Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 165/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 13/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08.12.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit (BK). Ferner ist streitig, ob dem Kläger eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der am ...1939 geborene Kläger war von 1954 bis 1964 überwiegend als Maurer berufstätig. Von 1964 bis 1990 arbeitete er als Kesselreiniger, von 1990 bis 1995 war er vorwiegend mit Abbruch- und Demontagearbeiten befasst.
Nachdem er wegen Beschwerden der Halswirbelsäule zunächst ab Juni 1995 und dann, nach einer Woche beruflicher Tätigkeit, wiederum ab 14.08.1995 arbeitsunfähig erkrankt war, leitete die Beklagte aufgrund einer Unfallanzeige der Beigeladenen vom 10.09.1996 ein Feststellungsverfahren ein. Im Rahmen ihrer Ermittlungen ließ sie ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) eine Stellungnahme bezüglich des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen u. a. der BK Nr. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) erstellen.
Bezüglich der BK Nr. 2108 führte der TAD in einer Stellungnahme vom 06.12.1996 zusammenfassend aus, dass der Kläger in seiner 32-jährigen Tätigkeit als Kesselreiniger in der Mehrzahl der Arbeitsschichten (ca. 200 Arbeitstage/Jahr) in extremer körperlicher Zwangshaltung in Kesseln und deren Baulichkeiten mit Arbeitshöhen zwischen 50 und 100 cm zum Teil 6 bis 8 Std., mindestens jedoch 4 Std. pro Arbeitstag unter erheblicher Kraftanstrengung und meist mittels Vibration erzeugender Handmaschinen gearbeitet habe. Zudem seien in der Mehrzahl der Arbeitstage pro Jahr Handtransportarbeiten je nach Arbeitsaufgabe maximal 4 bis 5 Std., mindestens jedoch 1 Std. pro Arbeitstag mit durchschnittlichen Gewichten von über 25 kg erfolgt. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 seien erfüllt.
In einer weiteren Stellungnahme, ebenfalls vom 06.12.1996, jedoch hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2109 und 2110, führte der TAD aus, dass bei den Abriss- und Instandsetzungsarbeiten nach 1990 teilweise Lastgewichte von mehr als 50 kg auch auf dem Rücken und im Schulterbereich transportiert worden seien. Von einer Regelmäßigkeit, d. h. in der Mehrzahl der Arbeitstage pro Jahr, könne nicht ausgegangen werden. Auch komme die Tragehäufigkeit am Arbeitstag selbst oft nicht an BK-relevante Größen heran. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2109 seien nicht gegeben. Auch sei der Kläger keinen körperlichen Belastungen im Sinne einer BK Nr. 2110 ausgesetzt gewesen.
In einem Röntgenbefund vom 27.06.1995 wird beschrieben, dass die Brustwirbelsäule des Klägers eine linkskonvexe thorakolumbale Skoliosierung bei tief akzentuierter Brustkyphose aufweise, ferner eine Teilwirbelbildung am thorakolumbalen Übergang und eine Osteochondrose TH5 bis TH7 und TH11/12 mit spondylotischer Reaktion. Die Lendenwirbelsäule weise eine rechtskonvexe lumbale Skoliosierung auf, eine Osteochondrose L3/L4 und L4/L5, ferner eine Baastrupreaktion L2/L4, eine Spondylarthrose der lumbosakralen Segmente und eine altersgemäße Mineralisation. Wegen eines therapieresistenten cervikocephalen Schmerzsyndroms wurde am 08.11.1995 ein Magnetresonanztomogramm (MRT) der Halswirbelsäule gefertigt, das degenerative Veränderungen an der unteren Halswirbelsäule mit Osteochondrose sowie Protrusionen der zugehörigen Bandscheiben, jedoch keinen Bandscheibenvorfall zeigte. In einem Befundbericht des den Kläger von August 1994 bis November 1995 behandelnden Orthopäden Dr. F ... vom 05.05.1998 werden mäßig degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule und eine Funktionsstörung der Halswirbelsäule aufgeführt. Beschwerden im Bereich der LWS werden nicht beschrieben.
In einem durch die Beigeladene an die Beklagte übersandten Gutachten des Medizinischen Dienstes im Freistaat Sachsen (MDK), das nach einer Begutachtung am 26.02.1996 erstellt worden war, wird ausgeführt, dass beim Kläger durch Kernspintomographie und Röntgen nachgewiesene degenerative Veränderungen in allen Wirbelsäulenabschnitten bestünden. Der Kläger leide insbesondere an einem Zervikalsyndrom bei Spondylarthrosis; als Nebendiagnose wurde ein Lumbalsyndrom bei Spondylarthrosis aufgeführt. In einem Entlassungsbericht nach einer vom 19.06.1996 bis 17.07.1996 durchgeführten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation werden im Aufnahmebefund u. a. ein Finger-Boden-Abstand von 0 cm, ein Schober von 10/15 und ein negativer Lasègue bds. aufgeführt.
Im Rahmen ihrer medizinischen Ermittlungen gab die Beklagte ferner ein Gutachten in Auftrag. Der Gutachter Dr. O ... diagnostizierte im Gutachten vom 11.07.1997 ein leichtes mittleres Cervikalsyndrom und eine vollkompensierte lumbale Gefügestörung ohne Wurzelreizsymptomatik. Röntgenologisch seien an der unteren Halswirbelsäule und der mittleren/unteren Brustwirbelsäule erhebliche, an der Lendenwirbelsäule jedoch nur diskrete degenerative Veränderungen zu erkennen. Der Röntgenbefund der Lendenwirbelsäule vom 25.06.1997 habe unauffällige Wirbelkörper und Bandscheibenabstände bei leichten spondylotischen Kantenreaktionen an L2 bis L5 gezeigt.
Mit Bescheid vom 24.11.1997 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund einer der Berufskrankheiten der Nrn. 2108 bis 2110 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 06.05.1998 zurückgewiesen.
Am 22.05.1998 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben. In einem vom SG gemäß § 109 SGG eingeholten orthopädischen Gutachten hat der Facharzt für Orthopädie Dr. F ... am 12.07.1999 folgende Diagnosen gestellt:
- okzipitocervicales Schmerzsyndrom bei komplexen Funktionsstörungen mit rezidivierender Menièresymptomatik, rezidivierende Cervicodorsalgien bei Osteochondrose und Uncarthrose,
- Lumbalgien bei Dyschondrose L2 bis L4 und rezidivierendem lumbosacralen Facettensyndrom,
- Periarthrosis humeroscapularis links,
- posttraumatische Humeroradial- und Humeroulnararthrose links,
- Gonalgien bei femerotibialer und femeropatellarer Gonarthrose; mediale Meniskopathie rechts.
Der Kläger habe angegeben, seit ca. 25 Jahren unter intermittierenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule zu leiden. 1995 sei es bei Montagetätigkeiten (Verschrottungs- und Abrissarbeiten) zu heftigen zervikalen Schmerzsyndromen und zu einer ärztlichen Vorstellung wegen akuter Schmerzsymptomatik mit Drehschwindel und heftigen Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, ausstrahlend in den Arm- und Beinbereich, gekommen. Der Kläger habe angegeben, immer Beschwerden vor allem im Halswirbelsäulenbereich, aber auch im gesamten Schulterbereich zu haben, des Weiteren auch im Lendenwirbelsäulen- und Beckenbereich. Der Gutachter führte aus, dass gegenüber dem vorgefertigten Gutachten im Wesentlichen keine Befundprogredienz, jedoch auch keine Remission nachweisbar sei. So fänden sich u. a. auch keine Anhaltspunkte für ein aktuell bestehendes radikuläres Geschehen. Die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des Achsenorganes erscheine simultan eingeschränkt, vorwiegend jedoch im Bereich der Brustwirbelsäule in allen Bewegungsebenen und des zervicothorakalen Übergangs. Die Segmentlockerung lumbosacral erscheine kompensiert und ohne Zeichen der Pseudoradiculopathie bzw. aktueller Blockierungen. Hinsichtlich der BK Nr. 2108 fehle das typische radiologische und klinische Bild des unmittelbaren lokalisierten Krankheitsbildes am lumbosacralen Übergang vor allem der Prädilektionssegmente L4/L5 und L5/S1. Lockerungszeichen im Sinne der Dyschondrose seien als Erkrankung im Sinne der schicksalsmäßigen, nicht eindeutig berufsimmanent degenerativen Gefügestörung aufzufassen. Zudem lägen die ausgeprägteren degenerativen Befunde in dem statodynamisch weit weniger belasteten thorakalen Bereich vor.
Das SG hat mit Urteil vom 08.12.1999 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2108 vorlägen, jedoch nicht deren medizinische Voraussetzungen. Hinsichtlich der BK Nr. 2109 und 2110 lägen bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vor.
Gegen das ihm mit Einschreiben vom 27.12.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.01.2000 Berufung eingelegt. Er hat insbesondere darauf verwiesen, dass die Fräsmaschinen, die er zur Reinigung der Kessel verwendet habe, zu starken Vibrationen innerhalb der Kessel geführt hätten und dass somit die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2110 vorlägen. Auch sei er in seiner beruflichen Tätigkeit einer langjährigen außergewöhnlichen intensiven mechanischen Belastung der Halswirbelsäule im Sinne einer BK Nr. 2109 ausgesetzt gewesen.
Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 19.09.2000 gebeten, detailliert vorzutragen, in welchem Umfang er in seinem beruflichen Alltag schwere Lasten auf der Schulter zu tragen gehabt habe, insbesondere welche Lasten von welchem Gewicht er wie häufig pro Tag, pro Woche und pro Monat auf der Schulter getragen habe und ob derartige Tätigkeiten auch schon während seiner Zeit als Kesselreiniger oder erst im Zuge der ab 1990 erfolgten Abrissarbeiten angefallen seien. Ferner ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass ein detaillierter Sachvortrag insbesondere insoweit erforderlich sei, soweit nach seinem Vorbringen die TAD-Stellungnahmen vom 06.12.1996 nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprächen. Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2000 vortragen lassen, dass der berufliche Alltag so ausgesehen habe, dass er täglich schwere Lasten getragen habe, d. h. Gewichte von 1 bis 2 Zentnern hätten bewegt werden müssen. Einmal monatlich seien noch höhere Lasten getragen worden. Das Tragen der schweren Lasten seit 1964 sei berufsbedingt gewesen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08.12.1999 mit dem Bescheid vom 24.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.1998 aufzuheben, das Vorliegen der Berufskrankheit Nr. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht liegen die Voraussetzungen für die Feststellung der BK Nr. 2108 bis 2110 nicht vor.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger leidet nicht an einer der Berufskrankheiten Nr. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H.
Ein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der bei ihm bestehenden Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit könnte sich nur aus dem Recht der Reichsversicherungsverordnung (RVO) ergeben, da der geltend gemachte Versicherungsfall nur vor dem 01.01.1997, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Siebten Buches Sozialgetzbuch (SGB VII) eingetreten sein kann (§§ 212 ff. SGB VII).
Maßgeblich für den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles und somit für den Eintritt einer Berufskrankheit ist der Zeitpunkt, zu dem sich die Gefährdungen realisiert haben, vor denen die gesetzliche Unfallversicherung Schutz gewähren soll, also der Eintritt jedes Gesundheitsschadens, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer Berufskrankheit erfüllt (Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 SGB VII, Rn. 42 S. 97 m. w. N.). Die Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles Berufskrankheit sind erfüllt, sobald die schädigende Einwirkung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verursacht hat, der die Krankheitsmerkmale eines Berufskrankheitentatbestandes erfüllt und wenn ggf. erforderliche besondere Merkmale, insbesondere die Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten erfüllt sind (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, § 9 SGB VII, Rn. 7).
Da der Kläger bis Mitte 1995 als Kesselreiniger bzw. zuletzt mit Abbruch- und Demontagearbeiten beschäftigt war, kommt als möglicher Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles spätestens der 14.08.1995, der Zeitpunkt, ab dem der Kläger nicht mehr berufstätig war, in Betracht.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche sind somit §§ 548 Abs. 1, 551 Abs. 1 Sätze 1, 2 RVO i. V. m. den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV vom 20.06.1968 (BGBl. I S. 721), eingefügt durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2343). Gemäß § 548 Abs. 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. § 551 Abs. 1 RVO regelt weiter, dass eine Berufskrankheit als Arbeitsunfall gilt und dass Berufskrankheiten die Krankheiten sind, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet.
Jedoch leidet der Kläger an keiner der Berufskrankheiten, die in der auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen BKV verzeichnet sind. Insbesondere liegen die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenen Berufskrankheiten Nr. 2108, Nr. 2109 und Nr. 2110 nicht vor.
Voraussetzung dafür, dass eine BK Nr. 2108 festgestellt werden könnte, wäre, dass der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung leidet, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, für die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Insoweit hat der Senat zwar angesichts der vom Kläger über 30 Jahre ausgeübten Tätigkeit als Kesselreiniger bzw. der von ihm durchgeführten Abriss- und Demontagearbeiten keinen Zweifel daran, dass der Kläger in diesem Sinne sowohl langjährig schwere Lasten gehoben und getragen hat und langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeübt hat.
Jedoch bestehen schon erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule gelitten hat. Im Röntgenbefund vom 27.06.1995 ist für die Lendenwirbelsäule eine rechtskonvexe lumbale Skoliosierung, eine Osteochondrose L3/L4 und L4/L5, ferner eine Baastrupreakton L2/L4, eine Spondylarthrose der lumbosakralen Segmente und eine altersgemäße Mineralisation beschrieben. Dr. F ... fand im Juli 1999 ein im Wesentlichen vergleichbares Bild. Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule sind zeitnah zum Einstellen der beruflichen Tätigkeit Mitte 1995 nicht beschrieben worden. Nach dem Entlassungsbericht der LVA Sachsen vom 20.06.1996 war die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule normal (Finger-Boden-Abstand 0 cm, Schobersches Zeichen 10/15; es fand sich keine Ischiassymptomatik, ebenso wenig fanden sich Wurzelreizerscheinungen oder andere Hinweise auf eine Bandscheibenerkrankung. Eine Kernspintomographie wurde schon damals nur für den Halswirbelsäulenbereich für erforderlich gehalten und durchgeführt. Auch der den Kläger behandelnde Orthopäde hat am 05.05.1997 mitgeteilt, dass der Kläger von August 1994 bis Mai 1995 nicht wegen Beschwerden der Lendenwirbelsäule in Behandlung gewesen sei. Ein Bandscheibenvorfall oder eine Bandscheibenprotrusion sind zudem nirgends beschrieben worden.
Des Weiteren bestehen angesichts dessen, dass für den Zeitpunkt der endgültigen Arbeitsaufgabe keine Funktionsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule beschrieben oder sonst ersichtlich sind, erhebliche Zweifel daran, ob die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule so ausgeprägt waren, dass ein Zwang zur Unterlassung aller (lenden)wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten bejaht werden kann.
Selbst wenn das Vorliegen obiger Voraussetzungen unterstellt wird, fehlt es jedoch an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers die im Bereich der Lendenwirbelsäule vorhandenen degenerativen (knöchernen) Veränderungen im rechtlichen Sinne verursacht hat.
Rechtlich ist nämlich eine Erkrankung nur dann infolge einer versicherten Tätigkeit eingetreten und als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen, wenn die beruflichen Belastungen in rechtlich wesentlicher Weise bei der Krankheitsentstehung mitgewirkt haben. Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Haben mehrere Ursachen in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht gemeinsam zum Entstehen der Erkrankung beigetragen, sind sie nebeneinander (Mit)Ursachen im Rechtssinne, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist hierbei nicht identisch mit den Beschreibungen überwiegend, gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch oder verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er von einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Es ist somit zulässig, eine rein naturwissenschaftlich betrachtet nicht gleichwertige Ursache rechtlich als wesentlich zu betrachten.
Hiernach ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass die Veränderungen an der Lendenwirbelsäule des Klägers durch seine berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Zu berücksichtigen war insoweit, dass sich aus sämtlichen medizinischen Unterlagen ergibt, dass der Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule nur an geringen degenerativen Veränderungen leidet und insbesondere in dem durch Heben und Tragen von Lasten besonders belasteten unteren Teil der Lendenwirbelsäule, dem Bereich L5/S1 und L4/L5 degenerative Veränderungen kaum vorhanden sind. Eine Verschlechterung der Befunde durch die berufliche Tätigkeit ist objektiv nicht zu belegen, da Funktionseinschränkungen kaum und neurologische Ausfälle nicht vorhanden sind. Auch Bandscheibenprotrusionen oder ein Bandscheibenprolaps sind im Bereich der Lendenwirbelsäule nie diagnostiziert worden.
Auch die Voraussetzungen für die Feststellung einer BK Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor. Eine solche setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, voraus. Insoweit fehlt es bereits am Vorliegen der sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen. Nicht ausreichend ist, dass Reinigungsarbeiten in Kesseln mit Handfräsmaschinen in sitzender oder liegender Körperhaltung ausgeführt worden sind. Vielmehr sind beruflichen Belastungen im Sinne einer BK Nr. 2110 insbesondere Fahrer von Traktoren, Lastkraftwagen und ähnlichen Fahrzeugen, die auf unebenen Fahrbahnen unterwegs sind, ausgesetzt (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2110, S. 1). Darüber hinaus setzt auch eine BK Nr. 2110 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS voraus, deren Vorliegen hier ebenso zweifelhaft ist wie das Vorliegen des so genannten Unterlassungszwanges (s.o.). Zudem wäre auch bezüglich des Vorliegens einer BK Nr. 2110 der Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und - ggf. vorhandener - bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu verneinen (s.o.).
Auch die Feststellung einer BK Nr. 2109 - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - scheitert schon am Nichtvorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Der Kläger hat insoweit trotz Aufforderung durch den Senat nicht dargetan, dass bzw. in welchem Umfang er Lasten auf der Schulter getragen hat. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass er schwere Lasten mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf der Schulter getragen hat, sind nicht ersichtlich.
Da schon die Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit nicht vorliegen, kam die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. aufgrund des Vorliegens einer Berufskrankheit nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit (BK). Ferner ist streitig, ob dem Kläger eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der am ...1939 geborene Kläger war von 1954 bis 1964 überwiegend als Maurer berufstätig. Von 1964 bis 1990 arbeitete er als Kesselreiniger, von 1990 bis 1995 war er vorwiegend mit Abbruch- und Demontagearbeiten befasst.
Nachdem er wegen Beschwerden der Halswirbelsäule zunächst ab Juni 1995 und dann, nach einer Woche beruflicher Tätigkeit, wiederum ab 14.08.1995 arbeitsunfähig erkrankt war, leitete die Beklagte aufgrund einer Unfallanzeige der Beigeladenen vom 10.09.1996 ein Feststellungsverfahren ein. Im Rahmen ihrer Ermittlungen ließ sie ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) eine Stellungnahme bezüglich des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen u. a. der BK Nr. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) erstellen.
Bezüglich der BK Nr. 2108 führte der TAD in einer Stellungnahme vom 06.12.1996 zusammenfassend aus, dass der Kläger in seiner 32-jährigen Tätigkeit als Kesselreiniger in der Mehrzahl der Arbeitsschichten (ca. 200 Arbeitstage/Jahr) in extremer körperlicher Zwangshaltung in Kesseln und deren Baulichkeiten mit Arbeitshöhen zwischen 50 und 100 cm zum Teil 6 bis 8 Std., mindestens jedoch 4 Std. pro Arbeitstag unter erheblicher Kraftanstrengung und meist mittels Vibration erzeugender Handmaschinen gearbeitet habe. Zudem seien in der Mehrzahl der Arbeitstage pro Jahr Handtransportarbeiten je nach Arbeitsaufgabe maximal 4 bis 5 Std., mindestens jedoch 1 Std. pro Arbeitstag mit durchschnittlichen Gewichten von über 25 kg erfolgt. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 seien erfüllt.
In einer weiteren Stellungnahme, ebenfalls vom 06.12.1996, jedoch hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2109 und 2110, führte der TAD aus, dass bei den Abriss- und Instandsetzungsarbeiten nach 1990 teilweise Lastgewichte von mehr als 50 kg auch auf dem Rücken und im Schulterbereich transportiert worden seien. Von einer Regelmäßigkeit, d. h. in der Mehrzahl der Arbeitstage pro Jahr, könne nicht ausgegangen werden. Auch komme die Tragehäufigkeit am Arbeitstag selbst oft nicht an BK-relevante Größen heran. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2109 seien nicht gegeben. Auch sei der Kläger keinen körperlichen Belastungen im Sinne einer BK Nr. 2110 ausgesetzt gewesen.
In einem Röntgenbefund vom 27.06.1995 wird beschrieben, dass die Brustwirbelsäule des Klägers eine linkskonvexe thorakolumbale Skoliosierung bei tief akzentuierter Brustkyphose aufweise, ferner eine Teilwirbelbildung am thorakolumbalen Übergang und eine Osteochondrose TH5 bis TH7 und TH11/12 mit spondylotischer Reaktion. Die Lendenwirbelsäule weise eine rechtskonvexe lumbale Skoliosierung auf, eine Osteochondrose L3/L4 und L4/L5, ferner eine Baastrupreaktion L2/L4, eine Spondylarthrose der lumbosakralen Segmente und eine altersgemäße Mineralisation. Wegen eines therapieresistenten cervikocephalen Schmerzsyndroms wurde am 08.11.1995 ein Magnetresonanztomogramm (MRT) der Halswirbelsäule gefertigt, das degenerative Veränderungen an der unteren Halswirbelsäule mit Osteochondrose sowie Protrusionen der zugehörigen Bandscheiben, jedoch keinen Bandscheibenvorfall zeigte. In einem Befundbericht des den Kläger von August 1994 bis November 1995 behandelnden Orthopäden Dr. F ... vom 05.05.1998 werden mäßig degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule und eine Funktionsstörung der Halswirbelsäule aufgeführt. Beschwerden im Bereich der LWS werden nicht beschrieben.
In einem durch die Beigeladene an die Beklagte übersandten Gutachten des Medizinischen Dienstes im Freistaat Sachsen (MDK), das nach einer Begutachtung am 26.02.1996 erstellt worden war, wird ausgeführt, dass beim Kläger durch Kernspintomographie und Röntgen nachgewiesene degenerative Veränderungen in allen Wirbelsäulenabschnitten bestünden. Der Kläger leide insbesondere an einem Zervikalsyndrom bei Spondylarthrosis; als Nebendiagnose wurde ein Lumbalsyndrom bei Spondylarthrosis aufgeführt. In einem Entlassungsbericht nach einer vom 19.06.1996 bis 17.07.1996 durchgeführten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation werden im Aufnahmebefund u. a. ein Finger-Boden-Abstand von 0 cm, ein Schober von 10/15 und ein negativer Lasègue bds. aufgeführt.
Im Rahmen ihrer medizinischen Ermittlungen gab die Beklagte ferner ein Gutachten in Auftrag. Der Gutachter Dr. O ... diagnostizierte im Gutachten vom 11.07.1997 ein leichtes mittleres Cervikalsyndrom und eine vollkompensierte lumbale Gefügestörung ohne Wurzelreizsymptomatik. Röntgenologisch seien an der unteren Halswirbelsäule und der mittleren/unteren Brustwirbelsäule erhebliche, an der Lendenwirbelsäule jedoch nur diskrete degenerative Veränderungen zu erkennen. Der Röntgenbefund der Lendenwirbelsäule vom 25.06.1997 habe unauffällige Wirbelkörper und Bandscheibenabstände bei leichten spondylotischen Kantenreaktionen an L2 bis L5 gezeigt.
Mit Bescheid vom 24.11.1997 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund einer der Berufskrankheiten der Nrn. 2108 bis 2110 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 06.05.1998 zurückgewiesen.
Am 22.05.1998 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben. In einem vom SG gemäß § 109 SGG eingeholten orthopädischen Gutachten hat der Facharzt für Orthopädie Dr. F ... am 12.07.1999 folgende Diagnosen gestellt:
- okzipitocervicales Schmerzsyndrom bei komplexen Funktionsstörungen mit rezidivierender Menièresymptomatik, rezidivierende Cervicodorsalgien bei Osteochondrose und Uncarthrose,
- Lumbalgien bei Dyschondrose L2 bis L4 und rezidivierendem lumbosacralen Facettensyndrom,
- Periarthrosis humeroscapularis links,
- posttraumatische Humeroradial- und Humeroulnararthrose links,
- Gonalgien bei femerotibialer und femeropatellarer Gonarthrose; mediale Meniskopathie rechts.
Der Kläger habe angegeben, seit ca. 25 Jahren unter intermittierenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule zu leiden. 1995 sei es bei Montagetätigkeiten (Verschrottungs- und Abrissarbeiten) zu heftigen zervikalen Schmerzsyndromen und zu einer ärztlichen Vorstellung wegen akuter Schmerzsymptomatik mit Drehschwindel und heftigen Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, ausstrahlend in den Arm- und Beinbereich, gekommen. Der Kläger habe angegeben, immer Beschwerden vor allem im Halswirbelsäulenbereich, aber auch im gesamten Schulterbereich zu haben, des Weiteren auch im Lendenwirbelsäulen- und Beckenbereich. Der Gutachter führte aus, dass gegenüber dem vorgefertigten Gutachten im Wesentlichen keine Befundprogredienz, jedoch auch keine Remission nachweisbar sei. So fänden sich u. a. auch keine Anhaltspunkte für ein aktuell bestehendes radikuläres Geschehen. Die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des Achsenorganes erscheine simultan eingeschränkt, vorwiegend jedoch im Bereich der Brustwirbelsäule in allen Bewegungsebenen und des zervicothorakalen Übergangs. Die Segmentlockerung lumbosacral erscheine kompensiert und ohne Zeichen der Pseudoradiculopathie bzw. aktueller Blockierungen. Hinsichtlich der BK Nr. 2108 fehle das typische radiologische und klinische Bild des unmittelbaren lokalisierten Krankheitsbildes am lumbosacralen Übergang vor allem der Prädilektionssegmente L4/L5 und L5/S1. Lockerungszeichen im Sinne der Dyschondrose seien als Erkrankung im Sinne der schicksalsmäßigen, nicht eindeutig berufsimmanent degenerativen Gefügestörung aufzufassen. Zudem lägen die ausgeprägteren degenerativen Befunde in dem statodynamisch weit weniger belasteten thorakalen Bereich vor.
Das SG hat mit Urteil vom 08.12.1999 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2108 vorlägen, jedoch nicht deren medizinische Voraussetzungen. Hinsichtlich der BK Nr. 2109 und 2110 lägen bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vor.
Gegen das ihm mit Einschreiben vom 27.12.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.01.2000 Berufung eingelegt. Er hat insbesondere darauf verwiesen, dass die Fräsmaschinen, die er zur Reinigung der Kessel verwendet habe, zu starken Vibrationen innerhalb der Kessel geführt hätten und dass somit die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2110 vorlägen. Auch sei er in seiner beruflichen Tätigkeit einer langjährigen außergewöhnlichen intensiven mechanischen Belastung der Halswirbelsäule im Sinne einer BK Nr. 2109 ausgesetzt gewesen.
Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 19.09.2000 gebeten, detailliert vorzutragen, in welchem Umfang er in seinem beruflichen Alltag schwere Lasten auf der Schulter zu tragen gehabt habe, insbesondere welche Lasten von welchem Gewicht er wie häufig pro Tag, pro Woche und pro Monat auf der Schulter getragen habe und ob derartige Tätigkeiten auch schon während seiner Zeit als Kesselreiniger oder erst im Zuge der ab 1990 erfolgten Abrissarbeiten angefallen seien. Ferner ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass ein detaillierter Sachvortrag insbesondere insoweit erforderlich sei, soweit nach seinem Vorbringen die TAD-Stellungnahmen vom 06.12.1996 nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprächen. Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2000 vortragen lassen, dass der berufliche Alltag so ausgesehen habe, dass er täglich schwere Lasten getragen habe, d. h. Gewichte von 1 bis 2 Zentnern hätten bewegt werden müssen. Einmal monatlich seien noch höhere Lasten getragen worden. Das Tragen der schweren Lasten seit 1964 sei berufsbedingt gewesen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08.12.1999 mit dem Bescheid vom 24.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.1998 aufzuheben, das Vorliegen der Berufskrankheit Nr. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht liegen die Voraussetzungen für die Feststellung der BK Nr. 2108 bis 2110 nicht vor.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger leidet nicht an einer der Berufskrankheiten Nr. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H.
Ein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der bei ihm bestehenden Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit könnte sich nur aus dem Recht der Reichsversicherungsverordnung (RVO) ergeben, da der geltend gemachte Versicherungsfall nur vor dem 01.01.1997, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Siebten Buches Sozialgetzbuch (SGB VII) eingetreten sein kann (§§ 212 ff. SGB VII).
Maßgeblich für den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles und somit für den Eintritt einer Berufskrankheit ist der Zeitpunkt, zu dem sich die Gefährdungen realisiert haben, vor denen die gesetzliche Unfallversicherung Schutz gewähren soll, also der Eintritt jedes Gesundheitsschadens, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer Berufskrankheit erfüllt (Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 SGB VII, Rn. 42 S. 97 m. w. N.). Die Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles Berufskrankheit sind erfüllt, sobald die schädigende Einwirkung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verursacht hat, der die Krankheitsmerkmale eines Berufskrankheitentatbestandes erfüllt und wenn ggf. erforderliche besondere Merkmale, insbesondere die Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten erfüllt sind (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, § 9 SGB VII, Rn. 7).
Da der Kläger bis Mitte 1995 als Kesselreiniger bzw. zuletzt mit Abbruch- und Demontagearbeiten beschäftigt war, kommt als möglicher Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles spätestens der 14.08.1995, der Zeitpunkt, ab dem der Kläger nicht mehr berufstätig war, in Betracht.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche sind somit §§ 548 Abs. 1, 551 Abs. 1 Sätze 1, 2 RVO i. V. m. den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV vom 20.06.1968 (BGBl. I S. 721), eingefügt durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2343). Gemäß § 548 Abs. 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. § 551 Abs. 1 RVO regelt weiter, dass eine Berufskrankheit als Arbeitsunfall gilt und dass Berufskrankheiten die Krankheiten sind, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet.
Jedoch leidet der Kläger an keiner der Berufskrankheiten, die in der auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen BKV verzeichnet sind. Insbesondere liegen die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenen Berufskrankheiten Nr. 2108, Nr. 2109 und Nr. 2110 nicht vor.
Voraussetzung dafür, dass eine BK Nr. 2108 festgestellt werden könnte, wäre, dass der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung leidet, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, für die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Insoweit hat der Senat zwar angesichts der vom Kläger über 30 Jahre ausgeübten Tätigkeit als Kesselreiniger bzw. der von ihm durchgeführten Abriss- und Demontagearbeiten keinen Zweifel daran, dass der Kläger in diesem Sinne sowohl langjährig schwere Lasten gehoben und getragen hat und langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeübt hat.
Jedoch bestehen schon erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule gelitten hat. Im Röntgenbefund vom 27.06.1995 ist für die Lendenwirbelsäule eine rechtskonvexe lumbale Skoliosierung, eine Osteochondrose L3/L4 und L4/L5, ferner eine Baastrupreakton L2/L4, eine Spondylarthrose der lumbosakralen Segmente und eine altersgemäße Mineralisation beschrieben. Dr. F ... fand im Juli 1999 ein im Wesentlichen vergleichbares Bild. Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule sind zeitnah zum Einstellen der beruflichen Tätigkeit Mitte 1995 nicht beschrieben worden. Nach dem Entlassungsbericht der LVA Sachsen vom 20.06.1996 war die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule normal (Finger-Boden-Abstand 0 cm, Schobersches Zeichen 10/15; es fand sich keine Ischiassymptomatik, ebenso wenig fanden sich Wurzelreizerscheinungen oder andere Hinweise auf eine Bandscheibenerkrankung. Eine Kernspintomographie wurde schon damals nur für den Halswirbelsäulenbereich für erforderlich gehalten und durchgeführt. Auch der den Kläger behandelnde Orthopäde hat am 05.05.1997 mitgeteilt, dass der Kläger von August 1994 bis Mai 1995 nicht wegen Beschwerden der Lendenwirbelsäule in Behandlung gewesen sei. Ein Bandscheibenvorfall oder eine Bandscheibenprotrusion sind zudem nirgends beschrieben worden.
Des Weiteren bestehen angesichts dessen, dass für den Zeitpunkt der endgültigen Arbeitsaufgabe keine Funktionsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule beschrieben oder sonst ersichtlich sind, erhebliche Zweifel daran, ob die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule so ausgeprägt waren, dass ein Zwang zur Unterlassung aller (lenden)wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten bejaht werden kann.
Selbst wenn das Vorliegen obiger Voraussetzungen unterstellt wird, fehlt es jedoch an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers die im Bereich der Lendenwirbelsäule vorhandenen degenerativen (knöchernen) Veränderungen im rechtlichen Sinne verursacht hat.
Rechtlich ist nämlich eine Erkrankung nur dann infolge einer versicherten Tätigkeit eingetreten und als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen, wenn die beruflichen Belastungen in rechtlich wesentlicher Weise bei der Krankheitsentstehung mitgewirkt haben. Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Haben mehrere Ursachen in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht gemeinsam zum Entstehen der Erkrankung beigetragen, sind sie nebeneinander (Mit)Ursachen im Rechtssinne, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist hierbei nicht identisch mit den Beschreibungen überwiegend, gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch oder verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er von einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Es ist somit zulässig, eine rein naturwissenschaftlich betrachtet nicht gleichwertige Ursache rechtlich als wesentlich zu betrachten.
Hiernach ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass die Veränderungen an der Lendenwirbelsäule des Klägers durch seine berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Zu berücksichtigen war insoweit, dass sich aus sämtlichen medizinischen Unterlagen ergibt, dass der Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule nur an geringen degenerativen Veränderungen leidet und insbesondere in dem durch Heben und Tragen von Lasten besonders belasteten unteren Teil der Lendenwirbelsäule, dem Bereich L5/S1 und L4/L5 degenerative Veränderungen kaum vorhanden sind. Eine Verschlechterung der Befunde durch die berufliche Tätigkeit ist objektiv nicht zu belegen, da Funktionseinschränkungen kaum und neurologische Ausfälle nicht vorhanden sind. Auch Bandscheibenprotrusionen oder ein Bandscheibenprolaps sind im Bereich der Lendenwirbelsäule nie diagnostiziert worden.
Auch die Voraussetzungen für die Feststellung einer BK Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor. Eine solche setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, voraus. Insoweit fehlt es bereits am Vorliegen der sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen. Nicht ausreichend ist, dass Reinigungsarbeiten in Kesseln mit Handfräsmaschinen in sitzender oder liegender Körperhaltung ausgeführt worden sind. Vielmehr sind beruflichen Belastungen im Sinne einer BK Nr. 2110 insbesondere Fahrer von Traktoren, Lastkraftwagen und ähnlichen Fahrzeugen, die auf unebenen Fahrbahnen unterwegs sind, ausgesetzt (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2110, S. 1). Darüber hinaus setzt auch eine BK Nr. 2110 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS voraus, deren Vorliegen hier ebenso zweifelhaft ist wie das Vorliegen des so genannten Unterlassungszwanges (s.o.). Zudem wäre auch bezüglich des Vorliegens einer BK Nr. 2110 der Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und - ggf. vorhandener - bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu verneinen (s.o.).
Auch die Feststellung einer BK Nr. 2109 - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - scheitert schon am Nichtvorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Der Kläger hat insoweit trotz Aufforderung durch den Senat nicht dargetan, dass bzw. in welchem Umfang er Lasten auf der Schulter getragen hat. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass er schwere Lasten mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf der Schulter getragen hat, sind nicht ersichtlich.
Da schon die Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit nicht vorliegen, kam die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. aufgrund des Vorliegens einer Berufskrankheit nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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