L 5 RJ 225/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 12 RJ 258/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 225/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am ... geborene Klägerin verfügt über keinen Berufsabschluss. In der Zeit von 1963 bis März 1991 arbeitete sie in erster Linie als Arbeiterin in der Kakao- und Schokoladenherstellung, Reinigungskraft und Wurstbinderin. Nach kurzer Arbeitslosigkeit war sie ab Juli 1991 erneut als Produktionsarbeiterin in der Schokoladenherstellung beschäftigt. Arbeitsunfähigkeit besteht seit 19. März 1997. Zur Zeit geht sie keiner Beschäftigung nach.

Am 14. April 1997 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen (zweiten) Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Bereits in der Zeit vom 01. Februar 1996 bis 29. Februar 1996 waren ihr medizinische Leistungen zur Rehabilitation in der Falkenstein-Klinik B ... Sch ... von der Beklagten gewährt worden. Im Entlassungsbericht vom 29. Februar 1996 hatten Herr Dr. H ..., Leitender Arzt und Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie/Diabetologie, Frau Diplom-Medizinerin K ..., Stationsärztin und Fachärztin für Allgemeinmedizin, und Frau Dr. N ..., Fachärztin für Innere Medizin und Physiotherapie, Stellvertretende Oberärztin, bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt:

- chronische Schmerzsymptomatik im linken Unterbauch bei Verdacht auf Nervus obturatorius-Irritation bei Narbenbruch und Viszeroptose,
- Diabetes mellitus Typ II b,
- Adipositas, BMI 33,3
- arterielle Hypertonie WHO II.

Bei Entlassung als arbeitsunfähig war eingeschätzt worden, dass perspektivisch nach entsprechender Therapie eine vollschichtige leichte Erwerbstätigkeit unter Vermeidung schwerer Hebe- und Tragebelastungen sowie von häufigem Bücken möglich sei.

Im Rahmen des Rentenverfahrens ließ die Beklagte nach Einholung ärztlicher Befundberichte ein Gutachten bei Frau Obermedizinalrätin Dr. H ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, erstellen. Sie diagnostizierte im Gutachten vom 03. September 1997 nach einer Untersuchung der Klägerin am 13. August 1997 folgende Gesundheitsstörungen:

- Wurzelreizsyndrom L 3 / 4 links,
- Meralgia paraesthetica als Reizzustand des Nervus cut. femoralis,
- Polyneuropathie,
- Zustand nach Operation einer Ovarialzyste im Juli 1994,
- psychosomatische Funktions- (Anpassungs-) Störungen des Muskel-Skelettsystems,
- Adipositas.

Mit diesen Beschwerden könnten leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Haltung, ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht und ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten noch vollschichtig verrichtet werden. Sowohl als Arbeiterin im Süßwarenwerk als auch für leichte Tätigkeiten (Pförtner oder Büroarbeit) bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen.

Dieser Einschätzung schloss sich Herr Dr. H ..., Facharzt für Chirurgie und Arbeitsmedizin, in der Stellungnahme des Ärztlichen Prüfdienstes vom 17. September 1997 mit der Maßgabe an, dass auch besonderer Zeitdruck, häufiges Klettern oder Steigen, häufiges Bücken und Gefährdungen durch Zugluft, starke Temperaturunterschiede und Nässe vermieden werden müssten. Außerdem sei das Leistungsvermögen als Arbeiterin in einer Süßwarenfabrik nur noch mit zweistündig bis unter halbschichtig zu veranschlagen.

Mit Bescheid vom 30. September 1997 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zurück.

Den hiergegen unter dem 14. Oktober 1997 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. April 1998 mit der Begründung zurück, mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nur noch zweistündig bis unter halbschichtig als Produktionsarbeiterin tätig sein. Sie sei jedoch dazu in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten mit wechselnder Arbeitshaltung, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen sowie ohne Gefährdungen durch Zugluft, starke Temperaturunterschiede und Nässe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Als angelernter Arbeiterin seien ihr alle ungelernten Tätigkeiten im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, die ihrem Leistungsvermögen entsprächen, zuzumuten, mit Ausnahme solcher, die nur einen geringen qualitativen Wert hätten. Die konkrete Benennung zumutbarer Tätigkeiten sei dabei entbehrlich.

Die gegen die Bescheide der Beklagten am 22. Mai 1998 beim Sozialgericht Leipzig eingegangene Klage ist durch Urteil vom 24. Juni 1999 abgewiesen worden. Seine Entscheidung hat das Gericht insbesondere auf Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte gestützt.

Herr Diplom-Mediziner S ..., Facharzt für Orthopädie, hat im Befundbericht vom 10. August 1998 als Diagnosen eine schmerzhafte Schultersteife links sowie Epicondylitis humeri radialis rechts mitgeteilt. Die Beschwerden bestünden unverändert fort.

Frau Dr. Sch ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, hat im Befundbericht vom 16. August 1998 ausgeführt, die Klägerin leide unter einem leichten Wurzelreizsyndrom links mit psychogener Überlagerung im Sinne einer Somatisierungsstörung sowie an Polyneuropathie. Ihr Befinden sei unverändert.

Frau Dr. H ..., Facharztärztin für Innere Medizin, hat im Befundbericht vom 05. September 1998 darauf hingewiesen, die Hypertonie habe sich verschlechtert. Am 03. April 1998 habe die Kontrolle des Blutdrucks einen Wert von 160 zu 90 ergeben.

Durch Befundbericht vom 12. Dezember 1998 hat sie mitgeteilt, die Hypertonie sei nunmehr eingestellt.

Herr Diplom-Mediziner S ..., Facharzt für Orthopädie, hat schließlich im Befundbericht vom 21. Juni 1999 ausgeführt, die Epicondylitis sei zwischenzeitlich erfolgreich behandelt worden. Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin hätten sich ansonsten nicht ergeben.

Das Gericht hat argumentiert, unter Würdigung aller medizinischen Unterlagen stehe fest, dass die Klägerin dazu in der Lage sei, vollschichtig leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den im Gutachten und Widerspruchsbescheid aufgeführten Einschränkungen durchzuführen. Dies werde durch die vom Gericht eingeholten Befundberichte bestätigt, wonach der Gesundheitszustand unverändert sei. Die Hypertonie sei inzwischen gut eingestellt. Erwerbsunfähigkeit sei somit nicht gegeben. Ebenso wenig liege Berufsunfähigkeit vor, weil die Klägerin mangels abgeschlossener Berufsausbildung dem Bereich der angelernten Arbeiter zuzuordnen sei und somit auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsse.

Gegen das am 27. Juli 1999 zugestellte Urteil vom 24. Juni 1999 hat die Klägerin durch am 25. August 1999 eingegangenes Schreiben vom gleichen Tag Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, sie leide nunmehr auch unter Wasser in beiden Unterschenkeln. Insofern erfolge eine medikamentöse Behandlung. Ferner habe sie sich am 21. Juni 2000 einer Dupuytren-Operation unterzogen. Auf Grund ihrer Schmerzsymptomatik könne sie selbst leichteste Tätigkeiten nicht mehr verrichten. Ihre Beschwerden hätten sich stetig verschlechtert.

Der Klägervertreter beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Juni 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, ausweislich der vorliegenden medizinischen Unterlagen sei keine objektive Verschlechterung mit Auswirkungen auf das Leistungsvermögen festzustellen. Die linksseitige Schultersteife bestehe weiterhin mit einer Seitwärtshebefähigkeit bis knapp zur Horizontalen. Die zusätzlich mitgeteilte beidseitige Hohlhandsehnenschrumpfung (Dupuytrensche Kontraktur) führe neben Druckschmerz im Hohlhandbereich nicht zu funktionellen Einschränkungen und sei im Übrigen inzwischen operativ behandelt worden. Sehnenansatzbeschwerden am rechten Ellenbogengelenk bestünden nicht mehr. Die im April 2000 mitgeteilte leichte Sehbeeinträchtigung links stärker als rechts sei sozialmedizinisch ohne Bedeutung, so dass das Leistungsbild vom 17. September 1997 zu bestätigen sei.

Zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht hat der Senat die Verwaltungsakte des Versorgungsamts beigezogen. Ausweislich des im dortigen Verfahren eingeholten Befundberichts von Frau Dr. H ... vom 25. April 1999 ist die Zuckerkrankheit der Klägerin durch entsprechende Therapie einstellbar.

Außerdem hat der Senat abermals Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt.

Frau Dr. Sch ... hat unter dem 30. März 2000 eine Somatisierungsstörung mitgeteilt und im Übrigen darauf hingewiesen, dass ihr eine Veränderung im Gesundheitszustand der Klägerin nicht bekannt sei.

Frau Dr. H ... hat in ihrem Befundbericht vom 20. Mai 2000 ebenfalls ausgeführt, Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin seien ihr unbekannt.

Ausweislich des von ihr beigefügten Attests der Augenärzte Dres. Helm vom 10. April 2000 verfügt die Klägerin rechts über einen Visus von 0,8 und links über einen solchen von 0,6.

Herr Diplom-Mediziner S ... hat im Befundbericht vom 17. Juli 2000 ausgeführt, die Befunde seien unverändert.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Insofern wird in vollem Umfang auf die zutreffenden erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Für die Zeit nach Erlass des Urteils vom 24. Juni 1999 ergibt sich aus den vom Senat eingeholten ärztlichen Befundberichten nichts anderes. Sämtliche Befundberichte bestätigen, dass bei der Klägerin keine gesundheitliche Verschlechterung eingetreten ist. Ihr Augenleiden ist aus sozialmedizinischer Sicht ohne Auswirkung, weil ein Visus von 0,6 und von 0,8 praktisch keine Beeinträchtigung im Berufsleben darstellt. Nur für sehr spezielle Berufe (z. B. Berufsflugzeugführer) bestehen insoweit Einschränkungen. Lesen, Naharbeiten und Bildschirmarbeit sind in der Regel nicht gestört (s. Burggraf, Harald, Krankheiten des Auges, in: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger [Hrsg.], Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Aufl., 1995, S. 519-527 [523]). Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, führt die Dupuytren-Erkrankung nicht zu Folgebeeinträchtigungen, vor allem nicht zu solchen, die z. B. für die Tätigkeit einer Pförtnerin von Bedeutung sind. Für eine derartige Tätigkeit liegt bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen vor. Dem steht auch nicht ihr Vortrag entgegen, in ihren Unterschenkeln sammle sich Wasser an, weil diese Beschwerden nach ihren eigenen Angaben einer medikamentösen Behandlung zugänglich sind. Die Tätigkeit einer Pförtnerin zeichnet sich dadurch aus, dass sämtliche Arbeitsaufgaben körperlich leichter Natur sind. Darüber hinaus erlaubt diese Tätigkeit bei überwiegendem Sitzen einen jederzeit möglichen Wechsel der Körperhaltung. Das bei der Klägerin bestehende negative Leistungsbild ist für diese Tätigkeit unbeachtlich. Angesichts des vollschichtigen Leistungsvermögens der Klägerin für eine Pförtnertätigkeit, kann es dahingestellt bleiben, ob eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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