L 5 RJ 207/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 RJ 19/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 207/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am ... geborene Kläger verfügt über keine Lehr- oder Berufsaubildung und war von September 1962 bis 1980 als Hilfs-, Transport- und Produktionsarbeiter sowie nachfolgend bis März 1990 als Hausmeister beschäftigt. Seit einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Zeit vom 14. Dezember 1992 bis zum 10. Januar 1993 ist der Kläger arbeitslos und bezieht Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Krankengeld.

Den am 19. März 1998 gestellten (zweiten) Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit begründete er mit Angst, Depressionen, niedrigerem Blutdruck, Schwindelanfällen und starken Kopfschmerzen.

Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor:

- ein Befundbericht des Dr ..., Facharzt für Allgemeinmedi zin, vom 24. März 1998 und - ein Gutachten der Frau Dipl.-Med ..., Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie, vom 07. Juli 1998, in welchem bei sozialer Phobie, Angstneurose, Neurasthenie, insbesondere Cephalgien, Hypertonie, Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 1956 und paranoider Persönlichkeit ein vier- bis sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten, allerdings bei Einzelarbeitsplatz, ohne Nacht schicht und häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken und ohne Absturzgefahr, nicht überwie gend im Freien sowie ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft, inhalative Reizstoffe, Nässe und Lärm attestiert wurde.

Nach Stellungnahme der Frau Dr ... vom 27. Juli 1998, Sozialmedizinischer Dienst, lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit Bescheid vom 17. September 1998 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 12. Oktober 1998 wies die Beklagte mit Bescheid vom 07. Dezember 1998 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne der Kläger nach den sozialmedizinischen Feststellungen weiterhin vollschichtig als Hausmeister tätig sein und sei darüber hinaus in der Lage, vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck (z. B. Fließband, Akkord), ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Absturzgefahr, nicht überwiegend im Freien, ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft, inhalative Reizstoffe, Nässe und Lärm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Auf die am 08. Januar 1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht Chemnitz das Gutachten des Arbeitsamtes ... vom 24. April 1996 (vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten unter Beachtung von Funktionseinschränkungen) beigezogen und einen Befundbericht des Dr ... vom 08. November 1999 sowie des Dr ..., Facharzt für Neurologie/Psychiatrie, vom 26. November 1999, eingeholt. Mit Urteil vom 19. Juni 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die bisherige Tätigkeit als Hausmeister, welche der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter im unteren Bereich zuzuordnen sei, könne der Kläger wegen der damit verbundenen überwiegenden Steh- und Gehbelastung und den Arbeiten auf Leitern und Gerüsten nicht mehr verrichten. Der Leistungsbeurteilung des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens folgend hat das Gericht ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung weiterer Funktionseinschränkungen, insbesondere ohne besonderen Leistungsdruck und Publikumsverkehr, angenommen. Der Auffassung der Sachverständigen Dipl.-Med ... hinsichtlich eines nur vier- bis sechsstündigen Leistungsvermögens hat sich das Gericht, unter Berücksichtigung des Befundberichtes von Dr ..., nicht angeschlossen.

Die hiergegen am 25. Juli 2000 bei dem Sozialgericht Chemnitz eingelegte Berufung hat der Kläger trotz Aufforderung vom 03. August 2000 nicht begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Juni 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 1998 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung des Rechtsstreits nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss beabsichtigt ist und Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, einschließlich Gutachtenheft, Bezug genommen und verwiesen.

II.

Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 3 SGG) und ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2, § 33 Satz 2 SGG) entscheiden, weil er einstimmig die Berufung für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden vorher gehört (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG) und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Chemnitz (SG) die Klage abgewiesen, weil dem Kläger ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.

Der Kläger ist weder berufsunfähig (§ 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) noch erwerbsunfähig (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI liegt nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit oder Behinderung noch nicht auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er in einer Tätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Gesundheitszustand und nach seinem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO -). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).

Letzte Beschäftigung in diesem Sinne ist die Tätigkeit als Hausmeister. Diese hat der Kläger von 1980 bis März 1990 vollwertig bewusst und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.

Den Beruf als Hausmeister kann der Kläger nicht mehr vollwertig verrichten. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen überwiegenden Steh- und Gehbelastungen sind mit seinem Gesundheitszustand nicht mehr vereinbar.

Dennoch liegt Berufsunfähigkeit bei dem Kläger nicht vor. Er ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen er mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.

Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten ein leistungsgeminderter Versicherter zumutbar verwiesen werden kann, hat das Bundessozialgericht ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1972 - 5 RJ 105/72 - SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Später hat das Bundessozialgericht zu diesen drei Gruppen noch eine weitere Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" hinzugefügt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76 - BSGE 43, 243), zu welcher auch "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1978 - 4 RJ 81/77 - BSGE 45, 276). Nach diesem Schema kann jeder Versicherte auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden und so weiter.

In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im unteren Bereich zuzuordnen. Dies ergibt sich aus den eigenen Darstellungen des Klägers im Verwaltungsverfahren, wonach er eine Lehr- oder Berufsausbildung nicht absolviert hat. Anhaltspunkte dafür, dass er während seiner Tätigkeit als Hausmeister Arbeiten verrichtet hat, welche eine Ausbildung oder berufliche Einarbeitungszeit von mehr als einem Jahr erfordern, sind nicht ersichtlich. Insofern ist der Kläger sozial zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass diese konkret benannt werden müssten, wofür ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht. Der Kläger ist noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck (z. B. Fließband, Akkord), ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Absturzgefahr, nicht überwiegend im Freien, ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft, inhalative Reizstoffe, Nässe und Lärm sowie wegen der psychiatrischen Erkrankung ohne besonderen Leistungsdruck und ohne Publikumsverkehr zu verrichten. Diesen Feststellungen des SG tritt der Senat nach Überprüfung vollumfänglich bei. Insbesondere ist die von Frau Dipl.-Med ... in ihrem Gutachten bekundete Limitierung auf lediglich vier bis sechs Stunden nicht nachvollziehbar. Welche neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen diese Limitierung sozialmedizinisch bedingen sollen, hat die Sachverständige nicht mitgeteilt. Die lediglich mit ihrer Meinung" begründete Limitierung ist, da objektivierte, einschränkende Befunde nicht erhoben bzw. bekundet worden sind, nicht ausreichend. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass ambulante Behandlungsversuche erfolgen könnten und sollten. Zudem hat sich die Sachverständige nicht mit dem im ersten Rentenverfahren eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr ... vom 27. Oktober 1996 auseinandergesetzt, welcher nachvollziehbar ein vollschichtiges Leistungsvermögen für einfache, manuelle Tätigkeiten im 2-Schicht-Rhythmus attestiert hat. Gegen die Leistungseinschätzung der Dipl.-Med. Schuster spricht auch der Befundbericht des Dr ... vom 08. November 1999, in welchem eine Besserung angegeben worden ist. Da die letzte Konsultation bei dem behandelnden Facharzt für Neurologie/Psychiatrie Dr ... am 17. Oktober 1995 erfolgt ist, kann, da auch der behandelnde Hausarzt Dr ... eine neurologisch-psychiatrische Mitbehandlung nicht für erforderlich erachtet hat, nicht von einem erheblichen Leidensdruck des Klägers ausgegangen werden. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils vollumfänglich Bezug genommen und verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Da der Kläger seine Berufung nicht begründet und von der mit gerichtlichen Schreiben vom 20. Dezember 2000 und 15. Januar 2001 gewährten Möglichkeit zur Stellungnahme und Stellung eines Antrages gemäß § 109 Abs. 1 SGG keinen Gebrauch gemacht hat, vermochte der Senat weitere Ermittlungen von Amts wegen im Sinne des § 106 SGG nicht zu erheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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