L 3 AL 183/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AL 152/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 183/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einen Leistungsempfänger, der keine unrichtigen Angaben gemacht hat, kann dann nicht vorgeworfen werden, er habe die Rechtswidrigkeit eines Bewil-
ligungsbescheides grob fahrlässig nicht erkannt, wenn die Hinweise in den ihm
zur Verfügung stehenden Merkblättern und im Bescheid selbst nicht so eindeutig
und ohne Weiteres verständlich gehalten sind, dass hierdurch zumindest erheb-
liche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides geweckt werden müssen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Juni 2001 wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 29. August 1997 bis zum 25. Januar 1998 aufgehoben und die Erstattung des überzahlten Betrages von 4.499,60 DM gefordert hat.

Die am ... 1938 geborene, verheiratete Klägerin arbeitete nach 8jährigem Schulbesuch und einer Lehre zum Feinmechaniker im P ...werk M ... (1952 - 1955) bis 1961 als Gütekontrolleurin. Nach Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit war sie von 1970 bis 1974 als Postangestellte, von 1974 bis 1989 als Postangestellte im Toto-Lotto-Dienst und von 1990 bis 1994 als Posthalterin auf einer Poststelle tätig. In der Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 1994 erzielte sie ein Bruttoarbeitsentgelt von 13.739,18 DM. Die Beklagte bewilligte der Klägerin ab dem 01. Januar 1995 Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer von 832 Leistungstagen nach einem Bemessungsentgelt (BE) von 530,00 DM wöchentlich.

Gegen die Bemessung des Alg legte die Klägerin wegen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der AFG-Leistungsverordnung 1995 Widerspruch ein, ohne diesen näher zu begründen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1997 zurückgewie

sen, weil die ab dem 01. Januar 1995 zu Grunde gelegten Beiträge zur Pflegeversicherung rechtmäßig berücksichtigt worden seien.

Zum 01. Januar 1997 wurde das BE auf 570,00 DM dynamisiert. Zu Jahresbeginn 1997 war auf ihrer Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse IV eingetragen, zum 01. Juni 1997 erfolgte ein Wechsel in die Steuerklasse V. Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 30. Juni 1997 mitgeteilt, der Steuerklassenwechsel sei zweckmäßig. Es verbleibe bei der Zuordnung zur Leistungsgruppe A.

Alg wurde zuletzt i. H. v. 233,40 DM bis 28. August 1997, mit dessen Ablauf der Anspruch erschöpft war, gezahlt.

Mit Schreiben vom 06. August 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Gewährung von Alhi von ihrer Bedürftigkeit abhängig sei. Einnahmen und Vermögen seien unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen.

Am 21. August 1997 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Alhi. Nach den Angaben im Antragsformular verfügte die Klägerin über Bankguthaben i. H. v. 9.359,00 DM sowie gemeinsam mit dem Ehegatten über ein Festkonto mit 33.000,00 DM Guthaben, welches bis zum 31. August 1998 angelegt war. Bei Auszahlung sei beabsichtigt, für das Geld ein neues Auto zu kaufen. Derzeit stehe ein Dienstwagen zur Verfügung. Weiter wurden Wertpapiere in Höhe von 32.000,00 DM angegeben, die Zinserträge von 1.200,00 DM erbrächten. Diese Wertpapiere seien für sieben Jahre fest angelegt. Auch würden die erzielten Zinsen angelegt. Die Beträge seien zur Altersvorsorge gedacht. Beiträge zur Unfallversicherung wurden mit jährlich 386,40 DM, zur Haftpflichtversicherung mit 112,90 DM jährlich und zur Lebensversicherung vierteljährlich von 229,00 DM angegeben. Die Einkünfte des Ehegatten beliefen sich auf brutto 3.500,00 DM (vor Steuerklassenwechsel auf 2.158,61 DM netto im Mai 1997 und nach dem Lohnsteuerklassenwechsel ab Juni 1997 auf 2.600 DM netto).

Ausgehend hiervon ermittelte die Beklagte unter Abzug eines Freibetrages in Höhe der fiktiven Alhi des Ehegatten von 260,40 DM, Steuern, Versicherungen und Werbungskosten von 275,21 DM und eines Pauschbetrages aus Erwerbsbezügen von 58,15 DM ein auf die Alhi anzurechnendes Einkommen des Ehegatten von 213,93 DM wöchentlich.

Mit Schreiben vom 18. September 1997 teilte sie der Klägerin mit, sie werde in den nächsten Tagen einen Bescheid erhalten, aus dem die Höhe der ihr bewilligten Alhi ersichtlich sei. Dieser Betrag stimme nicht mit dem Tabellensatz nach der gültigen Leistungsverordnung überein, weil Einkommen anzurechnen sei. Aus dem Berechnungsbogen auf der Rückseite dieses Schreibens könne sie ersehen, wie der Anrechnungsbetrag errechnet worden sei. Auf der Rückseite dieses Schreibens wurde das Einkommen des Ehegatten mit 807,69 DM angesetzt, von dem ein Freibetrag von 260,40 DM, Abzüge vom Einkommen von 275,21 DM sowie ein Pauschbetrag aus Erwerbsbezügen von 58,15 DM abgezogen wurden. Der auf die Alhi insgesamt anzurechnende Betrag wurde mit 213,93 DM beziffert. Diese Beträge stellten Wochenbeträge dar.

Mit Bescheid vom 23. September 1997 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alhi ab dem 29. August 1997 bis zum Ende des Bewilligungsabschnittes am 28. August 1998 in Höhe von 205,80 DM ausgehend von einem BE von 570,00 DM in Leistungsgruppe A nach dem allgemeinen Leistungssatz. In den für Zahlenangaben bzw. für sonstige die Leistungsbemessung betreffende Angaben vorgesehenen Feldern dieses Bescheides findet sich kein Feld, in welchem (ausdrücklich) festgestellt wird, ob ein Anrechnungsbetrag berücksichtigt wird. Ein Feld, betitelt mit "davon Abzweigungen wöchentlich DM", enthielt keine Eintragung.

Mit Bescheid vom 22. Januar 1998 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid in Anpassung der Leistung an die Leistungsentgeltverordnung 1998. Danach betrug der Leistungsbetrag der Alhi ab dem 01. Januar 1998 207,06 DM. Unter "Berechnungsgrundlagen" war das Leistungsentgelt mit 390,73 DM angegeben. In einem gegenüber dem früheren Bescheid zusätzlich aufgenommenen Feld, welches mit "davon abzusetzender wöchentlicher Anrechnungsbetrag" überschrieben war, fand sich die Angabe "0,00".

Wegen Rentenbezuges ab 01. September 1998 meldete sich die Klägerin mit am 17. August bei der Beklagten eingegangenem Schreiben zum 01. September 1998 aus dem Leistungsbezug ab. Nachdem die Beklagte im Rahmen einer "Überprüfung gemäß Einkommensteuergesetz" die erneute Ausfüllung des Zusatzblattes zur Bedürftigkeitsprüfung im Antrag auf Alhi erbeten hatte, legte die Klägerin dieses unter Wiederholung bereits bei der Antragstellung auf Alhi gemachter Angaben vor.

Aus den gegenüber den früheren Angaben zusätzlich gemachten Angaben über Zinserträge ermittelte die Beklagte intern einen wöchentlichen Anrechungsbetrag von weiteren 2,48 DM und damit einen Gesamtanrechnungsbetrag von 216,41 DM wöchentlich.

Mit Schreiben vom 25. November 1998 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, sie habe in der Zeit vom 29. August 1997 bis 28. August 1998 Alhi in Höhe von 10.769,30 DM zu Unrecht bezogen, weil ihr die Leistung ohne Berücksichtigung des Anrechnungsbetrages in Höhe von 207,06 DM gewährt worden sei. Der "Bescheid" über die Höhe des Anrechnungsbetrages von 213,93 DM sei ihr am 18. September 1997 zugesandt worden. Die Klägerin habe zwar die Überzahlung nicht verursacht, jedoch erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Leistungen nicht vorgelegen hätten. Im Vergleich zum gewährten Alg von wöchentlich 233,40 DM habe ihr dieser Fehler auffallen können.

Die Klägerin äußerte sich dahin, dass sie über keinerlei juristische Kenntnisse verfüge und den Fehler nicht habe erkennen können. Seit 1995 hätten sich im Übrigen sehr viele Regelungen und Gesetze geändert, Ende 1994 habe auch noch kein Tarifvertrag bei der Deutschen Post existiert.

Mit Bescheid vom 28. Juli 1999 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab dem 29. August 1997 ganz auf. Ab diesem Zeitpunkt habe der Klägerin keine Alhi zugestanden, da der wöchentliche Anrechnungbetrag den ungekürzten Leistungsanspruch überstiegen habe. Bei Vergleich mit dem vorher bezogenen Alg-Betrag habe sie angesichts eines Anrechnungsbetrages von 213,93 DM erkennen können, dass die Bewilligung von Alhi in Höhe von 205,80 DM bzw. ab 01. Januar 1998 in Höhe von 207,06 DM nicht korrekt gewesen sei. Die Entscheidung beruhe auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die überzahlten 10.769,30 DM seien gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit der Begründung, das Geld in gutem Glauben empfangen und zur Bestreitung ihres Unterhalts verbraucht zu haben.

Mit Schreiben vom 26. November 1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt habe wissen müssen, dass der Leistungssatz der Alhi ausgehend von dem wöchentlichen Brutto-Arbeitsentgelt von 570,00 DM 53 % betragen habe. Dies sei in dem Bescheid vom 23. September 1997 unmissverständlich mitgeteilt worden. Bei einem BE von 570,00 DM wöchentlich und einem Leistungssatz von 60 v. H. habe das Alg 233,40 DM betragen. Sie habe bei Anstellung einfachster und naheliegendster Überlegungen wissen müssen, dass die Alhi niedriger sein musste als das bisher bezogene Alg. Dass auf die Alhi eigenes Einkommen und das Einkommen des Ehepartners anzurechnen sei, habe sie an Hand des Merkblattes und des Hinweisblattes zum Antrag auf Alhi wissen müssen. Ausgehend von ihrer Bildung und ihrem beruflichen Werdegang müsse auch davon ausgegangen werden, dass sie die Ausführungen des Merkblattes habe verstehen können. Gleiches ergebe sich hinsichtlich des "Bescheides" vom 18. September 1997, mit welchem ihr mitgeteilt worden sei, dass Einkommen in Höhe von 213,93 auf die Alhi anzurechnen sei. Bei Erhalt des Bescheides vom 18. September 1997 habe ihr klar sein müssen, dass die Alhi nur äußerst gering sein könne. Ausgehend von der wöchentlichen Höhe des Alg von 233,40 DM, welches höher sein musste als die der Alhi, hätte sich unter Abzug des mit Bescheid vom 18. September 1997 mitgeteilten Anrechnungsbetrages nur noch ein Leistungssatz von 19,47 DM pro Woche ergeben. Dies habe jedoch nicht die endgültige Höhe der Alhi sein können, da der Leistungssatz der Alhi unter 233,40 DM pro Woche habe liegen müssen. Vorliegend sei davon auszugehen, dass sie diese Überlegung hätte anstellen und damit die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23. September 1997 erkennen können. Aufgrund des "Bescheides" vom 18. September 1997 zur Höhe des anzurechnenden Einkommens habe sie unter Hinzuzählung des dort mitgeteilten Anrechnungsbetrages zu der im Bescheid vom 23. September 1997 bewilligten Alhi von 205,80 DM feststellen müssen, dass sich hieraus eine ungekürzte Alhi von 419,73 DM ergäbe. Da Alhi jedoch nicht das Alg - schon gar nicht in einer derartigen Höhe - übersteigen könne, sei sie nach Erhalt des Bescheides vom 23. September 1997 verpflichtet gewesen, sich nach der Rechtmäßigkeit des Bescheides zu erkundigen. Dies habe sie jedoch zumindest grob fahrlässig nicht getan.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 führte die Klägerin aus, die Zusammenhänge, wie sie im Schreiben der Beklagten vom 1997 als selbstverständlich vorausgesetzt würden, selbst jetzt nicht nachvollziehen zu können. Ihr sei unklar, dass kompetente Ämter durch einfache Bürger, die keinerlei Kenntnisse dieser Zusammenhänge besäßen, zu kontrollieren seien. Es habe für sie keinen Grund zu irgendeinem Zweifel gegeben, da sie alle, auch das Einkommen des Ehepartners betreffenden Angaben gemacht und Unterlagen eingereicht habe. Zu einem Merkblatt fehle ihr leider jegliche Beziehung. Lediglich ein Hinweisblatt finde sich am Antrag auf Alhi, dem sie aber keine rechnerischen Zusammenhänge entnehmen könne. Aus dem "Blatt vom 18. September 1997" könne sie auch aus jetziger Sicht keinerlei Zusammenhänge mit der Berechnung von Alhi erkennen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Wesentlichen unter Wiederholung ihrer in den Anhörungsschreiben vorgebrachten Auffassungen führte die Beklagte aus, der Klägerin habe sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vom 23. September 1997 aufdrängen müssen mit der Folge, dass es einer Nachfrage im Arbeitsamt zur Rechtmäßigkeit dieser Bewilligungsentscheidung bedurft habe. Diese Nachfrage sei nicht erfolgt. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt die Rechtswidrigkeit der Bewilligungbescheide habe erkennen müssen.

Hiergegen hat die Klägerin die am 08. Februar 2000 beim Sozialgericht Dresden (SG) eingegangene Klage erhoben, mit der sie zunächst beantragt hatte, ihr auch ab dem 29. August 1997 Alhi zu bewilligen und die Rückzahlungsverpflichtung von 10.769,30 DM aufzuheben.

Dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, nach dem die Bewilligung der Alhi erst ab 26. Januar 1998 aufgehoben werden sollte mit der Folge, dass der Beklagten 6.359,70 DM erstattet werden und damit alle Ansprüche aus dem Rechtsstreit abgegolten sein sollten, folgte die Beklagte nicht. Auf Anregung des Gerichts nahm die Klägerin die Klage bezüglich des Zeitraumes vom 26. Januar 1998 bis 28. August 1998 zurück.

Mit Urteil vom 22. Juni 2001 hat das SG die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 29. August 1997 bis 25. Januar 1998 aufgehoben und eine Erstattungsforderung von 4.499,60 DM festgesetzt worden war. Die Alhi-Bewilligung sei zwar von Anfang an rechtswidrig gewesen. Der von der Beklagten korrekt errechnete Anrechnungsbetrag habe den Leistungssatz überstiegen. Eine rückwirkende Aufhebung und Erstattung für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 29. August 1997 bis 25. Januar 1998 sei jedoch nicht mehr möglich, da die Voraussetzungen des § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III nicht erfüllt seien.

Die Klägerin könne sich auf Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Bescheide der Beklagten berufen. Insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Die ihr obliegende erforderliche Sorgfalt bei der Prüfung des Bewilligungsbescheides habe sie nicht in besonders schwerem Maße verletzt, wie sich nach dem Eindruck ergebe, den die Kammer von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung ihres Lebensweges, Bildungsstandes und beruflichen Werdeganges gewonnen habe. Die Klägerin verfüge über eine normale Auffassungsgabe. Weder habe sie besondere Schwierigkeiten im Umgang mit behördlichen Schreiben noch sei ein leichtgängiges, besonders verständiges, im Einzelfall nachforschendes Vorgehen in Behördenangelegenheiten festzustellen. Auf der Grundlage dieser Auffassungsgabe habe die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23. September 1997 nicht erkannt. Der Bescheid enthalte die korrekten Bemessensgrundlagen. Auch Beginn und Dauer der Leistung seien richtig angegeben. Ein Anrechnungsbetrag sei weder angegeben noch nach dem Schema des Bescheides vorgesehen.

Auch im Zusammenspiel mit dem "Bescheid" vom 18. September 1997 werde die Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht offensichtlich. Darin sei wiederum nur der Anrechnungsbetrag enthalten. Der sich aus der einschlägigen Leistungsverordnung ergebende Tabellensatz sei ebenso wenig aufgeführt wie ein Auszahlungsbetrag. Die Kombination beider Bescheide lasse auch den Schluss zu, dass der bewilligte Leistungssatz korrekt sei, weil der anzuwendende Tabellensatz so hoch sei, dass sich selbst nach Abzug des Anrechnungsbetrages noch ein Leistungssatz von 205,80 DM ergebe. Dieser (hypothetische) Tabellensatz liege bei 419,63 DM und damit deutlich unter dem im Bescheid angegebenen Bemessensentgelt von 570 DM. Selbst ein so ermittelter Tabellensatz sei - im Abgleich mit für die Klägerin verfügbaren Daten - nicht offensichtlich falsch. Hierfür möge auch ein Indiz sein, dass die Leistungsangelegenheiten offensichtlich eine nicht unerfahrene Sachbearbeiterin in Kenntnis des geringen Tabellensatzes und höheren Anrechnungsbetrages die rechtswidrige Bewilligung von Alhi verfügt habe.

Soweit der Leistungsempfänger vor der Bewilligung korrekte Angaben gemacht habe, müsse sich die Rechtswidrigkeit der Bewilligung direkt aus den zugrunde liegenden Bescheiden ergeben. Die Klägerin sei demgemäß nicht verpflichtet gewesen, Quervergleiche zu früheren Bewilligungen der Beklagten zu ziehen. Diese Sach- und Rechtslage sei zumindest bis zum 25. Januar 1998 gegeben. Denn spätestens für den darauf folgenden Tag werde die Bekanntgabe des Änderungsbescheides vom 22. Januar 1998 gemäß § 37 Abs. 2 SGB X fingiert. Erst aus diesem werde angesichts des fehlerhaft festgestellten Anrechnungsbetrages von 0,00 DM die Rechtswidrigkeit der Bewilligung offensichtlich.

Das Vertrauen sei auch schutzwürdig gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X, da die Klägerin die erbrachten Leistungen verbraucht habe. Angesichts dessen, dass die Bewilligung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aufgehoben habe werden dürfe, seien die in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen auch nicht gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 21. August 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen ist.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien auch im noch streitigen Umfang rechtens. Nach dem Urteil des BSG vom 08.02.2001 (Az: B 11 AL 121/00 R) sei dem Leistungsempfänger, der die fehlerhafte Zuordnung nicht aus der Bescheidbegründung erkennen könne, grobe Fahrlässigkeit nur vorzuwerfen, wenn der Fehler ihm bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten aus anderen Gründen geradezu "ins Auge springe". Es stelle somit die Forderung auf, dass die Fehlerhaftigkeit so eindeutig sein müsse, dass sie "in das Auge springt", wenn sie sich nicht direkt aus dem Bescheid ergebe. Die Fehlerhaftigkeit ergebe sich zwar nicht direkt aus dem Bescheid. Durch die Zusammenschau der Faktoren, bewilligtes Alg, Kenntnis von der geringeren Höhe der Alhi, Wissen um die Anrechnung des Einkommens des Ehemanns, sei die Fehlerhaftigkeit einer Alhi-Bewilligung in Höhe von 205,80 DM jedoch eindeutig. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, dass die Alhi nur 1,00 DM unter dem Alg liege, da ihr z.B. die genauen Prozentzahlen nicht geläufig seien, ergebe sich unter Berücksichtigung des Anrechnungsbetrages eine Alhi i. H. v. 18,07 DM wöchentlich. Die Fehlerhaftigkeit habe der Klägerin damit förmlich "in das Auge springen" müssen. Das Erkennen der Fehlerhaftigkeit der Bewilligung sei der Klägerin auch subjektiv möglich gewesen. Eine etwaige Unkenntnis sei grob fahrlässig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Juni 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des SG sei zutreffend. Die Rüge der Beklagten, dass SG habe die grundsätzlichen Erwägungen des BSG verkannt, gehe fehl. Das BSG habe in der Entscheidung vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R - ausdrücklich festgestellt, dass ein Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht habe, im Allgemeinen nicht zugunsten der Fachbehörde gehalten sei, Bewilligungsbescheide des näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Vielmehr könne er davon ausgehen, dass die Fachbehörde seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetze. Grobe Fahrlässigkeit sei lediglich dann anzunehmen, wenn die zugesprochene Leistung sich aus der Bescheidbegründung nicht ergebe, also sozusagen auch einem Rechtsunkundigen "ins Auge springen müsse". Dies bedeute aber, dass sich die Fehlerhaftigkeit des Bescheides aus diesem selbst ergeben müsse. Eine Begründung oder eine nähere Erklärung, aus der der Berechnungsvorgang in Bezug auf die Höhe der Leistung erkennbar wäre, sei dem Bewilligungsbescheid nicht angefügt, so dass die Klägerin letztendlich auch die Fehlerhaftigkeit nicht habe erkennen können. Das Merkblatt für Arbeitslose habe die Klägerin nicht erhalten.

Der Senat hat das Merkblatt für Arbeitslose, "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" Stand April 1997 beigezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da der Wert der Beschwer 1.000,00 DM übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat - im Ergebnis - zu Recht die angefochtenen Bescheide im nach Klagerücknahme noch verbliebenen Umfang aufgehoben.

Zwar war der Bescheid vom 23. September 1997 rechtswidrig, da der Klägerin wegen fehlender Bedürftigkeit keine Arbeitslosenhilfe (Alhi) zustand. § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung knüpfte den Anspruch neben den hier gegebenen weiteren Voraussetzungen (Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit, Arbeitslosmeldung und Antragstellung sowie den Bezug von Arbeitslosengeld [Alg] innerhalb der Vorfrist) an das Vorliegen von Bedürftigkeit.

Gemäß § 137 Abs. 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 3, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 nicht erreicht.

Nach § 138 Abs. 1 AFG ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung neben dem Einkommen des Arbeitslosen auch das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt, als Einkommen zu berücksichtigen. § 138 Abs. 1 Satz 2 AFG bestimmt als Freibetrag einen Betrag in Höhe der Alhi nach § 136 Abs. 1, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entspricht, mindestens aber in Höhe des Betrages, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden keine Einkommensteuer festzusetzen wäre (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG-). Diesen Betrag hat die Beklagte zutreffend mit 260,40 DM ermittelt. Auch hat sie zutreffend gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 AFG das Einkommen des Ehegatten ermittelt und hiervon die gemäß § 138 Abs. 2 Satz 2 abzusetzenden Beträge berücksichtigt. Insoweit wird auf die zutreffenden Beträge auf der Rückseite des Schreibens der Beklagten vom 18. September 1997 verwiesen. Hieraus ergab sich der als Einkommen zu berücksichtigende Betrag von 213,93 DM wöchentlich.

Dieser Betrag überstieg den der Klägerin - höchstens - zustehenden Betrag der Alhi, wie er sich nach § 136 AFG ergeben hätte.

Danach beträgt die Alhi für Arbeitslose, die bzw. deren Ehegatte nicht mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 4 und 5 EStG haben, 53 vom Hundert des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Angesichts der Bestimmung des § 136 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AFG war im Falle der Klägerin das Arbeitsentgelt maßgebend, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hatte. Auch die Bemessung der Alhi war demgemäß anhand eines Bemessungsentgelt von 570,00 DM wöchentlich vorzunehmen. Daher war gemäß der § 136 Abs. 1 Satz 1 AFG anzuwendenden Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung - Leistungsverordnung - von einem Betrag von 205,80 DM auszugehen, mit der Folge, dass der Klägerin gemäß § 137 Abs. 1 keine Alhi zustand.

Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 23. September 1997 kommt vorliegend nur § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Betracht. Danach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Liegen jedoch diese "Vertrauensausschlussgründe" nicht vor, so entfällt die Anwendung des § 330 Abs. 2 SGB III und es verbleibt bei der Grundregel des § 45 Abs. 1 SGB X, dass dann, wenn ein unanfechtbar gewordener begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig ist, nur dann zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht bzw. nicht schutzwürdig vertraut hat.

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liegen nicht vor.

Nach den im Gerichtsverfahren getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen wrden, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide kannte. Als Hindernis für ein schützenswertes Vertrauen kommt demgemäß hier nur grobe Fahrlässigkeit in Betracht.

Bei der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Sozialrecht ein subjektiver Sorgfaltsbegriff zu Grunde zu legen, d.h. der Betroffene muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in einem das gewöhnliche Maß übersteigenden Ausmaß verletzt haben (BSGE 5, 267, 269; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG, Urteil vom 08. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R). Ob ein Kennenmüssen zu bejahen ist, muss unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen, entschieden werden (BSGE 5, 267). Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes - also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und der Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkte für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind (BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 121/00 R). Die Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Andererseits ist ein Antragsteller der - wie hier - selbst zutreffende Angaben gemacht hat, im Allgemeinen nicht zu Gunsten der Fachbehörde gehalten, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Vielmehr darf der Antragsteller davon ausgehen, dass die Fachbehörde nach den für die Leistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben umsetzt. Dies gilt auch, soweit der Antragsteller über seine Rechte und Pflichten durch Merkblätter aufgeklärt wurde, welche abstrakte Erläuterungen über Voraussetzungen von Ansprüchen und deren Berechnung enthalten. Anderenfalls würden Begünstigten durch Merkblätter das Risiko für die sachgerechte Berücksichtigung von eindeutigen Tatsachen durch eine Fachbehörde aufgebürdet.

Eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße liegt daher zunächst dann vor, wenn sich die Fehlerhaftigkeit aus der Bescheidbegründung selbst ergibt. Für die Kenntnis bzw. grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des Kennenmüssens der Rechtswidrigkeit genügt eine entsprechende Parallelwertung der Laiensphäre. "Kennenmüssen" ist jedoch erst dann zu bejahen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit, d.h. die Fehlerhaftigkeit des Bescheides, ohne Mühe erkennen konnte (Wiesner, von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, Rdnr. 23 zu § 45 SGB X m.w.N.). Kenntnis oder Kennenmüssen der die Fehlerhaftigkeit verursachenden Tatsachen genügt nicht (Wiesner, a.a.O. m.w.N.). Daraus ist u.a. abzuleiten, dass die Rechtswidrigkeit sich ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben haben muss und es anhand der Umstände und ganz naheliegender Überlegungen einleuchten und auffallen musste, dass der Bescheid fehlerhaft war. Kein Indiz für die Richtigkeit des Bescheides ist - entgegen der Auffassung des SG , ob - wie das SG unterstellt - eine nicht unerfahrene Sachbearbeiterin die Leistungsangelegenheit falsch behandelt hat. Ob und inwieweit die jeweils den Bescheid erlassende Sachbearbeiterin der Beklagten erfahren oder unerfahren ist, ergibt sich nicht aus dem Bescheid, sondern ist eine Tatsache, die im Allgemeinen dem Bescheidempfänger verborgen bleibt. Dafür, dass die Klägerin darum gewusst hätte, dass eine erfahrene Sachbearbeiterin ihren Bescheid verfügt hätte, spricht nichts. Dagegen dürfte nach Sachlage eher davon auszugehen sein, dass das fehlerhafte Unterbleiben der Nennung des Anrechnungsbetrages im Bescheid sowie dessen Umsetzung auf ein Versehen zurückzuführen ist, welches auch bei einer erfahrenen Sachbearbeiterin vorkommen kann.

Die grobe Fahrlässigkeit im Sinne des Kennenmüssens der Rechtswidrigkeit des Bescheides wird aber auch nicht durch die Ausführungen in dem Merkblatt I, Stand April 1997, begründet. Die Klägerin hat zwar dieses Merkblatt bei der Antragstellung auf Alhi im August 1997 erhalten, wovon entgegen ihrem - unsubstantiierten - Bestreiten auszugehen ist, da sie den Erhalt des Merkblattes durch Unterschrift bestätigt hat. Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründet im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt erkannt hat oder ohne weiteres erkennen konnte und die Aushändigung noch nicht zu lange zurücklag. Bei komplizierten Berechnungen ist in der Regel nicht von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Eine Verpflichtung zu Erkundigungen besteht nur, wenn sich dies aufdrängen musste (Wiesner, a.a.O., Rdnr. 24 SGB X m.w.N.). In dem vorliegenden Merkblatt im Kapitel 4 - S. 23 bis 29 und Kapitel 7a ("Die Bedürftigkeit") sind die entsprechenden Hinweise nicht hinreichend. Zur Berechnung der Höhe der Leistung wird lediglich angegeben, dass das zuletzt durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, die zu berücksichtigende Lohnsteuerklasse und das Vorhandensein eines Kindes i. S. des EStG von Bedeutung seien. Beziehern von Alg bzw. Alhi bereite es manchmal Schwierigkeiten, an Hand des Bewilligungsbescheides, der neben der Höhe der wöchentlichen Leistung selbst u.a. ein Bemessungsentgelt, eine Leistungsgruppe und ein Tabellenjahr ausweise, die Richtigkeit der vorgenommenen Berechnungen nachzuvollziehen. Es folgen dann Ausführungen zum allgemeinen oder erhöhten Leistungssatz, der Bedeutung der Lohnsteuerklasse, des Arbeitsentgelts als Bemessungsgrundlage. Auf S. 27 wird ausgeführt, dass das wöchentliche Bemessungsentgelt, die Leistungsgruppe, die maßgebende Leistungstabelle und der wöchentliche Leistungssatz auf dem Bewilligungsbescheid zu finden seien. An Hand der im Arbeitsamt aushängenden Leistungstabellen könne man sich von der Richtigkeit des bewilligten Leistungssatzes überzeugen. Die Höhe der Leistung könne man nicht selbst errechnen, indem z.B. vom letzten Netto-Arbeitsentgelt ausgegangen werde. Dieses werde pauschaliert, z.B. ohne individuelle Steuerfreibeträge, errechnet. Für das zugrunde zu legende Arbeitsentgelt gebe es eine Fülle von Sondervorschriften. Alg und Alhi würden jährlich der Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus angepasst, wobei vorläufig in den alten und neuen Bundesländern unterschiedliche Anpassungssätze gelten würden. Das Alg werde 1997 nicht angepasst. Das der Alhi zugrunde zu legende Arbeitsentgelt werde außerdem regelmäßig dem beruflichen Leistungsvermögen angepasst. In Kapitel 7a wird angegeben, dass die Bewilligung von Alhi von der Bedürftigkeit abhänge, anders als dies beim Alg der Fall sei. Bei der Bedürftigkeitsprüfung würden Vermögen, Einkommen und sonstige Möglichkeiten zur Einkommenserzielung berücksichtigt. Berechnungsbeispiele zur Einkommensanrechnung könnten den "wichtigen Hinweisen" entnommen werden, die im Arbeitsamt erhältlich seien. Das Einkommen des Ehegatten werde nach Abzug bestimmter Steuern, Beiträge, Werbungskosten, Freibeträgen und Unterhaltsleistungen gegenüber Dritten auf die Alhi angerechnet. Erwerbsbezüge würden um einen zusätzlichen Freibetrag vermindert. Hierdurch wird die Rechtslage nicht klar und nachvollziehbar dargestellt. Insbesondere kann hierdurch auch der Eindruck erweckt werden, dass etwaige zwischenzeitliche tarifvertragliche Lohnerhöhungen von Bedeutung seien, die entsprechend dem beruflichen Leistungsvermögen zu berücksichtigen wären. Dass dies möglicherweise die Klägerin auch so gesehen hat, legt ihre Einlassung nahe, dass 1994 noch kein Tarifvertrag bei der Deutschen Post existiert habe.

Es kann daher letztlich dahingestellt bleiben, ob die Klägerin das Merkblatt gelesen hat oder nicht, da sich aus seinem Inhalt keine wesentlichen Erkenntnisse hätten aufdrängen müssen, was die Rechtswidrigkeit des Bescheides anging.

Bei der - auch durch die Darstellungen der Beklagten im Merkblatt verdeutlichten - Kompliziertheit der anzustellenden Berechnungen kann bei dem durchschnittlichen Bildungsstand der Klägerin nicht von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Auch drängte es sich nicht auf, beim Arbeitsamt weitere Erkundigungen einzuholen. Dem Bescheid vom 23. September 1997 selbst konnte die Klägerin nicht entnehmen, ob und inwieweit ein Anrechnungsbetrag berücksichtigt wurde. Sie hatte zutreffende Angaben gemacht. Sie durfte daher grundsätzlich davon ausgehen, dass diese in die Berechnung der Beklagten eingegangen sind. Grobe Fahrlässigkeit wäre ihr insoweit nur dann vorzuwerfen, wenn der Fehler ihr bei ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten aus anderen Gründen geradezu "in die Augen springen" musste (vgl. BSG, Urteil vom 08. Februar 2001 B 11 AL 21/00 R). Dies war jedoch nicht der Fall. Das für die Beurteilung heranzuziehende Schreiben vom 18. September 1997, welches als bloße Mitteilung anzusehen ist, teilt der Klägerin zunächst mit, dass sie einen Bescheid erhalten werde, aus dem die Höhe der bewilligten Alhi ersichtlich sei, wobei der Betrag der bewilligten Alhi nicht mit dem Tabellensatz nach der gültigen Leistungsverordnung übereinstimme, weil Einkommen anzurechnen sei. Auf der Rückseite, auf die verwiesen wird, ist das entsprechende Einkommen angegeben. Im Bewilligungsbescheid vom 23. September 1997, findet sich kein Hinweis auf die Höhe des "Tabellensatzes". Der Betrag der Alhi war geringer als der Betrag des vorangehend gezahlten Alg. Die Hinweise im Merkblatt waren - wie oben ausgeführt - nicht so geartet, dass die Klägerin daraus ohne Mühe hätte erkennen können, dass die Alhi des Jahres 1997 noch geringer hätte sein müssen, als ihr im Bewiligungsbescheid bindend mitgeteilt worden war. Auch aus der Tatsache, dass der Klägerin vorangehend der Anrechnungsbetrag mitgeteilt worden war, musste sich ihr in Verbindung mit dem Merkblatt und dem Bescheid vom 23. September 1997 nicht ohne größere gedankliche Anstrengungen erschließen, dass die Alhi unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrages geringer als der Leistungsbetrag war. Gerade durch das Schreiben vom 18. September 1997 wird der Klägerin mitgeteilt, dass ihr Alhi zu bewilligen sei. Die vom SG angestellte Erwägung, dass die Kombination des Schreibens vom 18. September 1997 mit dem Bescheid vom 23. September 1997 auch den Schluss zulasse, dass der bewilligte Leistungssatz korrekt sei, weil der entsprechende Tabellensatz hoch genug sei, dass sich selbst nach Abzug des Anrechnungsbetrages noch ein Leistungssatz von 205,80 DM ergebe, ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Der "Tabellensatz" wird von der Beklagten in keiner Weise definiert. Es ist auch nicht deutlich ausgesagt (weder im Merkblatt noch im Schreiben vom 18. September 1997), dass die Anrechnungsbeträge direkt von dem zu zahlenden Leistungsbetrag abzuziehen seien. Hierbei ist der Klägerin auch zugute zu halten, dass sie im Wesentlichen "leistungsunerfahren" war. Die Alhi wurde ihr erstmals gewährt. Über die Berechnung des Alg musste sie sich vorangehend wenig Gedanken machen, da der Leistungsbezug komplikationslos verlief. Anderes könnte nur dann gelten, wenn nach den subjektiven Erkenntnissmöglichkeiten der Klägerin die von der Beklagten geforderten Überlegungen sich für die Klägerin als "mühelos" zu bewältigen darstellen würden. Dies ist jedoch angesichts des beruflichen Werdegangs der Klägerin nicht zu bejahen. Es erfordert einigen geistigen Aufwand, aus den Angaben, dass die Höhe der Leistung auch von einem Tabellensatz abhänge und ein Anrechnungsbetrag abzusetzen sei, darauf zu schließen, dass dieser Anrechungsbetrag von der wöchentlichen Leistung abgezogen werde und nicht von einem hypothetischen Tabellensatz.

Angesichts dessen, dass der Bescheid vom 22. Januar 1998, der erstmals eine Rubrik "Anrechnungsbetrag" enthielt der Klägerin als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post zugestellt gilt und sie damit (fiktiv) am 25. Januar 1998 erreicht hat, konnte der Klägerin frühestens ab diesem Zeitpunkt die Rechtswidrigkeit der Bewilligung "ins Auge springen". Ob dies angesichts des Zeitablaufs zwischen dem Erhalt des Bescheides vom 18. September 1987 nach immerhin über drei Monaten und dem zwischenzeitlichen bewilligten Alhi-Bezug zu bejahen gewesen wäre, kann der Senat offen lassen, da sich dies lediglich auf den Zeitraum ab dem 26. Januar 1998 auswirken könnte, der nicht mehr Streitgegenstand ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. -
Rechtskraft
Aus
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