L 3 AL 301/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 672/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 301/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat die einseitige Erledigungserklärung keine eigenständige, insbesondere keine kostenrechtliche Bedeutung. Sie stellt sich - je nach prozessualer Konstellation - entweder als Klagerücknahme oder als Annahme eines Anerkenntnisses dar.
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht durch die Erklärung vom 18. September 2003 abgeschlossen wurde. II. Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Derzeit ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Rechtsstreit durch die am 18.09.2003 eingegangene Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erledigt ist. In der Hauptsache war die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen durch die Beklagte für den Zeitraum vom 01.03. bis zum 02.07.2003 streitig. Hierbei ging die Klägerin von einer Verpflichtung zur Zahlung des vollen Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 19,2 % des Bruttogehalts aus.

Die Klägerin, die von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war, meldete sich erstmals im März 1997 arbeitslos. Von März 1997 bis Oktober 2000 bezog sie sodann Leistungen der Beklagten, zunächst Arbeitslosengeld (Alg) und sodann Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Während des gesamten Leistungsbezuges ab dem 04.03.1997 zahlte die Beklagte nach Maßgabe von § 207 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) die Beiträge zur freiwilligen Rentenversicherung an den D .../Lebensversicherung AG, mit der die Klägerin damals einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen hatte.

Nach einem zwischenzeitlichen Beschäftigungsverhältnis sowie nachfolgendem Krankengeldbezug meldete sich die Klägerin erneut am 28.02.2002 arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Alhi. In dem Antragsformular wurde unter Pkt. 6 angekreuzt: "Ich war unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit pflichtversichert in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung - Ja -".

Dennoch fragte die Beklagte im Rahmen der Ermittlungen mit Schreiben vom 04.03.2002 bei der Klägerin an, ob noch eine private Rentenversicherung bestehe. Hierzu möge sie gegebenenfalls das beigefügte Formular ausfüllen.

Am 19.03.2002 sandte die Klägerin die angeforderten Unterlagen einschließlich einer Lebensversicherungspolice der G ...-AG mit Vertragsbeginn 01.05.2001 zu. Hierbei war jedoch das Formular "Sozialversicherung der Leistungsbezieher" zu Pkt. 24 nicht vollständig ausgefüllt. Mit Schreiben vom 17.04.2002 teilte die Beklagte der Klägerin zunächst fälschlicherweise mit, dass laut Anweisung die Beiträge erst gezahlt würden, wenn die Klägerin mindestens drei Monate im Leistungsbezug gestanden habe. Dennoch bat sie mit weiterem Schreiben vom 19.06.2002 um Ergänzung der fehlenden Angaben, welche die Klägerin am 28.06.2002 zusandte.

Am 03.07.2002 nahm die Klägerin wieder ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf, daher stellte die Beklagte mit Aufhebungsbescheid vom 10.07.2002 die Leistung ab dem 03.07.2002 ein.

Mit weiterem Schreiben vom 08.07.2002 wandte sich die Beklagte an die G ...-Lebensversicherungs-AG zur Ergänzung der erforderlichen Angaben. Die diesbezügliche Antwort/Bestätigung ging am 22.07.2002 bei der Beklagten mit dem Vermerk, "der Versicherungsvertrag endete am 31.12.2001" ein. Mit Schreiben vom 08. August 2002 teilte hierauf die Beklagte der Klägerin mit, eine Zahlung der Beiträge an die G ...-Lebensversicherungs-AG könne nicht erfolgen, da der Lebensversicherungsvertrag am 31.12.2001 geendet habe.

Hiergegen legte die Klägerin am 28.08.2002 Widerspruch ein, mit dem sie die Beklagte aufforderte, die Rentenversicherungsbeiträge umgehend auszuzahlen, zumal ihr bereits ein Schaden entstanden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2002 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unzulässig zurück, da er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) richte.

Auf eine weitere Nachfrage der Beklagten teilte die G ...-AG durch Schreiben vom 18.09.2002 nochmals mit, der Vertrag sei zwar wegen Nichtzahlung der Beiträge (gemäß § 39 Versicherungsvertragsgesetz) zum 31.12.2001 erloschen. Er würde jedoch fortgesetzt, wenn weiterhin eine Beitragszahlung erfolgte.

Mit weiterem Schreiben vom 14.10.2002 teilte hierauf die Beklagte der G ...-AG mit, die Beitragszahlung werde für die Zeit des Leistungsbezuges vom 01.03.2002 bis zum 02.07.2002 (monatlich 153,39 Euro; insgesamt daher 623,46 Euro) übernommen. Die genaue Beitragsberechnung enthielt ein Schreiben vom 20.12.2002, welches die Beklagte auch der Klägerin zusandte. Mit Datum vom selben Tag erfolgte die entsprechende Kassenanweisung.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 09.09.2002 hat die Klägerin am 15.10.2002 Klage zum Sozialgericht Leipzig eingelegt. Alle Grundlagen und Beweismittel der freiwilligen Rentenversicherung seien vorgelegt worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich bei der Ablehnung um einen Verwaltungsakt. Zwar habe sich für sie durch das Schreiben der Beklagten vom 20.12.2002 ein Teilerfolg ergeben; dennoch würde ihr weiterhin der volle Rentenbeitragsanspruch vorenthalten (für 2002: 19,2 %). Durch diese Verfahrensweise der Beklagten sei ihr ein Schaden von 1.227,12 Euro entstanden; dem könne nur durch die Zahlung eines Betrages von 1.370,61 Euro abgeholfen werden.

Durch Gerichtsbescheid vom 27. März 2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass kein ablehnender Verwaltungsakt vorliege. Damit fehle es an dem zwingend erforderlichen Vorverfahren nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Hiergegen hat die Klägerin am 28.04.2003 Berufung eingelegt. In ihrem Fall sei jedenfalls eine Untätigkeitsklage zulässig gewesen. Da das SG sie nicht auf eine entsprechende Umstellung des Klageantrages hingewiesen habe, liege ein Verstoß gegen Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Auf Grund dieser Rechtswidrigkeit sei der Gerichtsbescheid aufzuheben.

Hierzu hat die Beklagte eingewandt, sie halte zwar nicht mehr an der Unzulässigkeit des Widerspruchs fest, denn bei der Entscheidung vom 08.08.2002 handele es sich um einen Verwaltungsakt. Die ausstehenden Beiträge seien jedoch bereits übernommen worden; daher fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Im Erörterungstermin vom 16.09.2003 hat die mit ihrem Prozessbevollmächtigten erschienene Klägerin klargestellt, sie beantrage nunmehr nur noch den vollen Rentenversicherungsbeitrag, abzüglich bereits gezahlter 623,46 Euro, ein Schadensersatzanspruch werde nicht mehr geltend gemacht.

Mit am 18.09.2003 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin - durch ihren Prozessbevollmächtigten (Prozessvollmacht vom 03.12.2002, LSG-Akte, Bl. 8) - die Klage für erledigt erklärt.

Mit weiterem Schreiben vom 12.11.2003 hat die Klägerin jedoch mitgeteilt, die Erklärung, der Betrag von 623,46 Euro sei gezahlt worden, sei von den Vertretern der Beklagten wissentlich wahrheitswidrig abgegeben worden. Daher sei sie irrtümlich von der weiteren Verfolgung ihrer Interessen abgehalten worden. Demnach habe sich der Rechtsstreit nicht erledigt. Mit Schreiben vom 06.10.2003 war die Klägerin von der G ...-AG darüber informiert worden, dass die Zahlung des Arbeitsamtes am 30.04.2003 wieder zurücküberwiesen worden sei, weil sie den Vorschlag vom 24.02.2003 zum Ausgleich ihrer rückständigen Beiträge nicht angenommen habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. das Verfahren fortzusetzen und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2002 zu verurteilen, den vollen Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 1.163,83 Euro auszuzahlen, sowie 2. die G ...-Versicherungs-AG zum Rechtsstreit beizuladen.

Die Beklagte beantragt,

die Feststellung, dass das Verfahren abgeschlossen ist, im Übrigen hilfsweise für den Fall der Fortführung des Verfahrens, die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu hat sie ergänzend ausgeführt, sie habe erst durch das nunmehr zugegangene Schreiben von der Rücküberweisung erfahren, zumal die (Rück-)Zahlung nicht an das Arbeitsamt Leipzig, sondern die Zentralkasse erfolgt sei. Der Verbleib einer Mitteilung über diesen Zahlungsrücklauf sowie des Überweisungsträgers sei nicht bekannt. Im Übrigen sei mit Bescheid vom 20.12.2002 anerkannt worden, die von der Klägerin dem privaten Lebensversicherungsunternehmen im Zeitraum der Arbeitslosigkeit vom 01.03. bis zum 02.07.2002 geschuldeten Beiträge in Höhe von 623,46 Euro zu übernehmen. Bestehe der Versicherungsvertrag und schulde die Klägerin tatsächlich diese Beiträge, stehe einer erneuten Auszahlung nichts im Wege. Schulde jedoch die Klägerin wegen des Erlöschens des Versicherungsvertrages tatsächlich für o.g. Zeitraum keine Beiträge mehr, bestehe auch kein Anspruch auf Übernahme, so dass die Rücküberweisung durch den Versicherungsträger korrekt gewesen wäre. Bei beiden Fallgestaltungen sei die Erledigungserklärung des Rechtsstreites konsequent gewesen. Für ein weiteres gerichtliches Vorgehen habe das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Band I und II) sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Fortführungsbegehren der Klägerin ist nicht begründet, weil der Rechtsstreit auf Grund der durch den Prozessbevollmächtigten im Namen der Klägerin am 18.09.2003 abgegebenen Erklärung in der Hauptsache erledigt ist.

Die den Rechtsstreit beendende Prozesshandlung befindet sich in dem Schriftsatz an das Sächsische Landessozialgericht vom 17.09.2003, mit dem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Ergebnis der Verhandlung vom 16.09.2003 die Erledigung des Rechtsstreits erklärt, nachdem der Vertreter der Beklagten in dieser Verhandlung deutlich gemacht hatte, dass der Betrag von 623,46 Euro bereits an die G ...-AG gezahlt worden war. Da es sich hierbei um den gesamten, für den Zeitraum vom 01.03. bis zum 02.07.2002 geschuldeten Betrag handelte, ging der objektive Erklärungswert der streitigen Äußerung dahin, dass der Rechtsstreit insgesamt und ohne Einschränkung als erledigt anzusehen war.

Im Unterschied zum Zivil- und Verwaltungsprozess führt im sozialgerichtlichen Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung, die jederzeit schriftlich gegenüber dem Gericht abgegeben werden kann, zur Beendigung des Rechtsstreites in der Hauptsache. Die Erledigungserklärung hat hier (anders als nach § 91a Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO- oder § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-) keine eigenständige, insbesondere auch keine kostenrechtliche Bedeutung. Sie stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder als Klagerücknahme oder - wie in diesem Fall - als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses sowie der daraus folgenden Klaglosstellung, dar. In beiden Fällen führt die Abgabe der entsprechenden Prozesserklärung zur Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache § 101 Abs. 2, § 102 Satz 2 SGG (Urteil des BSG vom 20.11.1995 - 6 RAr KA 18/95 -; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl., Seite 255/256; Zeihe, SGG, 3. Aufl., Stand 10.04.2003, Anm. 2e zu § 101 Satz 2).

Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung, die das Gericht und die Beteiligten bindet, auch wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt wurde. Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen werden oder wegen Irrtums angefochten werden (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 102 Rdnr. 7 m.w.N.; Kramer, in: MüKo, BGB - Allgemeiner Teil, 4. Aufl., Rdnr. 41 zu § 119; Greger in: Zöllner, ZPO, 24. Aufl., Rdnr. 21-24 zu § 128).

Allerdings hat das BSG im Verfahren 9/10 Rv 31/77 (Urteil vom 14.06.1978, SozR 1500 § 102 Nr. 2) offen gelassen, ob ein Widerruf dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 578 ff. ZPO vorliegen (Anwendung auf Prozesserklärung bejahend: u.a. Stein-Jonas-Pohle, ZPO, V 6 vor § 128; BSGE 14, 138; Hess. LSG, Breith. 1958, 1098; LSG Rheinland-Pfalz, Breith. 1967, 358; ablehnend: Zeihe, SGG, 8. Aufl., Stand 01.04.2003, Rdnr. 3b zu § 102). Diese Frage kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben, weil weder Nichtigkeitsgründe nach § 579 ZPO noch Restitutionsgründe nach § 580 ZPO ersichtlich sind.

Bereits auf Grund dieser prozessualen Situation war auch dem Antrag der Klägerin auf Beiladung der G ...-AG nicht zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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