L 2 U 69/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 380/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 69/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 16. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule gemäß Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der am ...1945 geborene Kläger hat den Beruf des Maurers seit dem Ende seiner Lehre im Jahre 1963 mit kurzen Unterbrechungen durch andere Tätigkeiten bis Ende Oktober 1995 ausgeübt. Seitdem ist er arbeitslos.

Mit Datum vom 18.03.1996 zeigte der Facharzt für Orthopädie Dr. St ... der Beklagten an, dass beim Kläger eine schwere Diskopathie mit Instabilität der unteren Lendenwirbelsäule bestehe, die durch schweres Heben entstanden sei.

Nach umfangreichen Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.05.1997 die Gewährung von Leistungen an den Kläger wegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ab. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule des Klägers seien altersentsprechend. Die vorliegende Befundkonstellation spreche für eine endogene Verursachung der Erkrankung. Degenerative Veränderungen lägen vor allem im Bereich der Brustwirbelsäule vor, die jedoch nach medizinischer Erkenntnis nlcht durch mechanische Fehl- und Überbelastungen verursacht würden.

Dem widersprach der Kläger: 1960 sei eine Einstellungsuntersuchung als Maurer erfolgt. 1970, 1972, 1976 und 1982 seien die erforderlichen Reihenuntersuchungen durchgeführt worden. Fehlbildungen der Wirbelsäule seien dabei nicht festgestellt worden, so dass von einer endogenen Ursache der Erkrankung nicht ausgegangen werden könne. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Die vorliegende Befundkonstellation mit Betroffensein auch der nicht exponierten Wirbelsäulenabschnitte spreche für eine endogene Verursachung der Erkrankung (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26.11.1997).

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 17.12.1997 Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben. 1988 hätten erste Untersuchungen bei Dr. St ... eine Abnutzung der Lendenwirbelsäule durch Heben und Tragen schwerer Lasten ergeben. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule könnten also nicht auf Alterserscheinungen zurückgeführt werden.

Das SG hat Ablichtungen der im Verfahren S 12 RJ 85/97 vom Sozialgericht Dresden angefertigten Gutachten der LVA Sachsen beigezogen und Prof. Dr. D ..., Facharzt für Orthopädie der TU D ..., zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Dieser Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 09.07.1998 nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, das Schadensbild der Wirbelsäule sei absolut untypisch für eine Pathogenese durch berufliche Exposition. Dagegen sprächen vor allem degenerative Veränderungen an allen drei Abschnitten der Wirbelsäule des Klägers mit Betonung der beruflich nicht exponierten Partien. Der Verschleißprozess der Lendenwirbelsäule sei hingegen gering.

Mit Urteil vom 16. Februar 1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Erkrankung seiner Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Diese Berufskrankheit erfordere eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich gewesen seien oder sein konnten. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Zwar habe das Gericht ebensowenig wie die Beklagte - nicht zuletzt wegen der vom Kläger geschilderten körperlichen Belastungen als Maurer unter den Arbeitsbedingungen in der ehemaligen DDR - keinen Zweifel an der ausreichenden beruflichen Exposition. Jedoch sei die beim Kläger vorliegende Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht durch die körperlichen Belastungen als Maurer verursacht worden. Prof. Dr. D ... habe ausgeführt, das beim Kläger vorgefundene Schadensbild sei absolut untypisch für eine Pathogenese durch berufliche Exposition. So spreche gegen das Vorliegen einer Berufserkrankung, dass beim Kläger degenerative Veränderungen an allen drei Abschnitten des beweglichen Achsenorgans mit Betonung der beruflich nicht exponierten Halswirbelsäule bestünden. In der Halswirbelsäule seien die schwersten polysegmentalen degenerativen Veränderungen nachweisbar. Die graduelle Ausprägung der Verschleißprozesse an der Lendenwirbelsäule sei hingegen gering. Es bestünden keine Erniedrigungen der Zwischenwirbelräume sondern lediglich leichte Kantenausziehungen an den Deckplatten von L 2 bis L 5, die aber das altersübliche Maß nicht überschritten. Auch sei die Lendenwirbelsäule nahezu freibeweglich. Auch liege beim Kläger eine statodynamische Fehlfunktion im BWS-LWS-Komplex vor. Dabei führe eine Teilfixation der Brustwirbelsäule sekundär zu einer funktionellen Fehlbelastung und damit zu Beschwerden der Lendenwirbelsäule. Diese Teilfixation der Brustwirbelsäule mit Rückwirkung auf die Lendenwirbelsäule habe aber keinesfalls berufliche Ursachen. Sie sei in einer polysegmentalen Spondylosis deformans der unteren Brustwirbelsäule begründet.

Gegen das zum Zwecke der Zustellung mit Einschreiben am 10.05.1999 zur Post gegebene Urteil hat der Kläger am 02.06.1999 Berufung eingelegt. Bereits im Jahre 1987 sei ihm eine Abnutzung der Wirbelsäule bescheinigt worden, deshalb sei es ihm unverständlich, dass das bei ihm bestehende Krankheitsbild für einen Maurer untypisch sein solle. Er sei aber mit einer angemessenen Abfindung einverstanden. Er hat ein von Prof. Dr. F ... im Verfahren S 12 RJ 85/97 vom Sozialgericht Dresden eingeholtes Gutachten vorgelegt, das u. a. zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger könne zwar nicht mehr als Maurer, wohl aber noch als Werkzeug-, Waren- oder Materialausgeber tätig sein (LSG-Akten Bl. 3-9).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Februar 1999 mit dem Bescheid vom 21.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1997 aufzuheben, festzustellen, dass die bei ihm bestehenden Veränderungen der Lendenwirbelsäule Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Liste der Berufskrankheiten ist und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. ab 01. November 1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ausdrücklich an der Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen fest, weist aber darauf hin, dass das Belastungsbild von größeren belastungsfreien Abschnitten geprägt sei. Auch falle auf, dass die Beschwerden der LWS bereits nach relativ kurzer Exposition aufgetreten seien.

Dem Senat liegen neben den Prozessakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Die hier maßgebenden Normen hat das SG zutreffend genannt. Darauf wird ebenso Bezug genommen wie auf die Ausführungen des SG zur Sache, denen sich der Senat anschließt. Ergänzend ist hinzuzufügen:

Der Kläger hat die belastende Tätigkeit Ende Oktober 1995 aufgegeben. Nach dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Beschwerde- und Krankheitsbild richtet sich die Beurteilung, ob bei ihm bandscheibenbedingte Veränderungen bestehen, die mit Wahrscheinlichkeit auf seine Berufstätigkeit zurückzuführen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Nach dem Befundbericht von Dr. St ... v. 21.03.1996 (BG-Akten Bl. 44) wurde der Kläger zwar bereits im Jahre 1987 wegen wiederholt auftretender Beschwerden der unteren Wirbelsäule behandelt. Die Röntgenaufnahmen vom 29.02.1996 zeigten aber lediglich eine Hyperlordose der LWS, anderes wird insoweit nicht erwähnt, doch weist Dr. St ... ausdrücklich auf die Fehlstatik der Wirbelsäule hin. Der ebenfalls von der Beklagten befragte Dr. F ... bezeichnet die röntgenologisch nachweisbaren Veränderungen ausdrücklich als "altersentsprechend" und verneint das Vorliegen der Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 (Bericht v. 02.03.1997, BG-Akten Bl. 57). Das am 15.04.1996 durch Frau DM P ... für die LVA Sachsen erstellte Gutachten aufgrund einer Untersuchung am selben Tag bestätigt diesen Befund. Befragt zu den jetzigen Beschwerden gab der Kläger damals an, er spüre "gelegentlich" Beschwerden im Bereich der LWS. Die Untersuchung ergab einen Finger-Boden-Abstand (FBA) von bloß 10 cm, die Entfaltbarkeit der LWS (Schobersches Zeichen) war mit 3 cm nur gering eingeschränkt. Das Hauptgewicht der Beeinträchtigungen des Klägers lag bei den Folgen eines im Jahre 1993 erlittenen Herzinfarkts, dem ein halbes Jahr Arbeitsunfähigkeit mit stufenweiser Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess als Maurer folgte. Bei der Untersuchung durch Prof. Dürrschmidt am 02.07.1998 war die Entfaltbarkeit der LWS mit 10 zu 15,5 cm praktisch normal, ebenso der FBA (5 cm). Auch die einschlägigen Ischiasnerv-Prüfungen (Lasègue, Bragard) zeigten keine Hinweise auf einen krankhaften Befund. Die Beurteilung der Röntgenaufnahmen vom 29.02.1996 zeigte eine regelrechte Höhe aller Zwischenwirbelräume der LWS. Das gleiche Bild ergaben die von Prof. Dürrschmidt angefertigten Aufnahmen. Die ausdrücklich als "leicht" bezeichnete Spondylosis der Lendenwirbelkörper ist altersentsprechend. Eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung findet sich demnach auch fast drei Jahre nach Aufgabe der Berufstätigkeit nicht.

Die vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch. Wenn die Untersuchung durch Prof. Dr. F ... ein Jahr später (am 27.04.1999) nun sämtliche Zwischenwirbelräume der LWS als "leicht" verschmälert erwies, dann beweist dies nur die körpereigene, berufsunabhänge Verursachung dieser Veränderung, da der Kläger seit Ende 1995 nicht mehr als Maurer gearbeitet hatte. Aber auch bei dieser Untersuchung zeigte sich die Beweglichkeit der LWS als voll erhalten (Schober: 10/14,5 cm, FBA: 0 - 10 cm). Eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung ergibt sich auch aus diesem Gutachten nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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