L 3 B 130/03 AL-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AL 781/02 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 130/03 AL-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Mai 2003 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.07.2002 aufschiebende Wirkung hat.
II. Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) wendet sich mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abzweigung in Höhe von 1,70 EUR ab dem 01.07.2002 zu Gunsten seines unterhaltsberechtigten minderjährigen Sohnes D ... L1 ... an den Landkreis Teltow-Fläming - als dessen Beistand - sowie in Höhe von 5,73 EUR ebenfalls ab dem 01.07.2002 zu Gunsten seines unterhaltsberechtigten minderjährigen Sohnes R ... R1 ... an den Landkreis Döbeln als dessen Beistand.

Der am ...1966 geborene Beschwerdegegner (Bg.) ist Vater von vier minderjährigen Kindern. Es handelt sich hierbei um D ... L1 ..., R ... R1 ... sowie B ... und S ... L2 ... Auf Grund vollstreckbarer Urkunde des Jugendamtes Döbeln vom 23.08.1988 (Beurkundungs-Register-Nr ...) ist der Bg. verpflichtet, seinem Sohn D ... L1 ... 51,13 EUR monatlich zu zahlen. Des Weiteren ist er gemäß vollstreckbarem Beschluss des Amtsgerichts Görlitz vom 11.01.1996 (Az.: ...) zur Zahlung von 174,35 EUR monatlichem Unterhalt an seinen Sohn R ... R1 ... verpflichtet.

Der am ...1966 geborene und ledige Bg. bezieht seit 1992 - mit Unterbrechungen - Leistungen des Arbeitsamtes. Im Jahr 1993 bezog er erstmals Arbeitslosenhilfe (Alhi). Es wurden bereits mehrfach Pfändungen seiner Alhi wegen diverser Schulden vorgenommen. Zuletzt hatte ihm die Bf. mit Bescheid vom 22.01.2002 Alhi in Höhe von wöchentlich 101,36 EUR wöchentlich (BE 230,00 EUR; Leistungsgruppe A/erhöhter Leistungssatz) für den Zeitraum vom 02.02.2000 bis zum 01.02.2003 bewilligt.

Der Landkreis Teltow-Fläming beantragte mit Schreiben vom 07.05.2002 als Beistand gemäß § 1712 BGB des minderjährigen D ... L1 ... die Auszahlung laufender Lohnersatzleistungen gemäß § 48 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in Höhe von 51,13 EUR monatlich. Weiter beantragte der Landkreis Döbeln - durch das Jugendamt des Landratsamtes Döbeln - mit Schreiben vom 06.05.2002 als Beistand für den minderjährigen R ... R1 ... die Auszahlung laufender Lohnersatzleistungen in Höhe von monatlich 174,35 EUR.

Nach Anhörung des Bg. zu diesem Begehren erließ die Bf. am 01.07.2002 einen Änderungsbescheid wegen teilweiser Abzweigung zu Gunsten von D ... L1 ... in Höhe von täglich 1,70 EUR. Ab dem 01.07.2002 sei dieser Betrag an den Landkreis Teltow-Fläming, als Beistand, abzuführen. Ebenfalls am 01.07.1992 erließ die Bf. einen weiteren Änderungsbescheid wegen Abzweigung von täglich 5,73 EUR zu Gunsten von R ... R1 ... Dieser Betrag sei ab dem 01.07.2002 an den Landkreis Döbeln, als Beistand, abzuführen.

Gegen diese Bescheide legte der Bg. am 25.07.2000 Widerspruch ein. Sein Einkommen von 430,00 EUR monatlich Arbeitslosenhilfe (Alhi) sei bereits jetzt unterhalb des gesetzlich festgelegten Existenzminimums. Sofern von dieser Alhi noch 220,00 EUR Unterhaltsansprüche monatlich abgeführt würden, blieben ihm lediglich 210,00 EUR zum Leben. Im Hinblick auf seine Miet- sowie sonstigen Lebensführungskosten könne die Abzweigung eines Unterhaltsbetrages nicht mehr als zumutbar angesehen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2002 wies die Bf. diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Sie habe die Abzweigungen auf Grund der vollstreckungsfähigen, rechtskräftigen Unterhaltstitel vorgenommen. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 48 Abs. 1 SGB I. Sofern ein solcher Unterhaltstitel vorliege, bestünde keinerlei Spielraum, über die Höhe des abzuweigenden Betrages eigene Angemessenheitsprüfungen anzustellen. Dies sei nur dann anders, wenn der jeweils Leistungsberechtigte eine wesentliche Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse geltend mache und eine Gesamtsaldierung im Wege der Prüfung durch die Bf. ergebe, dass eine Abweichung von mindestens 10 v. H. eingetreten sei. Einen entsprechenden Nachweis habe der Bg. nicht erbracht. Im Übrigen habe dieser die Möglichkeit, durch eine Abänderungsklage beim zuständigen Amtsgericht gemäß § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) eine Änderung der Titel herbeizuführen. Hiergegen hat der Bg. am 28.10.2002 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben, mit welcher er beantragt, die streitigen Bescheide aufzuheben.

Weiterhin hat der Bg. am 05.12.2002 beim SG einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, den er damit begründet, dass es ihm auf Grund seiner äußerst angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht länger zumutbar sei, eine wöchentliche Abzweigung von 52,01 EUR hinzunehmen. Es könne nicht angehen, dass die Bf. bei ihm abzweigen dürfe, obwohl er damit unterhalb des Sozialhilfesatzes nach dem BSHG falle. Im gesamten sonstigen Vollstreckungsrecht müssten über die Rechtmäßigkeit einer Vollstreckung gewisse Selbstbehalte bzw. das Existenzminimum gewährleistet werden.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2003 hat das SG dem Antrag in der Weise entsprochen, dass es "die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002" angeordnet hat. Hierbei ist das SG davon ausgegangen, es läge ein Fall von § 86a Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor. Damit entfalle die aufschiebende Wirkung gegen den Bescheid vom 02.07.2002. Die aufschiebende Wirkung sei jedoch anzuordnen, da bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache das private Interesse des Bg. an der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegenüber Interesse an der sofortigen Vollstreckbarkeit überwiege. Denn die Bescheide vom 01.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 seien rechtswidrig und verletzten den Bg. in seinen Rechten. Zunächst sei zu beachten, dass der Bg. noch gegenüber zwei weiteren minderjährigen Kindern unterhaltsverpflichtet sei. Hierzu sei nicht geprüft worden, ob und in welcher Rangfolge die beiden weiteren Kinder unterhaltsberechtigt sind (§ 1609 BGB). Eine Bevorzugung der beiden durch die Landratsämter vertretenen Kinder sei nicht gerechtfertigt. Weiter verstoße die grundsätzliche Abzweigung des in einem Unterhaltstitel festgesetzten Betrages - ohne Prüfung der Angemessenheit - gegen § 48 Abs. 1 SGB I. Nach den hier vorliegenden Umständen sei der notwendige Selbstbehalt zur Sicherung des Lebensunterhaltes beim Bg. nicht mehr gewährleistet gewesen.

Hiergegen hat die Bf. am 02.07.2003 Beschwerde eingelegt. Mit dieser macht sie geltend, es liege ein Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG vor, denn die Abzweigung setze den Auszahlungsanspruch des Klägers herab. Daher hätten Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung. Zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung müssten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben. Es könne nicht von einer gleichrangigen Unterhaltsberechtigung aller minderjährigen Kinder ausgegangen werden. Zunächst sei nicht bekannt, ob die beiden weiteren Kinder ihren Unterhaltsanspruch auch tatsächlich geltend machten. Zudem komme den titulierten Unterhaltsansprüchen Vorrang in der Weise zu, dass grundsätzlich eine Auszahlung in der Höhe des in den Titeln festgesetzten Unterhaltes zu erfolgen habe, solange keine signifikante Einkommensverschlechterung nachgewiesen sei.

Einem rechtskräftigen und vollstreckungsfähigen Unterhaltstitel komme im Rahmen der Ermessensausübung die Indizwirkung zu, dass grundsätzlich der Betrag an den berechtigten Dritten auszuzahlen sei, welcher als Unterhaltsbetrag im Titel festgelegt ist. Dies gelte nur dann nicht, wenn bekannt werde, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsberechtigten signifikant verschlechtert haben. Die wesentliche Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse habe der Bg. nachzuweisen. Dieser Nachweis sei nicht erbracht. Bislang lägen lediglich zwei rechtskräftige und vollstreckbare Unterhaltstitel vor. Aber eine um mindestens 10 % bestehende Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse sei hieraus nicht ersichtlich. Deshalb blieben die Unterhaltstitel für das Arbeitsamt uneingeschränkt beachtlich. Der Bg. habe die Möglichkeit, die Titel im Rahmen einer Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zu korrigieren.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren zur Entscheidung dem Sächsischen LSG vorgelegt. Die Bf. vertritt die Auffassung, bei dem Bg. sei es zu keiner signifikanten Verschlechterung der Einkommensverhältnisse gekommen. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, es liege ein Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG vor, denn ohne Genehmigung des Bg. stehe die Auszahlung an die Landkreise einer Herabsetzung der Leistung gleich.

Die Bf. beantragt daher sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 23.05.2003 aufzuheben.

Nach einem rechtlichen Hinweis zur Problematik der Annahme eines Falles von § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG beantragt der Bg. nunmehr sinngemäß,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass der Widerspruch gegen die Bescheide vom 01. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 aufschiebende Wirkung hat.

II.

Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, § 173 SGG.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, zumal der Bg. nunmehr seinen Antrag entsprechend der prozessualen Situation umgestellt hat.

Die Änderung des Antrags in einen Feststellungsantrag war sachdienlich und somit entsprechend § 99 Abs. 1 SGG zulässig.

Dem Widerspruch gegen die Bescheide vom 01.07.2002 kommt aufschiebende Wirkung zu.

Ein Sachverhalt i. S. § 336a S. 1 SGB III liegt nicht vor. Bei Entscheidungen über die Herabsetzung laufender Leistungen gelten gemäß § 336a S. 2 SGB III im Übrigen die Regelungen des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG. Eine Herabsetzung oder Entziehung der Leistung liegt jedoch nicht vor, daher greift als Rechtsgrundlage für den einstweiligen Rechtsschutz auch nicht § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG ein.

Dennoch ist in Fällen, in denen - wie hier - durch die Auszahlung eines Teils der Leistungen an die Beigeladenen und nicht an den Bg. die behördliche Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes unter Missachtung der bestehenden aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs erfolgt (faktische Vollziehung) oder eine solche faktische Vollziehung droht, vorläufiger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 SGG - und nicht nach § 86b Abs. 2 - SGG statthaft. Dies folgt aus der Regelung des § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG, wonach eine einstweilige Anordnung nur statthaft ist, soweit es sich nicht um ein Aussetzungsverfahren nach § 86b Abs. 1 SGG handelt.

Es handelt sich hier um einen Fall des § 86b Abs. 1 S. 2 SGG, denn die Beteiligten streiten über den Eintritt oder Nichteintritt der aufschiebenden Wirkung i. S. dieser Regelung. Es liegt ein Fall faktischer Vollziehung trotz aufschiebender Wirkung vor. Ein solcher Streit ist dem System des § 86b Abs. 1 SGG und nicht dem des § 86b Abs. 2 SGG zuzuordnen (vgl. Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rd.-Zeichen 238 ff., zu der gleichgelagerten Problematik nach §§ 80 und 123 VwGO; entsprechend Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Rdnr. 181 zu § 80, m. w. N.; Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 04.09.2002 - Az. L 7 AL 283/02 ER - FamRZ 2003, 1334).

Voraussetzung für eine Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Bescheide vom 01.07.2002 ist, dass diesem gemäß § 86a Abs. 1 SGG eine solche Wirkung zukommt. Dies ist hier gegeben: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfällt nicht nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG (oder nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 336a Satz 2 SGB III). Danach enfällt die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen.

Die Bescheide vom 01.07.2002 haben jedoch keine laufende Leistung (teilweise) entzogen oder herabgesetzt. Denn trotz der Abzweigungsbescheide vom 01.07.2002 ist materieller Anspruchsinhaber gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit - in voller Höhe - weiterhin der Bg. Die Abzweigung führte lediglich dazu, dass die Bundesanstalt für Arbeit einen Teil des ihr gegenüber bestehenden Anspruchs des Bg. zur Erfüllung von dessen Verpflichtungen gegenüber den minderjährigen Kindern verwendet. Anspruchsberechtigt gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit verblieb demnach der Bg. (Zeihe, SGG, § 86a Anm. 4 K). Für den Fall der Aufhebung der Alg-Bewilligung ist dementsprechend ggf. der Bg. für den gesamten Betrag und nicht nur für den an ihn selbst ausgezahlten Teil der Leistungen erstattungspflichtig i. S. des § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (Urt. des BSG v. 17.01.1991, SozR 3-1300, § 50 SGB X). Maßgebender Grund hierfür ist der Umstand, dass der Bg. mit der Abzweigung eine eigene Schuld gegenüber einem Dritten, dem Unterhaltsberechtigten, erfüllt. Ausgangspunkt ist die Sonderregelung des § 336a S. 2 SGB III, die selbst bereits eine Ausnahmeregelung darstellt und als Rückausnahme (also wieder § 86a Abs. 2 SGG) eben nur für die dort genannten Fälle eingreift. Auch eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet deshalb aus. Nach dem in § 86a SGG geregelten System des vorläufigen Rechtsschutzes bei Anfechtungsklagen haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG). Diese entfällt nur ausnahmsweise bei Vorliegen der in § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG genannten Alternativen. Auch im Blick auf den Zweck von § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG war hier eine Abweichung von der allgemeinen Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich nicht analog anzuwenden sind, nicht veranlasst. Diese Norm soll die Versichertengemeinschaft davor schützen, dass - im Ergebnis - zu Unrecht eingelegte Widersprüche zu weiteren materiell-rechtlich fehlerhaften Zahlungen an die Leistungsempfänger führen, die - ggf. - später nicht mehr zurückgezahlt werden können (vgl. Pfeil, SGG, Stand 2003, Az. 10b). Gerade im Arbeitsförderungsrecht, in dem es vergleichsweise oft zu Änderungen im Leistungsbezug kommt, ist ein solcher Schutz der öffentlichen Belange gerechtfertigt.

Jedoch auch die anderen Nummern 1, 3 und 4 des § 86a SGG machen deutlich, dass es in diesen Ausnahmefällen um einen Schutz öffentlicher Interessen geht. Die aufschiebende Wirkung ist als Ausfluss effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich vom verfassungsrechtlichen Schutz des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) erfasst. Artikel 19 Abs. 4 GG gewährleistet jedoch die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es gebieten, den Rechtsschutzanspruch des Einzelnen (einstweilen) zurückzustellen (BVerfGE 51, 268, 284 unter Hinweis auf BE 32, 382, 402). Gerade § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, der die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger, insbesondere der Sozialversicherung sichern soll (BT-Drucks. 10/5943 S. 25) macht den Bezug zu öffentlichen Belangen deutlich. Auch Nr. 3 soll eine Absicherung der Versichertengemeinschaft - mit der Einschränkung - gewährleisten, dass ein belastender Verwaltungsakt vor dem Vollzug noch einmal von einer anderen, als der erlassenden Stelle überprüft werde (BT-Drucks. 14/5943 S. 25). Anders stellt sich jedoch die Situation hier dar: Die Abzweigung stellt eine Art vereinfachter Vollstreckung zur Erfüllung eines zivilrechtlichen Unterhaltstitels dar, dient also wesentlich dem Interesse des Unterhaltsgläubigers bzw. dessen sorgeberechtigten Elternteils.

In einer solchen Situation bleibt es der Bf. unbenommen, die Voraussetzungen für die Anordnung einer sofortigen Vollziehung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu prüfen und diese ggf. zu veranlassen. Allerdings dürfte es nicht unproblematisch sein, bei einer Gegenüberstellung der betroffenen Interessen die Pfändungsfreigrenzen nach den §§ 550c, 850d, 850f ZPO gänzlich unbeachtlich zu lassen.

Da die Bf. - entsprechend dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Bg. vom 08.12. 2003 - bereits seit September 2003 den zuerkannten Leistungsbetrag ohne Abzweigung auszahlt, war eine Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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