L 2 U 43/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 154/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 43/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.02.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Meniskusschaden des Klägers eine Berufskrankheit darstellt und er deshalb Anspruch auf eine Verletztenrente hat.

Der am ...geborene Kläger erlernte ab 1957 den Beruf des Ofensetzers und übte diese Tätigkeit, lediglich unterbrochen durch den Wehrdienst, bis Ende 1990 aus. Nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit arbeitete er zunächst wieder in seinem bisherigen Beruf und ab April 1992 bis 1997 als Bauwerker. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 5 ff. der Beklagtenakte verwiesen.

Seit 1990 hatte der Kläger Kniegelenksbeschwerden. Im April 1996 suchte der Kläger den Facharzt für Orthopädie G ... auf. Es bestanden schmerzhafte Funktionseinschränkungen in den endphasigen Bewegungen. Im Mai 1996 wurde am rechten Kniegelenk des Klägers eine Meniskusresektion durchgeführt. Bei der Operation wurden ein medialer Horizontaleinriss, eine Chondropathie der Gelenkflächen des tibialen Epicondylus medialis und des Condylus femoris lateralis sowie eine intercondyläre und eine retropatellare Chondropathie festgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Operationsbericht (Blatt 28 der Beklagtenakte) und den histologischen Befund (Blatt 43 der Beklagtenakte) verwiesen. Im Januar 1997 nahm er an einer stationären Reha-Maßnahme in B ... H ... teil (Reha-Entlassungsbericht vom 12.2.1997).

Mit Schreiben vom 12.2.1997 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass er unter einer arbeitsbedingten Schädigung des rechten Kniegelenkes leide. Am 2.5.1997 erstattete der letzte Arbeitgeber des Klägers eine Anzeige über eine Berufskrankheit.

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur zwischen 5 und 20 % seiner durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit im Sinne der Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (im Folgenden: BK- Nr. 2102 BKV) belastend tätig gewesen sei. Eine überdurchschnittliche Belastung im Sinne dieser BK-Nr. habe nicht vorgelegen (Blatt 45 f. der Beklagtenakte). Dr. E ... vom Gewerbeaufsichtsamt W ...sah als wesentliche Ursache für die Meniskusschädigung die beim Kläger vorhandene Varusgonarthrose an, die ihrerseits anlagebedingt entstanden sei. Ein berufsbedingter Meniskusschaden sei nicht wahrscheinlich (Blatt 51 f. der Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 18.2.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil der Kläger zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfülle - weder das alleinige Knien noch das Gehen auf unebenen Baustellenböden sei als meniskusschädigende Tätigkeit anzusehen - und zum anderen die anlagebedingte Varusgonarthrose die Ursache für die Aufbrauchsveränderungen im rechten Kniegelenk sei. In seinem dagegen eingelegten Widerspruch verwies der Kläger darauf, dass er oft stundenlang in engen Räumen kniend oder hockend gearbeitet habe. Auch sei er bislang nicht ärztlich begutachtet worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.4.1998 zurück, in dem auf die Argumente des Klägers eingegangen und die Begründung des Ausgangsbescheides vertieft wurde.

Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben und die Kniebelastung aus seiner Sicht dargestellt (vgl. Blatt 30 der SG-Akte). In einer weiteren Stellungnahme vom 27.8.1998 ist der Dipl.-Ing. R ... vom T ... nunmehr davon ausgegangen, dass der Kläger im Durchschnitt etwa 35 bis 40 % kniegelenksbelastend tätig gewesen sei (Blatt 33 bis 35 der SG-Akte). Dem widersprach Dipl.-Ing. S ... vom T ... in seiner Stellungnahme vom 22.10.1998, der die durchschnittliche Belastung auf 20 % geschätzt hat (Blatt 36 der SG-Akte). Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, Dipl.-Ing. R ... habe seiner Beurteilung das falsche Berufsbild eines Fliesenlegers zugrunde gelegt. Deswegen sei es zu einer unrichtigen Belastungsbewertung gekommen. Von einer überdurchschnittlich meniskusbelastenden Tätigkeit könne daher nicht ausgegangen werden.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG bei Dr. B ... die Kosten eines Gutachtens erfragt. Dr. B ... hat ohne vorherige Beweisanordnung sodann am 11.10.1999 ein Gutachten erstellt. Zur Beurteilung des Zusammenhangs hat er im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht bewiesen, dass der Meniskusschaden durch eine vorbestehende deforme Arthrose des Kniegelenks verursacht worden sei. Meniskusanomalien, eine Osteochondrosis dissecans oder andere primäre Arthropathien seien nicht nachgewiesen. Eine deforme Arthrose des Kniegelenks könne jedoch sehr wohl durch degenerativ veränderte Menisken entstehen. Die berufskrankheitenbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrag 20 bis 25 v.H. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 66 bis 69 der SG-Akte verwiesen. Das SG hat sodann um eine ergänzende Stellungnahme zur Beurteilung des Kausalzusammenhangs und zur Höhe der MdE gebeten. Dieser Bitte ist Dr. B ... mit Schreiben vom 1.2.2000 nachgekommen. Ergänzend hat er ausgeführt, es sei belegt, dass die berufliche Belastung der Kniegelenke außer der Schädigung der Menisken auch generelle Veränderungen des gesamten Gelenkes hervorrufe. Schadensanlagen wie präarthrotische Elementarläsionen, anlagemäßige Gewebsminderwertigkeit oder vermindertes Knorpelregenerationspotential dürfe einem Arbeitnehmer nicht angelastet werden (Blatt 78 f. der SG-Akte). Das SG hat sodann die Gewerbeärztin Dipl.-Med. G ... vom Sächsischen Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin um eine gutachtliche Stellungnahme gebeten. In ihrem Gutachten vom 27.3.2000 hat Dipl.-Med. G ... im Wesentlichen ausgeführt, nach Aktenlage und nach Erfahrungen bei vergleichbaren Arbeitsplätzen bestehe keine ausreichende haftungsbegründende Kausalität. Der Zeitarbeitsanteil für kniende oder hockende Körperhaltung liege unter 30%. Die Auffassung von Dr. B ... entspreche nicht dem neuesten wissenschaftlichen Stand. Gegen eine berufsbedingte Meniskuserkrankung spreche, dass nur ein Meniskusriss vorgelegen habe, der nur eine Teilresektion erforderlich werden ließ, dass das erhebliche Übergewicht des Klägers ein bekannter außerberuflicher Risikofaktor sei, dass der Kläger unter einer Achsenfehlstellung leide und der Arthroskopiebefund eher für eine primäre Arthrose spreche, weil die Chondropathie viele Gelenkflächen und die Patellarückfläche betroffen habe (Blatt 90 bis 95 der SG-Akte). Das SG hat sodann Prof. Dr. K ... zum Sachverständigen bestimmt. In seinem Gutachten vom 16.10.2000 hat Prof. Dr. K ... die Kausalität zwischen der Tätigkeit des Klägers als Ofensetzer und dessen Meniskuserkrankung mit folgenden Argumenten verneint: Nur einer von vier Menisken habe degenerative Veränderungen aufgewiesen. Die anderen drei seien altersnormgerecht gewesen. Bei einer berufsbedingten primären Meniskuserkrankung müssten alle vier Menisken verschleißen, da alle vier Menisken gleichzeitig überbelastet würden. Die Haupterkrankung des Klägers sei einer Arthrosis deformans in beiden Kniegelenken. Verursacht werde sie durch eine angeborene Minderwertigkeit des Gelenkknorpels des Klägers und die Varusabweichung beider Beine mit Genu varu und langjährigem Übergewicht von 15 bis 20 kg. Die sekundäre Meniskopathie sei durch die anlagebedingte Beinachsenfehlstellung verursacht worden. Die Meniskopathie habe sich rechts entwickelt, weil das rechte Bein das Standbein des Klägers sei. Im Übrigen habe die Meniskopathie zu keiner wiederkehrenden Einklemmung im medialen Kniegelenkkompartement geführt. Der Horizontalriss im medialen Kniegelenk sei stabil gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 117 bis 127 der SG-Akte verwiesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.2.2001 abgewiesen und sich hierbei maßgeblich auf die gutachtlichen Ausführungen von Dipl.-Med. G ... und Prof. Dr. K ... gestützt.

Gegen das am 12.4.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, die am 10.5.2001 bei Gericht eingegangen ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe überwiegend mit dem rechten Bein bis zu vier Stunden gekniet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.2.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.2.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.4.1998 aufzuheben, festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach BK-Nr. 2102 BKV vorliegt, und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen bereits nicht erfüllt seien. Es fehle aber auch an den medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Meniskuserkrankung als Berufskrankheit.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.

Dem Einzelrichter des Senats liegen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Rechtszüge vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Im Ergebnis und in der Begründung zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Die Meniskuserkrankung des Klägers ist keine Berufskrankheit.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des SG zur Rechtsgrundlage und seine Ausführungen zur Sache verwiesen. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Ofensetzer und seiner Meniskopathie im rechten Kniegelenk ist nicht wahrscheinlich.

Ergänzend ist anzumerken, dass selbst dann, wenn man unterstellt, dass der Kläger überwiegend auf dem rechten Kniegelenk kniend seine Arbeit verrichtet hat, die Ausführungen insbesondere von Prof. Dr. K ...nicht erschüttert werden. Denn dies erklärt nicht, warum nur einer der beiden Menisken des rechten Kniegelenks betroffen ist. Hingegen hat Prof. Dr. K ... eine schlüssige und überzeugende Erklärung dafür, warum gerade der mediale Meniskus des rechten Kniegelenks eine Meniskopathie ausgebildet hat. Hinzu kommt, dass die Ausführungen des Klägers die anderen von Prof. Dr. K ... als maßgeblich bezeichneten Ursachen für die Verursachung einer primären Arthrosis deformans nicht aufheben.

Das Gutachten von Dr. B ... vermag nicht zu überzeugen. Entgegen seiner Behauptung war der Kläger sowohl hinsichtlich der Entstehung einer primären Arthrosis deformans als auch hinsichtlich der Entstehung der Meniskopathie derart ausgeprägten berufsfremden Belastungsfaktoren ausgesetzt, dass sein maßgebliches Argument, es sei keine andere Ursache erkennbar, die die langjährige, symptomlose Entstehung der Meniskopathie erklären könne, nicht trägt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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