L 1 V 43/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 V 108/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 V 43/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf einen höheren Schadensausgleich für Witwen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.

Die Klägerin ist die Witwe des am ... 1921 geborenen und am ... 1945 verstorbenen ... R ... (R.). R. fiel als Soldat der Deutschen Wehrmacht am ... 1945 bei G ... bei M ... Am 01. Juni 1944 war er zum Leutnant der Reserve befördert worden (vgl. Bescheinigung des Bundesarchivs in A ... vom 27. Dezember 1999). Der erste Eintrag in der von der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen der Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht dem Beklagten mit Schreiben vom 13. September 1995 übersandten Unterlagen datiert vom Juli 1942, erstgenannter Dienstgrad "Gefreiter".

In einer Heiratsurkunde des Standesbeamten in H ... vom ... 1944 wird R. als Oberfähnrich - Technischer Angestellter - benannt, in einer Sterbeurkunde des Standesamtes I C ... vom 09. Dezember 1946 als Technischer Angestellter - zuletzt Leutnant -. In einem Mitgliedsbuch der Deutschen Arbeitsfront aus dem Jahre 1936 wird als Beruf des R. Maschinenschlosserlehrling angegeben, in einer Bescheinigung der Betriebskrankenkasse der Wanderer-Werke in S ...-S ... vom 13. Juli 1940 "ab 01.06.1940 als Zeichner". In einer Abmeldung bei der polizeilichen Meldebehörde vom 18. August 1944 ist als Beruf des R. der des technischen Angestellten aufgeführt. R. besuchte als Schlosser im Sommerhalbjahr 1938 und im Winterhalbjahr 1938/1939 die Staatliche Gewerbzeichenschule mit Praktikantenkursen in C ... im Rahmen eines Abendschulbesuches im Zeitraum vom 15. März 1938 bis 28. Februar 1939.

Am 22. März 1991 stellte die Klägerin einen Antrag auf Witwenversorgung nach dem BVG. Mit Bescheid vom 30. April 1991 stellte der Beklagte fest, dass R. am ... 1945 an den Folgen einer Schädigung i. S. d. § 1 BVG gestorben ist (§ 38 BVG). Vom 01. Januar 1991 an erhalte die Klägerin Hinterbliebenenversorgung nach dem BVG. Es gelange eine Grundrente zur Auszahlung. R. habe vor der Schädigung den Beruf eines technischen Angestellten erlernt/ausgeübt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es wahrscheinlich, dass er diesen Beruf im Erlebensfall bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze ausgeübt hätte und zwar als Technischer Angestellter in Industrie/Handel, Leistungsgruppe IV. Selbst bei einem Vergleichskommen bis 4.566,00 DM und einem Renteneinkommen von 531,00 DM stehe ein Schadensausgleich nicht zu. Da die Klägerin derzeit eine Sozialversicherungsrente beziehe, stehe ihr auch aus diesem Grund ein Schadensausgleich nicht zu.

Dagegen legte die Klägerin am 14. Juni 1991 Widerspruch ein. Vor Eintritt der Schädigung sei nicht der Beruf eines technischen Angestellten, sondern der eines Oberleutnants ausgeübt worden. Gegenüber dem Beklagten gab die Klägerin unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung der Zeugin Hildegard Tillner vom 06. Dezember 1995 an, R. habe sich nicht freiwillig zum Wehrdienst gemeldet. Er sei kein "Zwölfender" gewesen, d. h. kein Berufssoldat. Ihr Ehemann sei sehr begabt gewesen, seine Eltern seien aber finanziell nicht in der Lage gewesen, eine höhere Schulbildung zu gewähren. Er habe den Beruf des Schlossers erlernt, sei als Mechaniker, Technischer Zeichner und zuletzt als Teilkonstrukteur tätig gewesen. Er habe in C ... die Höhere Lehranstalt in Abendkursen besucht. Unter den Bedingungen der DDR hätte er studiert und wäre Diplom-Ingenieur geworden.

Der Beklagte erließ am 16. Oktober 1996 einen Bescheid nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), mit dem er seinen Bescheid vom 30. April 1991 einschließlich des Folgebescheides vom 14. Mai 1991 mit Wirkung ab 01. Januar 1991 insoweit zurücknahm, als ein Schadensausgleich für 1991 abgelehnt wurde. Für 1991 wurde ein Schadensausgleich bewilligt. R. habe zuletzt laut Heirats- und Sterbeurkunde als technischer Angestellter gearbeitet. Da jedoch kein Fachschulabschluss, sondern lediglich eine Facharbeiterausbildung vorgelegen habe, könne die Leistungsgruppe III nicht zugrunde gelegt werden. Es erfolge deshalb im Hat-Beruf (Beruf im Zeitpunkt der Schädigung) eine Einstufung als technischer Angestellter - Leistungsgruppe IV - Wirtschaftsbereich Straßenfahrzeugbau - (§ 3 Berufsschadensausgleichsverordnung - BSchAV). Aus den Aussagen der Klägerin sei ersichtlich, dass R. kein Berufssoldat gewesen sei, da er sich nicht freiwillig für zwölf Jahre Dienst verpflichtet habe. Dies bestätigten auch die Eintragungen auf der Heirats- und Sterbeurkunde, da dort neben dem Dienstgrad Oberleutnant d. R. auch der zivile Beruf des technischen Angestellten angegeben worden sei. Im Hätte-Beruf (Beruf, den der Verstorbene ohne Schädigung wahrscheinlich ausgeübt hätte) erfolge eine Einstufung als technischer Angestellter - Leistungsgruppe III - Wirtschaftsbereich Straßenfahrzeugbau. Nach Angaben der Klägerin habe sich R. vom gelernten Schlosser über Technischer Zeichner zum Teilkonstrukteur hoch gearbeitet und in Abendkursen die Höhere Lehranstalt besucht. Es sei deshalb wahrscheinlich, dass R. entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten einen Fachschulabschluss in der ehemaligen DDR erreicht hätte. Der von ihr geltend gemachte Abschluss als Diplomingenieur sei nicht wahrscheinlich, da R. nicht die Hochschulreife (Reifeprüfung/Abitur) gehabt habe. Ab 01. Januar 1992 errechne sich aufgrund der Höhe ihres Einkommens kein Schadensausgleich.

Auch dagegen legte die Klägerin am 12. November 1996 Widerspruch ein. Im Laufe des Berufslebens hätte sich R. wegen seiner hohen Begabung beruflich weiterentwickelt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse und die dörfliche Lage hätten sein Schulbild bestimmt. Von allen seinen Freunden, Mitschülern und Lehrern sei ihr immer berichtet worden, welch außergewöhnlich begabter Mensch R. gewesen sei. Nicht nur in den naturwissenschaftlichen Fächern sei er immer und überall "Spitze" gewesen, sondern auch im musischen Bereich. R. sei zeichnerisch hoch begabt gewesen. In den Wanderer-Werken habe er mehrfach Auszeichnungen im Berufs-Wettbewerb erhalten, die er mit Geld- und Reise-Prämien vergütet bekommen habe. Sein Freund, der die gleiche Ausbildung von der Volksschule über die Lehre bei den Wanderer-Werken absolviert habe und zur selben Zeit zum Kriegsdienst gemusst habe, habe es nach Kriegsende in den Barkas-Werken bis zum Abteilungsdirektor gebracht. Während ihrer eigenen beruflichen Tätkeit habe sie viele Kollegen gehabt, die im Rahmen eines dreijährigen Fernstudiums den Diplom-Ingenieur abgelegt und verwirklicht hätten. Das habe sich auch ihr Mann zugetraut. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1997).

Gegen den am 24. Oktober 1997 als einfachen Brief zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 25. November 1997 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage.

Mit Urteil vom 11. Oktober 1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Zu Recht habe es der Beklagte abgelehnt, einen entsprechenden Schadensausgleich bei der Berechnung der Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen. Das Vorbringen der Klägerin, R. sei besonders strebsam auch als Offizier in der Deutschen Wehrmacht gewesen, sei nicht geeignet, die Erklärung, er wäre Diplom-Ingenieur geworden, zu stützen, denn gerade in den neuen Bundesländern seien ehemalige Offiziere der Deutschen Wehrmacht weder in der privaten Wirtschaft besonders gefördert worden, noch sei ihnen der Eintritt in die Volksarmee möglich gewesen, so dass jedenfalls ein Aufsteigen in der Offizierslaufbahn für R. unmöglich gewesen sei. Betrachte man die zivilen Aufstiegsmöglichkeiten des R. als technischer Angestellter, so sei rein spekulativ sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern jeglicher Aufstieg möglich gewesen, denn es sei allgemein bekannt gewesen, dass in den Nachkriegsjahren selbst Personen mit Volksschulausbildung ohne weiteres in höchste Ränge der Wirtschaft und Verwaltung vordringen konnten, wie es auch bei dem Freund des R., der letztendlich Betriebsdirektor gewesen sei, geschehen sei. Es sei aber auch bekannt, dass in vielen Fällen ein solcher Aufstieg nicht vollzogen worden sei. Unterstellte man, dass R. ebenfalls Ingenieur geworden wäre, so sei dies nach Ansicht der Kammer rein spekulativer Natur. Ausgehend von der beruflichen Situation des R. als Technischer Zeichner bzw. Teilekonstrukteur und auch dem erheblichen Bildungsstreben sei der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass er einen Fachschulabschluss erreicht hätte. Da er jedoch kein Abitur gehabt habe, wäre ein Hochschulstudium, das zu einer Ingenieurtätigkeit geführt hätte, jedenfalls unter den üblichen Bedingungen nicht möglich gewesen.

Die Klägerin legte am 08. November 1999 gegen das ihr am 20. Oktober 1999 zugestellte Urteil beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung ein.

Sie trägt vor, in der früheren DDR seien die so genannten Arbeiter- und Bauernfakultäten ins Leben gerufen worden, um Arbeiter- und Bauernkindern (Vater des Geschädigten sei Arbeiter gewesen) den Zugang zu höherer Bildung bevorzugt zu eröffnen. Diese Fakultäten hätten regelmäßig auf ein Hochschulstudium vorbereitet. Als Nachweis des Bildungswillens des Geschädigten werde auf eine Bescheinigung der Technischen Universität Chemnitz vom 23. November 1999 verwiesen. Des Weiteren dürfe festgestellt werden, dass selbst höchste Offiziere der Wehrmacht durch so genannte Antifa-Schulen von der Notwendigkeit der demokratischen Gestaltung des Nachkriegsdeutschlands überzeugt worden seien. Nach entsprechender Aushändigung eines Entnazifizierungsscheines hätten somit allen Wehrmachtsangehörigen sowie ehemaligen Angehörigen der NSDAP (außer Kriegsverbrechern) in der Regel alle Berufsmöglichkeiten offen gestanden. Richtig sei, dass nur äußerst wenig Offizierspersonal der ehemaligen Deutschen Wehrmacht beim späteren Aufbau der Kasernierten Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee verwendet worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. Oktober 1999 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 30. April 1991 und den Bescheid vom 16. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1997 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab 01. Januar 1991 einen Schadensausgleich für Witwen nach einer Einstufung ihres verstorbenen Ehemannes ... R ... als Diplom-Ingenieur in der Leistungsgruppe II (Wirtschaftsbereich Straßenfahrzeugbau) zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Urteils. Hinsichtlich der Berufsausbildung liege eine Facharbeiterausbildung vor. Da sich R. vom Schlosser zum technischen Angestellten hoch gearbeitet habe, sei hinsichtlich der Einstufung des Hätte-Berufes die Einstufung als technischer Angestellter - Leistungsgruppe III - Wirtschaftsbereich Straßenfahrzeugbau, was einem Fachschulingenieur entspreche, erfolgt. Ein beruflicher Aufstieg sei hierbei berücksichtigt worden. Der von der Klägerin geltend gemachte Abschluss als Diplom-Ingenieur sei nicht wahrscheinlich, weil er nicht die Hochschulreife besessen habe. Zwar habe es in der ehemaligen DDR auch unter der Voraussetzung eines 8-Klassenabschlusses die Möglichkeit gegeben, die Hochschulreife zu erlangen, die Möglichkeit allein reiche jedoch für einen Anerkenntnis nach dem BVG nicht aus. Anhand des schulischen und beruflichen Werdeganges vor der Schädigung, der der entscheidende Aspekt für die Beurteilung des wahrscheinlichen Berufsweges sein sollte, sei es wahrscheinlich, dass R. einen Fachschulabschluss erreicht hätte. Möglichkeiten eines eventuellen Berufsweges müssten außer Betracht bleiben. Aus dem Vermerk "Leutnant der Reserve" könne nicht gefolgert werden, dass er die Offizierslaufbahn beschritten hätte, da diese kriegsbedingte Auszeichnung keinesfalls einer Offizierslaufbahn gleichzusetzen sei. Aufgrund dessen könne aber auch nicht zwangsläufig angenommen werden, dass er nach dem Krieg mit der vom Gesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit den Abschluss eines Diplom-Ingenieurs erreicht hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Schadensausgleiches für Witwen nach § 40a Abs. 1 BVG nach einer Einstufung ihres verstorbenen Ehemannes als Diplom-Ingenieur in der Leistungsgruppe II - Wirtschaftsbereich Straßenfahrzeugbau -. Der Bescheid des Beklagten vom 30. April 1991 und der Bescheid vom 16. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1997 sind rechtmäßig.

Witwen, deren Einkommen geringer ist als die Hälfte des Einkommens, dass der Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte, erhalten einen Schadensausgleich in Höhe von 42,5 v. H. des festgestellten, auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Unterschiedsbetrags (Abs. 2) oder, falls dies günstiger ist, einen Schadensausgleich nach Abs. 4. Ein Schadensausgleich ist nur zu gewähren, wenn die Witwe die Voraussetzung des § 41 Abs. 1 Satz 1 erfüllt, § 41 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend (§ 40a Abs. 1 BVG).

Nach § 40a Abs. 2 BVG ist zur Feststellung des Schadensausgleichs das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Grundrente (§ 40), des Pflegeausgleiches (§ 40b) und der Ausgleichsrente (§ 41 oder §§ 32 und 33) der Hälfte des nach § 30 Abs. 5 ermittelten Vergleichseinkommens der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Verstorbene angehört hat oder ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte, gegenüberzustellen. Dabei kann die Klägerin von den in § 40a Abs. 2 Satz 2 BVG gegebenen beiden Möglichkeiten die für sie günstigste Berechnungsart in Anspruch nehmen, wenn sie nicht ausdrücklich den Anspruch nur auf einen der beiden gesetzlichen Alternativen beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 1971, Az: 10 RV 390/69).

Nach § 40a Abs. 2 1. Alternative BVG ist als Beruf des R. der des Technischen Zeichners anzusehen. Zutreffend hat der Beklagte R. im Hat-Beruf (Beruf im Zeitpunkt der Schädigung) als technischen Angestellten - Leistungsgruppe VI - des Wirtschaftsbereiches Straßenfahrzeugbau - eingeordnet, vgl. § 11 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40a Abs. 1 bis 5 des Bundesversorgungsgesetzes (Berufsschadensausgleichsverordnung- BSchAV). Aus den vorliegenden Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass als Hat-Beruf des R. der eines Berufsoffiziers anzusehen ist. Auch nach eigenen Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren (vgl. Verhandlungsniederschrift vom 21. Dezember 1995) sei R. kein Berufssoldat gewesen. Vielmehr ergibt sich aus der Sterbeurkunde des R. und den von der Deutschen Dienststelle übersandten Unterlagen, dass er zuletzt Leutnant der Reserve war und nicht Berufsoffizier. Aus § 40a Abs. 1 und 2 2. Alternative BVG lässt sich für die Klägerin, die als Witwe des als Soldat der ehemaligen Deutschen Wehrmacht gefallenen R. grundsätzlich einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach dem BVG hat, der von ihr geltend gemachte Klageanspruch nicht herleiten.

Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Schadensausgleich für Witwen nach § 40a Abs. 1 und 2 2. Alternative BVG.

Bei der Ermittlung des Berufes, den R. ohne die Schädigung ausgeführt hätte, ist von den individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1970, Az: 10 RV 240/68). Welches Einkommen ein Beschädigter ohne die Schädigung wahrscheinlich erzielt hätte, ergibt sich im Allgemeinen aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und mit dem bisher betätigten Arbeits-und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte (§ 30 Abs. 5 Satz 1 BVG). Dieses erfordert eine Prognose des wahrscheinlich nach der Schädigung eingetretenen weiteren Berufsweges unter Berücksichtigung aller bis dahin erkennbar gewordenen einschlägigen Gesichtspunkte (BSG, Urteil vom 29. Juli 1998, Az: B 9 V 14/97 R). Wahrscheinlichkeit ist zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen Umstand - hier die behauptete berufliche Entwicklung - sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann (BSG, Urteil vom 29. Juli 1998, Az.: B 9 V 10/97 R).

Es kann dahingestellt bleiben, ob als "Hätte-Beruf" der eines Berufsoffiziers anzusehen wäre, da dieser Beruf als "Hätte-Beruf" im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht wird. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass R. eine Übernahme in die ehemalige Nationale Volksarmee bzw. deren Vorläuferorganisation nicht offen stand. Bei den übernommenen ehemaligen Wehrmachtsangehörigen handelte es sich offenbar um gezielt ausgesuchte und auch politisch-ideologisch geschulte Personen. Es muss daher - mangels anderer konkreter Erkenntnisse - davon ausgegangen werden, dass auch beim Aufbau der späteren Kasernierten Volkspolizei und in deren Nachfolge bei der NVA - wenn überhaupt - nur gezielt in Einzelfällen ehemalige Wehrmachtsangehörige übernommen wurden, wobei dies insoweit auch im Einklang mit der offiziellen Charakterisierung der ehemaligen Deutschen Wehrmacht und der anderen genannten Organisationen durch die damalige DDR-Führung steht (vgl. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Rundschreiben vom 25. November 1994 - BVBL. 1-9/95,1; zitiert in Ernst/Groß/Morr (Hrsg.), Ratgeber für Kriegsopfer und Behinderte - KB-Helfer - 1998/99, S. 445, 446).

Ebenso wenig ist als "Hätte-Beruf" der eines Diplom-Ingenieurs zu Grunde zu legen. Als Diplom-Ingenieur wäre R. zumindest in der Leistungsgruppe II (Kaufmännische und technische Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbstständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben. Ferner Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen. Außerdem Angestellte, die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen.) einzuordnen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BSchAV). R. hat die Volksschule absolviert, danach offensichtlich erfolgreich eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert, er besuchte im Rahmen einer Abendschule im Zeitraum vom 15. März 1938 bis 28. Februar 1939 die Staatliche Gewerbzeichenschule in Chemnitz und war zuletzt im Zivilberuf eines Technischen Zeichners (Angestellter) beschäftigt. Festzustellen ist, dass sich R. vom erlernten Beruf des Maschinenschlossers (Arbeiter) im Rahmen eines Abendschulbesuches beruflich zum technischen Angestellten/Technischen Zeichner weitergebildet hat. Er hat jedoch nicht versucht, - gegebenenfalls im Rahmen von Abendschulbesuchen - einen Realschulabschluss oder sogar das Abitur nachzuholen. Letzteres wäre aber seinerzeit Voraussetzung für die Aufnahme eines Ingenieur-Studiums gewesen. Einen Ausbildungswillen des R. dahingehend, später einmal eine Ingenieur-Ausbildung absolvieren zu wollen, lässt sich seinem beruflichen Werdegang bis zur Einberufung zum Wehrdienst nicht entnehmen.

Hinsichtlich der Kenntnisse und Fähigkeiten des R. hat die Klägerin vorgetragen, dieser sei u.a. im naturwissenschaftlichen, zeichnerischen und musischem Bereich außergewöhnlich begabt gewesen. Dies steht jedoch nicht im Einklang mit dem Karteiblatt der Staatlichen Gewerbezeichenschule in C ... über den Schulbesuch des R. (vgl. Karteiblatt Nr. 12054). Danach erhielt R. im Sommerhalbjahr 1938 im Projektionszeichnen die Note 2, im Winterhalbjahr 1938/39 die Note 3; in Mathematik erhielt er im Sommerhalbjahr 1938 die Note 3, im Winterhalbjahr 1938/39 die Note 6. Nach Überzeugung des Senats spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass R. in der ehemaligen DDR als Ingenieur tätig geworden wäre. Zutreffend hat das SG ausgeführt, es sei rein spekulativ sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern jeglicher Aufstieg möglich gewesen, denn es sei allgemein bekannt, dass in den Nachkriegsjahren selbst Personen mit Volksschulausbildung ohne weiteres in höchste Ränge der Wirtschaft und Verwaltung vordringen konnten, es sei aber auch bekannt, dass in vielen Fällen ein solcher Aufstieg nicht vollzogen wurde. Grundsätzlich war es in der ehemaligen DDR Arbeitnehmern mit abgeschlossener Ausbildung möglich, im Rahmen eines Fern-/Abendstudiums eine Fachschul- bzw. Hochschulausbildung zu absolvieren. Von dieser Möglichkeit hat ein Teil der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht, ein anderer jedoch nicht. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass auch R. ein derartiges Studium erfolgreich absolviert hätte, sind nach Auffassung des Senats jedoch nicht ersichtlich. Nähme man als "Hätte-Beruf" den des Diplom-Ingenieurs an, läge sogar der Schluss nahe, alle Personen, die vor ihrer Einberufung zum Wehrdienst in der Deutschen Wehrmacht eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem handwerklich/technischen Beruf absolviert haben und die dann während des Wehrdienstes gefallen sind, hätten in der ehemaligen DDR eine Ausbildung zum Ingenieur absolvieren und diese Tätigkeit auch ausüben können.

Ob der Beklagte R. zutreffend der Leistungsgruppe III zugeordnet hat (Kaufmännische und technische Angestellte mit mehrjähriger Berufserfahrung oder besonderen Fachkenntnissen und Fähigkeiten bzw. mit Spezialtätigkeiten, die nach allgemeiner Anweisung selbstständig arbeiten, jedoch keine Verantwortung für die Tätigkeit Anderer tragen. Außerdem Angestellte mit qualifizierter Tätigkeit, die die fachlichen Erfahrungen eines Meisters, Richtmeisters oder Gießereimeisters aufweisen, bei erhöhter Verantwortung größeren Abteilungen vorstehen und denen Aufsichtspersonen und Hilfsmeister unterstellt sind.) kann dahingestellt bleiben, weil diese Eingruppierung weder mit der Klage noch mit der Berufung angefochten wurde.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat mit den Beteiligten auch erörtert, ob und inwieweit die Möglichkeit der weiteren Ermittlung im streitgegenständlichen Zusammenhang gegeben ist. Aus der Sicht des Senats sind die notwendigen Ermittlungen ausgeschöpft, namentlich in Betracht kommende Zeugen weder genannt noch überhaupt zu ersehen. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass es der Klägerin unbenommen bleibt, bei dem Beklagten einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu stellen, sofern sie in den Besitz neuer Unterlagen hinsichtlich des Berufswunsches ihres verstorbenen Ehemannes gelangt.

Nach alldem hatte die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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