst recht keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den strengeren Vorschriften des § 44 SGB VI a. F. Bei einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind auch die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2001, BGBl. 2000, Teil I, Seite 1827) nicht erfüllt.

Die Anwendung der §§ 43, 44 a. F. resultiert aus der Rentenantragstellung vom 03. Februar 1997 (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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