L 2 U 68/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 111/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 68/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.06.1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch auf eine Verletztenrente wegen einer Verletzung des rechten Knies als Folge eines am 29.01.1991 erlittenen Unfalles.

Die am ...1944 geborene Klägerin ist seit 1963 als selbständige Kosmetikerin tätig. Am Unfalltag befand sich die Klägerin auf dem Weg von F ... nach D ..., um dort bei der Fa. M ... von ihr bestellte Kosmetikprodukte abzuholen. Auf der Eingangstreppe der Geschäftsräume stolperte sie und schlug mit dem rechten Knie sowie der rechten Schulter auf dem Boden auf. Ferner stieß sie mit dem Kopf gegen einen Pfosten, was eine 12 cm lange Platzwunde im Bereich der Stirnhaargrenze verursachte. Die offene Wunde wurde notfallmäßig versorgt. Am darauf folgenden Tag wurde in den Behandlungsunterlagen der Poliklinik F ... festgehalten (Blatt 148 Beklagtenakte):

"30.01.91 Gestern in D ... (dienstlich) gestürzt. Kein Hinweis f. gedeckte SH-Verletzg. Große Kopfplatzwunde wurde primär versorgt ... Außerdem Kontusion re.Knie. Kein Erguß, Schürfwunde auf der Patella. Streckung o.B., Beugung schmerzhaft und eingeschränkt (Zust. Nach Meniskus-Op.) med. Mitgebr. Rö-Aufn. d. Schädels:

Kein Frakturhinweis

Rö. re. Knie: deutl. Arthrosezeichen, keine frischen trauma. Veränderungen

Außerdem Kontusion re. Schulter. Schmerzen im HWS-Bereich. (Bestanden z. T. schon vor dem Unfall)

Rö. HWS u. re. Schulter:

HWS: o. B. Schulter: keine posttraumatischen Veränderungen.

1.2.91 Beschwerden seitens d. Prellungen noch vorhanden. Keine Zunahme d. Beschwerden ..."

Die Folgen des Sturzes bedingten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin bezog für die Zeit bis 10.02.1991 Verletztengeld.

Bei der Klägerin ist eine Osteochondrose im rechten Knie schon seit Juni 1959 bekannt. Bereits damals wurde auf den Röntgenaufnahmen eine Strukturauflockerung im Sinne einer beginnenden Gelenkmaus am inneren Condylus des rechten Oberschenkels festgestellt. Ärztlicherseits wurde unter dem 01.09.1960 gebeten, die Klägerin wegen einer noch deutlich feststellbaren Gelenkmausbildung für ein weiteres Jahr vom Sport freizustellen. Für Januar 1976 sind in den Unterlagen der chirurgischen Abteilung der Poliklinik F ... Bewegungsschmerzen im rechten Kniegelenk dokumentiert. Im November 1976 verlor die Klägerin plötzlich den Halt im Knie und konnte das Knie nicht strecken. Ab Juni 1977 traten im rechten Kniegelenk belastungsabhängige Beschwerden mit Gelenkblockierungen auf. Anlässlich einer am 12.12.1977 wegen einer medialen Meniskusläsion am rechten Kniegelenk durchgeführten Operation wurde eine schwere Osteochondrosis dissecans diagnostiziert. Der Innenmeniskus wurde bei dieser Operation entfernt. Während eines Aufenthalts im Sanatorium "R ..." vom 18.01. bis 14.03.1979 wurde u. a. eine Chondropathie am rechten Knie und eine Arthrose am linken Knie diagnostiziert. Am Ende der Kur wurde der Gang der Klägerin als leicht hinkend geschildert und sie als "invalidisiert" entlassen. Eine weitere Klinikbehandlung war vorgesehen. 1980 machte die Klägerin ausweislich eines Arztbriefes von Prof. Dr. J ... belastungsabhängige Schmerzen in beiden Kniegelenken, besonders aber im rechten Kniegelenk geltend. Prof. Dr. J ... beschrieb ein doppelseitiges "Genu valgum" (sog. "X-Bein") mit deutlicher Lockerung der Seitenbänder und fand Hinweise auf eine Chondropathia patellae links. Aus dem Krankenblatt des Rheuma-Sanatoriums und Moorbades Bad F ... aus dem Jahre 1981 geht hervor, dass die Klägerin über starke Schmerzen im rechten Kniegelenk und über belastungsabhängige Beschwerden im linken Kniegelenk berichtete. Diagnostiziert wurde eine beidseitige Gonarthrose, mehr rechts als links, und eine mediale Spondylchondrose der Brust- und der Lendenwirbelsäule. Hinsichtlich der Schultergelenke finden sich in den Behandlungsunterlagen der chirurgischen Abteilung der Poliklinik F ... Feststellungen darüber, dass die Klägerin im Herbst 1982 unter periarthritischen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter litt. Schon im Juli 1982 hatte Prof. Dr. H ... ein Supraspinatussyndrom rechts diagnostiziert. 1984 erfolgte eine Arthrographie des rechten Kniegelenks in der Charité/B ... Hier wurde festgestellt, dass der Zustand des rechten Knies der Klägerin durch erhebliche degenerative Veränderungen einschließlich kleiner Einrisse gekennzeichnet war. Von November 1984 bis September 1985 wurde die Klägerin wegen arthrotischer Beschwerden im rechten Kniegelenk mit Arteparon-Injektionen behandelt. Mit Schreiben vom 31.10.1985 wandte sich Dr. M ..., die Hausärztin der Klägerin, an die Medizinische Akademie mit der Bitte zu prüfen, ob im Falle der Klägerin ein Schwerbeschädigtenausweis gerechtfertigt sein könnte. In den letzten Jahren hätten sich die Beschwerden der Klägerin in beiden Kniegelenken erheblich verschlechtert. Zusätzlich bestünden hartnäckige Lumboischialgien. Die Klägerin erhalte fortlaufend physiotherapeutische Verordnungen. In dem Kurberichtsbogen des Sanatoriums Moorbad Bad D ... aus dem Jahre 1986 wurde festgehalten, dass die Klägerin unter einer fortgeschrittenen Gonarthrose leide, die rechts stärker als links ausgeprägt sei. Hinzu komme ein vertebragenes Schmerzsyndrom bei beginnender Spondylchondrose der Wirbelsäule, die durch die Adipositas der Klägerin zusätzlich verstärkt werde. Seit 1980 sei es auch zu Schmerzen im Schulter-Nacken- und im Lumbalbereich mit Blockierungen gekommen. Seit Juni 1985 liege eine Hypästhesie der 2. bis 4. Zehe des rechten Fußes vor. Im Kurbericht der Staatsbäder Bad B .../Bad E ... vom 30.11.1989 wurde u. a. eine beidseitige Gonarthrose, ein beidseitiges Schulter-Arm-Syndrom sowie ein vertebragenes cervikales und lumbales Schmerzsyndrom bei beginnenden degenerativen Wirbelsäulenveränderungen diagnostiziert. Ausdrücklich wurde vermerkt, dass die Klägerin aufgrund zunehmender Schmerzen im rechten Schultergelenk auf eine Gruppengymnastik habe verzichten müssen und eine Linderung der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und der Kniegelenke von ihr nicht angegeben worden sei.

Rund 2 ½ Jahre nach ihrem Sturz stellte die Klägerin am 22.07.1993 einen Antrag auf Gewährung einer Verletztenrente. Zuvor bereits hatte sie mit Schreiben vom 19.01.1993 insbesondere die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk, die Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und die Beschwerden im rechten Kniegelenk auf den Sturz zurückgeführt. Seit dem Sturz könne sie keine Treppe mehr normal hinauf und hinunter gehen. Sie müsse jede Stufe mit dem linken Bein zuerst anlaufen, das rechte Kniegelenk blockiere ständig und es könne nicht mehr richtig gebeugt werden. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten bei Dr. A ..., FA für Chirurgie, ein. Dieser gelangte aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 5.9.1994 zu dem Ergebnis, dass der Unfall keine Ursache für die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden sei. Das rechte Kniegelenk weise schwere degenerative Veränderungen auf. Im rechten Schultergelenk finde sich ein Hinweis auf einen möglicherweise erfolgten Ausriss der Supraspinatussehne. Da kein objektivierbarer ärztlicher Befund über Traumafolgen am rechten Knie und an der rechten Schulter anlässlich des Sturzes vorliege, könne der Kausalzusammenhang nicht bejaht werden. Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung einer Verletztenrente ab (Bescheid vom 09.05.1995). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.04.1996).

Dagegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Chemnitz Klage erhoben. Nunmehr habe sie massive Beschwerden mit dem Knie, die vor dem Sturz in dieser Form nicht bestanden hätten.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei Prof. Dr. H ... über eine einmalige Konsultation der Klägerin am 11.04.1994 eingeholt. Danach weist das rechte Kniegelenk eine schwere Pangonarthrose auf, der rechte Oberschenkel ist erheblich atrophiert. Prof. Dr. H ... hat bei der Klägerin eine schwere Osteoporose, ein Pseudoradikulärsyndrom und eine Protrusion bei LWK 4/5 festgestellt und eine Endoprothese empfohlen. Das Sozialgericht hat einen weiteren Befundbericht bei der Hausärztin, Dr. M ..., eingeholt, die mitgeteilt hat, die ohnehin schon starken Beschwerden im rechten Kniegelenk seien nach dem Sturz am 29.01.1991 mit Prellung der rechten Körperseite noch hartnäckiger und stärker aufgetreten, und ihrem Befundbericht umfangreiche Unterlagen beigefügt hat. Darunter befinden sich insbesondere ein Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahre 1993. Diagnostiziert wurde neben der Kniegelenksarthrose ein chronisches Cervikal-, Thorakal- und Lumbalsyndrom sowie eine chronisch beidseitige Epicondylitis radialis humeri. Die Auswertung eines Magnetresonanztomogramms des rechten Kniegelenks der Klägerin aus dem Jahre 1994 zeigt, dass der Knorpel im medialen Bereich schon damals vollkommen aufgebraucht war.

Das Sozialgericht hat sodann bei Prof. Dr. G ..., FA für Chirurgie und Traumatologie, ein Gutachten eingeholt, der nach Untersuchung der Klägerin am 5.11.1997 dargelegt hat, dass die Beschwerden der Klägerin mit Ausnahme der Schultergelenksbeschwerden Ergebnis eines schicksalhaften Verlaufes sind. Der Sturz habe allenfalls zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des Leidenszustandes geführt. Die Verschleißerkrankung im Bereich der Halswirbelsäule und des rechten Kniegelenks sei weder beschleunigt noch verändert worden. Anders lägen die Verhältnisse beim rechten Schultergelenk. Hier seien keine Vorschäden im Sinne einer Verschleißerkrankung dokumentiert. Die Klägerin sei vor dem Sturz beschwerdefrei gewesen. Hieraus ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29.06.1998 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Sturz der Klägerin um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaß sei durch die Folgen des Sturzes aber nicht eingetreten. Das Gutachten von Prof. Dr. G ... sei schlüssig, umfassend und überzeugend.

Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Gutachten von Prof. Dr. G ... sei widersprüchlich. Das Hauptargument des Gutachters sei, dass sie O-Beine habe. Dies treffe aber nicht zu. Auch sei ihr unklar, warum die angegebenen Schulterbeschwerden glaubwürdig, die Kniebeschwerden aber unglaubwürdig seien. Schließlich sei bei der Beurteilung der Folgen ihres Sturzes auch zu berücksichtigen, dass es durch die Mehrbelastung des linken Beines dort, aber auch im Bereich der Wirbelsäule, zu Überlastungsschäden gekommen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.06.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. ab 11.02.1991 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat bei Dr. H ..., FÄ für Orthopädie, ein Gutachten eingeholt. Sie hat ausgeführt, hinsichtlich des rechten Kniegelenkes sei es ab 1993 zu einer funktionellen Verschlechterung gekommen. Die Bewegungsmaße hätten sich deutlich verschlechtert. Hingegen liege beim rechten Schultergelenk ein wechselnder Verlauf vor. Insbesondere habe die Klägerin auch schon vor dem Sturz entsprechende Beschwerden gehabt. Die Wirbelsäule zeige keine eindeutige tendenzielle Verschlechterung. Die klinisch fassbare Verschlechterung des Zustandes des rechten Kniegelenks sei nicht auf den Sturz zurückzuführen. Es sei nur eine Schürfwunde über dem Kniegelenk dokumentiert. Weder seien ein Reizerguss noch ein größeres Hämatom noch eine neue Bandinstabilität noch eine röntgenologisch sichtbare knöcherne Verletzung noch eine akute Funktionsverschlechterung festgestellt worden. Ein relevantes schweres Trauma sei daher nicht ersichtlich.

Gegen dieses Gutachten wendet die Klägerin im Wesentlichen ein, sie habe erst nach dem Sturz nicht mehr gut Treppen steigen können.

Dem Senat liegen neben den Verfahrensakten beider Rechtszüge die Beklagtenakte vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zwar stellte der Sturz der Klägerin am 29.01.1991 einen Arbeitsunfall dar (I). Er führte jedoch mit Ausnahme der infolge der Platzwunde entstandenen, kaum mehr sichtbaren Narbe im Bereich des Stirnhaaransatzes zu keinen dauerhaften Gesundheitsschädigungen (II). Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ist zu keinem Zeitpunkt erreicht worden. Im Ergebnis zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Sie verletzen sie nicht in ihren Rechten.

I.

Auf den Unfall der Klägerin vom 29.01.1991 findet noch das Unfallversicherungsrecht der DDR Anwendung. Im Unfallzeitpunkt war die Klägerin als selbständige Kosmetikerin nach § 90 Abs. 1 der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 09.12.1977 (GBl. 1978 I S. 1 ) i. V. m. § 1 Buchstabe f StaatlSVO gegen das Risiko des Arbeitsunfalls pflichtversichert (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt Nr. 4 Buchstabe a und b des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31.08.1990, BGBl. II S. 889, ber. S. 1239 i. V. m. § 1150 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung und § 215 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).

Nach § 90 Abs. 1 StaatlSVO ist unter einem Arbeitsunfall die Verletzung eines Versicherten im Zusammenhang mit der Ausübung seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit zu verstehen. Die Verletzung muss durch ein plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis hervorgerufen worden sein. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Als sie im Begriff war, das Gebäude der Firma M ... in D ... zu betreten, stand dies im inneren Zusammenhang mit ihrer nach § 1 Buchstabe f StaatlSVO versicherungspflichtigen Tätigkeit als selbständige Kosmetikerin. Der unfreiwillige, überraschende Sturz der Klägerin und die sich daraus ergebenden Verletzungen (Kopfplatzwunde, Schürfwunde auf dem rechten Kniegelenk, Prellungen) erfüllen in geradezu klassischer Weise den Begriff des Unfalls. Im Rechtssinne hat die Treppe von außen auf den Körper der Klägerin eingewirkt. Da sich der Unfall der Klägerin während ihrer beruflichen Tätigkeit ereignete, besteht auch ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem unfallbringenden Geschehen. Die innere Ursache ("Unachtsamkeit") ist nicht wesentlich für die Verletzungshandlung, den Sturz, sondern die beruflichen Randbedingungen haben wesentlich den Unfall mitverursacht. Die haftungsbegründende Kausalität liegt danach ebenfalls vor.

II.

Die Klägerin erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente. Weder steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) fest, dass der Sturz ein Trauma bewirkt hat, das geeignet war, eine degenerative Veränderung des rechten Kniegelenks, des rechten Schultergelenks oder der Halswirbelsäule herbeizuführen bzw. einen Vorschaden in richtungsgebender Weise zu verschlimmern (Primärschaden), noch steht infolgedessen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass die in den neunziger Jahren eingetretene Verschlimmerung der degenerativen Veränderungen des rechten Kniegelenks Folge der Sturzverletzungen sind (so genannte haftungsausfüllende Kausalität).

Nachhaltig wirkende Verletzungen (Reizerguss, größeres Hämatom, neue Bandinstabilität, röntgenologisch sichtbare knöcherne Verletzungsfolgen) oder akute Funktionseinschränkungen werden in dem Bericht der chirurgischen Abteilung der Poliklinik F ... vom 30.01.1991 nicht beschrieben. Insbesondere wird die schmerzhaft eingeschränkte Beugung des rechten Kniegelenks auf einen Zustand nach Meniskusoperation zurückgeführt. Ob eine Arthroskopie hier weitere Erkenntnisse ermöglicht hätte, bedarf keiner weiteren Erörterung, weil eine solche Arthroskopie überhaupt nicht erfolgt ist und dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt ist, dass insbesondere Knorpelschädigungen nur innerhalb eines engen Zeitfensters nach dem Unfall noch mit Wahrscheinlichkeit als traumatisch bedingte Folge anerkannt werden können. Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Klägerin schon viele Jahre vor dem Sturz unter einem erheblichen degenerativen beidseitigen Kniegelenksschaden litt, der eindeutig progredient verlief und rechts stärker als links ausgeprägt war. Diese erheblichen Vorschädigungen (Knorpeldegeneration) und ihre weiterwirkenden Ursachen (Osteochondrosis dissecans, Adipositas im Durchschnitt um 90 - 100 kg bei 168 cm Körpergröße -) sowie die Folgen der Meniskusläsion und der Meniskektomie bieten auch eine naheliegende und einleuchtende Erklärung dafür, dass in der Folgezeit nach dem Sturz die Beschwerden angehalten und sogar noch zugenommen haben.

Soweit die Klägerin schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ihre Hausärztin Dr. M ... habe eine Verschlechterung ihres Zustandes nach dem Unfall in dem Befundbericht vom 23.08.1996 bestätigt, steht dies nicht im Widerspruch zu den Ausführungen der Sachverständigen, die auf der Grundlage des für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erstellten Reha-Entlassungsberichts vom 19.03.1993 eine deutliche Beschwerdezunahme in Gestalt einer deutlich eingeschränkteren Beweglichkeit festgestellt hat. Allerdings sind die Angaben im Reha-Entlassungsbericht widersprüchlich. Für das rechte Kniegelenk wurde ein Aufnahmebefund von 0/5/65 ermittelt, beim Abschluss der Reha-Maßnahme dagegen ein solcher von 0/10/120. Hinzugefügt wurde, es sei zu einer "leichten" Zunahme der Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk gekommen (Blatt 57 und 58 der SG-Akte). Daraus ergibt sich nicht zwingend, dass es zu einer messbaren sprunghaften Verschlechterung gekommen ist. Auch der Befundbericht von Prof. Dr. H ... aus dem Jahre 1994 ist unklar formuliert, lässt jedoch vermuten, dass er wohl im rechten Kniegelenk ein Streckdefizit von 10 Grad und eine auf 50 Grad eingeschränkte schmerzfreie Beugung festgestellt hat. Immerhin war der Zustand des rechten Kniegelenks so schlecht, dass er der Klägerin zu einer Endoprothese geraten hat. Dies widerlegt aber nicht die Beurteilung dieses Endzustandes als das Ergebnis eines kontinuierlichen Prozesses der Verschlimmerung eines unfallunabhängigen und auch durch diesen nicht beeinflussten Leidens. Erwiesen ist insbesondere nicht, dass sich die allgemeine Belastbarkeit des rechten Beines von 1989 bis 1993 nach dem Sturz im Jahre 1991 sprunghaft und deutlich verschlechtert hat. Aus dem Reha- Entlassungsbericht vom März 1993 geht hervor, dass die Klägerin bei der Anamnese nicht berichtet hat, ihre Beschwerden im rechten Kniegelenk hätten sich seit Januar 1991 schnell und massiv gesteigert. Jedenfalls sind die Ausführungen von Dr. Müller wegen der bei der Klägerin anzutreffenden erheblichen Vorschäden und des weiteren Fortschreitens der Erkrankung weit davon entfernt, eine traumatische Schädigung des rechten Kniegelenks am 29.01.1991 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu belegen, die das Potential für einen eigenständigen Schadensverlauf oder für eine richtungsgebende Verschlimmerung des bestehenden Vorschadens gehabt hätte.

Soweit der Sachverständige Prof. Dr. G ... in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, die Schmerzen der Klägerin im rechten Schultergelenk seien auf den Sturz vom 29.01.1991 zurückzuführen, kann der Senat dem nicht folgen, weil sich die Begründung maßgeblich darauf stützt, dass die Klägerin vor dem Unfall insoweit beschwerdefrei gewesen sei, was nicht zutrifft. Denn es liegen sehr wohl Nachweise über Veränderungen im Sinne eines Verschleißes im rechten Schultergelenk vor, die schon aus der Zeit vor dem Unfall stammen. Seit 1982 sind periarthritische Beschwerden und ein Supraspinatussyndrom diagnostiziert. Ferner ergibt sich aus dem Kurbericht der Staatsbäder Bad B .../Bad E ... vom 30.11.1989, dass die Klägerin relativ kurze Zeit vor dem Unfall unter ganz erheblichen Schmerzen im rechten Schultergelenk gelitten hat. Der Senat geht daher mit der Sachverständigen Dr. Herbst davon aus, dass die unfallbedingten Beschwerden im rechten Schultergelenk allenfalls als ein akutes, vorübergehendes Phänomen anzusehen sind. Soweit Dr. A ... aufgrund des sich aus der Röntgenaufnahme des rechten Schultergelenks ergebenden Befundes die Möglichkeit ("kann") eines früher erfolgten Ausrisses der Supraspinatussehne anspricht, kann sich daraus für die Beurteilung, ob der Sturz eine entsprechende Verletzung bei der Klägerin verursacht hat, nichts anderes ergeben. Erstens geht Dr. A ... nicht mit Sicherheit davon aus, dass die 0,3 x 1,5 cm große knöcherne Schuppe im Bereich des Tuberculum maius Folge eines Ausrisses der Supraspinatussehne ist. Zweitens folgt auch - eine derartige Verletzung vorausgesetzt - aus der Feststellung von Dr. A ... weder, dass der Ausriss eine traumatische Ursache gehabt hat, noch wann er sich ereignet hat.

Ein objektiver Anhalt dafür, dass die Halswirbelsäule durch den Sturz derart verletzt worden ist, dass hierdurch degenerative Veränderungen ausgelöst worden sind, besteht nicht, vielmehr wird am 30.01.1991 mitgeteilt, die Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule sei ohne Befund. Die Beurteilung von Prof. Dr. G ..., wonach die Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule Folge des schicksalhaften Verlaufs einer deutlichen Verschleißerscheinung sind, deckt sich mit dem Umstand, dass schon vor dem Sturz bei der Klägerin ein cervikales Schmerzsyndrom bestand. Eine eindeutige tendenzielle Verschlechterung nach dem Sturz lässt sich nicht erkennen, die Beschwerden treten vielmehr phasenweise auf, wie die Sachverständige Dr. H ... festgestellt hat.

Ein von der Klägerin ebenfalls geltend gemachter Überlastungsschaden im Bereich des linken Kniegelenks und der Wirbelsäule, steht schon deswegen außerhalb jeder Diskussion, weil keine unfallbedingte relevante traumatische Verletzung des rechten Kniegelenks festgestellt werden kann. Im Übrigen entspricht es gesicherter medizinischer Erkenntnis, dass Überlastungsschäden nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden können, die hier nicht ersichtlich sind (vgl. S. 300 ff. der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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