L 2 AL 163/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 652/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AL 163/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. Juni 2002 mit dem Bescheid vom 17. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2000 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten sowie die Gerichtskosten des Berufungsverfahren zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Lohnkostenzuschüssen sowie über die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von 17.296,00 DM.

Die Klägerin beantragte am 20.05.1998 Strukturanpassungsmaßnahmen Ost für Wirtschaftsunternehmen nach § 415 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), gab die Zahl der zu diesem Zeitpunkt beschäftigten Arbeitnehmer mit 47 an und verneinte die Frage, ob sich die Zahl der gegenwärtig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber dem Stand vor sechs Monaten verringert habe. Für die Einstellung war Herr T ... vorgesehen.

Mit Bescheid vom 14.7.1998 bewilligte die Beklagte Förderungsleistungen für einen neu einzustellenden Arbeitnehmer ab 1.6.1998 i. Höhe von (voraussichtlich) insgesamt 25.944,00 DM als Lohnkostenzuschuss (Bekl.-Akten Bl. 9).

Aus der Aufstellung der Klägerin vom 12.02.1999 im Rahmen der Schlussrechnung ergab sich für die Beklagte, dass sich die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer durch das Ausscheiden von Herrn R ... in dem Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor der Förderung der Beschäftigung von Herrn T ... verringert habe. Im Rahmen der Nachholung der Anhörung im sozialgerichtlichen Vorverfahren trug die Klägerin mit Schreiben vom 14.01.2000 vor, dass Herr R. zum 01.03.1998 die Beschäftigung gewechselt habe. Das Ausscheiden sei durch die Neueinstellung des Arbeitnehmers S ... ausgeglichen worden. Weiterhin teilte die Klägerin das Ausscheiden von zwei Auszubildenden im Februar und das von Frau P ... aus Altersgründen im Mai 1998 mit.

Zuvor hatte die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.1999 die Bewilligung der Lohnkostenzuschüsse vom 14.07.1998 mit Wirkung vom 01.06.1998 an aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückgefordert, da durch das Ausscheiden von Herrn R die Voraussetzungen der Zusätzlichkeit für Herrn T. ab Maßnahmebeginn nicht mehr vorgelegen hätten. Dem widersprach die Klägerin am 13.07.1999. Herr R. habe das Angebot erhalten, eine Beförderungsstelle anzunehmen, was ihm nicht habe verwehrt werden könne. Sie habe somit keinen Einfluss auf die Zahl der von ihr im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer genommen. Ein Abbau des Personals durch den Arbeitgeber könne nicht angenommen werden.

Mit Bescheid vom 03.07.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Durch die eingetretenen Verringerungen hätten die Voraussetzungen für die Förderung der Beschäftigung von Herrn T ... (SGB III) nicht vorgelegen, weil dessen Einstellung am 01.06.1998 nicht zusätzlich im Sinne der Vorschrift gewesen sei. Es sei nicht maßgeblich, aus welchen Gründen sich der Personalstand eines Unternehmens verringere, sondern vielmehr, dass bei Eintreten einer Verringerung die Einstellung des vom Arbeitsamt zugewiesenen Arbeitnehmers nicht zusätzlich sei. Ein Verwaltungsakt dürfe, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -). Die Klägerin habe im Antrag die Frage, ob sich die Zahl der gegenwärtig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber dem Stand von vor sechs Monaten verringert habe, verneint und dies auch mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer habe sie mit 47 angegeben. Wie aus dem Schreiben vom 09.02.2000 hervorgehe, seien sechs Monate vor der Antragstellung jedoch 50 Arbeitnehmer be- schäftigt worden. Somit habe sich der Personalstand durch das Ausscheiden von drei Arbeitnehmern verringert und zum anderen beruhe der Bescheid vom 14.07.1998 auf Angaben, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe. Somit könne sie sich auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes nicht berufen. Der Wortlaut von § 415 Abs. 3 SGB III sei im Antrag als Hinweis abgedruckt gewesen. Die Klägerin habe bestätigt, von diesen Hinweisen Kenntnis genommen zu haben und hätte daher wissen müssen, dass durch das Ausscheiden von drei Arbeitnehmern im Zeitraum von sechs Monaten vor Beginn der Förderung die Lohnkostenzuschüsse für die Beschäftigung von Herrn T. ab 01.06.1998 nicht zustünden. Sollte sie den Wortlaut des Gesetzestextes als Hinweis im Antrag nicht zur Kenntnis genommen haben, hätte sie die erforderliche Sorgfalt im Maße der groben Fahrlässigkeit verletzt. Die Entscheidung über die Bewilligung der Lohnkostenzuschüsse sei somit zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 SGB III).

Dagegen hat die Klägerin am 02.08.2000 das Sozialgericht (SG) Leipzig angerufen. Zwar seien in dem fraglichen Zeitraum insofern Veränderungen eingetreten, als zwei Auszubildende ihre Abschlussprüfung zum Kraftfahrzeugmechaniker bestanden hätten. Auch sei der Arbeitnehmer R. im beiderseitigen Einvernehmen zum 28.02.1998 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden, um in eine Beförderungsstelle zu wechseln. Die Arbeitnehmerin P ... sei durch Eigenkündigung zum 30.04.1998 ausgeschieden, weil sie ab 01.05.1998 die Regel-Altersrente erhalten habe. In keinem Falle liege somit, wie von § 415 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III gefordert, eine Verringerung der Zahl der in diesem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer vor. Die Gewährung von Lohnkostenzuschüssen solle dann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitgeber vor der Zuweisung die Zahl der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer verringere. Es komme somit nicht auf die leicht rückläufige Arbeitnehmerzahl an, sondern entscheidend sei, ob der Arbeitgeber Einfluss auf die Verringerung des Personals genommen habe. In der Literatur (so bei Schlegel in: Hennig, SGB III § 415 RdNr. 40) sei anerkannt, dass der Zuschuss auch dann noch gewährt werden könne, wenn ein Arbeitnehmer von sich aus aus dem Betrieb ausscheide und der Arbeitgeber diesen Arbeitsplatz mit einem förderungsbedürftigen Arbeitnehmer ersetze Gleiches gelte bei freiwillig ausscheidenden Arbeitnehmern oder auch bei Ausscheiden wegen des Erreichens der Altersgrenze. Der eindeutige Wortlaut des § 415 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III besage, dass der Arbeitgeber die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer aktiv verringern müsse.

Mit Urteil vom 20. Juni 2002 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Zutreffend hat die Beklagte den Bewilligungsbescheid nach § 45 SGB X i.V.m. § 330 SGB III aufgehoben und macht gerechtfertigt von der Klägerin die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Lohnkostenzuschusses geltend ... Soweit eine Förderung im Rahmen der Strukturanpassungsmaßnahme in Ost für Wirtschaftsunternehmen (§ 415 Abs. 3 SGB III) voraussetzt, dass die Zahl der in Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert wird, kommt es auf den Vergleich der Beschäftigtenzahl zu bestimmten Stichtagen (sechs Monate vor Beginn/Beginn/Ende der Förderung) an; zwischenzeitliche Schwankungen sind unerheblich (Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 07.02.2002, B 7 AL 14/01 R - Leitsatz für SozR). Dazu hat das BSG in seiner Begründung ausgeführt, dass der Arbeitgeber die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer auch dadurch verringere, dass er ohne sein Zutun freiwerdende Arbeitsplätze (z.B. durch Arbeitnehmerkündigung) nicht erneut besetze. Wie es aus den Gesetzesmaterialien zur Vorgängervorschrift des § 415 Abs. 3 SGB III, § 249 h Abs. 4 b Arbeitsförderungsgesetz - AFG - hervorgeht, sollten durch die damals in Satz 1 Nr. 2 jener Vorschrift enthaltenen Forderung, dass der Arbeitgeber die Zahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert, Betriebe, die Personal abbauen oder innerhalb des vergangenen halben Jahres abgebaut haben, von der Förderung ausgenommen werden (BT-Drucks 13/5936 S. 43 zu Artikel 14 Nr. 11 e). Durch diese Gesetzesbegründung werde nach der Ansicht des BSG deutlich, dass es nicht etwa auf aktives Tätigwerden des Arbeitgebers zur Verringerung seines Personalbestandes ankomme, sondern auf das objektiv Vorliegen eines Personalabbaues (andere Auffassung Schlegel in: Hennig SGB III § 415 RdNr. 42, Stand 1999). Im Übrigen könne auch durchaus ein vom Arbeitgeber beabsichtigter Personalabbau allein dadurch vorgenommen werden, dass durch zufällige Fluktuaktion freiwerdende Arbeitsstellen nicht mehr besetzt werden.

Gemessen an diesen Maßstäben liegt auch vorliegend eine Verringerung der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber dadurch vor, dass eine Mitarbeiterin im Zeitraum von mindestens sechs Monate vor der Förderung aus Altersgründen ausschied und dass die zwei Auszubildenden durch Beendigung der Ausbildung im Februar 1998 ausschieden. Im Antrag auf eine Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen (5. Angaben zur Beschäftigungsentwicklung im Betrieb) ist zu entnehmen, dass als Arbeitnehmer sowohl Angestellte, Arbeiter als auch Auszubildende angeführt waren und dass von der Klägerin die Frage nach einer Verringerung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer über den Stand vor sechs Monaten verneint worden war. Insoweit beruhte der Bescheid auf Angaben, die von der Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht wurden und sie sich, wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt, auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes nicht berufen kann.

Gegen das ihr am 3.7.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.7.2002 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Urteil des BSG, auf welches sich das SG Leipzig berufe, sei erst am 07.02.2002 ergangen, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Maßnahme bereits beendet gewesen sei. Wenn die Klägerin sich auf einen maßgeblichen Kommentar in der Literatur, nämlich Schlegel in: Hennig, SGB III, § 415 Rd-Nr. 40 berufe, so könne das Verneinen der Frage, ob sie im Zeitraum von 6 Monaten vor Beginn der Maßnahme bis zum Beginn der Maßnahme Personal abgebaut habe, keinesfalls als grob fahrlässig angesehen werden. Wenn es dort heiße, "auch kann bei einem freiwilligen, vom Arbeitnehmer ausgehenden Ausscheiden nicht davon die Rede sein, dass der Arbeitgeber die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer ... verringert hat" (vgl. Wortlaut des Satzes 2), dann sei es der Klägerin nicht verwehrt, in derartigen Fällen die Frage nach dem stattgefundenen Personalabbau zu verneinen. Jedenfalls könne ihr keine grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden. Es gehe hierbei um eine Mitarbeiterin, die eine Eigenkündigung zum 30.04.1998 ausgesprochen habe, um ihre regelmäßige Altersrente mit 63 Lebensjahren zu genießen (Arbeitnehmerin P ...), ferner um die beiden Auszubildenden, deren Ausbildungsverhältnis gemäß § 14 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz mit dem Bestehen der Abschlussprüfung kraft Gesetzes ende (Auszubildende K1 ... und K2 ...). Diese habe die Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt, nämlich im Monat August 1998, durch Einstellung von neuen 6 Auszubildenden kompensiert, was das SG völlig unbeachtet gelassen habe. Die Klägerin habe deshalb kein Personal abgebaut. Selbst unter Berücksichtigung der Auszubildenden sei weder bezogen auf den Stichtag "6 Monate vor Beginn der Fördermaßnahme" und auf den Stichtag "Ende der Fördermaßnahme" Personal verringert worden noch bezogen auf den Stichtag "Beginn der Förderung" und dem Stichtag "Ende der Förderung". Wenn man die Auszubildenden berücksichtige, so sei eine Verringerung von Köpfen lediglich bezogen auf den Stichtag 6 Monate vor Beginn der Fördermaßnahme" und den Stichtag "Beginn der Fördermaßnahme" eingetreten, weil in dieser Zwischenzeit zwei Auszubildende ihre Prüfung bestanden hätten. Insoweit sei jedoch eine Kompensation zum zeitlich nächstmöglichen Einstellungstermin von Auszubildenden erfolgt. Die Annahme der groben Fahrlässigkeit sei in keiner Weise gerechtfertigt. Zumindest hätte dann eine unklare Rechtslage angenommen werden müssen, die allenfalls mit der Entscheidung des BSG am 07.02.2002, welches sich ebenso wenig mit der Frage, ob auch Auszubildende betroffen seien, beschäftige, entschieden worden wäre. Die Klägerin berufe sich ausdrücklich auf den Wortlaut des § 415 SGB III, der darauf abstelle, dass der Arbeitgeber aktiv die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer verringere.

Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, die Klägerin habe in dem Antrag dadurch grob fahrlässig falsche Angaben gemacht, dass sie zwar zunächst korrekt angegeben habe, dass am 20.05.1998 im Betrieb 47 Arbeitnehmer beschäftigt seien. Die Frage jedoch nach der Verringerung der Zahl der gegenwärtig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber dem Stand von vor sechs Monaten habe sie dann aber mit "nein" beantwortet. Sowohl am 20.11.1997 als auch am 01.12.1997 habe die Klägerin jedoch einschließlich zwei Auszubildenden 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Angabe im Antrag sei daher falsch gewesen. Dass bei der Beschäftigungszahl auch die Auszubildenden zu berücksichtigen seien, ergebe sich aus der unmittelbar vorhergehenden Frage unter Pkt. 5.1, wo die Auszubildenden ausdrücklich als zu den Arbeitnehmern gehörig bezeichnet würden. Die Klägerin habe die unrichtigen Angaben auch infolge grober Fahrlässigkeit gemacht, da sie die Frage nach der Verringerung der Zahl der gegenwärtig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber dem Stand von vor sechs Monaten, mit "nein" beantwortet habe, obwohl sie bei Anstellen einfachster Überlegungen hätte erkennen können, dass die Frage falsch beantwortet sei. Die Frage sei eindeutig und unmissverständlich und beziehe sich allein auf die Tatsache der Personalreduzierung. Sie sei unabhängig davon zu beantworten, ob die Personalreduzierung auf dem Verhalten des Arbeitgebers beruhe oder nicht. Um Nachfragen in diesem Zusammenhang zu vermeiden, hätte die Klägerin unter der Passage "wenn ja, kurze Begründung" mitteilen können, dass z.B. die Arbeitnehmerin P ... aus Altersgründen und die Azubis nach Bestehen der Abschlussprüfung ausgeschieden seien. Ob die Personalreduzierung insoweit relevant werde, entscheide die BA und nicht die Klägerin. Die Klägerin habe keine rechtliche Würdigung anzustellen, sondern lediglich eine Tatsache mitzuteilen gehabt. Die Bewilligung des Zuschusses habe auch auf den unrichtigen Angaben der Klägerin beruht.

Selbst wenn man die zwei Auszubildenden insoweit außer Betracht lasse, weil diese zum nächst möglichen Zeitpunkt ersetzt worden seien, so liege in der Person der Arbeitnehmerin P ... doch eine Personalreduzierung im Zeitraum von sechs Monaten vor der Förderung vor. Insoweit sei unerheblich, dass die Arbeitnehmerin selbst gekündigt habe. Maßgeblich sei die Entscheidung der Klägerin, die Stelle nicht zeitnah wieder zu besetzen. Darin liege ein aktives Tun. Der Wortlaut der Vorschrift spreche nicht davon, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigen, sondern die Zahl der Beschäftigten sich im maßgeblichen Zeitraum verringern müsse. Dabei sei unerheblich, wer das Beschäftigungsverhältnis beende, maßgeblich sei die Entscheidung des Arbeitgebers, die Stelle nicht wieder neu zu besetzen, denn nur dann komme es effektiv zu einer Verringerung der Beschäftigtenzahl.

Dem hält die Klägerin entgegen, dass es die Arbeitnehmerin P ... selbst gewesen sei, die das Arbeitsverhältnis aus Gründen der Inanspruchnahme der Regel-Altersrente gekündigt habe. Diese frei gewordene Stelle sei durch die Begründung von insgesamt 6 Ausbildungsverhältnissen kompensiert worden. An keiner Stelle werde verlangt, unmittelbar nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters infolge Eigenkündigung sofort eine Neueinstellung vorzunehmen. Mit der Begründung von 6 Ausbildungsverhältnissen sei sehr wohl die Entscheidung des Arbeitgebers gefallen, Arbeits- bzw. Ausbildungsplätze wieder neu zu besetzen. Insoweit sei es gerade nicht zu einer Verringerung der Beschäftigtenzahl gekommen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weitere Angaben über die Fluktuation des Personalbestandes in den Monaten Juli und August 1998 gemacht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. Juni 2002 mit dem Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen neben den Prozeßakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Klägerin ist nicht zur Rückzahlung des erhaltenen Lohnkostenzuschusses verpflichtet. Die hier maßgebenden Normen hat das SG zutreffend genannt. Darauf wird Bezug genommen. Dagegen vermag sich der Senat den Ausführungen des SG zur Sache nicht anzuschließen. Zu Unrecht hat das SG die Rücknahme der Beklagten sowie die geltend gemachte Erstattungspflicht bestätigt und die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie ist nicht zur Erstattung des Lohnkostenzuschusses verpflichtet.

Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides für die Vergangenheit ist die Beklagte hier von § 45 Abs. 1, 2 Nr. 2 und 3, 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III ausgegangen. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Ob die Förderungsvoraussetzungen gemäß § 415 Abs. 3 SGB III von Anfang an - wie die Beklagte meint - tatsächlich nicht erfüllt waren, ist zweifelhaft. Bei der Klägerin handelt es sich um ein Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich. Die Beschäftigung von T ... erfolgte als Einstellung eines zuvor arbeitslosen Arbeitnehmers. Als berufliche Qualifizierung war die Einarbeitung in den elektronischen Teilekatalog sowie die Erstellung von Kostenvoranschlägen vorgesehen.

Zwar ist die Zahl der bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer von Dezember 1997 bis Mai 1998 von 50 auf 47 zurückgegangen. Daraus folgt jedoch nicht zwingend, dass die Förderungsvoraussetzungen von Anfang an nicht bestanden hätten.

Zwar ist die Arbeitnehmerin Frau P ... aus Altersgründen ausgeschieden und haben zwei Auszubildende mit Bestehen der Abschlußprüfung die Klägerin verlassen. Aus dem Wortlaut "Der Arbeitgeber ... hat die Zahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert." läßt sich aber - wie der 3. Senat des Sächs. LSG bereits in seiner Entscheidung vom 28.2.2002 festgestellt hat, schließen, dass eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt sein müsse (L 3 AL 49/01). Damit schlössen arbeitgeberseitige Kündigungen oder vom Arbeitgeber veranlasste Aufhebungsverträge die Förderung aus (so auch Schlegel in: Hennig u.a., SGB III § 415 Rn. 3.3). Von der Wortlautnorm ist dagegen eine arbeitnehmerseitige Kündigung nicht ohne weiteres erfasst. Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm erscheint dies nicht angebracht. Die Förderung von Lohnkostenzuschüssen ist zur Vermeidung von Mitnahmeeffekten ausgeschlossen, wenn Personalabbau erfolgt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber nicht sein bisher nicht gefördertes Personal entlässt, um sodann gefördertes Personal einzustellen. Dieser Effekt ist bei einer Beendigung durch arbeitnehmerseitige ordentliche Kündigung grundsätzlich nicht zu befürchten.

Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 7.2.2002 die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber habe die Zahl der Beschäftigten auch dann im Sinne der hier maßgegenden Vorschrift verringert, wenn er einen frei werdenden Arbeitsplatz nicht erneut besetze (B 7 AL 14/01 R). Schon von diesem Standpunkt des BSG aus, wonach es darauf ankommt, ob Betriebe ihr Personal abbauen, was auch dadurch geschehen kann, dass ein Arbeitgeber die Entscheidung trifft, eine frei gewordene Stelle nicht wieder zu besetzen, ist - damit diese Auslegung mit einem Minimum am Wortlaut orientiert bleibt -, ein Entschluss des Arbeitgebers zu diesem Stellenabbau erforderlich. Aber schon das vom BSG selbst gebrachte Beispiel des Todes einer Arbeitnehmerin oder das von der Klägerin angeführte einer berechtigten fristlosen Kündigung im Referenzzeitraum zeigen, dass es nicht allein auf die numerische Reduktion der Beschäftigtenzahl ankommen kann, sondern dass darüber hinaus der Wille zur Verringerung hintreten muss. Es ist aber den Unternehmen ein Zeit- und Spielraum für die Entscheidung zuzubilligen, in welcher Weise und mit welcher Person die Stelle wieder zu besetzen ist. Hier hat die Klägerin im August 1998 und damit innerhalb des Förderungszeitraums 6 neue Auszubildende eingestellt, wovon sich der Senat durch Einsicht in die Ausbildungsverträge überzeugt hat. Damit wäre das Ausscheiden der beiden Auszubildenden im Februar 1998 und der Arbeitnehmerin Frau P ... kompensiert. Waren sowohl im Dezember 1997 (sechs Monate vor Beginn) und im Mai 1999 (am Ende der Förderung) jeweils 50 Personen beschäftigt, dann hätte sich zwar - sieht man von der geforderten Stelle ab - die Zahl im Übrigen um einen Arbeitsplatz verringert. Es hat aber das BSG selbst ausgeführt (Umdruck S. 8):

Hiermit [keine Verringerung] wiederum kann nicht gemeint sein, dass während der Förderung oder nach ihrem Ende jede Schwankung im Personalstand während jener Zeit nachzuvollziehen ist und bereits eine einzige feststellbare Verringerung förderungsschädlich wäre, selbst wenn durch vorherige oder spätere Stellenmehrungen ausgeglichen wäre.

Es spricht also auch mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des BSG der bisher erkennbare Sachverhalt dafür, dass die Förderung letztlich zu Recht erfolgte. Doch braucht dem nicht weiter nachgegangen zu werden, da der Bewilligungbescheid schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht aufgehoben werden kann.

Der Bewilligungsbescheid hat eine Rechtsposition der Klägerin begründet, in die durch den Aufhebungsbescheid eingegriffen wird. Dies erfordert eine Anhörung, was der Beklagten im Widerspruchsverfahren klar geworden ist. Sie hat deshalb an die Klägerin ein Schr. v. 14.12.1999 (Bekl.-Akte Bl. 58) gerichtet mit der "Überschrift: Nachholung der Anhörung gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im sozialgerichtlichen Vorverfahren". Darin heißt es u.a.: "Darüber hinaus mußten Sie aufgrund Ihrer Kenntnis vom Wortlaut des § 415 Abs. 3 SGB III wissen, dass Ihnen aufgrund des Ausscheidens des Herrn R die Lohnkostenzuschüsse nach dieser Vorschrift für Herrn T. nicht zustanden ... bin ich gesetzlich verpflichtet, Ihnen nach § 24 SGB X nochmals Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu geben."

Im Widerspruchsbescheid vom 3.7.2000 wird von der Beklagten dann geprüft, ob die Rücknahmevoraussetzungen von § 45 SGB X vorliegen. Dies sei dann der Fall, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen könne. So verhalte es sich hier: Die Klägerin habe "zumindest grob fahrlässig" Angaben im wesentlicher Beziehung falsch gemacht. Des weiteren sei der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen im Antragsformular abgedruckt gewesen. Sollte sie diesen nicht zur Kenntnis genommen haben, hätte sie die erforderliche Sorgfalt in so schwerem Maße verletzt, dass zumindest grobe Fahrlässigkeit vorliege.

In der Berufungserwiderung hat die Beklagte erneut darauf abgestellt, dass die Klägerin unrichtige Angaben infolge grober Fahrlässigkeit gemacht habe. Darauf habe die Bewilligung der Leistung beruht. Die Klägerin habe "einfachste Überlegungen" nicht angestellt.

Diese Ausführungen zeigen, dass für die Beklagte die entscheidungserhebliche Tatsache in der groben Fahrlässigkeit der Klägerin bestand. Im Anhörungsschreiben aber ist von diesem Vorwurf weder dem Wortlaut noch der Sache nach etwas zu finden. Ob die Beklagte bereits aus diesem Grunde gehindert war, den Bewilligungsbescheid zurückzunehmen, kann jedoch offenbleiben. Denn jedenfalls liegen die subjektiven Rücknahmevoraussetzungen von § 45 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 4 SGB X nicht vor. Die Klägerin hat weder vorsätzlich noch grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben gemacht noch war ihr eine Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt. Gerade aus dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht "wissen", dass es nicht allein auf das aktive Tun ankommen soll.

Die Klägerin trifft auch nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Zwar hat die Beklagte danach gefragt, ob sich - passivisch - die Zahl der Beschäftigten verringert hat, was die Klägerin verneinte. Die Beklagte hat jedoch - als Orientierungshilfe - den Wortlaut der maßgebenden Bestimmung dem Antragsformular beigefügt. Dies erlaubt durchaus ein Verständnis der Norm in dem Sinne, dass das "sich Verringern" nur auf solche Vorgänge zu beziehen ist, die ihren Ausgangspunkt in einem aktiven Tun des Arbeitgebers finden.

Hierbei kann auch nicht - worauf bereits der 3. Senat (a.a.O.) hingewiesen hat - isoliert auf die Beantwortung der Fragestellung unter 5.2 des Antragsformulars abgestellt werden, auch wenn darin von der Beklagten allgemein nach einer Verringerung der Beschäftigten gefragt wurde. Sinn dieser Frage im Rahmen der Antragstellung war jedoch die Prüfung der Förderungsvoraussetzungen (hier speziell Nr. 1). Daher kann die Beurteilung der Antwort auch nicht losgelöst von dem Zweck der Frage erfolgen. Zudem war es auch nachvollziehbar, dass die Klägerin diese Fragestellung - wie dies auch von der Beklagten gedacht war - mit den Voraussetzungen zu § 415 Abs. 3 SGB III in Zusammenhang brachte.

Auch das BSG hat in seinem vom SG dessen Entscheidung zugrundegelegten Urteil den Ansatz, Verringern könnte auch durch Unterlassen einer Neubesetzung geschehen, nicht voll durchgehalten und u.a. eine Ausnahme für den Fall zugelassen, dass durch den Tod eines Mitarbeiters die Stelle nicht sofort besetzt werden kann. Im übrigen zeigen die Ausführungen in dem Urteil mit den dort genannten, aber nicht entschiedenen Auslegungsalternativen, dass das Verständnis der Vorschrift erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Auch die von der Arbeitsverwaltung vertretene Auslegung ist vom BSG nicht in jeder Hinsicht gebilligt worden, so dass auch nicht von vornherein gesichert war, durch eine Nachfrage die "richtige" Auskunft zu erhalten. Die in der Literatur vertretene, am strikten Wortlaut ausgerichtete Auslegung einer Verringerung allein durch ein Handeln des Arbeitgebers ist auch unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität wenigstens ebenso plausibel wie die nicht ohne Ausnahmen auskommende des BSG, weshalb es jedenfalls nicht grob fahrlässig ist, eine durch den Wortlaut gedeckte Auslegung unproblematisiert für die naheliegende und gültige zu halten.

Gerade wenn die Beklagte die Norm über ihrem bloßen Wortlaut hinaus "versteht", muss sie auch einem Arbeitgeber zubilligen, seinerseits deren Fragestellung im Lichte des Wortlauts der Vorschrift aufzufassen. Verstehen als Interpretieren ist ein hermeneutisches Grundprinzip, es gilt für das Verstehen von Fragen nicht anders als das von Normen unmittelbar. Schon das lässt grobe Fahrlässigkeit in derartigen Fällen als Ausnahme erscheinen. Nach der Auslegung des BSG erfordert die betreffende Norm die Frage: "Haben Sie Personal abgebaut" bzw. - konkretisiert: - "Beabsichtigen Sie, die Stellen für die ausgeschiedenen Auszubildenden und diejenige für die wegen Alters ausgeschiedene Arbeitnehmerin endgültig zu streichen bzw. nicht adäquat wiederzubesetzen?" Der Umstand jedoch, dass die Klägerin im August 1998 sechs neue Auszubildende eingestellt hat - die entsprechenden Verträge aber waren bereits im Referenzzeitraum abgeschlossen worden -, erlaubt den Schluss, dass die Klägerin keinen Stellenabbau gewollt und damit auch nicht beabsichtigt hat, die Zahl der Beschäftigten zu verringern. Damit hatte sie die Frage ihrem rechtlichen Gehalt nach richtig beantwortet. Im Übrigen sind auch Fälle denkbar, in denen der Vorwurf erhoben werden könnte, man hätte erkennen müssen, dass eine Frage über ihren bloßen Wortlaut hinaus umfassender zu verstehen gewesen sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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