L 4 RJ 326/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 15 RJ 337/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RJ 326/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22.10.1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger aus beiden Rechtszügen keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, zu welchem Zeitpunkt beim Kläger eine Minderung des Leistungsvermögens um mindestens 2/3 vorgelegen hat.

Der am ...1941 geborene Kläger nahm im September 1955 eine Lehre zum Steinmetz auf, welche er im August 1957 abbrach. Hiernach war er bis 1968 als Bauhelfer, bei der Bereitschaftspolizei und als Betonarbeiter tätig. Ab Juni 1968 war er überwiegend als Berufskraftfahrer tätig. Am 28.05.1976 schloss er die Ausbildung zum Berufskraftfahrer erfolgreich ab. Vom 01.12.1991 bis 31.12.1994 war er selbständig als Kurierdienst tätig. Daran anschließend war er erneut bis August 1995 als angestellter Kraftfahrer tätig. Seitdem ist der Kläger ohne Beschäftigung. Er war vom 01.09.1995 bis 27.02.1997 und wieder seit dem 26.05.1998 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Der Kläger, der am 18.05.1990 seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatte, beantragte am 19.03.1996 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit sowie nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes. Der Beklagten lagen im Verwaltungsverfahren folgende medizinische Unterlagen vor: Befundbericht für Heilbehandlungen der orthopädischen Klinik in R ... über den Aufenthalt vom 07.02.1996 bis 04.03.1996, Befundbericht des Allgemeinmediziners W ... Sch ... zum Rehabilitationsantrag der Rentenversicherung und der Reha-Entlassungsbericht der Klinik B ... vom 15.05.1996. Die Durchführung einer entsprechenden Reha-Maßnahme hatte der Kläger am 29.11.1995 beantragt. Die Anamnese des Reha-Berichtes enthält ebenso wie der Befundbericht der orthopädischen Klinik R ... die Angabe, dass der Kläger pro Tag zwei Flaschen Bier zu sich nehme. Diagnostiziert wurde ein Zustand nach Bandscheibenoperation L3/L4 links bei ausgeprägter Skoliose und globaler Rumpfmuskelinsuffizienz. Nach der dortigen Leistungsbeurteilung waren dem Kläger leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig möglich. Hierbei sollte häufiges Bücken, häufiges Heben, Tragen, Bewegen von Lasten und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten mit Absturzgefahr vermieden werden.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.10.1996 ab. Zwar bestünde beim Kläger ein Zustand nach Bandscheibenoperation bei augeprägter Skoliose und globaler Rumpfmuskelinsuffizienz, doch könne er mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten vollschichtig ausüben. Die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei erfüllt, die weitere Anspruchsvoraussetzung - drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren im Sinne des § 44 Abs. 1 Ziff. 2 SGB VI bzw. Entrichtung von Beiträgen im Sinne des § 241 Abs. 2 SGB VI - seien nicht zum 19.03.1996 erfüllt. Anspruch auf Invalidenrente nach Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes bestünde ebenfalls nicht, da der Kläger nicht Invalide im Sinne des Art. 2 § 7 Abs. 3 RÜG sei.

Hiergegen legte der Kläger am 18.11.1996 Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass neben der Erkrankung der Wirbelsäule auch ein chronisches Zwölffingerdarmgeschwür die Erwerbsfähigkeit beeinträchtige. Die Wiederaufnahme einer Tätigkeit als Berufskraftfahrer sei in seinem jetzigen Zustand unvorstellbar. Einen ganzen Arbeitstag würde er wegen der ständigen Schmerzen und der kranken Wirbelsäule nicht durchstehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach sozialmedizinischer Einschätzung könne der Kläger den zuletzt ausgeübten Beruf als Berufskraftfahrer nur noch zweistündig bis unter halbschichtig verrichten, jedoch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Dabei kämen leichte Arbeiten in Betracht, die überwiegend im Sitzen mit Wechseln zu Stehen und Gehen ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitge Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen sowie ohne Absturzgefahr auszuüben sind. Als Facharbeiter könne er auch auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zu den sonstigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufen - mit Ausnahme der Facharbeiterberufe - gehören und die eine betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern oder wegen ihrer Qualität tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe bewertet werden. Beim Kläger kämen folgende Tätigkeiten in Betracht: Tourenplaner, Registrator und Hausmeister. Daher bestehe kein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Auch Invalidität im Sinne des Art. 2 § 7 Abs. 3 und 4 RÜG läge nicht vor. Der Kläger sei in der Lage, mehr als 1/3 des Einkommens eines geistig und körperlich gesunden Versicherten zu erzielen.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtete sich die am 24.04.1997 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Begründet wurde das Klagebegehren damit, dass die Ablehnung des Widerspruchs ohne weitere gesundheitliche Überprüfung erfolgte, insbesondere sei die chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse nicht begutachtet worden. Auch die Rückenschmerzen hätten sich rapide verschlimmert. Durch die ständigen Schmerzen und Sorgen seien nunmehr auch seelische Probleme hinzugekommen. Die von der Beklagten vorgeschlagenen Tätigkeiten als Tourenplaner, Registrator und Hausmeister seien nicht realisierbar.

Das Sozialgericht hat im Rahmen der Ermittlungen von der Beklagten einen Versicherungsverlauf für den Kläger vom 22.09.1997 beigezogen. Ferner wurde das Gutachten des Arbeitsamtes vom 27.08.1997 beigezogen. Neben den bekannten Wirbelsäulenleiden wurde hier eine kontrollbedürftige Hypertonie und Hepatomegalie bei dringendem Verdacht auf Alkoholabusus diagnostiziert. Des Weiteren wurden Befundberichte eingeholt von Dr. G ... vom 30.01.1998, Dr. Sch ... vom 14.02.1998 und Frau Dipl.-Med. K ... vom 27.02.1998. Dipl.-Med. K ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie führte aus, dass der Kläger sie am 26.05.1997 erstmals aufgesucht habe. Sie diagnostizierte eine Leistungsstörung, offenbar auf der Basis eines Alkoholabusus, ein psychoreaktives Syndrom, vertebragenes Syndrom mit Zustand nach LWS-Operation 1996, ein organisches Psychosyndrom im Sinne einer Persönlichkeitsdepravierung bei Alkoholismus. Dem SG lagen des Weiteren die für die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen in den Jahren 1998 und 1999 erstellten Gutachten sowie eine Arbeitgeberauskunft der Spedition Jenke vom 09.02.1998 vor. Im Auftrag des Sozialgerichts erstellte Frau Dr. S ... W ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, am 31.07.1998 ein nervenfachärztliches Gutachten, gestützt auf eine Untersuchung vom 08.07.1998. Die medizinische Sachverständige diagnostizierte seitens ihres Fachgebietes eine organische Hirnkrankheit, computertomographisch objektivierbar im Sinne eines hirnatrophischen Prozesses, d.h. eines Hirnabbauprozesses, bevorzugt die Hirnrindenregionen betreffend, klinisch unter dem Bild eines depressiv getönten, diffusen hirnorganischen Psychosyndroms mit psychometrisch belegbarer Hirnleistungsschwäche. Ursächlich hierfür seien zum Teil Hirndurchblutungsstörungen im Rahmen des Alterungsprozesses des Gehirnes bzw. bei beschriebener labiler Hypertonie, aber auch zusätzlich der durch Laborparameter belegte chronische Alkoholabusus. Daneben bestünde ein chronifiziertes lumbosakrales Schmerz- und Radikulärsyndrom, das mit neurologischerseits nachweisbaren, sekundären motorischen und sensiblen Ausfallerscheinungen einhergehe, computertomographisch ursächlich durch multiple Bandscheibenvorfälle in verschiedenen Höhen belegt. Beim Kläger bestünde eine Gemütsstörung in Form eines depressiven Syndroms. Die psychisch belastenden Erlebnisse bzw. Konflikte im beruflich-familiären Bereich hätten für ihn fortlaufend derartige seelische Beeinträchtigungen dargestellt, so dass es Mitte 1997 zur gänzlichen psycho-physischen Dekompensation gekommen sei. Daher habe eine nervenärztliche Behandlung eingeleitet werden müssen, ohne dass eine Besserung erreicht werden konnte. Der Kläger sei nicht in der Lage, durch Willensentschlüsse die so fixierten psychisch bedingten Störungen zu beheben. Es sei annehmbar, dass eine maßgebliche hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung und erst recht ein leistungseinschränkendes vertebragenes Schmerzsyndrom mit mäßiggradigen neurologischen Ausfallerscheinungen bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im März 1996 vorgelegen haben, auch eine seelische Störung durch die vorangegangenen, psychisch belastenden Erlebnisse und Konflikte im beruflich-familiären Bereich. Es sei zweifellos zu einer deutlichen Verschlechterung der Leiden im Laufe des nächsten Jahres bis zur unumgänglichen nervenärztlichen Mitbetreuung ab Mai 1997 gekommen. Ab diesem Zeitpunkt sei dann eine besonders schwergradige psycho-physische Befindensstörung annehmbar. Hinsichtlich des Leistungsvermögens wurde von Frau Dr. W ... votiert, dass leichte Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen in einem Zeitumfang von weniger als zwei Stunden möglich seien. In Wertung der Summe der feststellbaren geistigen, körperlichen und seelischen Störungen sei der Kläger in seinem Leistungsvermögen um mindestens 2/3 desjenigen von gesunden Versicherten gemindert.

Auf Grund dieses Gutachtens erkannte die Beklagte am 10.09.1998 einen Leistungsfall zum 01.05.1997 an. Es sei ab diesem Zeitpunkt von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen, ebenfalls sei das Leistungsvermögen um mindestens 2/3 gemindert. Da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Leistungsfall nicht erfüllt seien, bestünde ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit jedoch nicht. Das Rentenüberleitungsgesetz fände auf Grund des 1997 gelegenen Leistungsfalles ebenfalls keine Anwendung.

Auf Nachfrage des Gerichts konkretisierte Frau Dr. W ... am 06.10.1998 den Zeitpunkt, zu dem die Minderung des Leistungsvermögens um mindestens 2/3 eingetreten ist, auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung im März 1996. Als Beleg hierfür könnte das chronische Schmerzsyndrom im Bereich der Wirbelsäule gelten. Des Weiteren sei auf neuropsychiatrischem Fachgebiet zu diesem Zeitpunkt eine relevante hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung mit anzunehmen. Der computertomographisch objektivierte hirnathrophische Prozess in Form eines bevorzugt Gehirnrindenregionen betreffenden Abbauprozesses sei in der Regel ein über Jahre progredienter Krankheitsprozess.

Hierzu bezog die Beklagte dahingehend Stellung, dass die Computertomographie des Gehirns, die einen mäßigen Hirnabbau beschreibe, vom 08.07.1997 datiere. Da weder Anamnese, noch die im April 1996 und Juni 1997 erstellten medizinischen Berichte neuropsychiatrische Befunde erkennen ließen, lägen keine hinweisgebenden Befunde für das die Leistungsminderung wesentlich bedingende psychiatrische Leiden vor Eintritt in die neuropsychiatrische Behandlung vor. Am 29.09.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Eingliederungshilfe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dresden am 22.10.1999 beschränkte der Kläger sein Klagebegehren auf die Gewährung einer Rente wegen Invalidität. Das Sozialgericht gab diesem Begehren statt und bezog sich nach Darstellung der maßgeblichen Vorschriften des RÜG auf die Feststellungen der medizinischen Sachverständigen Frau Dr. W ... Das Gutachten sei in vollem Umfange, insbesondere in der Erhebung der Befunde und in der Beantwortung der Fragen des Beweisbeschlusses des Gerichts sorgfältig und sachkundig erstellt worden. Denkfehler oder sonstige Widersprüche oder Mängel in den gutachterlichen Ausführungen seien nicht zu erkennen. Die Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten könne die Überzeugung der Kammer nicht ändern. Die Sachverständige habe den Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit zur Überzeugung der Kammer zutreffend nach objektiven Kriterien festgestellt. Die hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung entstehe in der Regel durch einen über Jahre progredienten Krankheitsprozess. Aus der Ausprägung der Erkrankung folgere die Sachverständige, dass die tatsächliche Minderung der Leistungsfähigkeit um 2/3 bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung eingetreten sei. Insoweit bediene sie sich objektiver Kriterien. Diese Folgerung sei nachvollziehbar und schlüssig. Darüber hinaus habe auch der behandelnde Hausarzt bereits im Befundbericht vom 24.11.1995 eine psychische Überforderung angegeben. Der Kläger erfülle auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gem. Art. 2 § 7 Abs. 1 Nr. 2 RÜG zum Leistungsfall 19.03.1996. Der Kläger habe am 18.05.1990 seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet gehabt und die Invalidenrente beginne darüber hinaus in der Zeit vom 01.01.1992 bis 31.12.1996. Gemäß § 44 Abs. 1 RÜG i. V. m. § 99 Abs. 1 SGB VI werde eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt seien, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonates nach Ablauf des Monats beantragt werde, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Anspruchsvoraussetzungen seien zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 19.03.1996 erfüllt. Die Rente beginne daher am 01.04.1996. Der Antrag auf Leistung zur Rehabilitation gelte entgegen § 116 Abs. 2 SGB VI nicht als Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die gesetzliche Fiktion sei durch die Feststellung des Sachverständigen bezüglich des Leistungsfalles wiederlegt. Die Rente wegen Invalidität werde auf Grund der Rehabilitationsmaßnahme bis zum 30.04.1996 als Übergangsgeld geleistet. Bereits gezahltes Übergangsgeld werde angerechnet.

Gegen das am 16.11.1999 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 09.12.1999 Berufung ein. Nach Auffassung der Beklagten lägen entgegen den Feststellungen im Urteil die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen Invalidität gem. Art. 2 § 7 RÜG ab dem 01.04.1996 nicht vor. Der Kläger sei nicht bereits ab diesem Zeitpunkt Invalide im Sinne der genannten Vorschrift. Nach Auffassung der Beklagten läge erst ab dem 01.05.1997 ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor. Ebenfalls sei das Leistungsvermögen des Klägers erst ab diesem Zeitpunkt um mindestens 2/3 gemindert. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien zum Leistungsfall 01.05.1997 nicht erfüllt; das Rentenüberleitungsgesetz fände auf Grund dieses Leistungsfalles jedoch keine Anwendung. Die Schlussfolgerung des angefochtenen Urteils, wonach eine hirnorganische Leistungseinschränkung in einem längeren Zeitraum entstehe und folglich auch schon zur Rentenantragstellung vorgelegen haben müsse, könne aus medizinischer Sicht nicht als gesichert gelten, zumal im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Brandis vom 15.05.1996 keine derartigen Befunde mitgeteilt wurden. Diese Rehabilitationsklinik sei auf Hirnleistungsstörungen spezialisiert, so dass es sehr wahrscheinlich sei, dass im Falle des Vorliegens einer Hirnleistungsstörung diese bereits dort aufgefallen wäre. Des Weiteren begründe das erstinstanzliche Gericht die Festlegung des Leistungsfalles mit dem Befundbericht des Hausarztes vom 24.11.1995. Der Hausarzt habe aber eine psychische Überforderung im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten des Berufslebens, Überstunden und unregelmäßigem Essen mitgeteilt. Diese Beschreibung des Sachverhaltes entspreche nicht einem hirnorganischen Psychosyndrom. Diese erwähnten medizinischen Befunde und ein Befundbericht zur Anschluss-Heilbehandlung seien die einzigen aktenkundigen Unterlagen vor dem vom Prüfarzt der Beklagten angegebenen Leistungsfall vom 01.05.1997. Diese ergäben jedoch keinen Hinweis auf ein hirnorganisches Psychosyndrom mit Hirnleistungsschwäche oder auf ein anhaltendes Radikulärsyndrom und motorische Ausfälle. Erst im Mai 1997 habe sich der Kläger in psychiatrische Behandlung begeben. Mit diesem Zeitpunkt lägen hinweisgebende Befunde für das die Leistungsminderung wesentlich bedingende psychiatrische Leiden vor. Wie dem Rentenantrag vom 19.03.1996 zu entnehmen sei, stellte der Kläger seinen Antrag wegen Beschwerden der Wirbelsäule. Das nervenfachärztliche Gutachten stelle eine Hirnleistungsstörung fest und lege den Leistungsfall auf die Rentenantragstellung, obwohl diese Erkrankung bis zum Befundbericht der behandelnden Nervenärztin (Behandlungsübernahme am 26.05.1997) nicht aktenkundig gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22.10.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das Urteil des Sozialgerichts Dresden für zutreffend. Selbst aus der Beurteilung des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten, welche von einem aufgehobenen Leistungsvermögen per 01.05.1997 ausgehe, lasse sich schließen, dass bei der Progredienz beider Erkrankungen eine 2/3 Leistungsminderung schon weit vorher vorgelegen haben müsse. Dies werde durch die Ausführungen der Gutachterin Frau Dr. W ... bestätigt. Die vom Hausarzt mitgeteilte psycho-physische Überforderung werte er als Anfang des hirnorganischen Psychosyndroms, wie es auch von Frau Dr. W ... beschrieben werde. Zwar verfüge die Rehabilitationsklinik Brandis auch über eine neurologische Abteilung, doch habe der Kläger in der orthopädischen Abteilung geweilt. Es sei auch ausschließlich eine orthopädische Diagnostik und Therapie erfolgt.

Der Senat hat zur Sachverhaltsaufklärung Befundberichte der behandelnden Neurologin Frau Dr. K ... und des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. Sch ... beigezogen. Ferner wurden beide um eine gutachterliche Stellungnahme gebeten, wie sich das gesundheitliche Leistungsvermögen des Klägers in der Zeit von März 1996 bis spätestens 30.11.1996 darstellte. Hierzu teilte der Facharzt für Allgmeinmedizin W ... Sch ... am 04.03.2000 mit, dass die Angaben des Gutachtens vom 06.10.1998 bestätigt werden könnten. Der Kläger sei seit August 1995 in seiner Behandlung. Zum angegebenen Zeitpunkt sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, mehr als vier Stunden leichte berufliche Tätigkeiten auszuüben. Auf Nachfrage teilte er am 04.04.2000 mit, dass bei dem Kläger bereits vor dem 30.11.1996 deutliche hirnorganische Abbauprozesse bestanden. Die Genese sei ihm nicht bekannt. Auf Grund der schweren Wirbelsäulenerkrankung habe nach seiner medizinischen Erkenntnis bereits zu diesem Zeitpunkt Erwerbsunfähigkeit bestanden. Auf die Anfrage des Gerichts vom 17.05.2000, ob hierfür objektive Anhaltspunkte, Daten etc. benannt werden könnten, teilte er mit, dass weitere Auskünfte seine Möglichkeiten übersteigen. Frau Dipl.-Med. K ... teilte am 20.07.2000 mit, dass retrospektiv für den genannten Zeitraum der Kläger weniger als vier Stunden täglich in irgendeiner leichten beruflichen Tätigkeit wegen dauerhafter psychischer Zeichen und/oder Alkoholmissbrauch und/oder Hirnabbau einsetzbar war. Aus der Sicht des neuro-psychiatrischen Fachgebietes seien die Angaben des Gutachtens vom 06.10.1998 zu bestätigen. Erfahrungswerte ließen diese Aussage zu. Sie basierten auf höchster - an Wissenschaftlichkeit grenzender - Wahrscheinlichkeit.

Im Auftrag des Gerichts erstellte Herr Dr. K ..., Facharzt für Neurologie/Psychiatrie am 17.02.2001 ein nervenärztliches Gutachten nach Aktenlage. Der Gutachter führte aus, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein alkoholbedingter Hirnabbau mit dessen Leistungseinschränkungen, die zu einer Leistungsminderung unter vier Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen, im November 1996 vorlag. Es sei wahrscheinlich, dass der Kläger im Rahmen der langfristigen Arbeitslosigkeit, dem sich lange hinziehenden Gerichtsverfahren bezüglich einer Rente und der dadurch folgenden Angst um die Sicherheit seiner sozialen Existenz zunehmend Alkohol getrunken habe. Der spezifische Leberwert wäre schon während des Klinikaufenthaltes in der Orthopädie 2/1996 auffällig, jedoch fänden sich keine weiteren Hinweise auf einen Alkoholabusus bzw. daraus folgende hirnorganische Beeinträchtigungen. Der Kläger habe erst im Mai 1997 eine Nervenärztin aufgesucht, so dass man davon ausgehen müsse, dass er erst zu diesem Zeitpunkt in seinem psychischem Gesamtbefinden so beeinträchtig war, dass er sich in nervenärztliche Behandlung begab. Bis November 1996 habe nach Aktenlage keine Alkoholabhängigkeit mit ausgeprägten Folgeschäden bestanden. Wahrscheinlich sei zu diesem Zeitpunkt ein missbräulicher Alkoholabusus betrieben worden, was die erhöhten spezifischen Leberparameter nahelegen würden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er jedoch von verschiedenen Untersuchern als psychisch unauffällig/adäquat reagierend beschrieben wurde. Zumindest im Rahmen der vierwöchigen Rehabilitation mit umfangreichen Therapieprogrammen wären kognitive Beeinträchtigungen und eine Leistungsminderung im Rahmen einer alkoholtoxischen Genese aufgefallen und auch beschrieben worden. Vor November 1996 könne nicht davon ausgegangen werden, dass auf Grund alkoholbedingter Einbußen eine Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe. Es sei von einer deutlichen Verschlechterung der psychiatrischen Symptomatik Anfang/Mitte 1997 auzugehen. Der Hausarzt Dr. Sch ... habe mit Datum vom 14.02.1998 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit 3/1997 bestätigt. Es sei nicht nachvollziehbar, wodurch Dr. Sch ... in der Stellungnahme vom 04.04.2000 zu der Auffassung gelangte, dass vor dem 30.11.1996 deutliche hirnorganische Abbauprozesse bestanden. Auch könne nicht die Einschätzung von Frau Dr. K ... geteilt werden, wonach die 1997 bzw. 1998 erhobenen Befunde eine retrospektive Einschätzung im Sinne einer Leistungsminderung zuließen. Eine Leistungsstörung zum damaligen Zeitpunkt sei weder klinisch noch psychisch-diagnostisch objektiviert worden. Insofern könne auch die Einschätzung von Frau Dr. W ... nicht geteilt werden. Man könne auch bei einem einmalig erstellten Schädel-CT von 7/1997 mit nachgewiesener mäßig kortikaler Atrophie nicht generell von einem hirnatrophischen Prozess sprechen, da dazu Verlaufskontrollen erhoben werden müssten. Des Weiteren könne man erfahrungsgemäß keine direkten Rückschlüsse von computertomographisch erhobenen Befunden auf das klinische Bild, also bestehende kognitive Einbußen, wie Konzentrationsstörungen, Störungen von Merk- und Gedächtnisleistungen sowie alkoholbedingte Änderungen von Persönlichkeitszügen machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§ 143 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) und erweist sich auch als in der Sache begründet.

Zu Recht hat die Beklagte den Rentenantrag des Klägers zurückgewiesen. Nachdem der Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren akzeptiert hat, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegen, war nur noch eine Rente wegen Invalidität gem. Art. 2 § 7 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) streitig.

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts ist jedoch ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Invalidität nicht gegeben. Das anders lautende Urteil des SG war daher aufzuheben. Gemäß Art. 2 § 1 RÜG haben Anspruch auf Rente nach den Vorschriften dieses Artikels Personen, 1. die die in diesem Artikel geregelten Anspruchsvoraussetzun gen erfüllen, 2. die am 18.05.1990 ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 SGB IV) hatten und 3. deren Rente in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 31.12.1996 beginnt, solange sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben.

Unstreitig hatte der Kläger am 18.05.1990 seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet. Als Anspruchsvoraussetzung im Sinne des Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 1 RÜG kommen hier lediglich die Voraussetzungen nach Art. 2 § 7 RÜG für die Gewährung von Invalidenrente in Betracht. Nach Art. 2 § 7 Abs. 3 RÜG liegt Invalidität vor, wenn 1. durch Krankheit, Unfall oder eine sonstige geistige oder körperliche Schädigung a) das Leistungsvermögen und das Einkommen um mindestens 2/3 desjenigen von geistig und körperlich gesunden Versi cherten im Beitrittsgebiet gemindert sind und b) die Minderung des Leistungsvermögens in absehbarer Zeit durch Heilbehandlung nicht behoben werden kann oder 2. die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Blinden geld oder Sonderpflegegeld nach den am 31.12.1991 geltenden Vorschriften des Beitrittsgebietes vorliegen. Dass der Leistungsfall der Invalidität beim Kläger zumindest im Mai 1997 vorlag, ist auch von der Beklagten zugestanden worden. Zu diesem Zeitpunkt waren das Leistungsvermögen und das Einkommen des Klägers um mindestens 2/3 gemindert.

Nach Auffassung des Senats kann jedoch nicht festgestellt werden, dass eine derartige Leistungsminderung bereits im Jahre 1996 eingetreten ist. Voraussetzung für die Gewährung einer Invalidenrente nach Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG ist jedoch auch, das die Rente in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 31.12.1996 beginnt. Gemäß Art. 2 § 44 Abs. 1 RÜG gelten die Vorschriften über Beginn, Änderung und Ende von Renten des SGB VI entsprechend. Nach § 99 Abs. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonates nach Ablauf des Monats beantragt wird, indem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

Für die Gewährung einer Rente wegen Invalidität ist daher erforderlich, dass der Leistungsfall der Invalidität bis zum 30.11.1996 eingetreten ist. Nur in diesem Fall kann die Rente spätestens zum 01.12.1996 gewährt werden und damit im von § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG vorgegebenen Zeitraum.

Es konnte jedoch nicht erwiesen werden, dass der Leistungsfall der Invalidität vor dem 01.05.1997 eingetreten ist. Dies ergibt sich aus dem in diesem Verfahren eingeholten Gutachten von Dr. K ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie vom 17.02.2001. In diesem Gutachten nach Aktenlage werden alle relevanten Befunde beachtet und ausführlich diskutiert. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die von Dr. K ... gezogenen Schlussfolgerungen werden auch durch den übrigen Akteninhalt gestützt. Zwar wird von der Bevollmächtigten des Klägers die Wertigkeit des Gutachtens in Frage gestellt, da es von der Assistenz-Ärztin Dr. K ... ausgearbeitet wurde, doch hat auch der beauftragte Gutachter Dr. K ... als Chefarzt unterzeichnet. Damit übernimmt er die volle Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens, (vgl. Meyer-Ladewig, SGG § 118 Rn. 11 g). Soweit Frau Dr. W ... in ihrem nervenfachärztlichen Gutachten vom 31.07.1998 mit Ergänzung vom 06.10.1998 zu anderen Ergebnissen gelangt, sind diese nicht ausreichend begründet. Ausschlaggebend für die eingetretene Leistungsminderung um 2/3 ist nicht das Wirbelsäulenleiden auf Grund dessen der Kläger im September 1995 krank geschrieben wurde. Diese Wirbelsäulenerkrankung führte zwar im Februar 1996 zu einer Bandscheibenoperation, doch beeinträchtigte sie das Leistungsvermögen des Klägers nicht in einem derartigen Ausmaße. Wie dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik B ... zu entnehmen ist, wurde der Kläger am 30.04.1996 aus der Reha-Maßnahme entlassen. Bei Entlassung war er in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen vollschichtig auszuführen. Die Bandscheibenoperation L3/L4 links bei ausgepägter Skoliose und globaler Rumpfmuskelinsuffizienz machte lediglich gewisse qualitative Einschränkungen hinsichtlich des Leistungsvermögens erforderlich. Grundsätzlich bestand jedoch die Möglichkeit, vollschichtig tätig zu sein.

Gravierender waren vielmehr die Leistungsbeeinträchtigungen, die sich auf Grund des hirnorganischen Psychosyndroms mit Hirnleistungsschwäche bei chronischem Alkoholmissbrauch ergaben. Das Vorliegen derartiger Leistungseinschränkungen ist nach Auffassung des Senats jedoch in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. K ... nicht vor Mai 1997 belegt. Kann eine anspruchsbegründende Tatsache nicht erwiesen werden, so geht die Nichterweislichkeit nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Es ist erwiesen, dass der Kläger erst im Mai 1997 eine fachärztliche Betreuung durch einen Neurologen/Psychiater in Anspruch genommen hat. Aus den Befunden, die 1996 - wenn auch im Rahmen der Wirbelsäulenerkrankung - erhoben wurden, ergeben sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms. Bei der Aufnahmeuntersuchung in der Reha-Klinik B ... am 02.04.1996 wurde auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet kein Befund erhoben, der auf eine Hirnleistungsschwäche schließen ließ. Hier wird beschrieben, dass der Kläger psychisch im Aufnahmegespräch adäquat erschien. Auch der mitgeteilte neurologische Befund wies nicht darauf hin, dass abgesehen von den mit der Wirbelsäulenoperation in Zusammenhang stehenden Funktionsausfällen, weitere krankhafte Befunde vorliegen. Ebenso wenig ergaben sich im weiteren Verlauf des Aufenthaltes Hinweise auf das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms. Vielmehr nahm der Kläger im Rahmen der psychologischen Betreuung sogar an einer Entspannungstherapie und an einer Verhaltenstherapie (Raucherentwöhnungstraining) teil. Es ist nicht dokumentiert, dass hierbei dem entsprechenden Fachpersonal irgendwelche Hirnleistungsminderungen aufgefallen wären.

Zwar beschreibt der Hausarzt in dem Befundbericht für die Beantragung der Rehabilitationsmaßnahme eine psychische Überforderung, doch lässt dies nicht den Schluss darauf zu, dass beim Kläger ein gravierendes hirnorganisches Psychosyndrom mit Hirnleistungsschwäche bestand. Um eine Leistungsminderung von 2/3 unterstellen zu können, müsste das hirnorganische Psychosyndrom ein Ausmaß angenommen haben, in dem bereits gravierende Störungen der Hirnleistungsfunktion vorliegen. Dies kann sicherlich nicht mit einer "psychischen Überforderung" umschrieben werden. Dabei wird nicht verkannt, dass es sich bei der Krankheit des Klägers um einen schleichenden Prozess handelt. Nur lassen die 1996 erhobenen Befunde nicht erkennen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß der Funktionseinschränkung so stark war, dass von einer Invalidität auszugehen ist. Zwar wurden bereits Anfang 1996 krankhafte Leberwerte erhoben (GammaGT), doch lassen diese noch keine Rückschlüsse auf eine Leistungsminderung im neurologisch-psychischen Bereich zu.

Diesen vorliegenden Befunden entsprechen auch die Ausführungen des Klägers im Verwaltungsverfahren. Auch bei Rentenantragstellung bezog sich der Kläger auf sein Wirbelsäulenleiden. Bei Widersprucheinlegung im November 1996 führte er des Weiteren ein chronisches Zwölffingerdarmgeschwür an sowie eine Schlaflosigkeit, da ihn Schmerzen und Sorgen quälen würden. Wie der medizinische Sachverständige in zweiter Instanz ausführte, deutet letzteres am ehesten auf eine depressive Verstimmung multifaktorieller Genese hin. Auch nach Ansicht des Senats kann man hieraus noch nicht den Beginn eines Hirnleistungsabbaues lesen. Schilderungen über Merkstörungen, Koordinationsstörungen u.ä. liegen zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Auch der Kläger beschreibt erstmals im April 1997, dass zu seinen übrigen Beschwerden seelische Störungen/Nervenschäden hinzugekommen seien. Hiermit korreliert auch der erstmalige Besuch bei einem entsprechenden Facharzt.

Sofern Frau Dr. W ... in ihrem Gutachten für das Sozialgericht zu einer anderen Schlussfolgerung gelangte, kann dies nicht überzeugen. Sie stützt sich hierbei im Wesentlichen auf eine Computertomographie des Gehirns vom Juli 1997. Hier wurde ein hirnatrophischer Prozess erstmals dokumentiert. Zwar handelt es sich bei Hirnabbauprozessen um langsam fortschreitende Prozesse, doch kann, wie auch Dr. K ... ausführte, anhand dieses einmaligen CT-Befundes nicht auf das Ausmaß einer Hirnathrophie im Jahre 1996 geschlossen werden. Außerdem sind maßgeblich für das Vorliegen einer Invalidität die mit einer Erkrankung einhergehenden Leistungsbeeinträchtigungen. Allein aus dem Befund einer Hirnathrophie kann jedoch nicht direkt auf das Ausmaß von Leistungseinschränkungen (kognitive Einbußen wie Konzentrationsstörungen, Störungen von Merk- und Gedächtnisleistungen sowie alkoholbedingte Änderungen von Persönlichkeitszügen) geschlossen werden. Auch Frau Dr. W ... führt in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 06.10.1998 aus, dass der computertomographisch objektivierte hirnathrophische Prozess anfänglich zum Teil klinisch wenig auffällig bzw. von uncharakteristischen Beschwerden über einen allgemeinen psycho-physischen Leistungsnachlass begleitet wird. Später werde dann erst eine hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung von Krankheitswertigkeit offenbar. Dass diese Krankheitswertigkeit von relevantem Ausmaße aber bereits 1996 manifest wurde, konnte auch sie nicht belegen.

Auch die Stellungnahmen des Hausarztes und der behandelnden Neurologin/Psychiaterin rechtfertigen keine andere Einschätzung. Die Nervenärztin Frau Dr. K ... hat den Kläger ihrer Sicht die 1997 bzw. 1998 erhobenen Befunde retrospektiv eine Leistungsminderung um 2/3 für das Jahr 1996 zuließen, konnte auch sie nicht geben. Der Hausarzt Dr. Sch ... hat den Kläger zwar schon bei Rentenantragstellung behandelt, doch wiesen die von ihm erhobenen Befunde nie auf eine Hirnleistungsminderung hin. Sofern er im Verfahren eine anders lautende Stellungnahme abgab, ist dies nicht überzeugend. Wie er selbst ausführte, übersteige das Belegen eines hirnorganischen Abbauprozesses seine medizinischen Möglichkeiten. Im Übrigen ist auch zu beachten, dass der Hausarzt in dem Befundbericht vom 14.02.1998 selbst eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit März 1997 angab.

Da nach alledem nicht erwiesen werden kann, dass beim Kläger bereits bei Antragstellung bzw. im November 1996 eine Leistungsminderung, wie sie für die Gewährung einer Rente wegen Invalidität nach Art. 2 § 7 RÜG erforderlich ist, vorlag, kann nach § 44 Abs. 1 RÜG i. V. m. § 99 SGB VI auch kein Rentenbeginn für den in § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG genannten Zeitraum festgestellt werden. Der spätere Eintritt der Invalidität kann jedoch keine Leistungen nach dem RÜG mehr begründen.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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