L 1 SB 37/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 SB 117/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 37/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 25. April 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt den Nachteilsausgleich "aG".

Bei dem im ... geborenen Kläger sind als Behinderungen anerkannt: Endogenes Nervenleiden; Verdauungsstörungen nach Magenoperation, Untergewicht; Fehlhaltung und Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule und der Schultergelenke; Sehschwäche; Kniegelenksarthrose rechts; Innenohrschwerhörigkeit beidseits; Degenerative Veränderung der Hüftgelenke; Herz-Kreislaufschaden bei kombiniertem Aortenklappenfehler, Herzrhythmusstörungen; Arterielle Verschlusskrankheit des Beines beidseits. Der Grad der Behinderung beträgt 100. Der Kläger erfüllt die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF" (Bescheid des Versorgungsamtes Stuttgart vom 19. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 6. Dezember 1995 und Bescheid des Beklagten vom 15. November 1999).

Am 28. Januar 2000 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Eintragung der Merkzeichen "B" und "aG" in den Ausweis unter Vorlage eines elektrophysiologischen Befundes Dr. St ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in Leipzig, vom 20. Dezember 1999. Zur Begründung gab er an, die Arthrose im Kniegelenk, die Herzbeschwerden und die Hüftgelenksbeschwerden hätten sich verschlimmert. Neu aufgetreten sei eine Polyneuropathie (sensomotorisch).

Der Beklagte holte daraufhin Befundberichte von Dr. W ..., Facharzt für Orthopädie in L ..., von Dr. St ... und von Dr. D ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin in L ..., ein. Unter dem 16. Februar 2000 teilte Dr. W ... folgende Diagnosen mit: Rezidivierendes lumbales Schmerzsyndrom bei Skoliose I. Gra des und Spondylose, beginnende Gonarthrose rechts, KSSF beidseits, arterielle Durchblutungsstörung beidseits im Stadium II nach Fontaine sowie Polyneuropathie. Dr. S ... berichtete unter dem 21. Februar 2000 von einer leichten schlaffen Gangstörung rechts, einem Zustand nach alter Kriegsverletzung, einer anamnestisch bekannten defekten HWS und von einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom. Dr. Drews teilte in ihrem Befundbericht vom 14. April 2000 mit, der jetzt 64jährige Kläger sei im altersentsprechenden Allgemein- und Ernährungszustand. Seit ihrem Befundbericht vom 29. Oktober 2000 (gemeint ist 1999) sei für sie keine sichere Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers eingetreten. Von Dr. St ... liege ihr jetzt ein elektrophysiologischer Befund vor - Verdacht auf Polyneuropathie -. Dipl.-Med. V ... stellte für den Ärztlichen Dienst des Beklagten am 12. Mai 2000 fest, der Verdacht auf Polyneuropathie - ohne klinische Befunde - bedinge keinen GdB von wenigstens 10. Die Nachteilsausgleiche "B" und "aG" ließen sich aus den vorliegenden ärztlichen Befundberichten nicht ableiten.

Am 24. Mai 2000 erließ der Beklagte einen ablehnenden Bescheid. Nach Art und Ausmaß der Behinderung des Klägers sei eine ständige Begleitung bei ihm nicht notwendig. Als Schwerbehinderter mit außergewöhnlicher Gehbehinderung seien solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen könnten. Hierzu zählten Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande seien, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen könnten oder zugleich unterschenkel- oder armamptiert seien sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen seien. Eine Gehbehinderung der beschriebenen Art liege beim Kläger nicht vor.

Dagegen legte der Kläger am 9. Juni 2000 Widerspruch ein bezüglich der Ablehnung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG". Er habe ständig Wadenkrämpfe. Das Laufen falle ihm außergewöhnlich schwer. Der Beklagte holte daraufhin von Dipl.-Med. Sch ..., Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie in L ..., einen Befundbericht ein. In ihrem Befundbericht vom 11. Juli 2000 berichtete sie von einem chronisch lumbalen Wurzelreizsyndrom bei NPP L4/5 beidseits, einem chronischen Zervikal- und Thorakalsyndrom, einer Gon- und Retropatellararthrose beidseits, einer beginnenden Koxarthrose rechts sowie einer Kontr. KSSF beidseits. Der Kläger laufe ständig an zwei Unterarmstützen, es bestehe keine schmerzfreie Wegstrecke, es liege eine Geh- und Stehbehinderung vor. Dr. D ..., Ärztlicher Dienst des Beklagten, führte unter dem 4. September 2000 aus, der vorliegende Befundbericht des Orthopäden erlaube keine andere Beurteilung als die bisherige. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" seien noch immer nicht erfüllt. Es bestehe eine beginnende Koxarthrose rechts und Gonarthrose beidseits bei guter Beweglichkeit, auch unter Berücksichtigung, dass altersphysiologische Funktionsminderungen nicht bewertet werden könnten. Es sei ein GdB von 20 jeweils ausreichend. An der Wirbelsäule seien keine Ausfallserscheinungen neurologischer Art beschrieben. Die Nutzung von zwei Unterarmstützen könne das Merkzeichen "aG" nicht begründen. Der Kläger sei nach den vorliegenden Befunden nicht einem Doppeloberschenkelamputierten oder Querschnittsgelähmten gleichzustellen.

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. September 2000). Es habe nach den vorliegenden Befundberichten nicht festgestellt werden können, dass eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorliege, selbst die Nutzung von zwei Unterarmstützen könne die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht begründen. Eine derartig schwere Bewegungseinschränkung, wie sie für den bereits im Bescheid vom 24. Mai 2000 genannten Personenkreis zutreffe, habe bei dem Kläger nicht festgestellt werden können. Auch könne er nach Art und Ausmaß seiner Behinderung nicht dem o. g. Personenkreis gleichgestellt werden. Die Feststellung des Merkzeichens "aG" sei daher nicht möglich.

Der Kläger erhob daraufhin am 21. September 2000 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. v ... S ...-S ..., Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums L ... In seinem Gutachten vom 12. März 2001 diagnostizierte er folgende Erkrankungen:

Geringe Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfallserscheinung (Einzel-GdB 20), beginnende Verschleißerkrankung der Kniegelenke (Knorpelscha den) mit geringgradiger Bewegungseinschränkung links, geringe Funktionsstörung der Sprunggelenke mit endgradiger Bewegungseinschränkung (Einzel-GdB 10), periphere arterielle Verschlusskrankheit (Einzel-GdB 40).

Bezüglich der übrigen Diagnosen verweise man auf den letzten maßgeblichen Bescheid vom 8. November 1999. Es ergäben sich hier keine neuen Gesichtspunkte. Die vom Kläger berichteten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule seien auf eine geringe Wirbelsäulenfehlform, insbesondere im Brustwirbelsäulenbereich, und eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule zurückzuführen. Es bestehe eine deutliche Bewegungseinschränkung, insbesondere der Brustwirbelsäule, jedoch ohne neurologische Symptomatik. Den daraus resultierenden GdB beurteilten sie mit 20. Die vom Kläger geklagten Kniegelenksbeschwerden seien auf eine beginnende Verschleißerkrankung der Kniegelenke (Knorpelschaden) zurückzuführen. Es bestehe eine geringgradige Funktionsstörung im linken Kniegelenk, die durch eine endgradige Bewegungseinschränkung bedingt sei. Im Bereich beider Sprunggelenke sei ebenfalls eine allenfalls geringgradige Funktionsstörung durch eine endgradige Bewegungseinschränkung feststellbar. An den beiden Hüftgelenken habe keine Funktionsstörung festgestellt werden können. Den aus der Verschleißerkrankung der Kniegelenke und geringen Funktionsstörung der Sprunggelenke resultierenden Einzelgrad der Behinderung beurteilten sie mit 10. Aus den genannten Erkrankungen ergebe sich auf orthopädischem Fachgebiet ein Gesamtgrad der Behinderung von 20. Für die Beurteilung des Gehvermögens sei weiterhin die Durchblutungsstörung beider unterer Extremitäten zu berücksichtigen, es entstehe jedoch dadurch keine gravierende Einschränkung. Laut Aktenlage bestehe der Verdacht auf das Vorliegen einer Polyneuropathie. Hierfür fänden sich bei der jetzigen gutachterlichen Untersuchung keine klinischen Hinweise. Es bestehe allenfalls eine leichte Sensibilitätsstörung im Bereich beider Füße und im Bereich des linken Kniegelenkes, die jedoch nicht sicher reproduzierbar seien. Eine relevante motorische Beeinträchtigung finde sich nicht, es bestehe hierdurch keine Auswirkung auf das Gehvermögen. Auch die orthopädischen Behinderungen bedingten eine nur geringe Einschränkung des Gehvermögens. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung des Merkzeichens "aG" seien daher nicht gegeben. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger nur mit Hilfestellung und großer Mühe Strecken zurücklegen könne, wie es bei Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten und Patienten mit vergleichbaren Behinderungen der Fall sei. Dem Kläger seien nach ihrer Einschätzung Gehstrecken von ca. 500 m ohne Zeitdruck ohne weiteres zumutbar. Öffentliche Verkehrsmittel könnten ohne Begleitperson benutzt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 20 bis 30 der SG-Akte verwiesen.

Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, seine schweren Bewegungseinschränkungen seien von dem Beklagten nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihm auf Grund seiner Knieprothese, dem Wirbelsäulenschaden (Granatsplitter) sowie seiner Herzprobleme nahezu unmöglich. Ohne seine Unterarmstützen könnte er sich gar nicht mehr fortbewegen. Er könne die Ablehnung daher überhaupt nicht nachvollziehen. Er habe Schmerzen im Hüftgelenk und durch die Gelenkprothese im rechten Bein. Er müsse das rechte Bein nachts drehen. Weiterhin leide er Tag und Nacht unter Wadenkrämpfen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. April 2001 abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens sei allein das Merkzeichen "aG". Dieses werde nach Rdnr. 31 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996, weiterhin i.V.m. § 6 Straßenverkehrsgesetz und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO) denjenigen Personen zuerkannt, die sich wegen der Schwere des Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen könnten. Der entsprechende Personenkreis sei in Rdnr. 31 Abs. 3 der Anhaltspunkte näher umschrieben. Er sei in dem angefochtenen Bescheid bereits dargelegt worden. Der Kläger zähle nicht zu diesem Personenkreis, er sei insbesondere nicht doppeloberschenkelamputiert oder doppelunterschenkelamputiert. Nach Art und Ausmaß der bei dem Kläger bestehenden Funktionsbehinderungen sei auch eine Gleichstellung mit diesem Personenkreis, insbesondere mit einem Doppeloberschenkelamputierten, nicht möglich. Die Funktionsbehinderung auf orthopädischem Gebiet und die sonstigen Funktionsbehinderungen, die insbesondere in dem Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 6. Dezember 1995 aufgezählt seien, bewirkten nach Art und Ausmaß keine gravierende Verstärkung der festgestellten Gehbehinderung. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung in dem Maße, wie sie insbesondere beim Doppeloberschenkelamputierten bestehe, liege jedoch keinesfalls vor. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei der Kläger wesentlich besser gestellt, als die in den Anhaltspunkten genannten Vergleichspersonen.

Gegen den dem Kläger als Einschreiben am 21. Juni 2001 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat er am 25. Juni 2001 beim SG Berufung eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, auf Grund seiner gesundheitlichen Leiden müsse ihm das Merkzeichen "aG" gewährt werden. Er könne sich nur unter größter Anstrengung fortbewegen und könne daher die Ablehnung nicht nachvollziehen. Beim Gehen leide er teilweise unter ganz außergewöhnlichen Schmerzen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 25. April 2001 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm ab 28. Januar 2000 die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheides für zutreffend. Das Begehren des Klägers sei in der Vorinstanz eingehend geprüft und gewürdigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs "aG". Der Bescheid des Beklagten vom 24. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2000 ist rechtmäßig.

Statthafte Klage für das Begehren des Kläger ist eine mit der Anfechtung der Verwaltungsakte des Beklagten einhergehende Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, Az.: B 9 SB 3/99 R). Für eine derartige Klage ist der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Aufl., § 54 Rdnr. 34). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist daher das Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB XI) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, Seite 1046), das am 1. Juli 2001 in Kraft getreten ist (Artikel 68 Abs. 1 SGB IX).

Nach dem Schwerbehindertenrecht hat das Versorgungsamt die Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich festzustellen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) und das Merkzeichen "aG" in den Schwerbehindertenausweis einzutragen (§§ 4 und 7 Ausweisverordnung Schwerbehindertengesetz - SchwbAwV). Dadurch wird der behinderte Mensch berechtigt, bei der Teilnahme am Straßenverkehr Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, die in §§ 45 Abs. 1 b und 46 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung - StVO - und der dazu ergangenen allgemeinen Verwaltungsvorschrift - VV - vom 22. Juli 1976 (BAnz. 1976, 142 Seite 3) geregelt sind. Wer als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen ist, ergibt sich nicht aus dem Schwerbehindertenrecht, sondern aus § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG), auf den § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchwbAwV verweist (i.V.m. Nr. 11 Abs. 2.1 der genannten VV zu § 46 StVO). Danach ist außergewönlich gehbehindert i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere behinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht. Er ist diesem Personenkreis auch nicht gleichzustellen. Ein behinderter Mensch kann eine Gleichstellung nur verlangen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in diesem Personenkreis aufgeführten Schwerbehinderten fortbewegen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11. März 1998, Az.: B 9 SB 1/97 R = SozR 3-3870 § 4 Nr. 23 = BSGE 82, 37-40). Entscheidend kommt es deshalb nicht auf die vergleichbare allgemeine Schwere der Leiden an, sondern allein darauf, dass die Auswirkungen funktionell gleich zu achten sind, wobei der Leidenszustand also ebenfalls wegen einer außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das Schwerste einschränken muss (BSG, Urteil vom 12. Februar 1997, Az.: 9 RVs 11/95 = SGb 1997, 217 - 218). Bei dem Vergleich kommt es auch nicht auf die Vollständigkeit oder Unvollständigkeit der unteren Extremitäten an, sondern allein auf den Schweregrad der Beeinträchtigung beim Gehen, und zwar soweit die Gehfähigkeit durch Gesundheitsstörungen bzw. Behinderungen im Bereich der unteren Extremitäten und der Wirbelsäule beeinträchtigt ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997, Az.: 9 RVs 16/96 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 22). Insgesamt muss daher das Gehvermögen einer gleichzustellenden Person auf das Schwerste beeinträchtigt sein und zusätzlich eine Vergleichbarkeit mit dem o. a. Personenkreis gegeben sein (BSG, Urteil vom 11. März 1998, a.a.O.). Nach Auffassung des Senats ist beim Kläger weder das Gehvermögen auf das Schwerste beeinträchtigt noch liegt zusätzlich eine Vergleichbarkeit mit dem o. a. Personenkreis vor. Auf orthopädischem Fachgebiet leidet der Kläger an einer geringen Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfallserscheinungen; einer beginnenden Verschleißerkrankung der Kniegelenke (Knorpelschaden) mit geringgradiger Bewegungseinschränkung links, geringe Funktionsstörung der Sprunggelenke mit endgradiger Bewegungseinschränkung sowie einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Die Auffassung des Senats gründet sich auf die Feststellungen im Gutachten Prof. Dr. v ... S ...-S ... vom 12. März 2001. In seinem Gutachten hat Prof. Dr. v ... S ...-S ... ausgeführt, die vom Kläger berichteten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule seien auf eine geringe Wirbelsäulenfehlform, insbesondere im Brustwirbelsäulenbereich, und einer Verschleißerkrankung der Wirbelsäule im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule zurückzuführen. Es bestehe eine deutliche Bewegungseinschränkung, insbesondere der Brustwirbelsäule, jedoch ohne neurologische Symptomatik. Die vom Kläger beklagten Kniegelenksbeschwerden seien auf eine beginnende Verschleißerkrankung der Kniegelenke (Knorpelschaden) zurückzuführen. Es bestehe eine geringgradige Funktionsstörung im linken Kniegelenk, die durch eine endgradige Bewegungseinschränkung bedingt sei. Im Bereich beider Sprunggelenke sei ebenfalls eine allenfalls geringgradige Funktionsstörung durch eine endgradige Bewegungseinschränkung feststellbar. An beiden Hüftgelenken hätten keine Funktionsstörungen festgestellt werden können. Für die Beurteilung des Gehvermögens sei weiterhin die Durchblutungsstörung beider unterer Extremitäten zu berücksichtigen, es bestehe jedoch dadurch keine gravierende Einschränkung. Laut Aktenlage bestehe der Verdacht auf das Vorliegen einer Polyneuropathie. Hierfür fänden sich bei der jetzigen gutachterlichen Untersuchung keine klinischen Hinweise. Es bestehe allenfalls eine leichte Sensibilitätsstörung im Bereich beider Füße und im Bereich des linken Kniegelenkes, die jedoch nicht sicher reproduzierbar sei. Eine relevante motorische Beeinträchtigung finde sich nicht, es bestehe hierdurch keine Auswirkung auf das Gehvermögen. Auch die orthopädischen Behinderungen bedingten nur eine geringe Einschränkung des Gehvermögens. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung des Merkzeichens "aG" seien daher nicht gegeben. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger nur mit Hilfestellung und großer Mühe Strecken zurücklegen könne, wie es bei Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten und Patienten mit vergleichbaren Behinderungen der Fall sei. Dem Kläger seien nach ihrer Einschätzung Gehstrecken von ca. 500 m ohne Zeitdruck ohne weiteres zumutbar. Öffentliche Verkehrsmittel könnten ohne Begleitperson benutzt werden. Der Kläger habe sich ohne Stützen frei im Raum bewegt und habe mühelos zwei Treppen innerhalb der Klinik bewältigt. Bei Aufforderung zur Gangbilddemonstration sei demonstrativ ein leichtes Hinken rechts aufgetreten. Auf Befragen des Klägers habe dieser angegeben, für längere Gehstrecken sei die Benutzung zweier Unterarmstützen notwendig, des Weiteren würden nach längerem Gehen auftretende Rückenbeschwerden beklagt.

Der Senat schließt sich den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen an. Das Gutachten ist in der Erhebung der Befunde, in der würdigenden Bewertung der Vorgeschichte und der bereits erhobenen Befunde sowie in der Beantwortung der Beweisfragen sachkundig erstellt, nachvollziehbar und im Ganzen schlüssig. Insbesondere entspricht die Einschätzung des Sachverständigen auch den nach der Neutral-Null-Methode mitgeteilten Winkelmaßen. Für die Hüftgelenksbeweglichkeit hat er eine Streckung/Beugung beidseits von 0/0/120 (normal: 10/0/130) festgestellt, eine Abspreizung/Anspreizung beidseits von 40/0/30 (normal: 30-45/0/20-30) sowie für die Außenrotation/Innenrotation beidseits 40/0/40 (normal: 40- 50/0/30-45). Bei den Kniegelenken hat er folgende Messwerte erhoben: Streckung/Beugung rechts 0/0/140 und links 0/0/130 (normal: 0/0/120-150). Bei der Sprunggelenksbeweglichkeit hat er folgende Messwerte festgestellt: Dorsalextension/Planarflexion rechts 50/0/40 und links 15/0/40 (normal: 20-30/0/40-50) und bei der Pronation/Supination beidseits 10/0/40 (30/0/60). Nach den erhobenen Messwerten ist daher allein von einer geringgradigen - endgradigen - Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit im Bereich der Streckung/Beugung beidseits auszugehen sowie von einer allenfalls geringgradigen Funktionsstörung durch eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich beider Sprunggelenke. Die Kniegelenksbeweglichkeit ist als normal anzusehen, allenfalls links endgradig eingeschränkt. Eine Beeinträchtigung des Gehvermögens des Klägers auf das Schwerste ist keinesfalls festzustellen. Zu berücksichtigen war auch, dass der Kläger zuweimal mit öffentlichen Verkehrsmitteln das Gericht in Chemnitz aufgesucht hat um Röntgenbilder einzureichen und um an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Dass der Kläger zumindest den ersten Weg nach Chemnitz auf sich genommen hat, wenn er sich nach eigenen Angaben nur mit größter Anstrengung und teilweise außergewöhnlichen Schmerzen fortbewegen kann, war für den Senat insoweit nicht nachvollziehbar. Eine Vergleichbarkeit mit dem o. a. Personenkreis ist daher nicht gegeben.

Auch Erkrankungen der inneren Organe rechtfertigen eine Gleichstellung nicht. In Betracht kommen insoweit beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 - AHP - Nr. 31 Abs. 4, Seite 168). Zwar liegt beim Kläger ein Herz-Kreislaufschaden bei kombiniertem Aortenklappenfehler und Herzrhythmusstörungen vor (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 6. Dezember 1995) und in einem Entlassungsbericht des K ...-O ...-Krankenhauses in St ... vom 28. August/2. September 1998 wird eine Aortenstenose III. Grades und ein Zustand nach 2/3-Magenresektion bei Ulcus duodeni 1966 beschrieben. Ferner wird darin festgestellt, echokardiografisch liege eine erheblich sklerosierte Aortenklappe mit geringer Insuffizienz und führender Stenose III. Grades bei AÖF von 0,7 cm² vor, eine deutliche linksvertikuläre Hypertrophie mit diastolischer Füllungsstörung, insgesamt jedoch gute Pumpfunktion. Der linke Vorhof sei leicht dilatiert. Zusammenfassend bestehe bei dem Kläger eine hochgradige, unter Belastung symptomatische Aortenstenose, so dass man ihm eine Operation mit Aortenklappenersatz empfohlen habe. Eine Endokarditis-Prophylaxe sei zu beachten. Aus diesen Befunden lassen sich jedoch keine Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz oder Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades (Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe; statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als 2/3 niedriger als die Sollwerte, respiratorische Globalinsuffizienz, AHP Nr. 26.8, Seite 83) - wie auch aus den übrigen medizinischen Unterlagen - nicht entnehmen. Der Kläger selbst macht den Nachteilsausgleich auch nicht auf Grund seiner internistischen Erkrankungen geltend.

Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved